Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Lesen des Gesetzentwurfes der CDU kam mir immer wieder eine Frage in den Sinn: Was von dem, was vorgeschlagen wird, ist neu? - Es ist zwar nicht neu, dass auch die CDU pauschal die Privatisierung von Leistungen und Unternehmen der öffentlichen Hand fordert, aber dass dies gesetzlich verordnet werden soll, ist dann doch neu. Ich möchte nur daran erinnern, dass wir sowohl auf der kommunalen Ebene als auch auf der Landesebene schon öfter feststellen mussten, dass sich nicht jede öffentliche Leistung pauschal privatisieren lässt.
Es kann nämlich sein, dass die öffentliche Hand auch andere Ziele verfolgt, die durchaus auch im Interesse der Bevölkerung liegen. In manchen Fällen ist eine öffentliche Trägerschaft immer noch sinnvoller. Gerade in den Bereichen, die eine hauptsächlich soziale Funktion haben, gibt es oft keine Chance, Gewinne zu erwirtschaften, sodass eine Privatisierung den Staat hier nicht von seinen Transferleistungen befreit.
Oft gibt es aber auch einen Zielkonflikt zwischen sozialen und ökologischen Zielen auf der einen Seite und wirtschaftlichen Zielen auf der anderen Seite. Bei einer Privatisierung werden die wirtschaftlichen Ziele naturgemäß überwiegen. Wie sollte ein Unternehmen sonst auch überleben können? Trotzdem kann es aber sein, dass die öffentliche Hand auch andere Ziele verfolgt. Diese Ziele können nur angemessen berücksichtigt werden, wenn eine hierfür zuständige Organisation weitgehend frei von den ökonomischen Zwängen eines privaten Unternehmens ist.
Mir geht es nicht darum, die Strukturen nicht verbessern zu wollen - eine Privatisierung kann in dem einen oder anderen Fall auch sinnvoll sein -, aber die Pauschalität, wie sie in § 1 des Gesetzentwurfes enthalten ist, lehnen wir ab.
Neu ist auch, dass die CDU in § 5 die öffentliche Hand verpflichten will, bei Förderungen die jeweiligen Landesorganisationen, also die Wirtschaftsverbände, zu beteiligen. Auch ohne diese Verpflichtung wären die Verbände heute schon auf vielfältige Art und Weise beteiligt, wenn es um Förderungen in ihren jeweiligen Bereichen geht. Die Verpflichtung hierzu geht uns zu weit. Es handelt sich hier immerhin um Steuergeld, das den Unternehmen und der Wirtschaft zugute kommen soll. Hier werden Schwerpunkte gesetzt, die politisch entschieden werden müssen. Deswegen sind wir gewählt worden. Eine gesetzlich vorgeschriebene Einflussnahme wäre unserer Ansicht nach unglücklich, zumal wir mit der Beteiligung von Wirtschaftsverbänden und Standesorganisationen eigentlich auch keine Probleme in unserem Land haben.
Das war es dann aber auch schon mit den neuen Ideen. Ansonsten soll alles das Gesetz werden, was ohnehin schon geschieht. Das Land soll beispielsweise überbetriebliche Einrichtungen fördern, Bürgschaften übernehmen oder die Kooperation mittelständischer Unternehmen fördern - alles das, was ohnehin schon geschieht.
Besonders augenfällig ist in diesem Zusammenhang § 11, in dem es um Technologieförderung geht. Sie wissen, dass auch ich durchaus den Hang habe, die Landesregierung zu kritisieren, wenn ich meine, dass im Land Schleswig-Holstein etwas falsch läuft.
In einem Gesetz aber eine bessere Technologieförderung in Schleswig-Holstein anzumahnen, bedeutet wirklich Eulen nach Athen zu tragen. Gerade hier in Schleswig-Holstein wird eine vorbildliche Technologieförderung durchgeführt,
die oft schon im sehr frühen Entwicklungsstadium ansetzt, um so die optimalen Marktchancen zu erreichen. Im Technologiebereich sind wir obenauf.
Auch wenn ich mir § 15 ansehe, muss ich sagen, dass alles, was gefordert wird, schon da ist. Es geht hierbei um die Erschließung ausländischer Märkte. Man wünscht sich Beratungsstellen im Ausland - ich nenne nur das Stichwort Hanse-Office - und man wünscht sich Markterkundung und Beteiligung an internationalen Fachmessen. Ich kann die CDU eigentlich nur auffordern, einmal den Außenwirtschaftsbericht der Landesregierung zu lesen, in dem über all diese Aktivitäten in vielfältiger Art und Weise berichtet wird. Auch hierfür brauchen wir überhaupt kein Gesetz.
Bei den Regelungen zu öffentlichen Ausschreibungen wird mir allerdings angst und bange. Bei öffentlichen Ausschreibungen sollen nicht mehr nur die Vergabebestimmungen gelten, sondern es sollen bestimmte Unternehmen bevorzugt werden. Der Wettbewerb soll zugunsten bestimmter Unternehmen ausgeschaltet werden. Wer bestimmt eigentlich, welche Unternehmen durch die im Gesetzentwurf geforderte Streuung von öffentlichen Aufträgen begünstigt werden sollen? Es mag ja sein, dass eine solche Vorzugsbehandlung am Markt vorbei in bestimmten Parteien eine gewisse Tradition hat, aber deshalb muss man dies nicht gleich in Gesetzesform gießen. In jedem Fall haben wir für solche planwirtschaftlichen Elemente im Vergabeverfahren nichts übrig. Wir sind für gleiche Startbedingungen im Wettbewerb. Wenn der Wettbewerb um Aufträge aber läuft, meine Damen und Herren, dann darf nur noch das Vergaberecht gelten. Sonst ist den wildesten Entwicklungen Tür und Tor geöffnet.
Trotz aller Kritik meinerseits möchte ich doch eine Tatsache loben. Die CDU hat sich erstmals eine Erkenntnis zu Eigen gemacht, über die wir schon seit langem gesprochen haben. Im Gesetzentwurf wird gefordert, dass bei der Vergabe von Bauleistungen die VOB und bei Lieferungen die VOL zu gelten haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die CDU erkannt hat, dass sowohl VOB als auch VOL nicht immer eingehalten werden und es notwendig ist, hier eine Ermächtigungsgrundlage in Gesetzesform zu schaffen. Das fordern auch die Bauverbände. Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder gesagt und wir sind selbstverständlich auch in Zukunft dafür offen, hier eine gesetzliche Regelung zu finden. Wir haben dies mit unserem Vergabegesetzentwurf vom Mai 2001 schon einmal versucht. Wenn Sie mit einer gleichartigen Vorlage kämen, würden wir diese selbstverständlich unterstützen.
Es bleibt aber festzuhalten, dass der Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt, nichts Neues bringt und dem Mittelstand in keiner Weise weiterhilft. Ich habe eher den Eindruck, dass die CDU lediglich auf dem Papier unbedingt etwas tun wollte, und zwar angesichts dessen, dass mit unserem Tariftreuegesetz dem Mittelstand wirklich geholfen würde und dieses Gesetz von der Wirtschaft auch begrüßt wird. Wer überlässt dem Mittelstand schon gerne alleine SPD, Grünen und SSW? Wir tun etwas und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, haben dem Mittelstand nur Placebos zu bieten.
Was muss man nun wirklich tun? Es muss zum Beispiel die Kreditversorgung für den Mittelstand sichergestellt werden. Basel II kommt nicht erst, son
dern ist schon da. Die Banken gehen immer restriktiver mit der Kreditvergabe für den Mittelstand um. Die Landesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die Kriterien zu Basel II mittelstandskonform ausgestaltet werden.
Des Weiteren müssen die bürokratischen Hemmnisse abgebaut werden. In der Tat leiden viele mittelständische Unternehmen unter der typisch deutschen Bürokratie. Wir müssen uns ein Beispiel an unseren Nachbarländern nehmen - das sagte Herr Kollege Hentschel eben schon - und diese Hemmnisse abbauen.
Weiterhin müssen wir die Lohnnebenkosten senken. Dies wird allerdings sehr schwer, da wir uns in Deutschland nicht von unserem beitragsfinanzierten Sozialsystem verabschieden wollen. Solange das nicht geschieht, werden wir nur Erleichterungen im „0,-Bereich“ möglich machen können. Das ist nicht ausreichend. Will man den mittelständischen Unternehmen nachhaltig helfen, muss das deutsche Sozialsystem hin zu einem steuerfinanzierten Sozialsystem umgebaut werden.
Wie können nun die CDU und die FDP dem Mittelstand helfen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können helfen, indem Sie mit dafür sorgen, dass der Wettbewerb wieder eine Chance erhält. Sorgen Sie mit uns dafür, dass die Tariftreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen eingehalten wird!
Wenn Sie für unser Tariftreuegesetz stimmen, stimmen Sie für die Interessen des Mittelstandes in Schleswig-Holstein. Sorgen Sie mit dafür, dass wir ein Register über unzuverlässige Unternehmen bekommen! Wenn Sie diese beiden Gesetze mit unterstützen, tun Sie wirklich etwas für den Mittelstand.
Im Gegensatz zu Karl Otto Meyers seinerzeitiger Einschätzung kann ich heute allerdings nur sagen: Den vorliegenden Gesetzentwurf für ein so genanntes Mittelstandsförderungsgesetz kann man auch in den Ausschussberatungen nicht so verbessern, dass man ihm noch etwas Positives abgewinnen könnte.
(Beifall bei SSW und SPD - Heinz Maurus [CDU]: Diese Rede zeugte nicht von wirt- schaftspolitischer Kompetenz!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte bleibt unvollständig, wenn wir nicht das nennen, was wir im Moment nicht durchsetzen können. Ich beziehe mich hier auf das, was vonseiten der Bundesregierung in Berlin für den Mittelstand getan werden muss. Es ist Aufgabe gerade der Regierungsfraktionen, in dieser Hinsicht tätig zu werden. Ich will die wichtigsten fünf Punkte kurz nennen.
Erstens. Derzeit wird der Mittelstand mit einem Spitzensteuersatz von 47,5 % geradezu diskriminiert. Die Kapitalgesellschaften können sogar ihre Managergehälter als Kosten absetzen. Der Unternehmer kann seinen Lohn aber nicht auf gleiche Weise absetzen. Diese Ungerechtigkeit würde durch eine rechtsreformneutrale Betriebssteuer vermieden. Diese ist anzustreben.
Zweitens. Zur Verbesserung der erbärmlichen Eigenkapitalquote, die eines der größten Probleme des Mittelstandes in Deutschland ist, ist es nötig und unerlässlich, die im Unternehmen verbleibenden Gewinne steuerfrei zu stellen. Dadurch, dass Ludwig Erhard einst nach diesem Prinzip verfahren hat, wurde das Wirtschaftswunder in Deutschland überhaupt erst möglich.
Drittens. Flächentarifverträge für mittelständische Unternehmen in den neuen Bundesländern oder in ungünstigen Lagen auch bei uns sind fragwürdig. Ich will das erklären. Der Grundsatz der Tarifautonomie macht in größeren Betrieben Sinn. Aber in Kleinbetrieben macht das überhaupt keinen Sinn, weil Kleinbetriebe wirtschaftlich dadurch oft erwürgt werden und ihnen keine Zukunftschance bleibt. Das weiß jeder, der für den Mittelstand arbeitet.
Viertens. Die Betriebsübergabe mittelständischer Personenunternehmen in die nächste Generation muss dadurch erleichtert werden, dass sie weitgehend steuerneutral bleibt. Wenn das nicht gelingt, werden im nächsten Jahr wieder weit über 100.000 mittelständische Betriebe in Deutschland im Rahmen des Übergangs verschwinden und damit einige 100.000 Arbeitsplätze.
Fünftens. Gestern und vorgestern stand in der „Welt“ und in anderen Zeitungen, dass die Bundesregierung erwägt, eine Gewerbesteuer für Selbstständige
Selbstständigkeit hat derzeit in Deutschland einen Zuwachs von 7 % bis 8 % und damit den höchsten Zuwachs im Arbeitsplatzbereich überhaupt. Vermehrt sind es Dienstleistungen, in denen sich Menschen selbstständig machen, die keinen Arbeitsplatz mehr finden. Das heißt, es handelt sich um eine Art Notselbstständigkeit von Menschen, Jüngeren und Älteren, die sich nicht mit der Arbeitslosigkeit abfinden. Wenn wir da noch eine Steuer draufsetzen, dann garantiere ich Ihnen, dass wir auf diesem Sektor weitere Niedergänge erleben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weil Ihnen das Argument mit der Gewerbesteuer offenbar gut gefallen hat, möchte ich zwei Anmerkungen machen.
Zweitens. Seit neuestem kann die Gewerbesteuer von der Einkommensteuer abgezogen werden. Somit möge man bitte die Nettobelastung im Blick haben, nicht nur die Bruttobelastung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde es ausgesprochen gut, dass der Landtag zu dieser prominenten Zeit das Thema Mittelstandspolitik diskutiert. Vielleicht wäre es noch besser gewesen, wir hätten das gestern statt der Aktuellen Stunde zu Beginn dieser Landtagstagung in den Mittelpunkt gestellt.