gewählter Bürgermeister und Landräte erhebliche Probleme bestehen. Es ist heute so, dass ein Bürgermeister mit 10-prozentiger Wahlbeteiligung gewählt werden kann, während für seine Abwahl ungleich höhere Hürden bestehen.
Eine grundlegende Stärkung des gewählten Ehrenamtes findet mit der vorliegenden Änderung der Kommunalverfassung nicht statt. Stattdessen bekommen bürgerschaftliche Mitglieder und Beiräte noch ähnliche Rechte wie die gewählten Vertreterinnen und Vertreter. Sie erhalten jetzt das Rede- und Antragsrecht in allen Sitzungen aller Ausschüsse. Das dürfte nicht nur das Verhältnis zwischen gewählten und ernannten Mitgliedern in den Ausschüssen problematischer gestalten. Wir denken, dass damit möglicherweise auch das Wählervotum ausgehöhlt wird.
Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen wurde auch nicht wesentlich erweitert, obwohl die Praxis eben dieses verlangt. Natürlich begrüßen wir, dass ab jetzt einmal jährlich eine Einwohnerversammlung durchgeführt werden muss, um die Bürger und Bürgerinnen über die Belange der Gemeinde zu informieren. Dies mag - dies war der Einwand, den Herr Dr. Borchert vorbrachte - in kleinen Gemeinden nicht unbedingt immer erforderlich sein. Aber dieses Instrument der Bürgerbeteiligung ist bislang zu häufig nicht genutzt worden. Deshalb ist die obligatorische Einwohnerversammlung ein Fortschritt.
Positiv ist auch die Änderung des § 47 f der Gemeindeordnung: Bisher „sollten“ Kommunen Kinder und Jugendliche an Planungen beteiligen, zukünftig „müssen“ sie es. Das unterstützen wir, denn Schleswig-Holstein hat zwar in Sachen Mitbestimmung die Nase vorn, aber zu oft geht das kommunale Engagement nicht über eine „Jugendratsversammlung“ hinaus. Das reicht nicht aus.
Es gibt noch einige weitere kleine Verbesserungen der Bürgerbeteiligung. Aber insgesamt reichen die Änderungen nicht aus. Die Möglichkeiten für einen Bürgerentscheid werden nicht erweitert. Lediglich die Quoren und die Darstellung der Argumente der Initiatoren von Volksinitiativen wurden geändert. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Debatte über Bürgerbegehren und Bürgerentscheide im letzten Monat hätte man weiter springen müssen: zum Beispiel mit klareren und einheitlicheren Regelungen der Bürgerbeteiligung, die auch die Bauleitplanungen umfassen können.
Die Transparenz der Verwaltung und der Kommunalpolitik ist nicht verbessert worden. Wir brauchen aber Verwaltungen und Politiker die so offen wie
möglich mit ihren Aufgaben umgehen. Ein offener Umgang mit Informationen macht die Entscheidungen von Politik und Verwaltung transparent und nachvollziehbar, gibt den Bürgern bessere Möglichkeiten, sich aktiv einzumischen, und ist das beste Mittel gegen Korruption.
Deshalb müssen zum Beispiel die Sitzungen der politischen Gremien so weit wie möglich öffentlich abgehalten werden.
Gemeinden können weiterhin beschließen, dass ihre Ausschüsse grundsätzlich nicht öffentlich tagen. Damit werden die Bürger von vornherein von der Beobachtung des Entscheidungsprozesses ausgeschlossen. Wir hätten es lieber gesehen, wenn die Gremienarbeit grundsätzlich öffentlich ist und nur bei bestimmten Themen die Nichtöffentlichkeit einer Sitzung beschlossen wird - so wie wir es auch im Landtag handhaben. Hier ist nach unserer Ansicht eine Chance vertan worden.
Die Regelungen für die Kommunalwahlen wurden nicht geändert, obwohl dieses längst überfällig ist. Der Sonderausschuss hat sich in seiner wechselvollen Geschichte in dieser Legislaturperiode noch mit weiteren Sachverhalten auseinander gesetzt. Hierzu zählt die Sperrklausel im Kommunalwahlrecht. Aufgrund eines Antrags der FDP und vor dem Hintergrund einiger Urteile zur Fünfprozentsperrklausel diskutierte der Ausschuss eine Senkung oder die gänzliche Abschaffung der Hürde. Dabei wurde deutlich, dass die Vertreter von SPD und CDU keinerlei Veranlassung für eine Änderung sehen. Es zeugt wirklich von der Arroganz der großen Parteien, dass der Kollege Puls die Fünfprozenthürde zum Bollwerk gegen Anarchie und Extremismus hochstilisiert hat.
Wir können dem entnehmen, dass nur die großen Volksparteien zu Stabilität und Demokratie in den Kommunen beitragen. Das ist eine maßlose Selbstüberschätzung und eine Beleidigung für viele politisch engagierte Bürgerinnen und Bürger.
Ähnliches gilt für die Diskussion über das Auszählverfahren bei den Wahlen, zu dem bereits in der letz
ten Tagung eine Entscheidung getroffen wurde. Es kann keinen Zweifel geben: Am meisten demokratisch ist das Zählverfahren, welches das prozentuale Wahlergebnis am genauesten widerspiegelt. Deshalb hat der SSW im Innen- und Rechtsausschuss beantragt, die Mandatsverteilung zukünftig nach dem System Hare-Niemeyer statt nach dem d'Hondt'schen Höchstzählverfahren vorzunehmen. Der Antrag wurde im Sonderausschuss behandelt und abgelehnt. Die einzige plausible Begründung hierfür lautet, dass die großen Parteien von der ungenaueren Auszählung nach d'Hondt profitieren.
Der Gesetzentwurf des Sonderausschusses zur Änderung der Kommunalverfassung bringt einige kleine Verbesserungen, Verwaltungsvereinfachungen und redaktionelle Änderungen. Trotzdem wird auch die neue Kommunalverfassung nicht den Anforderungen einer anwenderfreundlichen, gut lesbaren Gemeindeordnung gerecht. Die zentralen Forderungen des SSW an eine neue Kommunalverfassung sind nicht erfüllt. Wer wirklich etwas für einer bürgernahe Demokratie tun will, wer Menschen zu kommunalpolitischem Engagement motivieren will, muss mehr tun: die direkte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ausbauen, die Transparenz von Politik und Verwaltung herstellen, auch kleinen Parteien und Wählergruppen eine Chance geben und vor allem das Ehrenamt stärken. Man kann aber nicht das Ehrenamt wirklich stärken, ohne den Entscheidungskompetenzen der hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte deutlicher Grenzen zu setzen.
Die vom Sonderausschuss beschlossene Änderung der Kommunalverfassung ist der Versuch, einen Schwerkranken mit einem Pflaster zu heilen. Die bestehende Kommunalverfassung wird nicht verbessert. Die Ursache für dieses Vorgehen dürfte nicht zuletzt darin zu finden sein, dass die Parteien immer noch die Absicherung ihrer Machtposition in den Gemeinden, Städte und Kreisen höher stellen als die kommunale Demokratie. Leidtragende sind die Bürgerinnen und Bürger, die sich eine lebendige, bürgernahe Demokratie in den Kommunen wünschen. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt konsequent die zentralen Fehler der geltenden Kommunalverfassung fort. Der SSW wird daher dagegen stimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in allen Beiträgen heute Morgen so viel über Bürgerbeteiligung gehört. Ich frage Sie, und zwar ganz bewusst als ehrenamtlicher Bürgermeister, warum wir nicht den Weg zu gehen gewagt haben, die ehrenamtlichen Bürgermeister in unseren Gemeinden direkt zu wählen.
Die Landräte werden direkt gewählt, die hauptamtlichen Bürgermeister werden direkt gewählt, und die wissen auch, dass sie direkt gewählt werden, und werden dementsprechend vor Ort angesehen. Nur die ehrenamtlichen Bürgermeister, die in unseren ländlichen Gemeinden fast hauptamtliche Arbeit machen müssen, werden nicht direkt gewählt. Für mich persönlich ist das ein Rätsel. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns schon in kürzester Zeit erneut mit der Änderung der Kommunalverfassung werden beschäftigen müssen, auch weil wir mit unseren Amtsausschüssen so nicht weiterarbeiten können.
Das hat auch mit rechtlichen Dingen zu tun. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass durch die Delegation von Aufgaben der Gemeinden auf unsere Ämter der Amtsausschuss völlig neue Aufgaben bekommen hat.
Ich kann nur noch einmal sagen, meine Damen und Herren: Alle Beiträge, die ich heute gehört habe, liefen im Großen und Ganzen auf mehr Bürgerbeteiligung hinaus. Das ist heute also gewollt. Ich habe in meiner
Gemeinde in einer gut besuchten Bürgerversammlung einmal darüber abstimmen lassen, wer den Bürgermeister gerne direkt wählen würde. Wissen Sie, wie viel Prozent dafür gestimmt haben? 100 %!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen zweiten Lesung des Gesetzentwurfs werden wir ein Gesetz beschließen, das über zwei Jahre im ganzen Land lebhaft, kontrovers und leidenschaftlich diskutiert worden ist. Wir haben eben noch einmal ein Beispiel dafür bekommen. Herr Hopp, ich habe in den vielen Veranstaltungen und Diskussionen, die ich selbst zu diesem Thema mitgemacht oder bestritten habe, die unterschiedlichsten Auffassungen gehört. Ich habe eines festgestellt - das war für mich hochspannend -: Die Auffassungen gingen quer durch alle Parteizugehörigkeiten.