Protocol of the Session on June 7, 2000

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile das Wort Herrn Minister Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat ja in der Emotionalität eben zum Schluss zum Glück erheblich nachgelassen. Insofern will ich nur zwei kurze Punkte aufgreifen.

Das Erste: Damit es hier keine Legendenbildung gibt und für die Leute, die sich mit dem Thema noch nicht so lange beschäftigen, möchte ich gern nachtragen, dass die Bundesregierung in Berlin bereits beschlossen hat, bereits zum 1. November im Jahre 2001 - drei Jahre, bevor die EU dieses verlangt - eine EURegelung umzusetzen, nämlich die zur Steuerprivilegierung schwefelarmer Kraftstoffe. Das hat RotGrün in Berlin bereits beschlossen, das ist bereits Realität. Ich glaube, das kann man einem Debattenbeitrag von vorhin nachtragen.

Das Zweite: Ich habe heute Morgen „Die Welt“ gelesen. In der „Welt“ lässt sich die CDU-Vorsitzende ausführlich über das Thema Ökosteuer aus. Sie wird dort mit Aussagen konfrontiert, die sie in der Vergangenheit zu diesem Thema getätigt hat. Und zum Schluss fasst sie zusammen, dass - ich zitiere, und zwar komplett - „nur in einem europäischen Rahmen und eingebettet in eine generelle Steuerentlastung der Bürger der Verbrauch von Ressourcen stärker besteuert werden kann“.

(Klaus Schlie [CDU]: Wenn Sie das beachten würden, wären Sie gut davor!)

Herr Schlie, was sagt uns dieser Satz? - Wir sind momentan dabei - wir haben Ihnen das zitiert -, dass in Europa bis auf ein einziges Land - Spanien - alle Länder dabei sind und im ECOFIN-Rat zugestimmt

haben, die Ökosteuern in ihrem Land zu erhöhen und ansteigen zu lassen. Dass wir in Europa und auch in der EU mit Abstand nicht an der Spitze, nicht im obersten Drittel, nicht einmal auf der Hälfte liegen, sondern in einem sehr, sehr guten Mittelmaß, was die Realität unserer Preise betrifft -

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

- Herr Kubicki!

(Martin Kayenburg [CDU]: Das können Sie nun weiß Gott nicht aus diesem Zitat heraus lesen!)

Zum Schluss: Wir wissen, dass wir im Rahmen der Steuerreform momentan dabei sind - und Herr Möller ist ja deshalb auch gerade in Berlin unterwegs -, eine sehr umfassende Steuerentlastung zu beschließen. Herr Hentschel hat vorhin bereits zitiert, dass zum 1. Januar dieses Jahres - wenn sie beide Ökosteuerschritte zusammenfassen, wenn sie die bisherige Steuerentlastung, die Rot-Grün bereits durch den Bundesrat durchgebracht hat, damals noch mit eigener Mehrheit, wenn sie die Kindergelderhöhung hinzu betrachten - Familien mit Kindern insgesamt durch Rot-Grün entlastet werden, im Netto insgesamt entlastet werden, also mehr Geld in der Tasche haben.

Das heißt - ich subsumiere -: Die CDU-Vorsitzende, die ich sehr schätze, sagt: Wenn wir europäisch vernünftig im Rahmen liegen - das tun wir mit der Bundesrepublik -, wenn wir insgesamt die Menschen entlasten - das hat Rot-Grün bereits getan und ist gerade dabei, es weiter zu tun -,

(Zuruf von der CDU)

dann ist eine höhere Besteuerung von Ressourcen akzeptabel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das heißt für mich, dass auch die Union - wenn wir diese beiden Schritte vollzogen haben - der ökologisch-sozialen Steuerreform zustimmen wird, dass wir diese Scheindebatten dann nicht mehr erleben werden. Ich glaube, das trägt allgemein zur Versachlichung bei.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zurufe von der CDU)

Als letzten Redner rufe ich Herrn Abgeordneten Stritzl auf.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Umweltminister, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie offensichtlich ein großes Bemühen an den Tag legen, auf der einen Seite darzustellen, einen Politikwechsel vollzogen zu haben, um auf der anderen Seite darstellen zu müssen, dass Sie eigentlich nichts anderes gemacht haben als die CDU/CSU/F.D.P.Regierung vor Ihnen. Ich muss ganz offen sagen: Es erstaunt mich, dass Sie als Zeugen für Ihre Politik die heutige Opposition anführen.

Wenn Sie schon meinen, dass wir damals richtiger gelegen haben als Sie heute - darin will ich Ihnen ja nicht widersprechen -, und wenn Sie das den Menschen darstellen, sagen Sie ihnen doch, bitte schön, die volle Wahrheit. Sie stellen sich heute hin und sagen, die CDU/CSU oder die F.D.P. sei immer für die Ökosteuer von Rot-Grün gewesen, weil auch wir darüber nachgedacht haben, ob man direkte Lasten in indirekte Lasten umwandeln kann. Sie müssen doch zugeben, dass für diese Konzeption ein vollkommen anderes Steuermodell vorhanden war. Wir haben gesagt: Zuerst die direkten Belastungen senken und dann im zweiten Schritt darüber nachdenken, ob man die indirekten Lasten erhöhen kann. Aber erst muss die direkte Belastung der Menschen herabgesetzt werden, bevor eine zweite Belastung oben drauf gepackt wird.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Sie kehren die Schrittfolge um, belasten die Menschen stärker und wundern sich dann darüber, dass die Menschen darunter leiden. Das ist der eine Punkt.

(Jürgen Weber [SPD]: So ein Quatsch!)

Der zweite Punkt betrifft das Rentenmodell. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Mich wundert, mit welcher Chuzpe Sie hier herkommen und fragen, welche Alternative wir als CDU eigentlich hätten.

(Jürgen Weber [SPD]: Ja?)

Es gab ein beschlossenes Rentenreformkonzept der CDU/CSU/F.D.P.-Bundesregierung mit dem demographischen Faktor. Den haben Sie als Rot-Grün außer Kraft gesetzt.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

Jetzt scheitern Sie mit Ihrem neuen Modell und nun soll wieder die CDU eine Alternative zu Ihrem gescheiterten Modell vorlegen.

Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Erst ein funktionierendes Modell abschaffen, dann den eigenen Karren an die Wand fahren und dann mit dem Finger auf die Opposition zeigen nach dem Motto, „Haltet den Dieb“ - so geht es meines Erachtens nicht, Herr Müller!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Die Ökosteuer mit dem Kindergeld zu vermischen ich glaube, das ist Ihnen nur aus Versehen passiert. Sie selber wissen, dass es Berechnungen Ihres Bundesfinanzministeriums gibt, die besagen: Eine vierköpfige Familie mit einem Bruttojahreseinkommen von 70.000 DM wird durch die Ökosteuer im Jahr zusätzlich mit 300 DM belastet, aber nur um 82 DM entlastet. Das heißt, allein bezogen auf die Ökosteuer haben Sie eine weitere Belastung für die Menschen im Land und keine Entlastung.

Legen Sie die Berechnungen des ADAC zugrunde, werden Sie feststellen, dass in den nächsten Jahren die Belastung um weitere 1.000 DM für die Bürger steigen wird. Das ist das, was aus unserer Sicht nicht akzeptabel ist.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sie verschwei- gen doch die Senkung der Lohnnebenkosten!)

- Das ist nicht akzeptabel, Herr Kollege Neugebauer!

(Günter Neugebauer [SPD]: Sie verschwei- gen doch die Senkung der Lohnnebenkosten!)

- Herr Kollege Neugebauer, Sie setzen doch nach dem Beschluss der rot-grünen Bundesregierung eine Preisspirale von um und bei 35 Pfennig bis zum Jahr 2003 in Gang. Wir haben allein in den letzten 15 Monaten 30 % Steigerung. Glauben Sie, dass dem eine entsprechende Senkung der Lohnnebenkosten gegenübersteht? Das können Sie doch nicht ernsthaft behaupten.

Sie fassen den Leuten, die dringend auf das Auto angewiesen sind, unsystematisch, willkürlich und ohne ökologischen Nutzeffekt zusätzlich in die Tasche. Das ist das, was wir Ihnen sagen müssen. Dieser Weg ist falsch.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Sie wissen das im Ergebnis auch. Das Problem aber ist die rot-grüne Denkungsart, die am besten an einem Appell des verkehrspolitischen Sprechers der Grünen, Schmidt, an Sie selbst deutlich wird. Der GrünenSprecher sagte öffentlich, Autos seien keine rollenden Atomkraftwerke, die man abschalten müsste.

Ich habe mich lange gefragt: Wen hat er wohl gemeint? Wer denkt so verquer? - Herr Minister, nach Ihrem heutigen Redebeitrag war ich mir nicht ganz

(Thomas Stritzl)

sicher, ob er nicht auch Sie im Blick gehabt hat, als er diese Mahnung aussprach.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Öffnung von Standards für öffentlich-rechtliche Körperschaften in Schleswig-Holstein (Standardöff- nungsgesetz - StöffG S-H)

Gesetzentwurf der Fraktion der F.D.P. Drucksache 15/123

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Dann erteile ich Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Schlagabtausch über die Frage der Sinnhaftigkeit der Ökosteuer habe ich große Zweifel, dass es uns in diesem Haus ansatzweise gelingen kann, mit den Fragestellungen konkret umzugehen, über die wir unter der großen Überschrift „finanzpolitische Misere“ seit Jahren nicht nur hier im Landeshaus, sondern auch woanders diskutieren und darüber, welche strukturellen Maßnahmen ergriffen werden können und müssen sowie um dem Land und den ihm nachgeordneten Körperschaften und Kommunen, öffentlichen Einrichtungen die Hilfestellung zu gewähren, mit weiteren Einschnitten der finanziellen Basis fertig zu werden.