Ich sage Ihnen hier noch einmal ganz deutlich: Wir haben kein Verständnis mehr dafür, dass es eines ständigen Kampfes von Küstenbewohnern, Verbänden, Gemeinden, Landkreisen und Landtagen bedarf, um diesem Ziel auch immer nur ein Stückchen näher zu kommen.
Die Sicherheit für die internationale Schifffahrt in Nord- und Ostsee muss im Zentrum aller politischen Überlegungen für die Zuständigkeitkeitsbereiche unserer Hoheitsgewässer liegen. Der Schutz von Mensch und Natur erfordert entschlossene Maßnahmen zur dauerhaften Gewährleistung maritimer Notfallvorsorge. Deshalb dürfen keine Sicherheitslücken bezüglich der Notschleppkapazitäten in Nord- und Ostsee entstehen.
Dies ist vor wenigen Tagen ausgedrückt worden, aber dies darf keine Leerformel sein. Hier steht die Bundesregierung in besonderer Verantwortung und Verpflichtung.
Nun flatterte uns vorgestern um 17:26 Uhr - wie ganz zufällig - die dpa-Meldung mit der Nachricht einer europaweiten Ausschreibung eines Anschlussvertrages für den am 15. April auslaufenden Chartervertrag der „Oceanic“ auf den Tisch. Herr Kollege Malerius - Sie haben es ja treffend dargestellt -, unsere gemeinsamen Bemühungen über die Jahre scheinen nun Erfolg zu haben, zumindest soweit sie diese Ausschreibung betreffen. Es ist auf alle Fälle positiv, dass die Tiefgangsbeschränkung auf maximal 6 m vom Tisch ist. Es ist positiv, dass Bestandteil der Ausschreibung die Voraussetzung des Führens der Bundesflagge und der Eintrag im deutschen Seeschiffsregister ist. Es ist auch positiv, dass damit das bewährte Schiff mit seiner bewährten Crew, die „Oceanic“, die Chance hat, wieder die Anschlusscharter zu bekommen.
Was mich ein Stück bedenklich stimmt, ist, dass man wiederum nur eine relativ kurzfristige Charter von sechs Monaten beabsichtigt, wenn auch mit Verlängerungsoption. Unser Ziel hier im Hause war es immer, langfristige Charter für dieses Schiff sicherzustellen. Bedenklich stimmt mich aufgrund der vorhergegangenen Debatte und Diskussion in den Fachverbänden, die Zielvorgaben Pfahlzug 160 t und Geschwindigkeit bis
zu 17,5 Knoten für den neuen Notseeschlepper. Hier knüpft man offenbar wieder an den Abschlussbericht der Experten an, wenn man es jetzt in der Ausschreibung auch ein Stück weit geöffnet hat.
Zu diesen Zielvorgaben möchte ich doch noch einige Worte sagen, weil mir etwas unwohl ist, wenn ich mir das weitere Verfahren ansehe. Die Zielvorgaben im Abschlussbericht halten einer kritischen Überprüfung nicht stand. Zum einen werden absehbare Entwicklungen - zukünftig werden immer größer werdende Containerschiffe in der Deutschen Bucht verkehren -, wie sie zum Beispiel das Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik ausführt, nicht berücksichtigt. Zum anderen werden Untersuchungen des Hamburger Instituts für Seeverkehr und Simulation, das die aktuelle Aufgabe hat, die Pfahlzugberechnungen zu überprüfen, nicht beachtet. So wurde dort zum Beispiel untersucht, mit welcher Schleppleistung ein Großcontainerschiff wie die „Sovireign Maersk“ bei einer Havarie in der Deutschen Bucht zum Stehen gebracht werden kann. Das Ergebnis: Ein Trossenzug von 175 t, das heißt ein Schlepper mit 220 bis 250 t Pfahlzug, wäre bei Windstärke 10 erforderlich, um einen solchen Havaristen zu stoppen.
Auch ein Gutachten des Instituts der Hamburger Schiffbauversuchsanstalt, HSVA, wäre in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Die HSVA hat 1996 festgestellt, dass sicherheitshalber ein Schlepper mit einem Pfahlzug von 165 t gewählt werden sollte, um einen beladenen havarietreibenden Großtanker mit einer gegenüber Containerschiffen erheblich kleineren Windangriffsfläche bei Windstärke 9 in der Deutschen Bucht zum Stehen zu bringen.
Das heißt, die Fragen des Pfahlzuges, des Tiefganges, der Bauweise und Geschwindigkeit eines Schiffes dürfen nicht als feste Größe festgesetzt werden. Es ist notwendig, im Interessenbekundungsverfahren das Angebot nicht nur so in den Raum zu stellen, sondern eine ergebnisoffene Diskussion zuzulassen und ergebnisoffen auszuwerten, was auf den Tisch kommt. Nur so ist den Belangen der Nordsee, der Ostsee, der Sicherheit an den Küsten Rechnung zu tragen.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! So viel maritime Einigkeit - das ist schon eine gute Sache, wenn es um die Sicherheit an unseren Küsten geht. Ich bin kein Spezialist; ich bin im Gegensatz zu meinen
beiden Vorrednern nur ein lizenzloser Mitsegler. Deswegen musste ich mich kundig machen Auch mit der Hilfe des Kollegen Malerius ist mir das gelungen.
Wenn das Thema nicht so ernst wäre, könnte man einleiten mit: Same procedure as every year. Wieder einmal geht es um die maritime Notfallvorsorge, wieder einmal stehen die Notschleppkapazitäten in der Deutschen Bucht auf der Tagesordnung. Das Thema ist so bekannt wie aktuell. Es ist momentan sogar von besonderer Brisanz, und zwar auch nach der gestern bekannt gewordenen europaweiten Ausschreibung für einen neuen Notschlepper für die Nordsee. Ich habe mich wirklich gefreut zu hören, dass das Bundesverkehrsministerium von seinen ursprünglichen Vorgaben, vor allem von der heftig umstrittenen Tiefgangsbeschränkung von sechs Metern, abgewichen ist. Zumindest ist dadurch der Weg frei, dass auch nach dem 15. April dieses Jahres, wenn der Chartervertrag mit der „Oceanic“ endet, ein lückenloser Schutz für die deutsche Nordseeküste gewährleistet ist.
Ich frage nur: Wie lange? Denn die vom Bundesverkehrsministerium vorgestern präsentierte Lösung ist wieder nur eine Zwischenlösung. Die Parlamentarische Staatssekretärin Angelika Mertens hat ihre Pressemitteilung zwar geschickt verpackt,
aber nicht ohne Grund wies die „Dithmarscher Landeszeitung“ gestern darauf hin, dass wir auch nach dieser Ausschreibung immer noch keine dauerhafte Lösung für den Schutz der deutschen Nordseeküste haben. Ich zitiere:
„Neben der Notfall-Lösung per Zeitvertrag strebt der Bund nach Angaben des Ministeriums eine dauerhafte Lösung an. ‘In absehbarer Zeit’, so das Ministerium, sollen alle Schleppreedereien aufgefordert werden, längerfristige Lösungen für eine neues Spezialschiff zu entwickeln.“
Umso mehr freue ich mich, dass es uns fraktionsübergreifend doch noch gelungen ist, einen Antrag zu erarbeiten, der sich auf die Kernanforderungen an ein solches Schiff konzentriert. Insbesondere mein geschätzter Kollege Malerius, immerhin Kapitän auf großer Fahrt und als solcher sehr willensstark,
hatte ursprünglich ganz andere, detaillierte Vorstellungen. Aber, wie jeder gute Kapitän, weiß auch der Abgeordnete Malerius, wann es klug ist, auf den Rat eines Lotsen zu hören.
Wir sind uns alle einig, dass wir für die deutsche Nordseeküste ein geeignetes Schiff für Notschleppeinsätze vorhalten müssen, das den bestmöglichen Schutz für Anwohner und Umwelt gewährleistet, und zwar ich betone das ausdrücklich - dauerhaft. Seit Jahren hangelt sich die Bundesregierung von einer Vertragsverlängerung bezüglich des Hochseeschleppers „Oceanic“ zur nächsten. Das ist bei der neuen Ausschreibung - Schutz für sechs Monate! - nicht anders. Das aber ist keine ausreichende Perspektive. Ich frage deshalb ernsthaft, warum die Verträge nicht im Interesse aller Beteiligten längerfristig gestaltet werden.
Zur Neuausschreibung: Zumindest für eine Übergangszeit hat sich das Bundesverkehrsministerium darauf besonnen, von seinen ursprünglichen Forderungen abzuweichen; ich erwähnte das bereits. Gesucht wird jetzt ein Schiff mit einer Zugkraft von 160 t Pfahlzug, einer Geschwindigkeit von 17,5 Knoten und höchstens 7,5 m Tiefgang. Die Widersprüche und Proteste der Fachleute, der Umweltverbände, Gewerkschaften und Kommunalpolitiker aus den Westküstengemeinden waren also erfolgreich.
Jedenfalls ist es ein vorübergehender Erfolg, denn eine „längerfristige Lösung“ steht - ich sagte das schon noch aus. Unsere Forderungen sind also keineswegs überflüssig geworden. Wir müssen die Zeit nutzen, um die nach unserer Auffassung maßgeblichen Kriterien für geeignete Notschlepper in der Deutschen Bucht in eine endgültige Ausschreibung einzubringen.
Die fachliche Begründung ist Ihnen allen bekannt. Die FDP will endlich eine dauerhafte Lösung und einen optimalen Schutz für die deutsche Nordseeküste erreichen. Ich möchte die Landesregierung deshalb dringlich auffordern, unserem Antrag für eine Verbesserung der maritimen Notfallvorsorge in der Deutschen Bucht Rechnung zu tragen - damit wir nicht spätestens im Herbst wieder sagen müssen: „Same procedure as every year."
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Diskussion um den Hochseeschlepper „Oceanic“ ist eine Debatte, die zumindest mich schon sehr lange beschäftigt. Schon seit meiner Zeit im Deutschen Bundestag 1994 hat mich dieses Thema sogar ausgesprochen intensiv beschäftigt, wobei ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, welche Bedeutung es in meinem Leben einmal spielen wird.
Schon damals aber war die Situation - das muss man ehrlicherweise sagen - nicht viel anders als heute. Damals - und damals waren es besonders die norddeutschen Bundestagsabgeordneten - wie heute haben wir mit massiven Widerständen im Bundesverkehrsministerium rechnen müssen. Damals war das Bundesverkehrsministerium noch unter CDU-Führung, aber das Problem hat sich unter SPD-Führung nicht gebessert. Wir haben uns diesen massiven Widerständen der Bundesverkehrsverwaltung gestellt; es war ein harter Kampf. Insgesamt ist es beschämend, wie zögerlich die jeweiligen Bundesregierungen reagiert haben, wenn es darum ging, die Sicherheit in der Deutschen Bucht- gerade durch den Hochseeschlepper - zu gewährleisten. Dabei hat sich wahrlich keiner mit Ruhm bekleckert. Es ist immer deutlich gemacht worden, dass die Strategie des Verkehrsministeriums, mit Mehrzweckschiffen zu versuchen, möglichst viele Gefahrensituationen abzudecken, die falsche war. Wir brauchen nun einmal einen starken Schlepper. Deshalb bin ich froh, dass wir jetzt wenigstens ein Stück weiter sind. Allerdings finde ich es gleichzeitig ausgesprochen schade, dass wir noch immer nicht so weit sind, dass die Bevölkerung an der Westküste ruhig auf die Beschlüsse gucken kann.
Deshalb appelliere ich an die Bundesregierung, die Interessen der Küstenanwohner ernst zu nehmen. Der
Minister dieses Landes und die schleswig-holsteinischen Abgeordneten innerhalb Ihrer Bundestagsfraktionen haben sich dafür stark gemacht. Dafür danke ich ihnen. Ich appelliere an Sie alle, nicht in dem Bemühen nachzulassen, eine vernünftige Sicherheit durch Hochseeschlepper im Nordseebereich zu gewährleisten.
Zum jetzt vorgelegten Konzept: Ich stimme mit dem Kollegen Maurus im Hinblick auf die Frage des Pfahlzugs und im Hinblick auf die technische Ausstattung völlig überein. Das kann nicht so geregelt werden, wie sich das einige Leute im Bundesverkehrsministerium vorstellen. Wir brauchen eine offene technische Debatte um die Sicherheit. Aufgrund meiner Erfahrung in dieser Debatte betone ich ganz besonders: Wir dürfen in unserer Aufmerksamkeit nicht nachlassen. Die Kompetenz dieses Landtages und insbesondere die Kompetenz der Verbände an der Westküste, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, muss in Bonn beziehungsweise in Berlin ernst genommen werden. Denn bislang hat sich immer gezeigt, dass dies die richtige Position war. Lassen Sie uns deshalb unsere Position selbstbewusst weiter vertreten!