Protocol of the Session on May 15, 2002

Auch hierzu sind Fragen zu klären, wie zum Beispiel die Zuschüsse des Bundesamtes für Zivildienst für anerkannte Kriegsdienstverweigerer auf den Freiwilligenjahrplätzen verwendet werden. Denn umgerechnet sollen diese Plätze vom Bund höher bezuschusst werden als ein normaler Platz - dies allerdings nur dann, wenn diese Plätze speziell dafür neu eingerichtet werden.

Das bedeutet für das Land, dass wir uns fragen müssen, ob mit dieser Aktion mehr FÖJ-Plätze eingerichtet werden sollen, dementsprechend weniger bezuschusst werden müssten, aber es wirft andererseits auch die Frage auf, ob damit ein Zweiklassen-Freiwilliges Jahr geschaffen wird und wie damit umgegangen werden soll.

Daneben gibt es aber auch aktuelle Herausforderungen im Freiwilligen Ökologischen Jahr, die nichts mit der Gesetzesnovelle zu tun haben. Die Teilnehmerzahl für das FÖJ konnte erfreulicherweise schrittweise erhöht werden. Dies bedingt aber auch, dass wir für die jetzige größere FÖJ-Struktur vielleicht andere Strukturen brauchen oder weiterentwickeln müssen, die einmal für eine deutlich kleinere Teilnehmerzahl konzipiert war. Wir müssen die gesamte Finanzstruktur des FÖJ überprüfen. Das bestehende System kann man nicht einfach ständig erweitern, sondern wir werden auch an geeigneter Stellen Einsparungen erwirtschaften müssen. Das diskutieren wir zurzeit. Alle möglichen Vorschläge dazu werden mit den Betroffenen diskutiert und Lösungen werden möglichst schon im Oktober vom FÖJ-Ausschuss beschlossen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insgesamt möchte ich betonen, dass ich das FÖJ nach elf Jahren Erfahrung als ein absolutes Erfolgsmodell der Umweltbildung und der Motivation junger Men

schen ansehe. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das so bleibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Peter Eichstädt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft ist ein wichtiges sozialdemokratisches Ziel, Kern sozialdemokratischer Politik in Schleswig Holstein. Wer bürgerschaftliches Engagement entwickeln und Menschen dauerhaft gewinnen will, muss bei den jungen Menschen anfangen. Insofern nehmen die Freiwilligendienste bei der Stärkung der Zivilgesellschaft eine Schlüsselstellung ein. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist ein wichtiges Kriterium für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr sind beide außerordentliche Erfolgsangebote und wir Sozialdemokraten fühlen uns bestärkt in unserer Auffassung, dass beide in Schleswig-Holstein wesentliche Elemente geworden sind, die es jungen Menschen ermöglichen, sich freiwillig und weitgehend unentgeltlich für unsere Gesellschaft zu engagieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dass die Landesregierung für FSJ und FÖJ die entsprechenden Fördermittel bereitstellt, halten wir für eine wichtige gesellschaftspolitische Perspektive.

Zurzeit befinden sich in Schleswig-Holstein jährlich 580 junge Menschen im FSJ und 100 im FÖJ. Um den vielfältigen Interessen der Jugendlichen entgegenzukommen, aber auch um die Möglichkeiten sozialen und ökologischen bürgerschaftlichen Engagements zu bündeln und zu verbessern, ist auf Bundesebene zurzeit das Gesetz in Vorbereitung, über das der Minister eben schon berichtet hat. Dieses Gesetz wird das bestehende Angebot erweitern und die soziale und rechtliche Absicherung der Freiwilligen verbessern und vereinheitlichen. Ich nenne nur vier wichtige neue Regelungen aus dem Gesetz.

Erstens: Es wird zu einer Erweiterung der Einsatzfelder im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres um

(Peter Eichstädt)

die Bereiche Kultur, Sport und Denkmalpflege kommen.

(Beifall des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Zweitens: Zukünftig wird es möglich sein, dass anerkannte Kriegsdienstverweigerer statt des Zivildienstes ein FSJ oder FÖJ absolvieren.

Drittens: Das Mindestalter wird durch den Begriff „Erfüllung der Vollzeitschulpflicht" ersetzt. Diese Regelung kommt insbesondere Haupt- und Realschülern zugute. Sie können nun auch den Freiwilligendienst unmittelbar im Anschluss an die Schulzeit leisten.

Viertens: Erworbene Fähigkeiten können am Ende des Freiwilligendienstes durch ein Zeugnis bescheinigt werden. Hiervon erwarte ich eine Aufwertung des freiwilligen Engagements.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Meine Damen und Herren, die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen sind nach unserer Auffassung ein Schritt in die richtige Richtung. Das Ziel der Landesregierung und der SPD-Fraktion war und ist es, freiwilliges, ehrenamtliches Engagement und bürgerschaftliches Engagement zu stärken und auszubauen. Unsere Aufgabe in Schleswig-Holstein ist es nun, die neuen gesetzlichen Möglichkeiten auf ihre praktische Anwendungsmöglichkeit zur Verbesserung und Ausweitung der Freiwilligendienste zu untersuchen und zu nutzen.

Lassen Sie mich noch ein besonderes Augenmerk auf das Freiwillige Ökologische Jahr werfen. Dieses ist seit nunmehr elf Jahren in unserem Land möglich. Es erfreut sich großer Beliebtheit. Es ist sicher nicht übertrieben, wenn ich die Entwicklung, die das FÖJ seit seinem Bestehen genommen hat - begonnen mit bescheidenen 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, heute auf 100 angewachsen -, als eine echte Erfolgsgeschichte für engagierte junge Menschen bezeichne.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie vereinzelt bei der CDU)

Ein Problem hat der Minister angesprochen: Die vorhandenen 100 Plätze im FÖJ reichen nicht aus. Lange nicht alle jungen Menschen, die bürgerschaftliches Engagement allgemein mit dem Wunsch nach einem Engagement für Umwelt und Natur in einem Freiwilligendienst verbinden wollen, können in SchleswigHolstein einen Platz hierfür finden. Mit anderen Worten und bitter für alle, die bürgerschaftliches Engagement junger Menschen fördern wollen: Die Bereit

schaft junger Menschen, sich für die Allgemeinheit und für die Umwelt in diesem Bereich zu engagieren, ist weitaus größer als unsere Bereitschaft, ihnen Gelegenheit zur Verwirklichung dieses bürgerschaftlichen Engagements zu geben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich sage mit aller Zurückhaltung: Dies können wir uns eigentlich nicht leisten.

(Beifall bei SPD und SSW)

Dies sollten wir uns auch nicht leisten, schon gar nicht, wenn wir doch gerade die jungen Menschen aktivieren wollen und ihr Engagement für andere - auch im Sinne einer gelungenen Werteorientierung junger Menschen - auf unsere politischen Fahnen geschrieben haben.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wir unterstützen den Minister deshalb in seinem Bestreben, die Zahl der Stellen für das FÖJ zu erhöhen. Er selbst nannte die Zahl von 30 notwendigen zusätzlichen Stellen.

(Lothar Hay [SPD]: Die können wir aus der Grundwasserabgabe finanzieren!)

Der heutige mündliche Bericht wird wichtiges Material sein, wenn es nach den Sommerferien darum geht, den Bericht der Enquetekommission des Bundestages „Bürgerschaftliches Engagement“ zu diskutieren und seine Anregungen für unsere politische Arbeit zu analysieren.

(Anhaltender Beifall bei SPD und SSW)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Abgeordneter Herlich Marie Todsen-Reese das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Freiwilligendienste, insbesondere das Freiwillige Ökologische Jahr und das Freiwillige Soziale Jahr, genießen zweifelsfrei über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg große Akzeptanz und Anerkennung. Ich denke, das tun sie völlig zu Recht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für diese positive Beurteilung nenne ich nur wenige Stichworte: Erwerb und Steigerung von sozialer Kompetenz und von Schlüsselqualifikationen, Stärkung von Toleranz und Solidarität und Erweiterung der Bildungschancen junger Menschen. Zusammengefasst: Dieses jugendpolitische Bildungsjahr im ökologi

(Herlich Marie Todsen-Reese)

schen und sozialen Bereich ist eine Bereicherung für die Entwicklung der jungen Menschen im Sinne des humanistischen Welt- und Menschenbildes. Angesichts der Diskussionen nach Erfurt und auch nach PISA kommt den Freiwilligendiensten in Zukunft nach meiner Auffassung ein noch größerer Stellenwert zu.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, ich will mich gern dem anschließen, was Sie gesagt haben: Es ist selbstverständlich auch eine gute Umweltbildungsmaßnahme. Angesichts dieser positiven Beurteilung ist es richtig und wichtig, dass wir uns über die Zukunft und Weiterentwicklung von FÖJ und FSJ informieren und darüber diskutieren. Insoweit begrüße ich den Berichtsantrag.

Allerdings muss ich die Frage stellen, ob es gut und klug war, den Bericht erst heute mündlich zu geben. Herr Minister, hier sind wir uns nicht einig.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man dieses Thema hier wirklich substanziell diskutieren wollte, wäre es nicht nur fairer, sondern auch zweckmäßiger und der Bedeutung des Themas angemessen gewesen, wenn Sie uns den Bericht vorher in schriftlicher Form zugeleitet hätten. Sie hatten es ohnehin aufgeschrieben und hier vorgelesen, also hätten wir es sicherlich auch vorher von Ihnen bekommen können.

(Beifall bei der CDU)

Frau Fröhlich, Ihre Rede war schon vor einer guten Stunde in den Fächern. Das lässt den Verdacht zu, dass zumindest Sie diesen Bericht schon kannten.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das habe ich freihändig gemacht!)

Vor allem hätte ich mir aber auch eine Befassung und Beschlussfassung vor der Verabschiedung der Novellierung beider Gesetze im Bundesrat und im Bundestag gewünscht. Vielleicht lohnt sich noch die weitere Behandlung, um noch Einfluss auf die geplante Durchführungsverordnung zu nehmen, die vom Bundesministerium vorgesehen ist. Ich kann ja verstehen, dass die Landesregierung heute einmal mehr den Versuch unternimmt, ihre Arbeit als Erfolg zu verkaufen. Ich habe auch kein Problem damit, die Entwicklung - zum Beispiel der Platzzahlen beim Freiwilligen Ökologischen Jahr - positiv zu bewerten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)