Protocol of the Session on June 7, 2000

Ich begrüße den Gesetzentwurf der F.D.P. ausdrücklich, Ihren Gesetzentwurf, Herr Kubicki, den in der Sache einzubringen Sie sich nicht in der Lage gesehen haben. Wir sind mit Ihnen im Grundsatz der Auffassung, dass ein Übermaß staatlicher Standardvorgaben kommunale Kompetenz diskreditiert. Wir sind mit Ihnen der Auffassung, dass es für eine funktionierende kommunale Selbstverwaltung auch „landesfürstlicher“ Enthaltsamkeit bedarf, unserer Enthaltsamkeit bedarf, dass wir der kommunalen Selbstverwaltung die Möglichkeit überlassen, in eigener Verantwortung das zu entscheiden, was die Ak

(Klaus-Peter Puls)

teure vor Ort in den Kreishäusern und in den Rathäusern entscheiden können.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Wir haben in die Sach- und Fachkompetenz der kommunalen Akteure Vertrauen. Die können das selbst, meine Damen und Herren!

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] - Unruhe bei der CDU)

Die können vieles selbst, was wir ihnen von Landesseite vom grünen Tisch oder vom rot-grünen Tisch oder auch vom schwarz-gelben Tisch vorschreiben wollen, was wir regeln, manchmal überregulieren wollen.

(Zuruf der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Insofern sind wir mit dem Grundsatzansatz Ihres Gesetzentwurfs einig, Herr Kubicki!

(Beifall der Abgeordneten Andreas Beran [SPD] und Ursula Kähler [SPD])

Was die Schrift, die Sie uns vorgelegt haben, im Einzelnen angeht, so ist sie allerdings - so meine ich - so gestaltet, dass noch erheblicher Beratungsbedarf besteht. Sie haben ja Überweisung an den Sonderausschuss beantragt. Wir sind dafür, dass wir auch die Enquetekommission mit diesem Thema befassen. An diese beiden Sondergremien sollten wir also den Gesetzentwurf überweisen.

Nun einige Anmerkungen zum Inhalt Ihres Gesetzentwurfs! Das ist ja im Wesentlichen von MecklenburgVorpommern abgeschrieben. Dort wird ja zur Zeit auch solch ein Standardöffnungsgesetz beraten. Zum Teil ist es falsch abgeschrieben worden. Aber das ist dann vielleicht auch ein Büroversehen. Gleich in Absatz 1 des § 1, Herr Kubicki, in dem Sie Personalstandards nur mit Vorgaben für die Qualität des einzusetzenden Personals definieren, muss es wohl auch heißen - das ist in Mecklenburg-Vorpommern auch so -, dass auch die Quantität des einzusetzenden Personals erfasst wird.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Da sehen Sie, dass wir nicht abgeschrieben haben!)

Insofern haben Sie es nicht korrekt abgeschrieben, wollten es vielleicht auch nicht. Das können Sie ja dann in den Einzelberatungen begründen.

Die Aufzählung einzelner Standards, die für die Befreiung in Betracht kommen, mag möglicherweise auch noch nicht ganz auf Schleswig-Holstein zugeschnitten sein. Dasselbe trifft für die Aufzählung der Landesge

setze zu, von deren Vorgaben Sie Befreiung für möglich halten. Hier sollten wir gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden Kataloge erarbeiten, zunächst vielleicht zweistufig eine systematische Standardbestandsaufnahme machen, eine Aufnahme all dessen, was von unseren schleswig-holsteinischen Landesvorschriften an Standards in Richtung Kommunen gesetzt wird, um dann zu beraten, wo wir Standardöffnung für möglich halten, wo wir Standardöffnung auch befürworten können, wo eine landeseinheitliche Vorgabe nicht unbedingt erforderlich ist. Das müsste ja wohl der Maßstab sein.

Es gibt sicherlich auch Standards, bei denen eine landeseinheitliche Vorgabe erforderlich ist, damit wir landeseinheitliche Regelungen auch in den einzelnen Kommunen erwarten können. Aber in längst nicht allen Fällen ist das so und in vielen Fällen können wir den Kommunen wirklich die Entscheidung überlassen.

Zu dem vorgeschlagenen Antragsverfahren, Herr Kubicki, möchte ich sagen, dass das unserer Auffassung nach auch ein wenig umständlich ist. Wenn Sie in § 2 Abs. 4 formulieren, „das Innenministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über das Genehmigungsverfahren zur Befreiung von Standards zu treffen“, dann heißt das schon wieder einmal für das Verfahren eine neue Rechtsverordnung, ein neues Verfahren. Der Regulierung soll sozusagen durch Neuregulierung versucht werden. Das ist vielleicht doch ein bisschen zu umständlich.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier sollte ein einfacheres Verfahren gefunden werden, das sich dann auch nicht nur auf Einzelanträge einzelner Kommunen bezieht, sondern es uns gegebenenfalls eröffnet, landesweit allen Kommunen dort, wo wir es für richtig halten, auch die eigene Entscheidung zu ermöglichen. Das müssten wir in den weiteren Beratungen erörtern.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluß.

Wir sollten also gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden in den zuständigen Gremien die Möglichkeiten einer Standardöffnung näher erörtern und vielleicht sogar - da bin ich Ihrer Auffassung, Herr Kubicki - eine interfraktionelle Lösung erarbeiten. Wir jedenfalls streben sie an.

(Klaus-Peter Puls)

Wir bitten um Überweisung an den Sonderausschuss und an die Enquetekommission.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Schlie das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen uneingeschränkt die Initiative der F.D.P. zu einem Standardöffnungsgesetz. Bereits beim letzten Griff in die Kassen der Kommunen durch Rot-Grün im Jahr 1998 hatte die CDU-Landtagsfraktion, Herr Kollege Puls, einen Antrag im Rahmen der Beratungen zum Haushaltsbegleitgesetz 1999 vorgelegt, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde, entsprechende Gesetzentwürfe zur notwendigen Deregulierung und Standardabsenkung vorzulegen. Sie erinnern sich vielleicht noch schwach daran, dass der damalige Eingriff damit begründet wurde, dass man aus Ihrer Sicht die Gegenfinanzierung durchführen wollte, indem man Standards absenkt. Damals ist das also schnöde abgelehnt worden.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Umso erfreuter bin ich natürlich über die jetzige Situation. Das ist ja offensichtlich auch Ihre tragende Aufgabe, Herr Kollege Puls: Der Innenminister und das Kabinett reiten vor und sagen, 100.000 DM gehen weg, und Sie sind dann derjenige, der das kommunalfreundlich vor Ort alles wieder einzusammeln hat. In den Beratungen wird sich zeigen, wie mit dem vorgelegten Gesetzentwurf tatsächlich umgegangen werden wird. Hier sollen nämlich tatsächlich Gemeinden, Ämter, Städte, Gemeinden, Kreise und auch Zweckverbände befreit werden. Ich denke, es ist nötig, dass Sie von diesen ständigen Vorgaben befreit werden, die ihnen vom Land immer und immer wieder gemacht werden. Wir halten das wirklich für einen wichtigen Beitrag weg von einer zentralistischen Staatsverwaltung hin zu einer Stärkung der Bürgerschaft in Selbstverwaltung.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Das hohe Maß gesetzlicher Mindeststandards mit zum Teil erheblichen Kosten für die Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie öffentlich-rechtliche Anstalten und Stiftungen auf Landesebene wird von der CDU-Landtagsfraktion und von den Verantwortlichen im kommunalen Bereich schon seit mehreren Jahren kritisiert.

In unserem Positionspapier „Weniger Staat in Schleswig-Holstein“ - immerhin aus dem Jahr 1996 - sind viele der jetzt auch im F.D.P.-Gesetzentwurf angesprochenen notwendigen Standardöffnungen bereits gefordert worden. Beispielhaft nenne ich hier Erleichterungen im Bereich des Brandschutzes, des Denkmalschutzes, der Gleichstellung und von Planungsvorgaben.

(Glocke des Präsidenten)

Der Plausch in der Loge könnte vielleicht einmal eingestellt werden!

Es scheint uns deshalb auch notwendig zu sein, dass wir in die weiteren Ausschussberatungen auch den CDU-Antrag Drucksache 14/1789 einbeziehen, der ja in Teilbereichen noch weitergehende Deregulierung und Standardabsenkung vorsieht.

Anträge auf Standardöffnungen müssen nach dem Gesetzentwurf der F.D.P. an den Innenminister gestellt werden, der mit der jeweils fachlich zuständigen obersten Landesbehörde die Genehmigung zu erteilen hat, wenn - ich zitiere! - „eine den Zwecken der Vorschrift ausreichende Erfüllung der Aufgaben durch den Aufgabenträger sichergestellt ist“. Ich halte dies für eine wirksame Klausel, um einer theoretisch denkbaren Willkür der Aufgabenträger in diesem Bereich entgegenzuwirken. Ich sage das extra, um den Kritikern dieser Vorschrift - ich habe das ja auch schon zu den vorweg genommenen Diskussionen in den Zeitungen zu dieser Plenardebatte gelesen - gleich zu sagen, dass wir tatsächlich denen vor Ort ein Stückchen mehr Vertrauen entgegenbringen sollten.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Joachim Behm [F.D.P.])

Interessant ist, dass der F.D.P.-Gesetzentwurf vorsieht, dass bei einer Ablehnung - außer bei den unter § 2 Abs. 2 genannten Gründen - das Land dem Antragsteller die aus der Beibehaltung des Standards entstehenden Mehrkosten zu erstatten hat. Ich halte dies für einen sehr konsequenten Gedankengang, den wir auch tatsächlich umsetzen sollten.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Es ist bereits angedeutet worden, dass sich der F.D.P.Gesetzentwurf an einen aus einer CDU-Initiative in Mecklenburg-Vorpommern entstandenen Gesetzentwurf anlehnt. Ich halte das übrigens überhaupt nicht für kritikwürdig, Herr Kollege Puls! Das

(Klaus Schlie)

ist doch logisch, dass man sich in allen Bundesländern Gedanken darüber macht, wie man davon weg kommt, den Kommunen diese Standardvorgaben immer als Landesgesetzgeber vorzuschreiben.

Die jetzige Initiative der F.D.P. ist auch ein Maßstab dafür, ob im Rahmen der Beratungen in der Enquetekommission „Kommunales“ und in dem Sonderausschuss der Landtag - und hier vor allem die Mehrheitsfraktionen - bereit ist, die Beziehungen zwischen dem Land und den Kommunen tatsächlich nachhaltig neu zu ordnen und nicht nur Kommunalmittel für den maroden Landeshaushalt umbuchen zu wollen.

Dazu gehört dann selbstverständlich auch, dass das Land - das Parlament ebenso wie die Regierung - nicht ständig neue Standards und Regulierungen vorgibt, die die Kommunen dann bezahlen müssen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Damit aber kein Missverständnis auftritt, will ich an dieser Stelle sehr deutlich Folgendes sagen. Wir sind nicht für das Standardöffnungsgesetz, damit Rot-Grün dann anschließend den vom Innenminister und offensichtlich auch vom Kabinett vorgesehenen Griff in die kommunalen Kassen von 400 Millionen DM rechtfertigen kann.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Wir halten dieses Standardöffnungsgesetz für einen wichtigen und notwendigen Bestandteil zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Es hat seinen Zweck an sich und ist nicht im Zusammenhang mit der von Ihnen geplanten Eingriffsverwaltung in die Kassen der Kommunen, die Sie durchführen wollen, zu rechtfertigen.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir halten es deswegen für kontraproduktiv, wenn in diesem Diskussionsprozess bereits jetzt wieder Tabubereiche aufgebaut werden. Wenn Herr Kollege Hentschel von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärt, dass der Kindertagesstättenbereich ein absoluter Tabubereich sei, werden die Dinge nach meiner Meinung von vornherein belastet. Ich kann mir vorstellen, dass dann auch die Gleichstellungspolitik ein Tabubereich sein soll. Ich könnte Ihnen noch ein Dutzend anderer Tabubereiche aufzählen. So werden wir keine vernünftige Verantwortungs- und Aufgabenverlagerung vom Land auf die Kommunen durchführen können.