Protocol of the Session on June 21, 2002

Außenwirtschaftspolitik

Landtagesbeschluss vom 20. Februar 2002 Drucksache 15/1593

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1827

Ich erteile zunächst dem Herrn Wirtschaftsminister Professor Dr. Rohwer für die Landesregierung das Wort.

Vielen Dank! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Bericht der Landesregierung zeigt ein klares Bild.

Erstens. Die schleswig-holsteinische Wirtschaft hat einen erfolgreichen Aufholprozess hinter sich. Die Exportquote ist von 20,6 % im Jahre 1991 auf 31,8 % im Jahre 2001 gestiegen, und dies, obwohl es unsere kleinen und mittleren Betriebe schwerer als Großunternehmen haben, auf internationalen Märkten Fuß zu fassen. Ich glaube, darauf können unsere Unternehmen stolz sein, und dazu können wir gratulieren.

Zweitens. Auch der Kapitalverkehr zeigt, wie stark Schleswig-Holsteins Wirtschaft ist. Die ausländischen Direktinvestitionen Schleswig-Holsteins haben sich in den 90er-Jahren annähernd verdreifacht und damit stärker entwickelt als in den meisten anderen Bundesländern. Auch das ist ein Zeichen für die Stärke unseres Standortes.

Drittens. Die gemeinsame Außenwirtschaftsstrategie von Landesregierung und Industrie- und Handelskammern hat sich bewährt. Gemeinsam haben wir viele Betriebe bei ihrem Weg ins Ausland unterstützt.

Viertens. Zu einem vollständigen Bild gehört aber auch, dass unsere Unternehmen im Durchschnitt noch nicht die Exportquote ganz Deutschlands erreicht haben. Das heißt, dass es noch Wachstumspotenzial gibt und wir in unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen, sondern - im Gegenteil -: Außenwirtschaftsförderung muss auf der Agenda bleiben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Wir müssen unsere Betriebe auch weiterhin dabei unterstützen, auf den ausländischen Märkten Fuß zu fassen, über Beratungen, Messeförderung, Delegationsreisen und anderes. Wir müssen unsere Außenwirtschaftsstrategie so nachjustieren, dass wir den veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen Rechnung tragen. Zu diesen Veränderungen, gehört natürlich ganz besonders, dass einerseits zwar die EU-Staaten mit 70 % Anteil an den Gesamtexporten noch immer

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

der wichtigste Markt für Schleswig-Holstein sind, dass aber andererseits vor allem die mittel- und osteuropäischen Staaten erheblich an Gewicht gewonnen haben und in den nächsten Jahren weiter gewinnen werden. Hier ist der Exportanteil in den letzten zehn Jahren von gut 4 % auf 8 % gestiegen. Eine zügige Osterweiterung wird zusätzliche Dynamik auslösen. Das große Potenzial Russlands - insbesondere für uns ist die Region Petersburg interessant - haben wir längst noch nicht erschlossen. Das wird noch erhebliche Impulse bringen.

Welche Konsequenzen ziehen wir für unsere Konzeption daraus? Das ist Ihnen ja im Bericht geschildert worden.

Erstens. Wir wollen die Akteure, die im Ausland tätig sind, noch enger zusammenbinden. Das sind nicht nur die Kammern, das Ministerium, sondern neben der WSH die regionalen Wirtschaftsförderer und die Technologieförderung, die im Ausland auftritt. Dies wollen wir noch stärker miteinander verzahnen. Wir wollen die geographischen Schwerpunkte aktualisieren - das halte ich für notwendig -, und zwar aus unserer Sicht in folgender Reihenfolge: an erster Stelle benachbarte EU-Länder - ich sagte es bereits, dass die EU-Märkte nach wie vor die größten und interessantesten Märkte für uns sind, insbesondere der Nordseeraum, England, Beneluxraum, Frankreich -, an zweiter Stelle - „zweite Stelle“ kann man eigentlich nicht sagen; diese sind genauso wichtig - die ost- und nordosteuropäischen Beitrittsländer, zum Beispiel Baltikum, Polen, Region Sankt Petersburg und last, but not least - wir waren ja kürzlich dort - die Region Tschechien, Slowakei, wo es auch interessante Handelsbeziehungen gibt, an dritter Stelle - aber eigentlich daneben, weil sich das parallel vollziehen muss -, den Zutritt zu den beiden größten Weltmärkten China und USA erhalten und ausbauen. Das sind die drei Schwerpunkte, die wir in unserem Bericht klar beschrieben haben und die wir mit konkreten Aktivitäten umsetzen. Das ist dargestellt worden.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau übernimmt den Vorsitz)

Der zweite wichtigere Punkt bei der stärkeren Fokussierung ist der Versuch, bei den Branchen deutlichere Akzente zu setzen. Natürlich machen wir eine Querschnittsaußenwirtschaftspolitik. Das muss auch sein. Dort, wo es Potenziale gibt, müssen wir sie ins Ausland bringen. Aber wir haben bei unseren Auslandsaktivitäten festgestellt, dass wir dann mehr Erfolg und Aufmerksamkeit finden, wenn wir deutlicher machen, in welchen Bereichen wir besonders gut sind, wo wir Spitze sind, wo wir etwas zu bieten haben. In Riga, wo ich gerade war, war es zum Beispiel die Infor

mations- und Kommunikationstechnik, wo mit großem Interesse auf uns geschaut wird. In Polen ist es beispielsweise die Gesundheitswirtschaft, wo wir Chancen haben. Die Medizintechnik hat zu großer Aufmerksamkeit geführt. Dieses Branchenprofil soll also gestärkt werden.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der mir persönlich sehr wichtig ist. Wir sind gut beraten, in der Außenwirtschaftspolitik, in der Außenwirtschaftsförderung noch enger als bisher mit Hamburg zusammenzuarbeiten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich hatte vor ein paar Tagen Gelegenheit, mit dem Kollegen Uldall in Riga einen gemeinsamen Hamburger/Schleswig-Holsteinischen Auftritt zu organisieren. Es ist von allen Gesprächspartnern dort, natürlich von dem Botschafter und den Wirtschaftsleuten, aber vor allem von den Unternehmen, mit hoher Aufmerksamkeit und Zustimmung registriert worden, dass zwei Länder nicht nacheinander kommen, wie das häufig geschieht, sondern gemeinsam auftreten und sich gemeinsam präsentieren. Das sollte der Weg für die Zukunft sein. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das unterstützen. Mein Eindruck übrigens ist, dass die Hamburger dieser Kooperation sehr offen und konstruktiv gegenüberstehen, und zwar nicht nur in diesem Bereich.

Last, but not least: Ich werde natürlich, weil alles das, was ich eben gesagt habe, Geld kostet, mich auch in den Haushaltsverhandlungen in diesem Jahr für 2003 dafür einsetzen, dass wir auch weiterhin eine Außenwirtschaftsförderung machen können. Kostenlos ist das nicht zu haben, meine Damen und Herren. Auch hier bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. In diesem Sinne: Auf eine interessante Beratung im Ausschuss!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Eichelberg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede des Ministers findet die volle Zustimmung der CDU-Fraktion in den Punkten, in denen man sagen kann: Dieser Bericht hat erstmals sehr professionell die Fragen beantwortet, die für Entscheidungsfindungen schon seit Jahren als notwendig erachtet wurden. Diese haben wir nun bekommen.

(Uwe Eichelberg)

Herr Minister, die Standortanalyse stimmt, wie auch das Konzept Anregungen enthält, die man zwar unterschiedlich gewichten, aber doch als ernst zu nehmende Ansätze für eine zukunftsgerichtete Außenwirtschaftspolitik ansehen kann. Sie werden verstehen, dass wir die Ergebnisse nicht in allen Punkten so positiv wie Sie bewerten, denn wir sehen durchaus ein Nachhinken gegenüber anderen Bundesländern, und das haben Sie ja auch selber in einem Nebensatz angesprochen. Man muss auch ernsthaft darüber nachdenken, ob die EU-Exporte im EU-Binnenmarkt heute wirklich noch echte Exporte sind oder ob man die Kriterien dafür anders ansetzen muss.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, wir anerkennen: Dieser Bericht ist auch das Ergebnis der Umstrukturierungen in Ihrem Ministerium. Es hat, wie wir gehört haben, Neubesetzungen gegeben. Auch der ernsthafte Dialog mit der Wirtschaft hat zu Ergebnissen geführt, von denen wir sagen können, dass es gelungen ist. Glückwunsch, Herr Minister!

Eigentlich hatten wir ja, als wir damals den Antrag gestellt haben, vor, verschiedene Mängel in der Außenwirtschaftspolitik nachhaltig anzuprangern, erstens weil wir nun schon seit Jahren auf ein solches Konzept gewartet haben. Zuletzt war es für den September 2001 versprochen worden und jetzt, also ein Dreivierteljahr später, haben wir es bekommen. Zweitens haben wir bedauert, dass bei den Auslandsbesuchen, die gemacht wurden, immer die Nacharbeit fehlte. Es waren sehr gute Ansätze da, man sagte, das und das machen wir, aber nachher ist es im Sande verlaufen.

Auch verstehen wir nicht, dass das Wirtschaftsministerium immer einen so starken Einfluss auf die Arbeit der WSH genommen hat. Die WSH ist eigentlich für die Außenwirtschaft verantwortlich, auch für deren Umsetzung, und ich meine, dass dadurch das Backing nicht so richtig da gewesen ist.

Herr Minister, es ist auch schwer zu verstehen, wenn der Beirat der WSH einen Geschäftsführer gewählt hat und die Besetzung des Postens dann monatelang verhindert wird. Das gibt auch ein schlechtes Bild, auch aus der Sicht der Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, ein weiterer ganz gewichtiger Punkt: Es ist in den letzten Jahren vorgekommen, dass die Mittel für die Außenwirtschaftspolitik derart eingegrenzt wurden, dass man sagen kann, damit kann man eigentlich in einer Organisation wie der WSH gar nichts Entsprechendes umsetzen.

Aber wir wollen diese Vorwürfe nicht problematisieren. Denn wir haben in diesem Bericht wirklich Ansätze gefunden, aus denen man schließen kann, dass

eine zukunftsweisende Außenwirtschaftspolitik notwendig ist, dass wir alle aufgefordert sind, daran mitzuarbeiten, und diese Mitarbeit ist in diesem Bericht auch zu erkennen.

Muss man sich nicht als verantwortungsbewusster SPD-Landtagsvertreter fragen, warum man 14 Jahre warten muss, bis man einen solchen Bericht bekommt. Wir hätten andernfalls vieles leichter gehabt, was die Aktivitäten angeht, die lediglich zu einem Diskurs geführt haben statt zu einer gemeinsamen Findung von Ergebnissen. Auch wir sehen, dass die Außenwirtschaft ein wichtiges Element auch für SchleswigHolstein ist. Die Anteile werden immer größer. Das Institut für Weltwirtschaft hat dies für das Land Schleswig-Holstein gerade noch einmal betont.

Wichtig sind auch die folgenden Erkenntnisse, die der Bericht deutlich aufzeigt.

Erstens. Die Außenwirtschaftspolitik ist eine Landesaufgabe. Es ist schon einmal ganz wichtig, dass man das erkannt hat.

Zweitens. Die Wirtschaftsförderinstrumente sind nach ausgewählter Branche und nach politischer Zielsetzung zu selektieren und darauf sind die Mittel zu konzentrieren. Das hat der Minister deutlich gemacht und ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Ansatz. In der Vergangenheit ist manches vielleicht zu stark gestreut worden.

Drittens. Sehr wichtig ist auch das, was Sie, Herr Minister, am Ende Ihrer Rede gesagt haben. Ich meine den gemeinsamen Auftritt von Hamburg und Schleswig-Holstein als einer Wirtschaftsregion. Damit hat man in der Welt ein Pfund in der Hand, mit dem man wuchern kann. Jeder hat seinen Auftritt, der eine zur Baltischen See, der andere eben mit seinem Hafen.

Nicht zu diskutieren ist darüber, dass die Außenwirtschaftspolitik mit der Wirtschaft gemeinsam gestaltet werden muss, wie es auch in den Diskussionen der letzten Monate geschehen ist. Landesregierung, IHK und Wirtschaftsverbände müssen an einem Strang ziehen, damit man nach außen kräftig auftreten kann.

Wir als CDU würden noch einige Punkte hinzufügen wollen. So sollte zum einen die Aufgabenverteilung zwischen Wirtschaftsministerium und WSH überdacht werden, nachdem im Wirtschaftsministerium mittlerweile ein spiegelbildliches Kompetenzzentrum entstanden ist. Zum anderen glauben wir, dass in Anbetracht der geringen Mittel, die zur Verfügung stehen, die Delegationsreisen so gestaltet werden sollten, dass sie in die strategische wirtschaftspolitische Ausrichtung passen. Da sollte man die Reisen der Ministerpräsidentin und des Landtages sowie von Ausschüssen durchaus so mit einbinden, dass man sagt, wir kon

(Uwe Eichelberg)

zentrieren alles auf das Ziel, das wir erreichen wollen, denn sonst sind die Streuverluste zu groß.

(Beifall bei der CDU)

Der Bericht ist eine gute Basis und auf dieser guten Basis wollen wir gemeinsam arbeiten. Die Opposition haben Sie in diesem Punkte hinter sich. Wir wollen gemeinsam arbeiten, um unsere Ziele zu erreichen.

(Beifall bei CDU und FDP sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Schröder das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im November 2000 hat die SPD-Fraktion einen Berichtsantrag zur Außenhandelswirtschaft gestellt, über den wir im März 2001 hier ausführlich diskutiert haben. Ich begrüße ausdrücklich den gewissen Wandel bei der CDU, vorgetragen durch den Kollegen Eichelberg, der endlich auch einmal Lob für eine gute und herausragende Arbeit gerade des Wirtschaftsministers Rohwer gefunden hat.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich hoffe, dass wir auch auf den vielen anderen Feldern, die es noch gibt, des Öfteren solche Redebeiträge hören.