Protocol of the Session on May 15, 2002

keine Benachteiligungen für kleine Kreditengagements und langfristige Kredite, Akzeptanz des bisher üblichen Sicherheitenspektrums und Erleichterungen für Existenzgründer!

Aber wir müssen auch weitere Regulierungen der Kreditvergabe entschärfen, Herr Müller. Hier sollten wir uns wirklich schnell einigen. Ein Grund für den Rückzug der Banken aus kleineren Kreditengagements ist § 18 KWG. Hier werden den Banken umfangreiche Pflichten zur Prüfung der Vermögensverhältnisse der Kreditnehmer auferlegt, deren Kosten bei kleineren Krediten den Ertrag mehr als auffressen. Gleichzeitig sind Verletzungen dieser Pflichten strafrechtlich sanktioniert. Kein Wunder, dass kleinere Kredite nur noch eingeschränkt vergeben werden. Der Staat steht auf dem Kreditschlauch des Mittelstandes. Er sollte beiseite treten und Platz für den Mittelstand machen.

(Beifall bei der FDP - Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau übernimmt den Vor- sitz)

Herr Müller, allein in unserer Kanzlei - der Kollege Dr. Graf Kerssenbrock ist da - haben wir mittlerweile ein Dutzend Kreditnehmer, denen Sparkassen genau aus diesem Grund eine Kreditvergabe verweigert haben. Sie haben erklärt, sie könnten es sich aufgrund der Wettbewerbssituation, in der sie stünden, mit den ohnehin geringeren Renditen als die privaten Geschäftsbanken, nicht leisten, Kredite zu vergeben, die sie im Endeffekt mehr kosteten, als sie ihnen einbrächten; das könne nicht erwartet werden.

Wenn die Aufgabenstellung, die Sie für die Sparkassen beschrieben haben, noch einen Sinn haben soll, müssen wir sehr sorgfältig darauf achten, dass wir die Prüfungsvoraussetzungen verringern und damit zu Kostenentlastungen auch bei den Sparkassen beitragen, damit die Kredite überhaupt vergeben werden können.

Das allein wird die Kräfte des Mittelstandes nicht entfesseln, wenn sich nicht etwas Grundsätzliches

(Wolfgang Kubicki)

ändert. Wir müssen den Mittelstand insgesamt von Steuern, von Abgaben und von Regulierungen entlasten. Nur so werden wir Wachstum und Beschäftigung ankurbeln. Ohne dies wird auch ein stärkeres Engagement der staatlichen Förderbanken nur Kosmetik bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Steenblock das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Punkt, der in der Bevölkerung zur Politikverdrossenheit beiträgt, ist, dass die Menschen in diesem Land nicht mehr genau erkennen, warum an welcher Stelle parteipolitische oder wahlkampforientierte Debatten stattfinden und wann die Leute, die sie alle gewählt haben, in der Lage sind, gemeinsam die Interessen von relevanten Bevölkerungsgruppen darzustellen und gemeinsam zu vertreten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Mit der Art und Weise, in der wir das Thema Basel II heute hier im Landtag behandeln, entziehen wir uns dieser Verantwortung, den Willen dieses Landtags im Interesse des Mittelstandes, dieses Landes und dieser Republik klar zu machen. Diese Chance hätten wir gehabt. Es ist ausgesprochen schade, dass wir heute nicht die Gelegenheit haben, einen gemeinsamen Antrag zu beschließen, da wir uns dicht beieinander befinden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir sind uns in der Kritik an Basel II einig. Ich will nicht alles wiederholen, was meine Vorredner dazu dargestellt haben. Jahrzehntelang war in der Bundesrepublik der Finanzierungsbedarf des Mittelstandes aufgrund der Struktur, die wir nun einmal haben, mit relativ viel langfristig finanziertem Fremdkapital und relativ wenig Eigenkapital, eine gern gesehene, wichtige Grundlage, die die Banken als Einnahmequelle genutzt haben. Das ist über Jahrzehnte auch für die Großbanken sehr interessant gewesen. Aufgrund der Shareholder-Value-Orientierung der Wirtschaft und der Banken hat sich das dramatisch geändert.

Man muss auch sehen, woher die Intentionen zu Basel II gekommen sind. Sie sind nicht aus Deutschland, nicht aus Europa gekommen, sondern das sind die amerikanischen Großbanken gewesen, die diese Intention vertreten und den Prozess in Gang gesetzt haben.

Die Situation in den angelsächsischen Ländern ist anders als bei uns.

Ich möchte gern zwei Probleme ansprechen, die Basel II betreffen. Das eine ist die ausgesprochen prozyklische Wirkung der neuen Finanzierungsinstrumente. Wir werden in eine Situation hineinkommen, in der in wirtschaftlich prekären Zeiten, in sich zuspitzenden Krisen die Rating-Bedingungen so schlecht sind, dass der Kapitalbedarf, der gerade für den Mittelstand entsteht, nicht mehr gedeckt werden kann, und solche Wirtschaftskrisen werden sich verstärken. In Boomzeiten wird es so sein, dass den Firmen das Geld nachgeschmissen wird, so wie wir das beim Neuen Markt haben sehen können. Dort wird jetzt Kapital in einem Ausmaß vernichtet, das wirtschaftlich unvernünftig ist. Das ist eine Begleiterscheinung dieses neu geschnittenen Finanzierungsinstruments. Das kann man aus volkswirtschaftlicher Sicht, aber auch aus sozialer Sicht nicht gut heißen.

Ich möchte nun auf das zweite Problem eingehen. Hier stimme ich dem Kollegen Kubicki in der Tendenz zu. Wir können Basel II nicht verhindern. Das, was wir uns an Instrumenten überlegen, ist zum großen Teil eine selektive Wirkung von Basel II. Das heißt, wir schaffen in bestimmten Bereichen Ausnahmen von Basel II, die wir staatlich absichern und subventionieren. Das ist eine hoch problematische Entwicklung, die man sehen muss. Für die Bereiche, in denen die Firmen nur noch mit hohen Barrieren Kredite bekommen können - das geht dann auch in den Sparkassenbereich hinein -, schaffen wir ein erhöhtes Risiko. Die Sparkassen sind so, wie sie jetzt strukturiert sind, nicht auf den Wettbewerb vorbereitet und kommen in eine Situation hinein, in der sie ihre eigene Refinanzierung unter diesen Bedingungen nicht leisten können. Deshalb bin ich der Meinung, dass die Debatte um das Sparkassengesetz mit dem, was wir heute Morgen diskutiert haben, nicht zu Ende ist. Wir werden unter diesen globalen Gesichtspunkten in eine neue Diskussion hineinkommen.

(Beifall bei CDU, FDP und SSW)

Das ist etwas, was wir nicht wollen, aber das wir mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verhindern können.

Deshalb noch einmal: Es ist keine Wahlkampfauseinandersetzung. Liebe Frau Schmitz-Hübsch, man kann Kanzler Schröder ja kritisieren. Was Basel II angeht, haben sich die Bundesregierung und Schröder persönlich sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Das hat Schröder herbe Kritik von den Großbanken eingetragen. An dieser Stelle sind wir mit der Bundesregierung und den Intentionen des Bundeskanzlers einig. Es wäre schön gewesen, wenn wir das im Interesse des Mittelstandes

(Rainder Steenblock)

in Schleswig-Holstein hier heute gemeinsam hätten beschließen können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat sich schon ausführlich mit der Problematik der zukünftigen Kreditvergabepolitik der Banken durch das In-Kraft-Treten von Basel II beschäftigt. Die Anhörung von Verbänden und Organisationen hat einheitlich ergeben, dass insbesondere eine Benachteiligung der mittelständischen Unternehmen befürchtet wird. Alles das ist schon gesagt worden. Darauf werde ich jetzt nicht noch einmal eingehen. Das haben wir auch schon in der OktoberTagung des Landtages erörtert.

Der SSW hätte sich erhofft - das ist vorhin auch von dem Kollegen Steenblock deutlich gemacht worden -, dass die nahezu einmütigen Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände dazu geführt hätten, dass sich der Schleswig-Holsteinische Landtag bei der Einführung von Basel II mit einem gemeinsamen Antrag für die Belange unserer mittelständisch geprägten Wirtschaft eingesetzt hätte. Denn nur gemeinsam haben wir eine Chance, überhaupt gehört zu werden. Einmal ganz ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wie groß ist denn die Einflussmöglichkeit Schleswig-Holsteins auf die Verhandlungen beim internationalen Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht?

Daher ist es für uns unverständlich, dass sich die CDU unbedingt für einen eigenen Antrag entschieden hat.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wegen Punkt 3!)

- Lieber Kollege Kubicki, ich fühle mich allmählich an eine alte Geschichte erinnert; die erzählt von einem Abiturienten, der sich für seine Abiturprüfung auf das Thema Mücken vorbereitet hat. Leider musste er sich zu dem Thema Kamele äußern. Er sagte, das Kamel ist ein sehr großes Tier, mit großen Augen, aber mit ganz kleinen Pupillen. Die Pupillen sind so klein wie Mükken. - Dann können Sie die Fortsetzung machen und statt „Mücken“ das Wort „Bundestagswahlkampf“ einsetzen.

(Heiterkeit und Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss sagen, mir platzt allmählich der Kragen.

Bei allem Verständnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Vorschläge der CDU zur Absenkung von Steuern und Abgaben für mittelständische Betriebe, müssen wir darauf hinweisen, dass wir mit der Sache nichts zu tun haben - mit dieser konkreten Sache.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das ist ein Irrtum! - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir sollten also darauf drängen, dass sich die Landesregierung konkret für Verbesserungen bei der Einführung von Basel II einsetzt.

Deshalb begrüßen wir zum Beispiel, dass sich die Landesregierung bei den Banken dafür einsetzen soll, nicht bereits Jahre vor Inkrafttreten von Basel II ihre Kreditentscheidungen daran auszurichten. Die wichtigste Forderung in Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen ist allerdings, dass die Anwendung von Basel II auf große Kapitalgesellschaften beschränkt wird, zum Beispiel indem Kredite für kleine und mittlere Unternehmen erst bei einer Kredithöhe von mehr als 1 Million € den Kriterien von Basel II unterworfen werden. Natürlich kann man diese Forderung - wie im CDU-Antrag - mit 2 Millionen € noch überbieten. Aber dient das wirklich der gemeinsamen Sache? Ich habe da meine Zweifel.

Ein anderer wichtiger Punkt besteht darin, dass die regionalen Kreditinstitute mit der Investitionsbank und der Bürgschaftsbank eng zusammenarbeiten, um die Finanzierungsmöglichkeiten für die KMU in Schleswig-Holstein zu verbessern. Vor dem Hintergrund des neuen Sparkassengesetzes gilt aber - ich sagte es bereits -: Auch die künftigen Änderungen im öffentlichrechtlichen Kreditsystem werden nicht gerade die Kreditfinanzierungsmöglichkeiten für die mittelständische Wirtschaft stärken.

Ich kann dem Kollegen Steenblock nur Recht geben: Wir werden uns auch in den weiteren Diskussionen mit dieser Thematik befassen.

Dennoch sind die Auswirkungen von Basel II nicht ausschließlich negativ zu sehen. Zum Beispiel kann es ja durchaus positiv sein, dass die Veränderungen im Finanzbereich künftig eine deutlich höhere Informationsbereitschaft und mehr Transparenz bei den innerbetrieblichen Instrumenten und Organisationsstrukturen erfordern. Das gilt aber alles nur für Unternehmen, die bereits eine gewisse Größe erreicht haben. Ohne personelle Ressourcen sind die Anforderungen von Basel II nicht zu bewältigen.

Deshalb muss man sich die heutige Struktur der zirka 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland noch einmal vor Augen führen. Nur 1,1 % aller Unternehmen sind Großbetriebe und von den knapp 3,5 Millionen

(Anke Spoorendonk)

KMU sind 2,9 Millionen Kleinbetriebe mit bis zu neun Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit einer äußerst geringen Eigenkapitalquote. Für diese Unternehmen kann Basel II zu einem großen Problem bei der künftigen Finanzierung ihrer Aktivitäten werden.

Deshalb noch einmal mein Appell: Nur dann, wenn wir mit einer Stimme reden, werden wir überhaupt gehört oder etwas bewegen können.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen einige Wortbeiträge nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Ich beabsichtige aber, zunächst Herrn Minister Rohwer das Wort zu erteilen und dann diese Wortbeiträge aufzurufen. Gibt es dagegen Widerspruch? - Das höre ich nicht.

Herr Minister Professor Dr. Rohwer, dann haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem Punkt sind wir uns ja einig: Die Finanzierungsbedingungen für kleine und mittlere Betriebe auch in Schleswig-Holstein werden schlechter, sie werden Besorgnis erregend schlechter und sie werden nicht nur deswegen schlechter, weil wir Basel II haben. Das halten wir bitte einmal fest.

Basel II verstärkt ein Problem, das wir in anderer Hinsicht auch haben. - Herr Kubicki, wenn Sie an dieser Stelle mit dem Kopf nicken, dann möchte ich auch einmal sagen, dass das Thema mit mehr als mit Basel II zu tun hat. Es hat richtigerweise etwas mit dem Steuerrecht zu tun - ich werde darauf gleich noch zurückkommen - und es hat auch etwas mit der Banken- und Sparkassenstruktur in diesem Land zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Wir können keine scheinheilige Debatte darüber führen, irgendwo neue Subventionen in die Förderung von KMU zu bringen, wenn wir nicht gleichzeitig sicherstellen, dass wir weiterhin ein intaktes, leistungsfähiges öffentlich-rechtliches Banken- und Sparkassensystem erhalten. Das brauchen wir, meine Damen und Herren.