Der nächste Punkt betrifft die Stärkung der Arbeit der Bürgerinnen und Bürger und der Jugendlichen in der Gemeinde sowie die Erleichterung von Bürgerbegehren. Wir haben das Quorum bei Bürgerbegehren auf 20 % gesenkt, weil in der Vergangenheit folgender Effekt auftrat: Häufig ist ein Bürgerbegehren eingeleitet worden, aber anstatt dass die Mehrheit im Rat oder der Bürgermeister dann in eine politische Auseinandersetzung gegangen ist und man über die Presse oder in Veranstaltungen öffentlich diskutiert und sich darüber ausgetauscht hat, was jeweils gewollt ist, hat man versucht, das Bürgerbegehren totzuschweigen, in der Hoffnung, dass auf diese Art und Weise das Mindestquorum nicht zustande kommt. Durch die Absenkung des Quorums von 25 % auf 20 % kann nun dieser Weg nicht mehr so leicht beschritten werden. Ich hof
fe, dass die Diskussionen künftig heftiger geführt werden und dass die Beteiligung an solchen Bürgerbegehren steigt, sodass bei solchen Bürgerbegehren Entscheidungen nicht mehr am Quorum scheitern, sondern künftig tatsächlich die Mehrheit darüber entscheidet, was gemacht wird. Auch das dient der Demokratie.
Die Beteiligung der Einwohner und Jugendlichen in den Gemeinden ist gestärkt worden. Wir haben einige Aufgaben in den Regelungen - ich nenne zum Beispiel die Bürgerversammlung- zur Pflichtaufgabe gemacht. Ich glaube, dass das sinnvoll ist. Wir haben auch die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen, die in die letzte Gemeindeverfassung als Sollaufgabe aufgenommen worden ist, festgeschrieben; die hat sich vor Ort bewährt, sie ist gut gelaufen. Weil damit gute Erfahrungen gemacht worden sind, ist dies jetzt zu einer Pflichtaufgabe erklärt worden. Wir sind damit einen wichtigen Schritt vorangegangen,
und damit hat Schleswig-Holstein auch dafür gesorgt, dass es im Bereich der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der kommunalen Arbeit bundesweit weiter seine Spitzenposition behält. Darauf sind wir stolz.
Offen geblieben ist die Regelung - darüber ist schon viel gesprochen worden - des kommunalen Wahlrechts geblieben. Wir haben diese Frage in den Koalitionsverhandlungen sehr heftig diskutiert; wir haben schließlich im Rahmen der Gesamtabwägung an diesem Punkt nachgegeben. Wenn man solche Verträge unterschreibt erwarten wir natürlich , dass die Sozialdemokraten zu den Dingen, zu denen wir uns verabredet haben, stehen - das tun sie! -, und dann erwarten die natürlich auch, dass wir ebenfalls zu den Verträgen stehen.
Ich muss ganz deutlich sagen, Herr Hildebrand - Sie haben das etwas hoch stilisiert -: Die Frage der Fünfprozentklausel ist keine Gewissensfrage, sondern eine politische Machtfrage dahin, welche Strömung man in den Kommunalparlamenten haben will. Diese Frage kann man unterschiedlich beantworten.
Man kann auch der Auffassung sein, dass die jetzige Regelung verfassungswidrig ist. Das entscheiden aber letztlich die Gerichte und wir wissen ja, vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.
Aber es ist ganz eindeutig keine Frage, Herr Hildebrand, bei der Sie an mein Gewissen appellieren können. Machtmäßig bin ich der Auffassung, dass wir alles tun sollten, diesen Punkt zu ändern, weil ich glaube, kleine Parteien, kleine Gruppen sind häufig die kreativeren Gruppen in den Parlamenten; sie sind das Salz in der Suppe.
Meine Damen und Herren, noch eine Bemerkung am Rande zu dem engagierten Vortrag meines Kollegen Schlie. Sie sind ja einmal wieder mit Ihren Randbemerkungen ziemlich vom Thema abgekommen und haben über Standards geredet, mit denen die kleinen Kommunen Probleme haben,
Bisher hat niemand einen Vorschlag gemacht, aber der Innenminister hat sich getraut, öffentlich zu denken.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])
Was passierte nun? - Sobald nur einmal ein Gedanke geäußert worden ist, man sollte über ein Problem nachdenken, kommt die „reformfreudige“ CDU, die ja immer Reformen einklagt, und sagt: Nein. Das ist der Untergang Schleswig-Holsteins!
Das war so mit den Standards. Sie werfen uns vor, dass wir die Standards bei den Kindertagesstätten verteidigen. Aber was war denn, als die Gesundheitsuntersuchung an den Schulen nicht mehr regelmäßig stattfand, sondern nur noch stichprobenartig stattfindet? Was ist da passiert? - Die CDU sagt: Absenkung von Standards; die Kinder werden allein gelassen! Das ist Ihre Reformfreude, mein lieber Herr Schlie.
Wissen Sie, das ist so: Bei jeder Veränderung an dem Gebäude Schleswig-Holstein laufen Sie los, zündeln und rufen laut „Feuer!“. Ich sage ich Ihnen: So kriegen Sie nie ein Haus gebaut!
Meine Damen und Herren, über 95 % aller Politikerinnen und Politiker in Deutschland sind keine bezahlten Politikerinnen und Politiker, sondern tun ihre Arbeit in den Kommunen ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Dieses Engagement der ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürgern in den Kommunen ist die Basis unserer Demokratie. Ich hoffe deshalb, dass die neue Kommunalverfassung dazu beitragen wird, dass diesen Ehrenamtlern die Arbeit erleichtert wird und sie mit noch mehr Spaß und Engagement die Demokratie in den Kommunen steuern und begleiten werden.
Im kommenden Frühjahr sind Kommunalwahlen. Ich wünsche uns allen, allen Parteien, engagierte Kandidatinnen und Kandidaten und viel Erfolg - den Grünen natürlich am meisten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kommunen sind die Keimzelle einer lebendigen Demokratie. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung bestimmen die Menschen, wie ihre nächste Umgebung aussehen soll. Dort, in diesem Alltag, lernen schon die jungen Bürgerinnen und Bürger, was demokratische Teilhabe heißt. Deshalb haben wir alle ein Interesse daran, dass die Demokratie in den Gemeinden, Städten und Kreisen gute Wachstumsbedingungen hat.
Der Landtag bereitet dafür heute wieder den Boden. Es ist unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die kommunale Demokratie zu setzen. Wir entscheiden, wie die Aufgaben und die Entscheidungskompetenzen in den Kommunen verteilt werden. Wir bestimmen, wie effektiv die Verwaltungen arbeiten können und wie viel Einfluss die Kommunalpolitikerinnen und -politiker haben werden. Obwohl die meisten Bürgerinnen und Bürger vermutlich nicht einmal wissen, was das kommunale Verfassungsrecht ist, tragen wir damit eine große Verantwortung für die Erhaltung und Weiterentwicklung der Demokratie in unserem Land.
von 1996 wurde ein Systemwechsel durchgeführt, der nach unserer Ansicht die bürgernahe Demokratie eher geschwächt hat. Damals entschied sich der Landtag für eine Reform der Kommunalverfassung, die zuerst den Verwaltungsleiter stärkte, um eine effektive und effiziente Verwaltung unserer Kommunen zu ermöglichen. Diese Reform hat aber zu einem problematischen Machtgefälle zwischen Verwaltung und Politik geführt und nicht zuletzt deshalb hat der Landtag dieses Thema wieder aufgegriffen. Dies kam insbesondere durch den Gesetzentwurf der CDU zum Ausdruck.
Nach fast zwei Jahren der Arbeit in der Enquetekommission und in dem Sonderausschuss müssen wir aber leider feststellen, dass die Lösung nicht geglückt ist; denn an den grundlegenden Problemen wird überhaupt nicht gerüttelt. Der Gesetzentwurf wird das gespannte und falsche Verhältnis von Hauptamt und Ehrenamt nicht verbessern. Kern der neuen Kommunalverfassung von 1996 war und ist eine grundlegende Änderung der Machtverhältnisse in den Kommunen.
Um ein besseres Management der Städte, Gemeinden und Kreise zu ermöglichen, wurde die Rolle der Verwaltungsspitze gestärkt. Die hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte wurden zum Machtzentrum der kommunalen Demokratie ausgebaut. Die gleichzeitig eingeführte Direktwahl durch die Bevölkerung sollte ihnen die demokratische Legitimation für weit gehende Entscheidungsbefugnisse verleihen. Die Reform bescherte ihnen neben der Verantwortung für die Umsetzung der Beschlüsse der Gemeindevertretung noch die Möglichkeit einer eigenen politischen Amtsführung. Damit schwächte man aber gleichzeitig die Rolle der ehrenamtlichen Politikerinnen und Politiker, indem das System der kollegialen Verwaltungsleitung aufgelöst wurde.
Die Folge dieser Entwicklung ist nicht zu übersehen: Die Kommunalpolitiker haben zunehmend weniger Entscheidungs- und Handlungsspielraum und sind überfordert. Sie sollen als „Aufsichtsrat“ der Verwaltung agieren, der im Rahmen des Berichtswesens auch noch Soll-/Ist-Vergleiche anstellt. Damit werden demokratisch engagierte Menschen zu „Controllern“ der Verwaltung umgeschult. Das ist aber nicht unbedingt jedermanns Vorstellung von ehrenamtlichem politischem Engagement für die kommunale Gemeinschaft.
Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass es unter den Gemeindevertreterinnen und -vertretern nicht besonders viele Freunde der Kommunalverfassung gibt. Die Mehrheit des Landtages hat aber abermals entschieden, nicht die eigene kommunalpolitische Basis zu stärken. Sie bewertet offensichtlich ein effektives Management der Bürgermeister und Landräte höher; denn wer das Ehrenamt wirklich stärken will, kommt um die
Die Machtposition der hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte wird aber durch die jetzt vorliegende Änderung der Gemeindeordnung nicht angetastet. Es wird lediglich versucht, die ehrenamtlich tätigen Gemeindevertreterinnen und -vertreter mit Trostpflastern bei der Stange zu halten. Sie erhalten mehr Einsichtsrechte, aber kaum mehr Entscheidungsbefugnisse.
Der Hauptausschuss, der in den Beratungen eine zentrale Rolle spielte, kann mehr Aufgaben erhalten. Von einer Stärkung des Ehrenamtes kann aber insgesamt nicht die Rede sein, denn es werden lediglich Kompetenzen innerhalb der ehrenamtlichen Vertretung verschoben. Die Aufgabenfülle der Hauptamtlichen bleibt grundlegend unangetastet.
Der Landesrechnungshof hätte hier im Übrigen sogar die Position des Hauptamtlichen gern noch weiter gestärkt, indem dieser nämlich Vorsitzender des Hauptausschusses werden sollte.
Wir halten nichts vom fragwürdigen Placebo der Erhöhung der Freude am Ehrenamt. Der SSW hat mit eigenen Gesetzentwürfen zur Kommunalverfassung wesentlich weiter gehende Änderungen zur Stärkung des politischen Ehrenamtes vorgebracht. Wir wünschen uns eine echte Kur für die kommunale Demokratie.
Im Zentrum unserer Überlegungen steht natürlich die Abschaffung der Direktwahl von Landräten und Bürgermeistern.
Die Direktwahl ist 1996 als die große demokratische Revolution gefeiert worden, weil die Bürgerinnen und Bürger jetzt direkt ihre Verwaltungsleitung wählen können. Dies ist aber falsch. Die Direktwahl mag die Verwaltungsführung straffen und schnellere Entscheidungen ermöglichen, aber demokratischer ist es nicht, wenn eine Person jahrelang politisch relevante Beschlüsse trifft, über die früher eine ganze Vertretung mit verschiedenen Parteien zu entscheiden hatte. Dies gilt umso mehr, weil diese Personen in der Regel mit einer haarsträubend niedrigen Wahlbeteiligung gewählt werden.
Unser Gesetzentwurf ist leider im Sonderausschuss abgelehnt worden. Besonders ärgerlich ist es, dass zudem nicht einmal die Gelegenheit genutzt worden ist, das System der Direktwahl zumindest dort zu verbessern, wo es geht. Zum Beispiel haben konkrete Fälle im Land verdeutlicht, dass bei der Abwahl direkt