Protocol of the Session on June 8, 2000

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hans-Werner Arens zu einem Kurzbeitrag das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Föderalismusdebatte ist auch und im Kern eine europäische Debatte. Hier ist Frankreich angesprochen worden. Wenn wir die Föderalismusdebatte in Deutschland, die Regionalisierungsdebatte in Frankreich, die Dezentralisierungsdebatte in Großbritannien, die Wirtschaftsreformen in Polen und die Verwaltungsstrukturreformen in Finnland und in Schweden sehen, dann sehen wir, dass es immer um das gleiche Thema geht. Es dreht sich um die Stärkung regionaler Kompetenzen in dem Rahmen und in den Organisationsstrukturen, die in den jeweiligen Staaten vorhanden sind. Wir sind gut beraten, in dieser Diskussion immer beim Menschen selbst anzusetzen, der in Europa mitgenommen werden muss. Europa wird in der Zukunft nur gelingen, wenn der Mensch nicht seine europäische Identität allein, sondern immer auch seine regionale Identität ausformen kann.

(Beifall im ganzen Haus)

Das ist der Kern. Hier haben wir heute noch ein tiefes Missverhältnis in der Notwendigkeit, Europa zu bau

(Heinz-Werner Arens)

en, und dem gleichzeitigen Mitnehmen der Menschen in ihrer Akzeptanz Europas. Insofern war die Auslösung der Debatte heute durch diesen Antrag wichtig.

Die Föderalismusdebatte in Deutschland ist eine Regierungsdebatte. Die Regierung dafür zu prügeln, wäre das Schlimmste, was man machen könnte. Sie leistet und erfüllt ihre Aufgaben und wir wollen kooperieren. Wir müssen aber begreifen, dass wir unsere eigene Plattform entwickeln müssen.

(Beifall bei der SPD)

In allen Beiträgen wurde angesprochen, dass diese Diskussion heute der Anfang einer Diskussion im Schleswig-Holsteinischen Landtag ist, bei der ich empfehlen möchte, dass wir die vorgetragenen Grundpositionen im Gespräch über die Fraktionsgrenzen hinaus ausloten, miteinander besprechen und versuchen, daraus eine Plattform für die Diskussion zu gewinnen. Wir wären gut beraten, wenn wir dies fraktionsübergreifend hinkriegen würden. Die Ansätze dafür waren heute da. Die Diskussion hätte dann ihren Sinn erfüllt.

(Beifall im ganzen Haus)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und komme zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/128, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zusammenarbeit zwischen den norddeutschen Ländern

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/118

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Herr Lothar Hay.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zusammenarbeit zwischen den norddeutschen Bundesländern ist ein Politikfeld, für das wir sehr viel Geduld mitbringen müssen. Man kann es auch anders ausdrücken: Wer dort spektakuläre Erfolge erzielen will, muss sich auf das Bohren von Eisenbahnschwellen einstellen.

(Holger Astrup [SPD]: Das ist wahr!)

Die Bereitschaft, die Zusammenarbeit zu verstärken, ist überall in Norddeutschland parteiübergreifend vorhanden. Schwierig wird es, wenn es um die Klärung von Detailfragen geht. Ziel der Initiative der Koalitionsfraktionen ist es, das Tempo der Zusammenarbeit zu beschleunigen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir sind uns der Schwierigkeiten bewusst, fünf norddeutsche Bundesländer unter einen Hut zu bekommen. Ein Beispiel, das wir in der Vergangenheit in diesem hohen Hause diskutiert haben, spricht dafür Bände. Das ist das Beispiel Küstenwache. Deshalb gilt es aus Sicht der SPD-Fraktion auszuloten, ob es nicht schneller zu Kooperation und Zusammenlegungen kommt, wenn man erst einmal - ich betone ausdrücklich - einen weiteren Partner gefunden hat. Wir hoffen, dass sich die daraus entstehende Sogwirkung positiv auf die dann noch vorhandenen drei weiteren norddeutschen Bundesländer auswirkt.

Nach Gesprächen, die ich mit den sozialdemokratischen Fraktionen der norddeutschen Bundesländer geführt habe, scheint mir der Wille zur Zusammenarbeit in Hamburg zurzeit am stärksten vorhanden zu sein.

Ich will nicht verkennen, dass es bereits positive Beispiele für die Zusammenarbeit gibt. Wir können parteiübergreifend feststellen, dass das gemeinsame „Hanse-Office“ in Brüssel hervorragend zum Wohle Schleswig-Holsteins gearbeitet hat.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weiter sind der gemeinsame Landesplanungsrat mit Hamburg, der die Grundlage für das regionale Entwicklungskonzept geschaffen hat, oder die vereinbarte Zusammenarbeit bei den Datenzentralen zu nennen. Es gibt weitere Beispiele, die belegen, dass die politische Zusammenarbeit kein Neuland ist.

Der rot-grüne Antrag führt beispielhaft Behörden und Politikfelder an, die uns geeignet erscheinen, zu weiteren Kooperationen zu kommen. Kooperation ist für uns der erste Schritt. Der zweite Schritt, der folgen muss, ist das Zusammenlegen von Behörden. Hier beginnt der Egoismus, von dem wir in Schleswig-Holstein natürlich total befreit sind.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn Gesetze und Verordnungen einer Zusammenarbeit oder einem Zusammenlegen entgegen stehen,

(Lothar Hay)

dann müssen diese Gesetze und Verordnungen entsprechend geändert werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Durch unseren Berichtsantrag wollen wir Wege aufgezeigt bekommen, wie etwas geht und nicht, wie etwas nicht geht. Das setzt in erster Linie ein Umdenken voraus.

So weit können viele noch folgen. Doch dann kommt der entscheidende Knackpunkt in die Diskussion, nämlich die Standortfrage. An dieser Stelle war es mit der Gemeinsamkeit meistens vorbei. Wer Kooperation und Zusammenlegung will, der muss auch bereit sein, in Schleswig-Holstein Behördenstandorte aufzugeben. Sonst ist das eine Diskussion, die wir am Sonntagnachmittag führen können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Martin Kayen- burg [CDU])

Dass sich norddeutsche Länder für nahezu jeden Bereich eine eigene Behörde leisten, ist antiquiert, titelten die „Kieler Nachrichten“ am 6. Juni 2000. Wir wollen so viel Kooperation und Zusammenlegung wie möglich, wir wollen aber keinen Nordstaat. Warum wollen wir keinen Nordstaat? Die Antwort schließt nahtlos an die vorherige Debatte an. Die Diskussion über den Nordstaat wurde lange Jahre geführt. Sie musste zwangsläufig scheitern, weil sie viel zu hoch angesetzt war und an den Bedürfnissen und Ängsten der Menschen vorbei ging. Angesichts von rasanten Veränderungen wie der deutschen Einheit, der Einführung des Euro und der Globalisierung war und ist den Menschen ein weiterer tief greifender Wandel nicht zuzumuten. Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Ich freue mich auf einen interessanten Bericht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Oppositionsführer Martin Kayenburg das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon im Frühjahr 1997 hat die CDU-Landtagsfraktion ein Positionspapier zur Verschlankung des Staates und zum Abbau von Bürokratie vorgelegt. Das ist jetzt drei Jahre her. In diesem Papier haben wir gefordert - ich zitiere wörtlich - „Zusammenarbeit der norddeutschen Länder“ mit der „Zielsetzung: Kostenersparnis und mehr Effizienz durch die Ausnutzung von Synergieeffekten“.

Am 19. Juni 1998 haben wir - zweitens - den Antrag „Schleswig-Holsteins Zukunft im 21. Jahrhundert“ in den Landtag eingebracht; das ist jetzt zwei Jahre her. Wir haben in diesem Antrag die Landesregierung aufgefordert - ich zitiere wiederum wörtlich -, „mit der Hansestadt Hamburg und mit MecklenburgVorpommern in Verhandlungen über gemeinsame Planungen und die Einrichtung gemeinsamer Behörden einzutreten, um Bürokratie abzubauen, Verwaltungseffizienz zu steigern, Synergieeffekte zu nutzen und die Länder von Kosten zu entlasten“. Dies wäre unser Weg zu Kooperation und Zusammenarbeit gewesen. Der Antrag hat dann in den Ausschüssen geschmort und ist im Dezember 1998 von Rot-Grün endgültig abgelehnt worden.

Dritter Punkt: In den Haushaltsanträgen der vergangenen Jahre finden sich viele konkrete Forderungen der CDU zur Zusammenarbeit, um Kosten einzusparen. Ich erinnere an unseren Haushaltsantrag für das Jahr 1999, in dem wir viele Behörden sogar beispielhaft genannt haben, die wir für geeignet für eine Zusammenarbeit halten. Ich nenne nur die Statistischen Landesämter, die Verfassungsschutzbehörden, die Katasterverwaltungen, die Wasserschutzpolizeien, die Datenschutzbeauftragten und die Landesämter für Denkmalpflege. Einen Teil dieser Behörden hat der Kollege Hay hier ja inzwischen ebenfalls bereits erwähnt.

Viertens erinnere ich an unseren Entschließungsantrag zum Haushalt 2000, in dem wir die „Zusammenarbeit beziehungsweise Zusammenlegung norddeutscher Behörden und Gerichte“ als „mittelfristig haushaltswirksame Maßnahmen“ gefordert haben.

Ich kann nur sagen: Herzlich willkommen! Jetzt, ein halbes Jahr nach den letzten Haushaltsberatungen und gerade einmal anderthalb Jahre, nachdem Sie unseren Antrag „Schleswig-Holsteins Zukunft im 21. Jahrhundert“ abgelehnt haben, wollen Sie offensichtlich Positionen für sich reklamieren, die Sie, als diese Positionen von der CDU gefordert wurden, nicht wahrhaben wollten. Wir fühlen uns geschmeichelt, dass wir die Vordenker waren, und sind auch weiterhin gern bereit, Ihnen Unterlagen zu liefern.

(Beifall bei der CDU)

Allerdings vermisse ich in Ihrem Antrag, Herr Kollege Hay - nicht in Ihren Ausführungen; das betone ich ausdrücklich -, ein bisschen Konkreteres. Sie fragen nämlich nicht nach konkreten Vorhaben, nach Taten der Landesregierung, sondern nur nach Plänen. Ge

(Martin Kayenburg)

fragt wird, wie durch die Zusammenarbeit von Einrichtungen des Landes mit den entsprechenden Einrichtungen der anderen norddeutschen Länder - oder einiger von ihnen - der Haushalt in Zukunft möglicherweise entlastet werden könnte. Sie wollen zwar die Diskussion bestimmen, aber nach dem Antrag haben Sie bis jetzt jedenfalls nicht vor, Fakten zu schaffen; ich kann nicht erkennen, dass Sie nach dem Wortlaut des Antrags ergebnisoffen, aber abschlussorientiert in die Verhandlungen eintreten wollen. Nun haben Sie in Ihrem Beitrag hier im Hause Gott sei Dank auch Signale gesetzt, dass Sie bestimmte Positionen durchaus offen angehen wollen; deswegen hoffe ich, dass wir in dieser Hinsicht auch ein Stück weiter kommen.

Allerdings kann ich mir die Kritik nicht verkneifen: Wären Sie unseren Vorschlägen gefolgt, als wir die Anträge eingebracht haben, dann wären wir jetzt schon ein ganzes Stück weiter und der Landeshaushalt wäre wirklich bereits ein Stück weit entlastet.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte mir trotz des Angebotes die Kritik nicht ersparen, dass dies natürlich auch ein Antrag ist, der etwas von den Problemen ablenken soll, die Herr Möller hat, die Enden des Haushalts zusammenzubekommen. Da ist möglicherweise das Prinzip Hoffnung der entscheidende Faktor und ich fürchte, das Desaster wird uns bei den Haushaltsberatungen noch direkt in die Augen springen. Dann werden wir deutlich machen - und vor allem Sie werden deutlich machen müssen -, ob denn Ihre Vorhaben wirklich in Vorteile für unser Land umgesetzt werden können, ob wir die Synergieeffekte, die Sie sich versprechen, dann auch realisieren können. Ich fürchte, wir werden beim Haushalt, wenn die Landesregierung den Offenbarungseid zu leisten hat, gar keinen anderen Weg mehr gehen können. Deswegen biete ich Ihnen aufgrund Ihrer Vorschläge eine faire Diskussion über die Zusammenarbeit zwischen den norddeutschen Ländern an, vorausgesetzt - ich unterstelle das -, dass Sie auch an Ergebnissen interessiert sind. In dieser Erwartung wird meine Fraktion Ihrem Antrag uneingeschränkt zustimmen.