Protocol of the Session on July 12, 2000

a) Ostseekooperation

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/202

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/263

b) Sicherheitskooperation im Ostseeraum

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/208

c) Bericht über die Schleswig-Holstein-Büros im Ostseeraum

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/109

Zunächst erteile ich zum Bericht der Landesregierung Frau Ministerpräsidentin Simonis das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnetenkollegen! Im Januar traf sich Bundeskanzler Schröder hier in Kiel mit den Ministerpräsidenten von Dänemark, Schweden und Finnland

(Zuruf von der CDU)

zu einem Gedankenaustausch und Arbeitsgespräch über die so genannte Northern Dimension, die die Finnen vorgeschlagen hatten, insbesondere, um den so genannten People-to-People-Approach zu besprechen, nämlich welche Rolle kann welche Region übernehmen - Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg. Im April besuchte Bundeskanzler Schröder das Gipfeltreffen der Regierungschefs des Ostseerates in Kolding. Am 5. Juni fand im norwegischen Bergen ein Treffen der Außenminister aus den Ostseeratsstaaten statt. Anfang Juni reiste Gerhard Schröder als erster deutscher

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Bundeskanzler überhaupt in die drei baltischen Staaten.

(Beifall bei der SPD)

Am 29. Juni - immerhin schon - beschäftigte sich der Deutsche Bundestag zum ersten Mal in einer Debatte mit dem Thema Ostseekooperation. Und seit dem 1. Juli hat Deutschland zum ersten Mal in seiner Geschichte den Vorsitz des Ostseerates inne.

Schon allein diese kurze Aufzählung aus der ersten Hälfte dieses Jahres - die weiß Gott nicht alles beinhaltet, was noch alles stattgefunden hat - zeigt, wie viel Bewegung in die deutsche Ostseepolitik gekommen ist.

Ostseekooperation wird von der Bundesregierung nicht mehr als schleswig-holsteinisches oder norddeutsches Steckenpferd von ein paar Leuten hinter dem Deich angesehen, Ostseekooperation ist eine ernst zu nehmende Komponente europäischer Politik und sie ist zugleich ein großer Vorteil für die Zukunftschancen in unserem Land.

Heute bestätigt sich, dass die SPD mit Björn Engholm und dann auch mit Gerd Walter in Schleswig-Holstein vor zwölf Jahren das richtige Gespür hatte. Und es bestätigt sich, dass das, was wir heute fortsetzen, das Richtige auf dem richtigen Weg ist.

(Beifall bei der SPD)

Der Ostseeraum hat nicht nur hervorragende ökonomische Entwicklungsperspektiven, sondern in der volkswirtschaftlichen Zusammenarbeit der Anrainerstaaten liegen auch für die soziale, politische und gesellschaftliche Integration in der Region große Chancen und große Verantwortung bei uns, die wir versprochen haben, uns darum kümmern und bemühen zu wollen, den Menschen bei dem Übergang aus der alten Wirtschaft, die sie kannten, aus der alten Zeit in die moderne europäische Zeit, die Ost- und Westeuropa sowie Nord- und Südeuropa umfasst, zu helfen.

Wir wollen, dass Schleswig-Holstein in Zukunft ein Motor bei der Entwicklung in diesem Raum bleibt, dass wir endlich aufhören zu glauben, wir befänden uns in einer Randlage oder einer Randposition, sondern dass wir merken, wir sind sozusagen mittendrin im Geschehen.

Meine Landesregierung wird deshalb weiterhin einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Ostseekooperation legen. Es gilt, die geographische Lage unseres Landes in einer der viel versprechendsten Boomregion Europas zu nutzen und unsere Stärken mit denen unserer Nachbarn intelligent zu verknüpfen. Das gilt übrigens nicht nur für Wirtschaft und Politik, sondern auch für den kulturellen und sozialen Austausch, für Jugendbe

wegungen und Wissenschaftsprogramme rund um die Ostsee.

Ein wichtiges Element unserer Ostseepolitik sind die Schleswig-Holstein-Büros im Ostseeraum. Sie stellen wichtige Kontakte her, sind Anlaufstellen - man weiß, wo sie sind, man kennt sich, sie helfen. Sie sind die Ansprechpartner für Unternehmen, die sich vor Ort engagieren wollen, sie stoßen neue Projekte an, die dann die Kooperation weiter vertiefen und stärken. Mit der Unterstützung von Wirtschaft und Verbänden aus dem Land Schleswig-Holstein ist es in den vergangenen Jahren gelungen, ein dichtes Netz der Kommunikation und Zusammenarbeit zu knüpfen. Die Knotenpunkte in diesem Netz sind die Schleswig-HolsteinBüros, die für das positive Image unseres Landes bei den Freunden und Partnern in der gesamten Region von unschätzbarem Wert sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe übrigens ausdrücklich auch der SchleswigHolsteinischen Landesbank zu danken, die ja durch ihre Repräsentanzen vor Ort dafür sorgt, dass wirtschaftliche Bewegung in das Ganze hineinkommt und dass sozusagen Schneisen geschlagen werden, in denen sich deutsche Unternehmen - vor allem unsere mittelständischen schleswig-holsteinischen - leichter bewegen können.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und F.D.P.)

Die Landesregierung legt Ihnen heute einen Bericht vor, der ausführlich die praktische Arbeit in jedem unserer Büros beschreibt. Als Ergebnis steht fest, Schleswig-Holstein ist gut darauf vorbereitet, die positiven ökonomischen und politischen Entwicklungen in dieser Region für sich zu nutzen, allerdings nicht nur eifersüchtig für sich, sondern durchaus auch für andere.

Ich will Ihnen hier nur einige Beispiele nennen, die zeigen, wie es mit den Repräsentanzen weitergehen wird. Am 7. Juni habe ich in der litauischen Hauptstadt Vilnius gemeinsam mit Bundeskanzler Gerhard Schröder ein neues Schleswig-Holstein-Büro eröffnet. Das Haus ist übrigens architektonisch allererster Sahne. In der Oblast Kaliningrad wollen wir im nächsten Jahr ein eigenes Büro einrichten. Nach dem Abschluss der beiden Memoranden mit der Landesregierung und dem Landtag ist der Umfang der Projekte deutlich gewachsen. Darauf reagieren wir, aber wir wissen, dass wir vor allem auf sozialem Gebiet zunächst mithelfen müssen, um dort das Vertrauen in weitere Entwicklungen zu sichern und zu festigen.

Unser Kontaktbüro in Malmö werden wir schrittweise zu einer schleswig-holsteinischen Verbindungsstelle

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

in der Øresund-Region ausbauen. Im Übrigen: Die Zahlen, die über die ersten, angeblich so wenigen, Autos, die über den Øresund gefahren sein sollen, veröffentlicht worden sind, stimmen natürlich nicht. Aber das kann passieren. Wenn man da so steht und nur bei jedem fünften Auto auf den Zähler drückt, dann kommt ein bisschen wenig zusammen. Diese Brücke scheint sich also als eine sehr große und glückverheißende Investition herauszustellen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Wir sind froh, dass wir in dieser Region in Malmö in der Boomregion südliche Ostsee direkt vor Ort vertreten sind.

(Zuruf)

- Keiner von Schleswig-Holstein, meine Damen und Herren!

Die erfolgreiche Arbeit der Schleswig-Holstein-Büros in Tallinn und Danzig werden wir gemeinsam mit der IHK zu Kiel weiterführen. Damit stärken wir erfolgreiche Strukturen der Kooperation und bauen sie noch weiter aus. Schleswig-Holstein zeigt also buchstäblich Flagge in den für uns politisch und ökonomisch wichtigen Anrainerstaaten der Ostsee. Mit der Entscheidung, das Netz der Schleswig-Holstein-Büros auszubauen, setzen wir in unserer Ostseepolitik auf Kontinuität.

Das zweite Thema der heutigen Debatte steht dagegen für einen Ausblick in die Zukunft der Ostseeregion. Wie wird die Rolle dieser Region in einer erweiterten Europäischen Union aussehen? Was muss geschehen, um den Ostseerat unter grundlegend veränderten Rahmenbedingungen zu einem effizienten politischen Gremium zu machen? Und was muss geschehen, damit die Beitrittsländer recht schnell in der Lage sind beizutreten und wir in der Lage sind, sie aufzunehmen?

Die Übernahme des Vorsitzes des Ostseerates durch Deutschland ist ein guter Anlass, diese Fragen hier heute im Landtag zu diskutieren. Dabei geht es in erster Linie um die Perspektiven der Ostseekooperation insgesamt und um die Erwartungen an den deutschen Vorsitz.

Wenn wir dem Landtag den Ostseebericht der Landesregierung in der September-Tagung vorlegen, werden wir diese Perspektiven um die konkrete Ostseepolitik hier in Schleswig-Holstein ergänzen.

Mehr als zehn Jahre lang hat sich Schleswig-Holstein als Gründungsmitglied der Europäischen Union und größtes Mitgliedsland in der Ostseekooperation auf die Rolle eines distanzierten Beobachters beschränkt. Das wäre heute nicht mehr zu verantworten und ökono

misch ziemlich dumm. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat zusammen mit der neuen Bundesregierung diese Haltung geändert. Und das wird sich auszahlen, weil wir jetzt plötzlich merken, wie groß das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Deutschland ist.

Schleswig-Holstein und die norddeutschen Länder werden die Bundesregierung während der Zeit ihres Vorsitzes im Ostseerat nach Kräften unterstützen. So hat die Landesregierung Schleswig-Holstein am 1. Juli 2000 die Koordination der norddeutschen Länder in der Ostseezusammenarbeit übernommen.

Außerhalb meines Manuskriptes möchte ich sagen: Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie Ideen haben, die Sie über diesen Mann vielleicht mit in den Prozess einbringen wollen, dann würde ich das durchaus nutzen; denn er sitzt jetzt im Auswärtigen Amt und kann bei der Vorbereitung von Tagesordnungen beziehungsweise von Punkten, die brennen, durchaus auch Hinweise von Parlamentariern und nicht nur die von Verwaltung, Regierung und Wissenschaft gebrauchen.

(Beifall bei SPD, CDU und F.D.P.)

Aus unserer Sicht hat ein Ziel Priorität: Die Rolle des Ostseerates muss neu definiert werden. Entschiedener als bisher muss er eigene politische Ziele für die Entwicklung der Region formulieren und festlegen, welche Projekte dafür vorrangig sind. Wir laufen mit unseren Entscheidungen noch ein klein bisschen hinterher. Es ist nämlich wichtig, die regionalen, lokalen und nicht staatlichen Zusammenschlüsse im Ostseeraum miteinander zu verknüpfen, einzubeziehen und auf ihre Kenntnisse zurückzugreifen. Nur so kann es uns überhaupt gelingen, die gemeinsamen Interessen der Regionen in Brüssel kraftvoll zu vertreten. Dabei gilt es, drei zentrale Aufgaben zu lösen.

Erstens. Wir dürfen nicht zulassen, dass im Zuge des Erweiterungsprozesses neue soziale und ökonomische Trennlinien in der Ostseeregion entstehen. Zur Erweiterung gehört zwingend eine soziale Dimension.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Tradition des europäischen Sozialstaates ist ein Pluspunkt, der in der Zwischenzeit sogar von den Amerikanern als solcher erkannt wird. Umso mehr sind wir verpflichtet, ihn hier in Europa hochzuhalten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Bei Forschung, Entwicklung und Handel in den IT- und Multimediabranchen ist die Ostseeregion