Protocol of the Session on May 15, 2002

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wurde mit 30 Plätzen gestartet, deren Anzahl nach einer Verringerung auf 24 Plätze - stetig gestie

gen ist, und zwar über 50 und 70 bis zuletzt sogar auf 100 Plätze. Das ist eine gute Leistung.

(Beifall bei der CDU)

Eine kritische Anmerkung habe ich bisher vermisst: Diese Steigerung konnte unter anderem nur ermöglicht werden, weil bisher zusätzliche Mittel aus dem Europäischen Freiwilligendienst zur Verfügung gestellt wurden. Dieses Programm wurde 1996 auf den Weg gebracht und finanziell ständig weiter ausgebaut. Jetzt sage ich mit aller Vorsicht: Ich höre, dass die Bundesfamilienministerin der SPD, Frau Bergmann, gemeinsam mit dem Büro „Jugend für Europa“ entschieden haben soll, dass die beiden Freiwilligendienste FÖJ und FSJ nicht mehr mit dem Europäischen Freiwilligendienst kombiniert werden dürfen. Das soll zur Folge haben, dass das FÖJ zum Beispiel nur noch bis zum 01.06.2002 - das ist demnächst - aus den Mitteln des Europäischen Freiwilligendienstes gefördert werden darf. Danach soll aus diesem Topf nichts mehr fließen. Dazu hätte ich heute gern Gründe und Hintergründe gehört. Herr Minister, das haben Sie so deutlich nicht gesagt. Was bedeutet das konkret für die Freiwilligendienste in Schleswig-Holstein? Hier habe ich von Betroffenen deutliche Sorgen gehört.

Gerade weil das bisherige Verfahren aus meiner Sicht unbefriedigend war, und angesichts der Unsicherheiten bei der Finanzierung ist eine intensive Beratung in den Ausschüssen erforderlich. Dabei sollten wir auch auf Ausschussebene Gespräche mit den Trägern von FÖJ also Nordelbischer Kirche, Jugendpfarramt Koppelsberg - und den Trägern vom FSJ - zum Beispiel Landesverband Deutsches Rotes Kreuz, AWO, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband -, aber auch den Jahrgangssprechern im Lande führen, um deren praktische Erfahrungen zu nutzen und einfließen zu lassen. Ich hätte mich darüber gefreut, wenn die Jahrgangssprecher davon gewusst hätten, dass wir hier heute darüber sprechen. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie ihnen das gesagt haben. Schade, dass sie heute nicht dabei sein können. Ich glaube, sie hätten heute diese Debatte gern verfolgt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es also nicht nur eine kurzfristig aufflackernde Selbstdarstellung geben soll, dann brauchen wir die vertiefte Diskussion. Vielleicht senden wir am Ende gemeinsam im Sinne von Stärkung und Weiterentwicklung der Freiwilligendienste ein kraftvolles Signal nach Berlin.

(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Müller, bei allem Respekt, angesichts der auch vom Kollegen Eichstädt genannten Zahlen und angesichts des Titels des Antrags Freiwilliges Ökologisches Jahr und Freiwilliges Soziales Jahr mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube, wenn ich Ihnen sage: Mir wäre es deutlich lieber gewesen, wenn der Bericht durch die Sozialministerin gegeben worden wäre. Das ist sowohl der Historie der Freiwilligendienste als auch den Zahlen angemessener. Der Kollege Eichstädt hat das Zahlenverhältnis von fünf zu eins genannt. Ich habe empfunden, dass die 500 jungen Menschen, die im Freiwilligen Sozialen Jahr arbeiten, in dieser Debatte ein wenig zu kurz kommen. Deshalb gestatten Sie, dass ich mich jetzt diesen besonders zuwende.

(Beifall bei der FDP)

Bereits im März dieses Jahres verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung eines Freiwilligen Sozialen Jahres und anderer Gesetze. So heißt das ja ganz genau. Ziel war, die Möglichkeiten junger Menschen zu erweitern, Freiwilligendienste zu absolvieren. Danach sollen sowohl das Freiwillige Ökologische Jahr, wie es sich im ursprünglichen Antrag von SPD und Grünen wieder findet, als auch das Freiwillige Soziale Jahr ausgebaut werden und künftig auch anstelle des Zivildienstes geleistet werden können. Nach der Zustimmung des Bundesrats vom 26. April 2002 wird das Gesetz ab 1. Juni 2002 in Kraft treten. Der rot-grüne Antrag vom 30.04.2002 kommt daher zumindest in Punkt 2 ein wenig spät.

Für die FDP-Fraktion kann ich die künftigen Änderungen im Wesentlichen nur begrüßen. Beispielhaft will auch ich die Ausweitung der Aufgabenfelder der Freiwilligendienste, die Senkung des Mindestalters für die Teilnahme am Freiwilligendienst, die Verlängerungsmöglicheit auf 18 Monate, die Anrechnung des Freiwilligendienstes auf den Zivildienst und die Möglichkeit der Ableistung des Freiwilligendientes auch im außereuropäischen Ausland nennen.

Gleichwohl mischen sich nach meinem Geschmack in den großen Kelch der Freude über die Neuerungen, die sich für die Betroffenen daraus im Einzelnen ergeben, auch die Verbesserungen, im Übrigen einige bittere Tropfen und auf die will ich dann auch besonders hinweisen. Es mag ja richtig sein, dass die Modernisie

rung des Freiwilligengesetzes das richtige Signal für die jungen Menschen ist, um ihr soziales und ökologisches Engagement zu fördern. Ebenso mag es richtig sein, dass es gerade vor dem Hintergrund sinkender Zahlen an Zivildienstleistenden eine Erleichterung vor allem für die sozialen Einrichtungen ist, dass sie künftig vermehrt auf Freiwillige zurückgreifen dürfen, um soziale Dienstleistungen erbringen zu können. Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es ein offenes Geheimnis, dass gerade im Pflegebereich Zivildienstleistende, aber auch Absolventen und Absolventinnen eines Freiwilligen Sozialen Jahres nicht nur zur Qualitätsverbesserung der sozialen Dienstleistungen beitragen, sondern oftmals erst ihre Sicherstellung garantieren.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, enthebt uns aber nicht der Verpflichtung, über derartige Einzelregelungen hinaus an bedarfsgerechten Konzepten und Strategien zur Versorgung alter, pflegebedürftiger und kranker Menschen zu arbeiten. Die Leistungen im Sozialund Umweltbereich müssen selbstständig geregelt werden. Sie können nicht von den Regelungen der Freiwilligendienste oder der Wehrpflicht und ihrer Folgen abhängig gemacht werden.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte ganz ausdrücklich betonen, Freiwilligendienst und Zivildienst sind kein Ersatz für die Tätigkeit der hauptamtlich Tätigen; sie können und dürfen lediglich eine Ergänzung sein, nicht mehr, aber auch nicht weniger, und zwar sowohl im Interesse derjenigen, für die die sozialen und ökologischen Dienstleistungen erbracht werden, als auch für die Dienstleistungen selber.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht hören Sie mir da einmal einen Moment zu, weil das ganz wichtig ist: Auf keinen Fall sollte der Eindruck entstehen, dass die jungen Menschen infolge knapper finanzieller Ressourcen von Länderetats nur eine Lückenbüßerfunktion im Rahmen ihrer freiwilligen Dienste einnehmen, denn dann ginge die Philosophie, die hinter diesem Freiwilligendienst steht, in der Tat verloren. Dazu brauche ich nichts weiter zu sagen, Frau TodsenReese hat das bereits ausgeführt.

(Beifall bei der FDP)

Sinn und Zweck eines Freiwilligen Ökologischen und eines Freiwilligen Sozialen Jahres ist nach wie vor, dass die jungen Menschen freiwillig einen Beitrag für die Gesellschaft erbringen, dass sie selbst soziale Kompetenz sammeln, die sie auch später weitergeben können. Dabei können sie sich selbst erproben, sich für ihre als sinnvoll empfundenen Ziele einsetzen und

(Dr. Heiner Garg)

ihre Ideale einem Härtetest in der Praxis unterziehen, stets begleitet durch eine angemessene pädagogische Betreuung. Nur so lässt sich eine entsprechende Persönlichkeitsbildung gewährleisten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich würde das in dem Fall wirklich ernst nehmen, dass wir - ich nehme Ihre Anregung auf, Herr Präsident - das federführend im Sozialausschuss behandeln und nicht im Umweltausschuss und dass wir uns da noch einmal intensiv darüber auseinander setzen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich.

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich in meiner Rede zunächst auch mit dem Freiwilligendienst-Änderungsgesetz beschäftigen und dann erst zu unserem eigenen Modell kommen.

In der Tat sind wir sehr froh und dankbar, dass das Ministerium uns trotz einiger Verzögerungen in unseren eigenen Reihen, die wir selbst zu vertreten haben, zusagen konnte, doch zu dieser Sitzung den Bericht zu geben. Da haben wir dann gesagt, es sei uns genauso recht, wenn der erst einmal mündlich gegeben werde und nicht schriftlich, wie wir das ursprünglich vorgehabt haben. Natürlich ist das ein bisschen leichter zu diskutieren, wenn man das schriftlich hat. Wenn man es nur mündlich zur Kenntnis nehmen muss, ist es ein bisschen schwieriger, das gebe ich zu. Da geht es mir aber nicht anders als Ihnen.

Dass meine Pressemitteilung schon raus ist, hat lediglich mit der Zeiteinteilung unserer Pressesprecherin zu tun, die nicht mehr im Hause ist. Wir haben das vorbereitet und deswegen ist dort auch leider der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen. Ich hatte mir gewünscht - wir als Fraktion hatten das in unserem ursprünglichen Antrag auch noch drin -, noch hineinzubringen, als noch die Änderung des Gesetzes im Gespräch war, dass auch Erwachsene die Möglichkeit zu einem Freiwilligendienst bekommen sollten und dass das abgesichert werden sollte. In einer Gesellschaft, die immer älter wird, halte ich so etwas für eine ganz wichtige Sache und für eine ganz wichtige Möglichkeit für erwachsene Menschen, irgendwann in ihrem Leben zu sagen, ich will ein Stück weit aussteigen oder mein Ruhestand reicht mir nicht aus oder wie auch immer,

und ich tue jetzt etwas für die Gesellschaft, ich gebe etwas von dem, was ich empfangen habe, jetzt zurück, auch von dem, was ich als Erfahrung und Wissen im Hintergrund habe. Das hätte ich mir gewünscht und hatte gedacht, es sei drin, aber es ist nicht drin. Das ist mir jetzt nach dem Bericht klar geworden.

(Unruhe)

Dürfte ich um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten.

Immerhin freuen wir uns über die Änderungen des FÖJ- und FSJ-Gesetzes.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo ist eigentlich Herr Müller? Wo ist der Minister?)

- Ich führe nicht den Terminkalender des Ministers. Das entzieht sich meiner Kenntnis. Schließlich wollen wir hier miteinander diskutieren. Ich habe dem Minister gut zugehört und freue mich also über die Änderung.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, jetzt rede ich, jetzt sind Sie mal still!

Wir freuen uns über die Änderung des FÖJ- und FSJGesetzes, vor allen Dingen auch deswegen, weil es Bestandteile unseres schleswig-holsteinischen FÖJModells mit seiner starken Betonung des Bildungsbestandteils aufgenommen hat. Es hat eine lange Diskussion gegeben und wir begrüßen sehr, dass hier noch einmal der Gedanke der freiwilligen Leistung, aber auch des Übergangs zwischen Schulausbildung und Berufseintritt, natürlich auch pädagogisch bearbeitet werden muss und die jungen Menschen die Möglichkeit haben müssen, sich an dieser Stelle persönlich weiterzuentwickeln. Wir begrüßen auch die Öffnung des Gesetzes für anerkannte Kriegsdienstverweigerer und selbstverständlich die Herabsetzung der Altersgrenze. Das wird auch für unser schleswigholsteinisches Modell möglich machen, dass wir Hauptschüler vermehrt ansprechen können, als das bisher der Fall war.

Wir Grüne setzen uns ein für die Abschaffung der Wehrpflicht. Das wird automatisch zur Folge haben, dass auch der Zivildienst wegfällt. Wir gehen aber davon aus, dass die Gesellschaft auf das freiwillige Engagement ihrer Mitglieder nicht wird verzichten können, und zwar, wie ich noch einmal anmerken möchte, auch ihrer älteren Mitglieder nicht wird verzichten können. Deswegen muss man rechtzeitig ein

(Irene Fröhlich)

Freiwilligengesetz schaffen, das diese Lücke schließt. Das ist hiermit geschehen und das begrüßen wir sehr.

Ebenso halten wir natürlich das Angebot an junge Menschen, sich unmittelbar nach der Schulausbildung vor dem Einstieg ins Berufsleben beziehungsweise ins Studium sozial, ökologisch, denkmalpflegerisch, Frau Eisenberg, sportlich oder wie auch immer wir das gern ausgedrückt haben wollen, wobei ich diese sportliche Aktivität mehr als ein soziales Feld würde erklären wollen, zu orientieren, für wichtig. Es geht ja nicht darum, dass dann ein junger Mensch freiwillig irgendwie über Hürden springt oder Weitsprung oder sonst etwas macht, sondern an dieser Stelle auch ein Stück sozialer Betreuung übernimmt. Das alles finden wir außerordentlich begrüßenswert und für unsere Gesellschaft höchst wertvoll.

(Anhaltende Unruhe)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin. - Vielen Dank.

Für die einzelnen jungen Menschen ist das sicherlich auch ein wichtiges Angebot.

Ich habe viel mit Zivildienstleistenden, mit FÖJlern und FSJlern gesprochen; ich habe noch nicht einen einzigen gehört, der gesagt hat: Die Zeit war für mich vertane oder verlorene Zeit. Ganz im Gegenteil, ohne dieses Jahr, in dem die Menschen in ganz anderen Zusammenhängen mit ganz anderen Problemstellungen, die sie sonst in ihrem normalen Leben gar nicht kennen lernen würden, zu tun gehabt haben, wäre Ihnen manches in ihrem Leben so auch nicht geglückt oder auch nicht gegeben worden. Das ist mir so bestätigt worden. Auch das sollten wir mit bewerten.

Unser schleswig-holsteinisches Modell wird getragen von den unterschiedlichen Verbänden und den Freiwilligen selbst. Da hat die Kirche einen großen Anteil. Das sollten wir hier deutlich herausheben. Hinrich Groß ist übrigens heute Vormittag hier gewesen und hat gemeint, es würde heute Vormittag diskutiert. Jetzt reichte natürlich seine Zeit nicht. Wir sind manchmal etwas unberechenbar in unserer Tagesordnung. So ist das nun einmal leider.

Die Betroffenen selbst haben ein Höchstmaß an Mitsprache bei der Gestaltung von Bildungsangeboten und auch des Dienstes selbst. Im Konzept der Bildung im Sinne der Agenda 21 für eine nachhaltige Entwicklung spielen FSJ und FÖJ eine zentrale Rolle. Unzählige junge Menschen sind auf diese Weise mit Problemen konfrontiert worden - ich sagte das schon -, die sie

sonst so intensiv nicht kennen gelernt hätten. Wir wollen unser Augenmerk verstärkt darauf richten, das Angebot des Freiwilligendienstes verstärkt auch an Hauptschülerinnen und Hauptschüler zu richten. Selbstverständlich geht es dabei nicht darum, billige Arbeitskräfte zu gewinnen. Ich glaube, das ist aus dem, was ich vorher gesagt habe, auch deutlich geworden. Vielmehr stellen FSJ und FÖJ in SchleswigHolstein ein herausragendes Angebot an junge Menschen dar, das wir pflegen und weiterentwickeln wollen.