Protocol of the Session on July 12, 2000

„Saldiert mit den hier Studierenden aus anderen Bundesländern hat das Land mit knapp 30 % den größten relativen Studierendenexport von allen Bundesländern. Auf dieses Potential kann das Land im Interesse des Bedarfs an hochqualifiziertem Nachwuchs nicht verzichten.“

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Bei den Universitätsstudiengängen liegt der Studentenexport Schleswig-Holsteins mittlerweile nicht mehr bei 30, sondern bei über 34 %. Zwischen der Zahl der aus Schleswig-Holstein stammenden, an Universitäten in Deutschland eingeschriebenen Studenten und der Zahl der Universitätsstudenten in Schleswig-Holstein liegt - in absoluten Zahlen - eine Differenz in der Größenordnung von 13.000. Das heißt, kein anderes Bundesland exportiert so viel Humankapital wie dieses Land Schleswig-Holstein.

Mit der von Landesregierung und Kieler Unirektorat geplanten, in einer Zielvereinbarung bereits im Umfang, nämlich im Umfang von 200 Stellen, festgelegten Kürzung im Personalbereich bei der Uni würde sich diese Schlusslichtrolle unseres Landes noch weiter verstärken. Nach Überzeugung der F.D.P.-Fraktion ist diese Entwicklung nicht hinnehmbar. Wir wollen, dass der Landtag sich den Strukturfragen unserer Hochschullandschaft stellt und bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen Farbe bekennt, welche landespolitischen Schwerpunkte dieses Parlament als Haushaltsgesetzgeber und - ich zitiere Artikel 10 der Landesverfassung - als oberstes Organ der politischen Willensbildung zu setzen bereit und in der Lage ist. Jede andere Entscheidung wäre eine Flucht aus der politischen Verantwortung. Jede andere Entscheidung wäre eine hochschulpolitische Bankrotterklärung der Landtagsmehrheit.

Der von uns eingebrachte Antrag will nichts anderes erreichen, als dass die zurzeit öffentlich diskutierten

Strukturentscheidungen im Bereich der Kieler Uni, die Gesprächsgegenstand zwischen Ministerium und Leitung der Universität sind, im Kontext der anstehenden Haushaltsberatungen erörtert werden, damit wir als Landtag ein Votum abgeben und sagen können: Das wollen wir nicht. - Das hat auch zur Folge, dass für den nächsten Haushalt bestimmte Entscheidungen zu treffen sind.

Falls sich die Mehrheit des Landesparlaments dieser Diskussion nicht stellen will, leistet sie aktive Beihilfe zur Demontage der Universität und verzichtet darauf, Hochschulpolitik - wie es der alte Landeshochschulplan von Herrn Engholm formuliert hat - als wesentliches Element einer zukunftsgerichteten Strukturpolitik zu gestalten.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Würde sich der Landtag in diese Zukunftsdebatte nicht einschalten, dann überließe er einen wesentlichen landespolitischen Gestaltungsbereich einer Absprache zwischen Wissenschaftsministerium und Rektorat, einer Absprache, die offenbar bereits während der Parlaments- beziehungsweise Semesterferien, die unmittelbar bevorstehen, zu bestimmten Entscheidungen führen soll. Hier vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, kann nicht dem Selbstverständnis eines Landesparlaments, das als Haushaltsgesetzgeber die Mittel für den Hochschulbereich bereitstellt, entsprechen. Abgeordnete, die das zulassen, würden sich wirklich zu parlamentarischen Stimmvieh degradieren lassen.

Heute wird jedenfalls sichtbar, dass das Wissenschaftsministerium - das sage ich an Ihre Adresse, Frau Erdsiek-Rave - die Öffentlichkeit und das Parlament über die tatsächlichen Probleme der Kieler Universität getäuscht hat. Als im November letzten Jahres von der Universität eine Finanzierungslücke im Personalbereich in der Größenordnung von 6,7 Millionen DM genannt wurde, erklärte das Ministerium - siehe „Kieler Nachrichten“ vom 11. November 1999 -, dies sei eine Phantomrechnung. In den „Kieler Nachrichten“ vom 9. Februar 2000 wird Herr Staatssekretär Stegner mit der Aussage zitiert, die Zahlen der Universität entbehrten jeglicher Realität.

Jetzt ist die Finanzierungslücke der Uni, die es angeblich überhaupt nicht gab, die man uns und der Öffentlichkeit als ein Phantom präsentiert hat, plötzlich eine harte Wirklichkeit. Am 3. Juli hat Ministerin Frau Erdsiek-Rave zusammen mit dem Rektor der Universität eine Zielvereinbarung unterschrieben, in der diese Wirklichkeit nun plötzlich mit folgenden Worten dargestellt wird - ich zitiere aus der am 3. Juli 2000 unterzeichneten Zielvereinbarung -:

(Dr. Ekkehard Klug)

„Die Universität hat in den vergangenen Jahren erhebliche Kürzungen im Haushalt hinnehmen müssen, die in zahlreichen Fächern zu Personaleinsparungen geführt haben. Um die finanzielle Ausstattung des Personalhaushalts auszugleichen“

- das ist die Einräumung der Defizite

„und mittelfristig Spielräume für neue innovative Profile in Forschung und Lehre zu erhalten, wird die Universität bis zum 31. Oktober 2000 ein neues Strukturkonzept erarbeiten. Im Rahmen dieses Strukturkonzepts werden zirka 100 Stellen abgebaut und weitere zirka 100 Stellen für neue innovative Konzepte umgewidmet.“

Die F.D.P.-Fraktion wendet sich nicht gegen den Umbau, gegen Umstrukturierungen beziehungsweise die Neueinrichtung von innovativen Bereichen. Aber wir meinen, dass es hierbei auch um Fragen der Strukturentwicklung der Hochschullandschaft geht. Auch an dieser Stelle hat das Parlament als Haushaltsgesetzgeber mitzureden. Wogegen wir uns entschieden wenden, ist der in der von Ihnen mit dem Rektorat unterzeichneten Zielvereinbarung vereinbarte Stellenabbau bei der Hochschule, die Demontage der Universität Kiel, die mit der Reduzierung in dem hier fixierten Umfang bevorsteht. Wir halten es für unvorstellbar, dass das Parlament der Regierung und der Universität für solche Entscheidungen eine Blankovollmacht erteilt und sich aus der Diskussion verabschiedet.

Dies gilt umso mehr angesichts der Beliebigkeit, mit der man in den letzten Wochen mal diesen, mal jenen Wissenschaftsbereich als Opfer für eine Amputation der Universität ausersehen hat. Zuerst kursierte im März eine Sparliste mit flächendeckenden Einschnitten bei der Informatik. - Hört, hört! Gab es nicht einmal das Stichwort „Fachkräftemangel im IT-Bereich“? Die Abschaffung einer Informatikprofessur stand in der Märzliste. Es war auch von Einschnitten bei der Theoretischen Physik die Rede; das ging dann bis hin zu Einschnitten bei Jura und vielen geisteswissenschaftlichen Fächern. Das war eine große Palette von Kürzungsansätzen quer durch viele Bereiche. Praktisch das gesamte Spektrum der Kieler Universität war betroffen. Das war die Ausgangslage im März.

Neuerdings - so scheint es - hat man die Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät mit ihren 180 Stellen als Schlachtopfer ausersehen. Die Beliebigkeit, dass mal Einschnitte in diesem, mal Einschnitte in jenem Bereich vorgesehen werden, zeigt, dass hinter den so genannten Strukturveränderungsplänen keine hochschulpolitische Konzeption, sondern ein

bloßer Kürzungs- und Streichungswille steht - nichts anderes!

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Wenn es denn jetzt um die Agrarfakultät gehen soll, dann passt dazu eigentlich kaum, dass Herr Wirtschaftsminister Rohwer gestern in einem „sh:z“Interview beredt für eine engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft plädiert hat. Wenn es sich die Landesregierung, Herr Rohwer und Frau Erdsiek-Rave, wirklich zum Ziel gesetzt hat, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu stärken, dann frage ich Sie: Warum guckt man sich mit der Agrarfakultät ausgerechnet einen Universitätsbereich aus und gibt ihn zum Abschuss frei, der die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft praktiziert wie kaum ein anderer Bereich in der Universität,

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

der auf hohe Drittmitteleinwerbungen verweisen kann und der unlängst zum Beispiel Stiftungsgelder für eine Professur für Lebensmitteltechnologie erhalten hat? Für ein Bundesland mit vielen Unternehmen in der Ernährungswirtschaft ist das doch nicht unwichtig. Eine Regierungsfraktion hat ja die Katze aus dem Sack gelassen und diese Fakultät zum Abschuss freigegeben. Dazu werden sich die Grünen, wie ich hoffe, nachher noch äußern.

Der Struktur- und Entwicklungsplan der Kieler Universität für die Zeit von 1999 bis 2005 stellt zur Fakultät für Agrar- und Ernährungswissenschaften folgendes fest - ich zitiere -:

„Eine Besonderheit der Fakultät besteht in der starken Ausstrahlung auf die Praxis.“

So dieses Ergebnis! Dass nun ausgerechnet diese Fakultät, zumal unter der Zielsetzung, die Herr Rohwer gestern im „Flensburger Tageblatt“ vorgetragen hat, zur Disposition gestellt werden soll, ist schlicht und ergreifend nicht verständlich.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Am 28. Juni hat das Wissenschaftsministerium durch dessen Staatssekretär gegen den von uns vorgelegten Antrag argumentiert, man solle der Universität nicht in den Profilbildungsprozess dreinreden. Das ist nun geradezu eine kuriose Gegenargumentation. Ich frage Sie: Würde die Landesregierung etwa genauso argumentieren, wenn in der Universität etwa die Zukunft der Technischen Fakultät zur Disposition gestellt werden würde? Soll der Landtag etwa Haushaltsmittel für die Universität bewilligen, ganz egal, welche Verwendungszwecke sich Universität und Ministeri

(Dr. Ekkehard Klug)

um dafür ausdenken? Ist es etwa keine politische Einmischung, kein Dreinreden, wenn Frau Landwirtschaftsministerin Franzen erklärt, die Uni werde sich „warm anziehen“ müssen, wenn sie eine Abkehr von den Agrarwissenschaften plane, wie es im „Flensburger Tageblatt“ vom 8. Juli nachzulesen war? Ist es etwa kein Dreinreden in Angelegenheiten der Uni, wenn Herr Stegner auf meine Frage nach der Zukunft eines anderen Fachs - so nachzulesen im Protokoll des Bildungsausschusses des Landtages vom 17. Juli des letzten Jahres - „die Auffassung bekräftigt, dass in Kiel Politikwissenschaft als eigenes Fach in der erforderlichen fachlichen Breite mit mindestens zwei Disziplinen angeboten werden müsse“? - Das ist kein Dreinreden, Herr Stegner?

Solche Beispiele zeigen, was von dem von Herrn Stegner am 28. Juni in einer Presseerklärung des Wissenschaftsministeriums vorgetragenen Einwand gegen unseren Einwand zu halten ist - nämlich gar nichts!

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Die Strukturfragen im Hochschulbereich sind, da Universitäten und andere Hochschulen nun einmal Geld kosten, auch Haushaltsfragen. Deshalb gehört die Strukturdebatte über die Kieler Universität in den Kontext der anstehenden Haushaltsberatungen. Genau das wollen wir.

Wenn die Landespolitik es will, dann ist die Unterfinanzierung der Kieler Universität kein unausweichliches Schicksal und die Zerschlagung wichtiger Fachgebiete ist durchaus vermeidbar. Das Personalkostendefizit in einer Größenordnung von 7 Millionen DM könnte durch Umschichtungen und durch eine Schwerpunktsetzung in einem Landesetat mit mehr als 14 Milliarden DM Volumen ohne Weiteres ausgeglichen werden. Das wissen Sie und das hat die F.D.P.Fraktion im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen deutlich gemacht und untermauert.

Für den langfristigen Investitionsbedarf bei der sächlichen Ausstattung, der Geräteausstattung, und bei den notwendigen baulichen Investitionen ist in der Tat vieles in den nächsten Jahren sicherlich nicht nur in der Universität Kiel, sondern auch an den anderen Hochschulen zu machen. Für diese Aufwendungen, die in den kommenden Jahren im Hochschulbereich auf uns zukommen werden, schlägt die F.D.P.-Fraktion eine Finanzierungsmöglichkeit vor, für die im Übrigen der Herr Landesfinanzminister Möller bereits im vergangenen Jahr im Kontext der Haushaltsberatungen gleichsam den Weg gewiesen hat. Er hatte nämlich ursprünglich in seinem Haushaltsentwurf für das Jahr 2000 vorgeschlagen, für die Inanspruchnahme des Haftkapitals, das das Land der Landesbank zur Verfügung stellt, eine höhere Vergütung einzusetzen, und

zwar eine Steigerung der Vergütung hierfür von bisher 0,6 % auf künftig 1,8 %. Das ist weit entfernt von den 9,3 %, von denen in der Auseinandersetzung zwischen der EU-Kommission und der WestLB die Rede ist. Das haben Sie in einer Landtagsrede einmal selbst so beziffert, Herr Minister, und ich hoffe, es ist eine zutreffende Zahl, die Sie, Herr Möller, dem Landtag da im vergangenen Jahr genannt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei F.D.P. und CDU)

Die Möglichkeit, dass wir mit einer von Ihnen ja veranschlagten Erhöhung der Vergütung für die Inanspruchnahme des Haftkapitals, das das Land der Landesbank zur Verfügung stellt, von 0,6 % auf 1,8 % Einnahmen in Höhe von 68 Millionen DM erreichen können, haben Sie nicht wahrgenommen und haben den Betrag im Rahmen der Nachschiebeliste um 40 Millionen DM gesenkt. Wir meinen, dass diese 40 Millionen DM, also eine Verzinsung von 1,8 %, durchaus vertretbar, angemessen und auch realisierbar sind, und wir möchten gern diese 40 Millionen DM künftig als Bildungsdividende für Investitionen im Bereich Bildung und Wissenschaft nutzen. Das ist allemal besser, als das Vermögen eines Landes und die erfolgreiche Tätigkeit einer Landesbank für den Aufbau einer staatsnahen Flugbereitschaft zu nutzen, wie das anderswo passiert ist.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Das ist der Vorschlag der F.D.P.-Fraktion. Wir meinen, dass es Wege gibt, die Finanzprobleme im Hochschulbereich zu lösen, wenn man es politisch will und wenn man die Fähigkeit hat, auch Schwerpunkte zu setzen. Lieber Kollege Neugebauer, wir rufen Sie auf, da mitzutun, statt buchhalterisch eine Universitätseinrichtung zu demontieren, von deren Zukunft dieses Land in entscheidendem Umfange abhängt.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe eine Anmerkung zur Geschäftslage zu machen. Obwohl nicht beantragt, habe ich Herrn Abgeordneten Dr. Klug vier Minuten zusätzliche Redezeit gewährt. Das werde ich auch bei jedem weiteren Einzelbeitrag tun.

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat ein ungewöhnlicher Vorgang, dass im Parlament ein Antrag gestellt wird, die Gremien der Hochschulen aufzufordern, sich mit einer Vorlage der Hochschulleitung nicht zu befassen. Das ist ein ungewöhnlicher direkter Eingriff in die Hochschulautonomie,

(Holger Astrup [SPD]: Wohl wahr!)

den man schon besonders würdigen muss. Dann kommt ein paar Tage später ein zusätzlicher Dringlichkeitsantrag, in dem gesagt wird, es gebe aber einen Punkt, von dem wir vermuten, dass er in dieser Vorlage stehen könnte, und dazu wollen wir heute schon definitiv sagen, dass das auf keinen Fall passieren darf.

Das ist ein Verfahren, das die Hochschulpolitik ein Stück ad absurdum führt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Lothar Hay [SPD])

Ich möchte an dieser Stelle ein paar Dinge zu unserem Verständnis von Hochschulautonomie sagen. Das Hochschulgesetz formuliert deutlich zum einen die Aufgaben, die den Hochschulen gestellt sind - da rede ich sozusagen nicht nur von der CAU, sondern auch von allen anderen Hochschulen im Lande einschließlich der Wissenschaftlichen Berufsakademie, die man in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen sollte -, und zum anderen haben wir das Instrument der Zielvereinbarungen geschaffen. Ich darf daran erinnern, dass dieses hohe Haus im letzten November - Sie haben selbst darauf hingewiesen, Herr Dr. Klug - der Landesregierung für die Schließung von Zielvereinbarungen mit den Hochschulen einen Rahmen vorgegeben hat. Wir erwarten nun, dass dieser Rahmen auch ausgefüllt wird.

Deswegen ist es meines Erachtens erforderlich klarzumachen, dass wir zwar nicht im Detail in die Hochschulen hineinregieren wollen, dass aber nicht zu bestreiten ist - so betone ich -, dass sich die Kieler Universität in einer finanziell schwierigen Situation befindet. Das aber gilt für alle öffentlichen aus Steuermitteln finanzierten Einrichtungen. Deswegen ist es wichtig, die finanziellen Möglichkeiten so zu nutzen, dass das Optimale für die Lehre, die Forschung und den Wissenstransfer erreicht wird.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])