Protocol of the Session on May 15, 2002

Wir können keine scheinheilige Debatte darüber führen, irgendwo neue Subventionen in die Förderung von KMU zu bringen, wenn wir nicht gleichzeitig sicherstellen, dass wir weiterhin ein intaktes, leistungsfähiges öffentlich-rechtliches Banken- und Sparkassensystem erhalten. Das brauchen wir, meine Damen und Herren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Alles andere wäre der größte Quatsch, den wir machen könnten.

Ich stimme Ihnen zu - das ist gesagt worden -: Basel II kommt und mit etwas Glück, das wir dabei auch brauchen, werden wir über die Bundesregierung und über unsere Kanäle noch die eine oder andere Stellschraube verändern können. Sie wissen, dass wir dort tätig geworden sind. Wir haben gesagt, wir wollen die Anerkennung von langfristigen Krediten ändern, wir wollen die Anerkennung üblicher Sicherheiten verändern. Frau Schmitz-Hübsch, auch die Punkte, die Sie genannt haben, haben wir im Bundesratsverfahren. Wir haben dort auch die Fragen der Bürgschaftsbanken mit hineingenommen, weil sie auch für uns in SchleswigHolstein wichtig sind. Wir haben die Frage des RetailPortfolios mit darin und so weiter. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir aber sagen, dass wir das Problem damit nicht vollständig lösen werden.

Deswegen mache ich jetzt einen Strich und sage, wir müssen über mehr als über Basel II reden. Wir müssen über die Bankenstruktur reden - das haben wir vorhin getan; meines Erachtens war das hier nicht konsequent genug -, wir müssen über die Finanzierungsinstrumente sprechen, die wir in Schleswig-Holstein haben, und darüber, wie wir sie anpassen müssen. Hier müssen wir uns auch nicht verstecken, denn wir haben mit der Bürgschaftsbank, mit unserer Investitionsbank etwas zu bieten.

Bevor Sie Ihre ersten Anträge gestellt haben, haben wir übrigens schon dafür gesorgt, dass in unserer Investitionsbank, in unserer Bürgschaftsbank neue Instrumente entwickelt werden. Wir haben die eigenkapitalähnlichen Darlehen aufgestockt und wir haben unseren Technologie- und Innovationsfonds aufgestockt und auch neu definiert, um das Eigenkapital in den Betrieben zu erhöhen; denn das müssen wir erhöhen. Weiter haben wir die GA-Fördersätze für die KMU erhöht, die investieren wollen.

Jetzt lassen Sie mich noch einen Satz zum Steuerrecht sagen. Es ist ja schön und gut, wenn Sie aus bestimmten Gründen heute in Ihrem Antrag oder auch an anderer Stelle sagen: Steuersätze herunter, möglichst auf null! Ich karikiere das jetzt etwas.

Damit lösen Sie das Problem meines Erachtens nicht. Das, was wir brauchen, ist eine Gleichbehandlung von Personen- und von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mehr wollen wir nicht!)

Das erreichen Sie aber mit Ihrem Ansatz nicht.

Wenn wir ehrlich sind - darüber haben sich Steuerrechtler 30 Jahre und länger Gedanken gemacht -, kriegen wir, wenn wir keine Betriebsbesteuerung haben, eine Parallele von Körperschaftsteuerrecht und

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Einkommensteuerrecht nicht konsequent hin. Dann müssten Sie nämlich die Einkommensteuer auf den Körperschaftsteuersatz reduzieren. Wer will das schon und wer kann das schon? - Das will ja selbst die FDP nicht mit ihrem Vorschlag von 35 %.

Wir sollten nicht über Steuersätze reden, sondern wir sollten über ein Steuersystem reden, das die Eigenkapitalbildung in Personen- und Kapitalgesellschaften gleich behandelt.

(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU] und Rainder Steen- block [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weil Sie, Frau Schmitz-Hübsch, sagen, Sie wollten fördern, sage ich auch, dass es nicht darum geht, Subventionen und Steuervergünstigungen zu schaffen. Das würde ich ablehnen. Das kann es nicht sein. Wir brauchen keine neuen Steuervergünstigungen. Wir brauchen ein klares Steuerrecht.

Hier bin ich mehr dafür, dass wir vielleicht auch einmal im Wirtschaftsausschuss gemeinsam darüber reden, wie wir das erreichen können. Dazu gibt es eigentlich nur zwei Ansätze: Entweder wirklich eine Betriebsbesteuerung, die einheitlich ist, oder wir müssen - leider - darauf zurückkommen, dass wir die einbehaltenen Gewinne bei den Personengesellschaften tatsächlich anders behandeln als im Rahmen der normalen Einkommensbesteuerung. Das ist dann der Punkt. Das kann man aber nicht einmal so durch Zurufe im Plenum machen oder in Form eines Antrages nach dem Motto: „Wer bietet mehr? - 35 % oder 30 %.“ Dafür braucht man etwas mehr.

Ich plädiere deshalb dringend dafür, dass wir darüber einmal im Wirtschaftsausschuss reden. Ihr Antrag ist für mich nicht ausgegoren. Die Punkte 1 und 3 sind in Ordnung - die können wir meinetwegen mit aufnehmen -, aber alles andere muss sorgfältig diskutiert werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach § 58 Abs. 2 erteile ich jetzt zu einem Kurzbeitrag dem Herrn Abgeordneten Greve das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Feld ist hier noch zu kurz gekommen; es zeigt aber, wie zentral wichtig die Diskussion über die Änderung von Basel II ist. Ich meine die Frage nach den Betriebsneugründungen. Was Basel II rigoros verschlechtert, sind nämlich die Chancen für Unterneh

mensneugründungen. Eine Unternehmensneugründung ist ja mit sehr viel stärkeren Risiken verbunden als etwa die Stützung eines bestehenden Betriebes.

In dem Zusammenhang bringt Basel II eine Entwicklung, die man in dem Satz zusammenfassen kann: Wo keine vergangenheitsbezogenen Erfahrungsdaten existieren, soll im Grunde genommen überhaupt keine Hilfe mehr geleistet werden. Wie soll sich unter solchen Bedingungen noch ein Mittelstand entwickeln oder wie soll er gestärkt werden, wie sollen Neugründungen überhaupt noch möglich sein?

Die Bedingungen für Wagnisfinanzierungen werden durch die Richtlinien von Basel II rigoros verschlechtert.

Ich betone das auch noch in einem anderen Zusammenhang: Wer das zweite Konsultationspapier genau liest, der findet darin folgende Realität. Die Aufschläge für höhere Kreditlaufzeiten sind noch deutlich stärker als im ersten Konsultationspapier. Das heißt also, gerade bei Neugründungen, bei denen längere Kreditlaufzeiten nötig sind, verschlechtert sich in diesem zweiten Papier die Situation noch einmal. Deshalb ist es zentral wichtig, dass wir dann, wenn wir im Mittelstand überhaupt noch Initiativkraft haben wollen, Änderungen in dieser Richtung erzielen.

(Beifall der Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU] und Manfred Ritzek [CDU])

Besonders dem Aufbau von Beteiligungsfonds müssen wir deshalb für die nächsten Jahre auch hier in Schleswig-Holstein höchste Aufmerksamkeit widmen.

Ein Letztes! Bei dem, was Herr Müller hier formuliert hat, kann ich nur jeden Satz unterschreiben - ich glaube, wir alle. Aber - jetzt kommt das Entscheidende warum kämpfen wir hier im Land so stark für den Mittelstand? - Wir tun das, weil bewiesen ist, und zwar inzwischen durch die Mitglieder der Sozialdemokratie selbst, die das auch formulieren, dass in Berlin leider eine Politik gemacht wurde, die die Kapitalgesellschaften steuerlich wesentlich mehr entlastet hat und damit deutsche Wirtschaftspolitik zuungunsten des Mittelstandes betrieben worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Das ist die Problematik, warum unser Antrag hier heute gestellt worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Ebenfalls nach § 58 Abs. 2 erhält Herr Abgeordneter Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Wirtschaftsminister für seinen Beitrag außerordentlich dankbar, auch wenn wir die etwas schroffen Töne, die wir jetzt im Bundestagswahlkampf hören, aus den Debattenbeiträgen herauslassen sollten. Basel II richtet sich ja nicht in erster Linie an den deutschen Mittelstand und auch nicht an die Kreditnehmer, sondern an die Banken. Basel II ist eine Auswirkung der Asienkrise, der Japankrise, weil festgestellt worden ist, dass Banken eine Kreditvergabe betrieben haben, die aufgrund mangelnder Sorgfalt bei der Kreditvergabe zu Bankenzusammenbrüchen mit weltwirtschaftlichen Auswirkungen geführt haben. Das zu verhindern haben sich die Banken getroffen, um Kriterien festzulegen, nach denen die Kreditvergabe künftig organisiert werden kann.

Der deutsche Mittelstand leidet momentan aus zwei Aspekten, und zwar deshalb, weil die Banken Unternehmen sind, die im Wettbewerb stehen, egal, ob öffentlich-rechtlich oder privat. Das spielt gar keine Rolle. Auch der Finanzminister wird mir zugestehen, dass die öffentlich-rechtlichen Institute, weil sie im Wettbewerb stehen, sich in etwa so verhalten müssen wie die privaten Banken. Das haben Sie jedenfalls schon einmal so formuliert. Da stellt sich nun die Frage, unter welchen Bedingungen eine Kreditvergabe das Institut mehr Geld kostet als es einbringt. Sie können keinem im Wettbewerb stehenden Unternehmen, auch keinem öffentlich-rechtlichen, ohne dass wir das ausgleichen, auferlegen, dass es bei einer Kreditvergabe noch Geld zupacken soll, statt Geld damit zu verdienen. Damit würden wir über kurz oder lang die Unternehmen ruinieren.

(Beifall bei der FDP)

Also müssen wir fragen: Was führt dazu, dass die Kosten der Kreditvergabe gerade für kleine und mittlere Unternehmen so hoch sind? Eines der wesentlichen Kriterien - das hat mit Basel II überhaupt nichts zu tun - sind die Bonitätsanforderungen nach § 18 KWG. Das haben wir selbst zu verantworten. Da haben wir hineingeschrieben: Bei einer Kreditvergabe bis 500.000 DM kann darauf verzichtet werden, Vermögensaufstellungen zu erhalten, Selbstauskünfte zu erhalten, die den Ehepartner mit umfassen, die Sicherheitenlage vollständig offen zu legen, die Sicherheiten auch zu übertragen. Zwei Tage, nachdem das beschlossen worden war, hat das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen - Frau Schmitz-Hübsch hat darauf hingewiesen - Kriterien der Sorgfaltspflicht bei der Kreditvergabe an alle Bankenvorstände geschickt mit der fatalen Folge - ich sage es noch einmal -, dass die Verletzung dieser Sorgfaltspflichten strafrechtliche

Relevanz besitzt. Was soll einen Vorstand einer Bank bei der Vergabe eines Kredits von 50.000 DM, was soll einen Kreditsachbearbeiter veranlassen, so sehr ihm der Unternehmer oder der einzelne Betrieb auch am Herzen liegt, sich des Risikos auszusetzen, weil er nicht genau hinschaut, weil er diese Sorgfaltspflichten nicht genau erfüllt, anschließend von der Staatsanwaltschaft mit einem Ermittlungsverfahren wegen Untreue überzogen zu werden beziehungsweise von der eigenen Bank in persönliche Haftung genommen zu werden, weil er die entsprechenden Vorgaben nicht unterlegt hat? So ist das eben.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch Quatsch!)

Herr Müller, wir wollen jetzt nicht auf Ihren Spezialfall kommen. So ist das tatsächlich. Ich lade Sie demnächst gern zu einem Gespräch ein. Wir machen einen Mittelstandskongress, da wird ein Bankenvertreter Ihnen das genau so erklären. Herr Rocca wird sich das anhören; er ist dankenswerter Weise auch da. Kommen Sie einfach einmal dahin und lassen Sie sich erklären, was bei einer Kreditvergabe von 50.000 oder 100.000 DM heute bei der Volksbank, bei der Sparkasse, bei der Dresdner Bank, bei der Deutschen Bank, bei allen Instituten gleichermaßen das Risiko ist, in Anspruch genommen zu werden. Das Risiko ist vergleichsweise hoch, wenn man die Sorgfaltspflichten verletzt.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus-Dieter Mül- ler [SPD])

Herr Müller, ich weiß nicht, wie Sie Ihre Geschäfte betrieben haben, wahrscheinlich alle nur mit Verlusten, sonst würden Sie so nicht reden. Sehen Sie sich die letzte NStZ an. Darin ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Untreuehandlung eines Bankangestellten enthalten, der die Sorgfaltspflichtvorgaben fahrlässig nicht erfüllt hat.

Es ist also die spannende Frage: Was können wir generieren? Wir dürfen uns also nicht nur über Basel II unterhalten, sondern müssen auch über die Frage reden, ob wir nicht gesetzgeberisch diejenigen, die die entsprechenden Sorgfaltskriterien des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen nicht erfüllen, bei Kreditvergaben unterhalb eines bestimmten Betrages sowohl von der persönlichen wie auch von der strafrechtlichen Haftung freistellen. Ansonsten können wir hier debattieren, wie wir wollen, wir werden eine Verbesserung der Kreditvergabe für die kleinen und mittleren Unternehmen nicht erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 hat Frau Abgeordnete Schmitz-Hübsch.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil es Redner gab, die die Notwendigkeit der steuerlichen Entlastung des Mittelstandes verneint haben. Zum Teil haben sie auch gemeint, es gehe am Kern des Problems vorbei, wie zum Beispiel die Kollegin Anke Spoorendonk. Da kann ich nur auf mehrere Stellungnahmen von Verbänden verweisen,

(Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Stellungnahmen sehr unterschiedlicher Art zu Basel II,

(Erneuter Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

die sagen - ich darf einmal zitieren -, Kern des Problems sei die im Mittelstand oft bedrohlich geringe Eigenkapitalausstattung; an der Verbesserung der Eigenkapitalquote führe kein Weg vorbei, und hier sei in erster Linie die Steuerpolitik gefordert.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelter Bei- fall bei der CDU)

Wenn ich den Gewinn bei einem Mittelständler, der hoffentlich gut verdient, mit 60 % besteuere, dann bleiben dem von dem Gewinn, den er macht, nur 40 % über, womit er im Betrieb weiterhin arbeiten kann. Das ist zu wenig. Das ist einer der Gründe, warum unsere Firmen zu wenig Eigenkapital haben.