Protocol of the Session on May 15, 2002

Ich beantrage die Überweisung des Berichts zur abschließenden Beratung in den Wirtschaftsausschuss. Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bevor ich weiter das Wort erteile, begrüße ich Gäste. Auf der Tribüne haben Platz genommen Schülerinnen

(Präsident Heinz-Werner Arens)

und Schüler mit ihren Lehrkräften von der Realschule Todenbüttel. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Nun erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich darüber, Frau Kollegin Schmitz-Hübsch, dass auch Sie die Technologie positiv bewerten und wir uns hierin einig sind.

Die Umsatzerwartungen des UMTS-Forums wurden weltweit und für Europa bis zum Jahre 2010 trotz der weltweiten Konjunktureinbrüche nur leicht nach unten korrigiert. Es ist richtig, dass sich die Landesregierung nicht durch Unkenrufe selbst ernannter Wirtschaftsweiser irritieren lässt und der UMTS als Basistechnologie für Schleswig-Holstein eine wichtige arbeitsmarktpolitische Bedeutung beimisst. Es ist im Übrigen auch schlau und professionell, dass sich die Landesregierung - anders als andere - bei der Bewertung konzerninterner Prozesse der in Schleswig-Holstein angesiedelten Unternehmen dieser Branche zurückhält

(Beifall bei der SPD)

und sich als fairer Partner anbietet, wenn dies gewollt ist, und nicht schon, wenn einige Oppositionspolitiker dies für geboten erachten. So fühlen sich die Unternehmen richtig verstanden und wohl am Standort Schleswig-Holstein.

Bei allen Problemen, die es geben mag, die Leistungen der Firma MobilCom beim Aufbau der neuen Telekommunikationsstrukturen in Deutschland sind mehr als bemerkenswert. Die Tatsache, dass die amerikanischen Eigentümer des Motorola-Konzerns planen, in Flensburg die weltweite Serienproduktion des UMTS-Handys durchzuführen, ist ein eindrucksvoller Beweis für die Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Auswirkungen von UMTS auf unsere Wirtschaft werden vielfältig positiv sein. Viele Dienstleister werden von der notwendigen UMTS-gerechten Aufbereitung von Angeboten und Inhalten stark profitieren. Die betrifft zum Beispiel die Assistentensysteme Verkehrsleitsysteme, Auskunftsdienste und so weiter die Bankdienstleistungen, Online-Shop-Angebote und etwa auch die Fernsteuerung und Fernabfrage von haushaltstechnischen Geräten und Systemen.

Aber auch für teils sehr traditionell ausgerichtete Branchen werden sich durch UMTS neue Impulse in unserem Lande ergeben. Wir teilen die Auffassung der Landesregierung, dass ortsunabhängige, breitbandige und zeitunabhängige Sprach- und Datenkommunikationsinfrastrukturen, wie sie UMTS bietet, zu entscheidenden Standortfaktoren werden. Als Beispiele für zukünftige Mobile-Commerce-Angebote möchte ich nur nennen das mobile Büro, die Ferndiagnose und Fernwartung von mobilen Geräten, den Datenaustausch im regionalen Vertrieb, die Routenplanung und Disposition bei Logistikdienstleistern und die Bestellung und Disposition im Baugewerbe.

Die neuen Einsatzmöglichkeiten werden aber auch solche Branchen weiter stärken, in denen SchleswigHolstein bereits jetzt gut positioniert ist, wie etwa die Medizintechnik. Es ist leicht vorstellbar, welchen Wert diese Technologie bei den medizintechnischen Geräteherstellern in den Bereichen Wartung und Überwachung, aber auch bei der Übertragung medizinischer Daten hat. Ich nenne das mobile EKG auf dem Rettungswagen mit Datenübertragung in die Aufnahmeklinik, die Überwachung von Vitalfunktionen besonders gefährdeter Patienten und später vielleicht auch das Langzeit-EKG oder das Blutdruckmessgerät online. In diesem Zusammenhang möchten wir die Förderung des Projektes „Personal Messaging“ im Rahmen der Kompetenz-Cluster nachdrücklich begrüßen.

Wir unterstützen den sensiblen Umgang der Landesregierung mit dem Thema Elektrosmog. Eine Unterstützung des so genannten Infrastruktursharings, die aufmerksame Prüfung der tatsächlich messbaren Belastungen bei gleichzeitiger Aufklärung und einer Versachlichung der Diskussion, ist der richtige Weg.

UMTS ist nicht irgendeine neue Technologie. Sie wird unsere Lebensbedingungen nachhaltig verändern und eine Vielzahl neuer Chancen für unsere Wirtschaft eröffnen. Da ist die offene und positive Einstellung, die unsere Landesregierung auszeichnet, die richtige Antwort. Eine eher abwartende oder gar ablehnende Haltung würde unseren Standort gefährden. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Christel Aschmoneit-Lücke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! UMTS war und ist in aller Munde. Erst lief vielen ob des erwarteten schnellen Geldsegens das Wasser im Munde zusammen, jetzt ist UMTS als Kursvernichter in der Telekom-Branche im Gespräch. Der Bericht des Wirtschaftsministers hebt sich - das will ich hier ausdrücklich sagen - sehr positiv von diesen Stimmungsschwankungen ab.

(Beifall bei der FDP)

Eines wird besonders deutlich: UMTS ist kein Wundermittel für Aktienkurse, Wachstum oder Beschäftigung, sondern ein technischer Standard, der sich in den nächsten Jahren durchsetzen wird. Er wird sich durchsetzen, weil er es den Menschen ermöglicht, noch schneller und umfangreicher miteinander zu kommunizieren - Herr Kollege Müller hat die unterschiedlichen Anwendungen bereits sehr ausführlich behandelt -, genauso wie bei Telegraf, Telefon, E-Mail und SMS vorher. Die Unternehmen, die schneller am Markt sind, verdienen schneller mehr Geld als die anderen, wenn ihre Produkte den Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Die Folge: Unternehmen werden kommen und gehen, UMTS wird trotzdem kommen und irgendwann allerdings dann auch wieder gehen.

Aus politischer Sicht ist also in Bezug auf die technischen Aspekte von UMTS Gelassenheit angezeigt. Die einzige Ausnahme wären gesundheitsschädliche Auswirkungen der neuen Technologie. Aber der Minister führt aus, dass merkliche Risiken derzeit nicht erkennbar seien und dass die Auswirkungen trotzdem weiterhin streng kontrolliert würden, um entstehende Gefahren frühzeitig abwenden zu können.

Übrigens haben auch die Mobilfunkunternehmen dieses Thema aktiv aufgenommen. Das ist erfreulich und verständlich, denn sie wissen ganz genau, dass ihre Umsätze und Gewinne von einer hohen Akzeptanz der neuen Technologie abhängen. Angesichts der hohen Kosten der Anschubfinanzierung wollen die Betreiber und Anbieter jedes noch so kleine Risiko ausschließen, und das ist gut für uns potenzielle Nutzer, für unsere Portemonnaies und für unsere Gesundheit.

Meine Damen und Herren, ein Unternehmen, das anscheinend schneller als die anderen sein wird, ist Motorola, denn Motorola bietet - in Flensburg; die Herren und Damen aus Flensburg freuen sich gerade wieder - das erste UMTS-Handy an, und es soll in Flensburg produziert werden. Diese Entscheidung ist aus schleswig-holsteinischer Sicht sehr zu begrüßen.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelter Bei- fall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

An dieser Stelle gebührt der Landesregierung auch einmal von der Opposition ein Lob für ihren Einsatz für den Motorola-Standort Flensburg.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn der soll ja schon auf der Kippe gestanden haben, und der Einsatz der Landesregierung für Flensburg hat sicherlich dazu beigetragen, das Werk in Flensburg zu erhalten. Vielen Dank!

Meine Damen und Herren, das ist allerdings noch kein Grund, UMTS als wichtigen oder besonders wichtigen Standortfaktor zu benennen. Mobilfunkverbindungen sind heute eine Selbstverständlichkeit. Damit kann sich keine Region besonders von anderen abheben. Abheben könnte man sich nur negativ, wenn die Verbindungen nicht vorhanden wären. Es kommt darauf an, dass den Netzbetreibern keine Steine in den Weg gelegt werden, damit sie das UMTS-Netz aus den Ballungsräumen Kiel und Norderstedt möglichst schnell über ganz Schleswig-Holstein ausbreiten können.

(Beifall bei der FDP)

Die Ausführungen des Ministers lassen hoffen, dass die Landesregierung sich dieser Meinung nicht nur anschließt, sondern auch entsprechend handelt.

Damit komme ich zu meinem letzten Punkt: UMTS als Quelle neuer Berufsbilder? Hiervor möchte ich eindringlich warnen. UMTS ist ein technischer Standard, der in einigen Jahren überholt sein und abgelöst werden wird. Das ist nichts Schlimmes, sondern Normalität in einer sich entwickelnden Welt. Die Informationsund Kommunikationstechnologie zeichnet sich besonders durch kurze Produkt- und Standardzyklen aus. Es wäre aus meiner Sicht der falsche Weg, hierauf mit neuen Spezialberufsbildern und entsprechenden umfassenden Ausbildungsplänen zu reagieren. Gerade wegen der immer kürzer werdenden Halbwertszeit von Anwendungswissen sollten allgemeine Kompetenzen immer stärker in den Mittelpunkt der Bildung rücken. Darauf kann man dann, muss man allerdings auch, lebenslanges Lernen aufbauen, indem die Menschen sich das notwendige spezielle Fachwissen mittels ihrer allgemeinen Kompetenzen von Fall zu Fall aneignen.

Es kommt vielmehr darauf an, dass die Bildungsträger in die Lage versetzt werden, ihren Auftrag stets mit Hilfe und am Beispiel der jeweils aktuellen technischen Standards in der Kommunikationselektronik zu vermitteln, also jetzt am Beispiel UMTS.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beantragen, den Bericht ohne weitere Ausschussberatungen zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich trage anstelle von Martin Hentschel die Rede vor, der sich leider einer Operation unterziehen muss. Ich wünsche ihm von dieser Stelle aus noch einmal gute Genesung und dass sich die Erfolge, die er sich erhofft, auch einstellen!

(Beifall)

Vorher gestatten Sie mir zwei Bemerkungen. Es ist nett, wenn man in einer Debatte einmal nicht die Hauptverantwortung trägt und gelassen zuhören kann. Frau Aschmoneit-Lücke, es hat mir gut gefallen, wie gelassen Sie den neuen technischen Standard dargestellt haben, der auch seine Halbwertzeit hat und wahrscheinlich irgendwann erledigt sein wird. Frau Schmitz-Hübsch, entschuldigen Sie die Nachfrage: Ich habe einen CDU-Antrag im Ohr, den wir im Innenund Rechtsausschuss noch nicht fertig beraten haben und in dem es um die Verschuldung junger Menschen geht. Dies ist ein Problem, auf das wir meiner Ansicht nach auch in diesem Zusammenhang zu sprechen kommen sollten. Die neue UMTS-Technologie ermöglicht viel mehr spielerische Anwendungen, auf die gerade junge Menschen fliegen. Dies muss man bedenken, ehe man eine solche Technologie über alle Maßen begrüßt, als wäre dies das Heil aller Menschen. Das ist es nicht. Frau Aschmoneit-Lücke hat das aus meiner Sicht sehr beruhigend zurechtgerückt.

Ich trage nun die mir vorgelegte Rede vor: Die UMTSTechnologie war in aller Munde, als die Lizenzen dafür versteigert wurden. Ich kann nichts dafür, dass Frau Aschmoneit-Lücke dies bereits sagte. Der Bund konnte durch das Bieterverfahren über 100 Milliarden DM einnehmen. Die Mobilfunkunternehmen, die das Risiko auf sich genommen haben, mitzubieten, sitzen nun auf Schulden in Milliardenhöhe, die verzinst und getilgt werden wollen. Die Lizenznehmer mussten jeweils zirka 8 Milliarden € bezahlen und dafür natürlich auch Kredite aufnehmen. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Landesregierung davon ausgeht, dass UMTS - oder die Mobilfunkkommunikation der dritten Generation - große Chancen für Schleswig-Holstein bietet. Der Minister hat dies auch gesagt. Es wird auf die Firma MobilCom in Büdelsdorf verwiesen, die so finde ich - in der Öffentlichkeit etwas kritisch gesehen wird. Sie hat sehr zügig an der UMTS-Einführung gearbeitet. Allerdings drehte sich der Streit mit dem Anteilseigner France Télécom genau um die Frage, nämlich wie schnell auf UMTS gesetzt wird und welche Investitionen dafür aufgebracht werden müssen.

Der Herauskauf des Firmengründers Gerhard Schmid weist eher darauf hin, dass auch die MobilCom etwas vorsichtiger an diesen neuen und unbekannten Markt herangeht.

Die andere große Firma in Schleswig-Holstein ist ganz zweifellos Motorola in Flensburg. Darauf können wir richtig stolz sein, was ich auch bin. Dort soll in Kürze das weltweit erste UMTS-Handy produziert werden und in Serie gehen. Das eröffnet neue Beschäftigungschancen. Es birgt aber auch Risiken, wenn UMTS ein Flop wird. Ich denke, wir alle - auch die Landesregierung - sind gut beraten, dies zu bedenken, auch wenn man dieser Entwicklung natürlich keine Steine in den Weg legen möchte.

Für UMTS wird bundesweit ein neues Netz aufgebaut. In Schleswig-Holstein werden bis 2005 zirka 2100 neue Basisstationen errichtet werden. In der Bevölkerung gibt es Ängste vor einer Zunahme des Elektrosmogs. Auch wenn es bisher keine festen Beweise für gesundheitliche Störungen bei Menschen durch die Sende- und Empfangsmasten gibt, so sind Schäden nicht auszuschließen, zumindest nicht in der Folge der Summierung mit anderen Strahlungseinwirkungen. Rein rechtlich sind Antennenanlagen bis zu einer Höhe von 10 m nicht genehmigungspflichtig durch die Baubehörden. Es gibt aber eine Vereinbarung zwischen den Mobilfunkanbietern und den Landesverbänden der Städte und Gemeinden. Darüber wurde im Landtag diskutiert. Das MUNF hat dazu eine gute Veranstaltung gemacht, auf der ich viele Kolleginnen und Kollegen gesehen habe.

Die große Frage ist: Gibt es den erwarteten großen Markt für UMTS-Angebote? Jugendliche Technikfreaks werden sicher neugierig auf UMTS sein. Gibt es aber genug Menschen aller Altersgruppen, die sich für einen Wechsel zu den UMTS-Technologien entschließen und sagen: Mein jetziges Handy mit seinen Funktionen reicht mir nicht mehr. Die euphorischen Prognosen über den neuen umfassenden Markt sind leiser geworden. Alle Mobilfunkanbieter haben mit riesigen Schuldenbergen und Kursabstürzen bei ihren Aktienwerten zu tun. In Amerika wird abgewartet, welche Erfahrungen Europa und Japan mit UMTS sammeln. Die Wirtschaftszeitungen in den USA haben sich über die Versteigerung von Luftnutzung mokiert. In den USA wird UMTS nicht forciert, ohne dass jemand die Wirtschaftskraft oder die Innovationsfähigkeit der USA anzweifeln möchte.

Es ist sicher richtig, wenn das Wirtschaftsministerium das Potenzial ausleuchtet, das UMTS für Dienstleistungsbetriebe und Regionen haben kann,

(Glocke des Präsidenten)

(Irene Fröhlich)

sodass kleine und mittlere Unternehmen davon profitieren können. Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Ein Alleinstellungsmerkmal für SchleswigHolstein ist UMTS aber nicht. Wir müssen abwarten, wie viele Anbieter tatsächlich ins UMTS-Geschäft einsteigen und mit welchen Dienstleistungen sie das tun werden. Wir werden sehen, ob die Kunden und Kundinnen dafür die Preise zahlen wollen, die gebraucht werden, um die Kredite abzutragen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])