Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuzug von Menschen aus anderen Ländern ist nach jeder Logik nur verantwortbar, wenn sie unsere heutigen Sozialsysteme sehen, wenn es nicht ein Zuzug in die Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe ist, sondern ein Zuzug in Arbeit und Brot.
Wenn man sich die derzeitigen Chancen in SchleswigHolstein ansieht, sieht jeder, dass Chancen dieser Art im Moment sehr gering sind.
Ich habe in den letzten Monaten einmal zwölf verschiedene Unternehmen befragt, wie sie ihre Perspektive hier in Schleswig-Holstein sehen. Festzustellen ist, dass von den zwölf - auch größeren - Unternehmen in Schleswig-Holstein, zehn sagen, dass sie in den nächsten zwei Jahren Personal abspecken und nicht neu einstellen wollen. So ähnlich sieht es heute überall in Deutschland aus. Nach dieser Logik ist es völlig unsinnig, wenn jetzt von Rot-Grün ein Gesetz entwickelt worden ist, das kein Begrenzungsgesetz ist, das kein Gesetz etwa zur Steuerung darstellt, sondern eindeutig - wie viele Anträge in Berlin bewiesen haben - eine Zuwanderungserweiterung darstellt, die derzeit völlig unsinnig ist. Das ist derzeit doch das Problem - nicht, dass man etwa ein Gesetz nicht wollte.
Der „Spiegel“ brachte vor einiger Zeit einen großen Beitrag zu diesem Thema. Da viele auch der Sozialdemokraten unter uns „Spiegel“-Leser sind, ist es wertvoll, diesen Beitrag einmal in die Hand zu nehmen. Sie haben bestimmt gesehen, dass im „Spiegel“ eindeutig bewiesen worden ist, dass die Integration der Menschen aus fernen Ländern und fremden Kulturen hier praktisch schon jetzt weitgehend gescheitert ist. Prinzip kann nur sein, was Jo Wadephul hier dargestellt hat, dass man jetzt alle Anstrengungen unternimmt, die Menschen, die hier im Land leben, zunächst einmal zu integrieren,
Es geht hier auch um folgende Frage. Wenn wir den anderen Weg gehen, geht dieser eindeutig zur multiethnischen Gesellschaft; die Grünen nennen sie multikulturell. Eine multi-ethnische Gesellschaft ist eine
Ich möchte einen Mann zitieren, der vielleicht nicht zu meinen politischen Freunden, aber zu Ihren gehört, um zu zeigen, was eine solche Gesellschaft, wenn wir ie wirklich weiterentwickeln würden, bedeuten würde. Das ist Daniel Cohn-Bendit, der als Dezernent für multikulturelle Fragen in Frankfurt am Main Folgendes formulierte:
„Die multikulturelle Gesellschaft ist hart, schnell, grausam und wenig solidarisch. Sie ist von beträchtlichen sozialen Ungleichgewichten geprägt und kennt Wanderungsgewinner ebenso wie Modernisierungsverlierer. Sie hat die Tendenz, in eine Vielfalt von Gruppen und Gemeinschaften auseinander zu streben und ihren Zusammenhalt sowie die Verbindlichkeit ihrer Werte einzubüßen.“
- können wir dem Gesetz so, wie es formuliert ist, nicht nur als Union nicht zustimmen, sondern eigentlich kann dem kein vernünftiger Mensch zustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 1. März hat der Bundestag das Zuwanderungsgesetz verabschiedet. Kurz darauf haben sich FDP-Landespolitiker zu Wort gemeldet und mit einer Stimmenthaltung der von ihnen mit regierten Länder im Bundesrat gedroht. Die schleswig-holsteinische FDP geht darüber hinaus. Wir sollen dem Zuwanderungsgesetz nicht zustimmen.
Die Haltung der Landesregierung ist Ihnen bekannt. Ministerpräsidentin Simonis und ich haben uns mehrfach klar für ein Zuwanderungsgesetz ausgesprochen.
Das Gesetz, über das der Bundesrat am Freitag, also morgen, entscheidet, erfüllt sicherlich nicht alle Wünsche. Auch die schleswig-holsteinische Landesregierung hat zu einzelnen Bestimmungen andere Vorstellungen. Insgesamt hat der Bundestag aber ein Gesetz verabschiedet, das eine gute Basis für die zukünftige Gestaltung der Zuwanderung bietet. Das Gesetz ist ein Kompromiss, ein Ergebnis langer, fast endloser Diskussionen.
Es ist - entschuldigen Sie, wenn ich das in aller Deutlichkeit so sage - schon etwas seltsam, wenn einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung die gesamte Diskussion von Beginn an wiederholt werden soll. Ich glaube, das geht ein wenig an der Sache vorbei.
Das Gesetz greift alle zentralen Grundpositionen der schleswig-holsteinischen Landesregierung auf. So enthält das Gesetz endlich - das begrüße ich persönlich insbesondere - eine Härtefallregelung. Hierfür habe ich mich seit langem mit Nachdruck und auf fast jeder Innenministerkonferenz erneut eingesetzt.
Der Härtefallkommission haben zahlreiche Schicksale vorgelegen, in denen die Ausreisepflicht für die Betroffenen eine nicht erträgliche Härte darstellte. Ich will nicht verhehlen, dass ich ein ganz kleines bisschen stolz bin, dass in das Gesetz, das morgen zur Abstimmung steht, überwiegend unsere Formulierung eingeflossen ist.
Auch der ausdrückliche Abschiebestop für Opfer nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention wurde in das Gesetz aufgenommen. Zum Kindernachzug enthält es eine Regelung, die als Kompromiss mitgetragen werden kann und - wie gesagt - nicht alle Wünsche erfüllt.
Das Gesetz bietet ein modernes und flexibles Instrumentarium zur bedarfsgerechten Steuerung der Zuwanderung. Es ist hier einiges zur festgelegten Gehaltsgrenze gesagt worden. Herr Hildebrand hat Ausführungen dazu gemacht. Die Gehaltsgrenze ist ein mögliches Kriterium, um so etwas abzugreifen. Das Gehalt von mindestens dem Doppelten der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine objektive Grenze und wurde auch von der
Unabhängigen Kommission Zuwanderung für die Zuwanderung von Führungskräften und Schlüsselpersonal der Wirtschaft empfohlen. Ich meine, das ist vertretbar.
Die Integration von Migrantinnen und Migranten ist für die Landesregierung ein zentrales Thema der Zuwanderungspolitik. Die Landesregierung begrüßt außerordentlich, dass das Zuwanderungsgesetz erstmalig Regelungen zur Integration enthält,
im Übrigen nicht nur für Integrationskurse, sondern etwa auch zur migrationsspezifischen Beratung und für ein bundesweites Integrationsprogramm. Die Regelungen stellen einen Kompromiss dar, in denen im Übrigen natürlich auch Interessen der Länder eingeflossen sind. Einzelheiten der Sprachkurse werden durch eine Rechtsverordnung geregelt, die mit Zustimmung des Bundesrats ergeht. Schleswig-Holstein wird die Chance nutzen und sich für eine ausreichende Sprachförderung einsetzen. Eine grundsätzliche Ablehnung fördert die Integration weiß Gott nicht.
Natürlich wird das Land Schleswig-Holstein und werden alle Länder weiter um die Kosten der Integration ringen. Schleswig-Holstein ist im Übrigen das einzige Land, das noch vor wenigen Tagen einen sehr deutlichen Brief an den Staatssekretär im Innenministerium, Schapper, geschrieben hat. Noch gestern Abend fand in meinem Beisein ein Gespräch zwischen der Ministerpräsidentin und dem Kanzleramt genau zu diesem Thema statt.
Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Gesprächen wiedergeben, wenn sie nicht zum Teil unter vier Augen gelaufen wären. So wurden zum Beispiel von Herrn Schönbohm, von Herrn Beckstein immer wieder Forderungen aufgestellt, denen nachgegeben worden ist. Danach sind erneut Barrieren aufgebaut worden.
Für mich ist aus vielen Gesprächen deutlich geworden: Die CDU/CSU will dieses Thema in den Wahlkampf ziehen. Und das finde ich unverantwortlich, das sage ich ganz eindeutig.
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, wird die Landesregierung dem Gesetz zustimmen und natürlich weiter über die Integrationskosten verhandeln.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Greve! Nachdem Sie das Beispiel Jugoslawien angeführt haben, erlaube ich mir, einmal über den Tellerrand meiner ehemaligen Herkunft zu gucken, nämlich in die Schweiz. Die Schweiz hat einen Ausländeranteil von 20 %. In der Schweiz werden vier Sprachen gesprochen. Und bei meinem letzten Skiurlaub konnte ich dort feststellen, dass man mit diesen 20 % Ausländern wunderbar zusammenlebt.
Herr Kollege Wadephul, was allerdings und das ist in der Tat eine noch wesentlich ernstere Frage -, die Auseinandersetzung um den demographischen Wandel und die Belastung der sozialen Sicherungssysteme angeht, kann weder die eine noch die andere Seite behaupten, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. In der Tat ist es so, dass Zuwanderung nicht die abschließende Antwort auf die Fragen unserer Sozialversicherungssysteme darstellt. Auf der anderen Seite allerdings werden Sie ohne Zuwanderung die Sozialversicherungssysteme, die umlagefinanziert an das Erwerbseinkommen anknüpfen, überhaupt nicht mehr in Ordnung bekommen.