Protocol of the Session on March 21, 2002

Insofern hat hier eher die Begrenzung gewirkt. Es ist ja kein Geheimnis, dass wir Grüne der Umsetzung dieses Gesetzes mit einem lachenden und einem weinenden Auge zustimmen. Ich komme später noch darauf zurück.

Zweitens. Zum ersten Mal gibt es mit diesem Gesetz einen Rechtsanspruch auf Integrationsleistungen für Migranten und Flüchtlinge. Der Bund wird sich an den Kosten dafür auf faire Art und Weise beteiligen. Herr Wadephul, ich weiß nicht, wo Sie da etwas Anrüchiges sehen. Es wurde von allen Bundesländern gefordert, hier eine faire Kostenbeteiligung zu leisten. Auch wir fordern dies in unserem Änderungsantrag.

Ich finde es richtig, dass der Bundeskanzler sich gefälligst darum bemüht, seinem gegebenen Versprechen, dieses Gesetz endlich durchzubringen, zu folgen und nach Möglichkeiten zu suchen, gegenüber den Ländern eine faire finanzielle Beteiligung des Bundes hinzukriegen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Das mag Ihnen fremd sein, denn in 16 Jahren schwarz-gelber Regierung hat es so etwas eher weniger gegeben. Jedenfalls hat es dies nicht auf dem Wege einer fairen Beteiligung des Bundes an Kosten, die er selbst verursacht hat, gegeben.

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Johann Wadephul [CDU])

- Nein, ich beantworte keine Fragen. Ich habe sowieso nicht genug Zeit.

Das mag Ihnen fremd sein. Ich finde es wichtig, das zu tun, weil es gerade um einen fairen Kostenausgleich geht.

Drittens. Aus humanitären Gründen Bedrohte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis und damit eine Integrationsperspektive. Ich will nicht verhehlen, dass mir das Nachzugsalter von zwölf Jahren nicht ausreicht. Ich glaube, dass dies etwas ist, was Zuwanderer eher abschrecken wird, zu uns zu kommen, weil sie nicht sicher sein können, wie lange sie überhaupt hier bleiben können. Ihre Kinder auf unbestimmte Zeit mitzunehmen, um dann wieder zurück zu müssen, halte ich

für unzumutbar. Das ist weit an der Praxis vorbeigegangen. Es ist weit vorbei gedacht. Wenn ich es richtig im Kopf habe, benennt die internationale Kinderrechtskonvention, die von der UNO unterstützt wird und auch vom Bundestag verabschiedet wurde, ein Nachzugsalter von 18 Jahren für Kinder und junge Angehörige. Das halte ich für richtig. Das ist das einzig Vertretbare.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Mar- tin Kayenburg [CDU]: Die Quelle müssen Sie mir nennen!)

Viertens. Nun werden erstmalig nicht staatlich - beziehungsweise geschlechtsspezifisch - Verfolgte als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das steht darin überhaupt nicht!)

Das ist überfällig!

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Eine von Schleswig-Holstein seit langem geforderte Härtefallregelung wird geschaffen. Darüber freue ich mich ganz besonders. Ich bin sehr dafür, dass wir alternativ abstimmen. Ich kann nicht verstehen, dass die FDP dazu auffordert, nicht zuzustimmen, weil dies Herrn Stoiber die Möglichkeit der Verschärfung gibt. Das kann nicht im Sinne einer liberalen Partei sein, schon gar nicht, da Sie mit uns zusammen im vergangenen Jahr diesen Antrag beschlossen haben und Sie wie Sie es in Ihrer Rede sagten - schon immer dafür waren.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Sie können doch den Vermittlungsausschuss anrufen!)

Herr Wadephul, ich kann Sie nicht verstehen. Als wir im vorigen Jahr - nach Abschluss der SüssmuthKommission - unsere Veranstaltung gemacht haben, haben Sie sich - wenn ich mich richtig erinnere - voll hinter die Ergebnisse der Süssmuth-Kommission gestellt. Da ging es noch um 50.000 Einwanderer pro Jahr. Das unterschritt weit die internationalen Forderungen der UNESCO und anderer Organisationen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das stimmt nicht!)

Wenn es so ist, dass die so genannten klassischen Einwanderungsländer, die ihre Bevölkerung überhaupt erst darüber entwickeln konnten, dass sie sich öffneten, jetzt, nachdem sie geradezu Menschen anwerben mussten, mit ihren Gesetzen Zuwanderung begrenzen,

(Irene Fröhlich)

dann mag das so sein. Ich kann das nicht weiter beurteilen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Doch, das ist so!)

Bei uns ist die tatsächliche Bevölkerungsentwicklung so, dass wir bis zum Jahr 2050 dringend 350.000 bis 500.000 Menschen brauchen, um die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik zu erhalten. Das sollten Sie sich ernsthaft hinter die Ohren schreiben. Das sagen Ihnen auch Arbeitgeber- und Unternehmensverbände sowie die beiden großen Kirchen immer wieder. Diese sind mit der Bevölkerungsentwicklung vielleicht nicht am meisten verbunden, wohl aber die Arbeitgeber- und Unternehmensverbände. Es sollte Ihnen zu denken geben, dass die Sie auffordern, diesem Gesetz zuzustimmen. Wir bitten Sie, unserem Alternativantrag zuzustimmen. Ich möchte das gern als Alternative sehen, denn es ist wichtig, dass dieses Gesetz jetzt endlich das Licht der Öffentlichkeit erblickt und angewendet wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich Frau Abgeordneter Silke Hinrichen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Auch der SSW hätte sich ein besseres Zuwanderungsgesetz gewünscht.

(Beifall beim SSW)

Wir haben - genau wie die FDP - eine ganze Reihe -

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU] - Unruhe)

- Ich verstehe kein Wort, aber Sie dürfen gern nach vorn kommen und nach mir reden!

(Anke Spoorendonk [SSW]: Ist egal! - Glo- cke des Präsidenten)

Das Wort erteilt das Präsidium, aber ich bitte trotzdem um Ruhe!

Ich kann mich hier vorn selber kaum hören. - Wir haben also weiterhin Kritikpunkte an der nun vorliegenden Fassung des Gesetzes. Allerdings gehen unsere

Bedenken eher in die Richtung, dass einige der heute vernünftig funktionierenden Asylbestimmungen durch den vom Bundestag beschlossenen Entwurf entweder gestrichen oder in eine Richtung verändert werden, die es Flüchtlingen erschwert, bei uns Asyl zu bekommen. Das bedauert der SSW genauso wie der Flüchtlingsrat und viele andere humanitäre Organisationen in der Bundesrepublik.

Hier hat die rot-grüne Bundesregierung aber schlicht und einfach versucht, den Unionsparteien in ihrer Kritik am Gesetz entgegen zu kommen. Wie man jetzt sieht, mit mäßigen Erfolg. Das historische Zuwanderungsgesetz droht völlig im bundespolitischen Taktieren zwischen dem sozialdemokratischen Kanzler und dem Kanzlerkandidaten der Union rund um die unübersichtlichen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat unterzugehen.

Aus staatspolitischer Sicht ist das Verhalten - insbesondere von CDU/CSU - in dieser Frage nach unserer Ansicht unverantwortlich.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Seien wir einmal ganz ehrlich: Wo sind - angesichts der eigenen Vorschläge der CDU vom letzten Jahr eigentlich die grundlegenden Unterschiede zwischen dem rot-grünen Vorschlag und dem Vorschlag von CDU/CSU? Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger überhaupt keinen Unterschied erkennen können. Es ist fahrlässig, so zu tun, als gehe es zwischen den beiden Positionen um eine massive Öffnung für die Zuwanderung oder um eine starke Begrenzung. Beide Konzepte sehen im Prinzip eine Öffnung und Steuerung der Zuwanderung vor. Dies hat es bisher in dieser Form noch nicht gegeben. Ein Zuwanderungsgesetz ist leider immer auch ein Begrenzungsgesetz für eine Zuwanderung. Der SSW bleibt trotz aller Kritik, die wir im Einzelnen am Zuwanderungsgesetz haben, bei seiner Haltung. Ein Kompromiss in dieser Frage ist besser als kein Zuwanderungsgesetz. Deutschland braucht nach unserer Ansicht Zuwanderung.

Es gibt viele Gründe, weshalb wir die Zuwanderung dringend benötigen. Entgegen der Ansicht von Herrn Dr. Wadephul sind wir der Ansicht, dass das beitragsfinanzierte Sozialversicherungssystem nur zu halten sein wird, wenn wir weiterhin Zuzug aus dem Ausland bekommen. Das mag angesichts von 4,3 Millionen Arbeitslosen merkwürdig wirken, aber alle Prognosen deuten daraufhin, dass die Wirtschaft langfristig einen Arbeitskräftemangel bekommen wird. Wir brauchen also auch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland, damit der hiesige Arbeitsmarkt neue

(Silke Hinrichsen)

Einflüsse von außen bekommt und unsere Wirtschaft auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben kann.

Ich möchte auf eine sehr informative Veranstaltung der Lorenz-von-Stein-Gesellschaft hinweisen, bei der leider außer mir niemand anwesend war. Diese Veranstaltung hat genau diese Problematik gezeigt und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Die Frage war also von Anfang an nicht, ob wir Zuwanderung benötigen, sondern wie wir diese gestalten, um auch in Zukunft ein zukunftsfähiges Land zu bleiben. Vor allem geht es natürlich um die Frage, wie wir die Menschen integrieren, die zu uns kommen. Es ist richtig, dass wir heute noch manchmal Schwierigkeiten mit den Menschen haben, die vor drei Jahrzehnten eingewandert sind. Diese sind häufig immer noch nicht in unsere Mitte aufgenommen worden und haben - wenn es um Bildung und Arbeit geht - schlechtere Bedingungen.

Das Zuwanderungsgesetz löst zugegebenermaßen nicht alle diese Fragen. Es hat aber im Verhältnis zum jetzigen Zustand einen moderneren Integrationsansatz und ist daher ein Schritt nach vorn. So richtig die Kritikpunkte der FDP unter anderem in Bezug auf die ungeklärte Finanzierung der Integrationskosten sind, so müssen wir doch jetzt ein Zuwanderungsgesetz bekommen, damit das gesellschaftliche Klima in Deutschland für die notwendige Einwanderung endlich geschaffen wird.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Vermittlungsverfahren zum Thema Zuwanderungsgesetz macht aus unserer Sicht nur Sinn, wenn alle Beteiligten wirklich daran interessiert sind, in dieser Frage einen Kompromiss zu finden. Seien wir doch ehrlich: Die CDU/CSU will vor der Bundestagswahl kein Gesetz mehr. Das hat Herr Dr. Wadephul eben auch gesagt. Daher führt der Vorschlag eines Vermittlungsverfahrens wahrscheinlich nur dazu, das Verfahren zu verzögern. Es droht die Gefahr, dass kein Zuwanderungsgesetz mehr beschlossen wird. Der SSW unterstützt daher den Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in dem die Landesregierung dazu aufgefordert wird, im Bundesrat für das vorliegende Gesetz zu stimmen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Uwe Greve.

Herr Vizepräsident!

(Heiterkeit und Beifall)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuzug von Menschen aus anderen Ländern ist nach jeder Logik nur verantwortbar, wenn sie unsere heutigen Sozialsysteme sehen, wenn es nicht ein Zuzug in die Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe ist, sondern ein Zuzug in Arbeit und Brot.