Protocol of the Session on June 7, 2000

- Da müssen Sie nicht den Kopf schütteln. Vielleicht lesen Sie das einfach einmal nach. Ich empfehle die Website Ihrer grünen Bundestagsfraktion auch für Sie, damit Sie auf dem neuesten Stand sind.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Ich möchte zitieren, was Rezzo Schlauch, der immerhin Fraktionsvorsitzender der Grünen im Deutschen Bundestag ist, geschrieben hat - auch über www.grüne-fraktion.de abzurufen -:

„Das Auto garantiert individuelle Mobilität. Das Auto ist heute das Verkehrsmittel Nummer 1. Es ist für viele Transportbedürfnisse unverzichtbar. Mobilität ist insbesondere auf dem Land ohne PKW oft nicht möglich. Für viele Menschen ist das Auto gleichbedeutend mit der Freiheit, jederzeit spontan entscheiden zu können, wohin man will... Für Frauen bedeutet das Auto Sicherheit auf nächtlichen Straßen und die einzige Möglichkeit, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Für alte Menschen und Behinderte ist das Auto ein Synonym für unabhängige Bewegungsfreiheit.“

(Glocke des Präsidenten)

Diese Form der Mobilität und Freiheit erschweren Sie durch Ihre Mineralölsteuererhöhung.

Als Letztes sage ich Ihnen: Herr Müller, das neue Verhältnis zum Auto, das Sie jetzt gerade entwickeln, legen Ihnen die Leute als Populismus aus, weil sie nicht mehr verstehen, in welcher Systematik die Grünen gegenwärtig Politik betreiben, weil sie nur noch PR-Sprüche hören und nicht mehr sehen, welche Konzepte wirklich dahinter stehen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Ich erteile Frau Abgeordneter Schmitz-Hübsch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute viel gelernt. Wir haben vor allen Dingen gelernt: Nicht überall, wo Ökosteuer draufsteht, ist auch Ökosteuer drin.

(Konrad Nabel [SPD]: Dummes Zeug, das stimmt überhaupt nicht!)

Und über die jetzige so genannte Ökosteuer - das ist heute wohl klar geworden - haben wir gelernt, dass sie so viel mit Öko zu tun hat, wie Gustav mit Gasthof. Sie ist eine reine Geldbeschaffungsmaßnahme der rotgrünen Regierung, um das Versprechen einhalten zu können: Wir senken die Beiträge zur Rentenversicherung. Dafür haben Sie alle Reformvorhaben der alten Regierung und auch alle Reformgesetze wieder einkassiert, die dazu gedient haben, wirklich Reformen durchzuführen, um die Sozialversicherungssysteme auf Dauer bezahlbar zu machen.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Aber das war Ihnen egal. Sie nötigen der Bevölkerung höhere Abgaben ab, um Ihre rot-grünen Projekte durchzuziehen.

(Beifall bei der CDU)

Das Ergebnis haben wir jetzt: Die Bevölkerung steht angesichts dieser hohen Preise an den Tankstellen Kopf.

Herr Minister Müller, ich möchte Ihnen auch noch sagen: Wer in der Politik tätig ist, sollte das Ende seiner Taten und die Folgen seiner Maßnahmen auch wirklich bedenken.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Einen Lenkungseffekt haben Sie angeblich auslösen wollen, das hat eben schon Herr Kubicki dargestellt. Die Leute, die auf einen Bus umsteigen wollen, finden sich jetzt mit erhöhten Preisen konfrontiert. In Flensburg sollen sie bald um 6 % erhöht werden, woanders wird es auch so sein.

(Zuruf von der CDU)

Das bedeutet doch, dass das Umsteigen auch nichts bringt. Und die erhöhten Buspreise werden sich auch in den öffentlich-rechtlichen Haushalten niederschlagen, denn damit steigen auch wieder die Schülerbeförderungskosten. Das heißt, wer mutwillig in die Volkswirtschaft eingreift und mit politischen Auflagen und weiteren Abgaben die Preise erhöht, der findet das in einem inflationären Effekt in den eigenen Haushalten wieder. Das bringt nichts. Das Einzi

(Brita Schmitz-Hübsch)

ge, was etwas bringt, sind vernünftige Reformen, die Zukunftsaufgaben lösen und die Abgabenlast insgesamt senken, wie es die Regierung Kohl gewollt hat

(Zurufe von der SPD)

und woran sie von Ihnen gehindert worden ist, als Sie die Steuerreform niedergestimmt haben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der F.D.P.)

Hinzu kommt noch, dass Sie dem ÖPNV, den Busunternehmen, zwar nur die halbe Ökosteuer auflegen, aber sobald Ausflugsreisen oder mehrtägige Busfahrten von ihnen angeboten werden, müssen sie die volle Ökosteuer bezahlen. Was soll das denn wieder? Wenn Sie Leute dazu bringen wollen, ihr Auto stehen zu lassen und stattdessen eine Busreise zu machen was ökologisch auch vernünftiger ist -, dann tun Sie damit der Umwelt keinen Gefallen und auch preislich kommen Sie ihnen nicht entgegen, denn sie müssen den vollen Steuersatz bezahlen.

Das Ergebnis ist, dass jetzt ganze Branchen gefährdet sind. Die Busunternehmen klagen zu Recht und noch mehr klagt die Speditionswirtschaft, das gesamte Transportgewerbe, das sich ohnehin in einer schwierigen Situation befunden hat, eine Umsatzrendite von 1 % und mit jeder Anhebung - jetzt um 6 plus 1 Pfennig Mehrwertsteuer - eine Mehrkostenbelastung von 1 % hat. Wir reden in Schleswig-Holstein über 1300 Unternehmen mit 40.000 Beschäftigten. Das ist ein mittelständischer Zweig. In all Ihren Sonntagsreden kommt die Pflege des Mittelstandes vor. Ich bitte Sie wirklich, diese Betriebe auch einmal in Ihre Artenschutzgedanken mit einzubeziehen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und F.D.P.)

Darum habe ich Ihnen vorhin auch dieses Plakat überreicht: „Vom Aussterben bedroht - Transporteure, Spediteure“. Wir fordern Artenschutz für diese mittelständischen Betriebe in Schleswig-Holstein, für 40.000 Arbeitsplätze.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich erteile Frau Abgeordneter Heinold das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schmitz-Hübsch, da Sie noch immer, nach mehrfacher Diskussion hier, die Ökosteuer als reine Geldbeschaffungsmaßnahme bezeichnen, empfehle ich Ihnen, an Ihren Fraktionsvorsitzenden mit der Bitte heranzutreten, er möge doch schnell das Thema noch einmal in

den Landtag bringen, damit wir erneut die Chance haben zu versuchen, Ihnen zu erklären, worum es eigentlich geht.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Lothar Hay [SPD] und Günter Neugebauer [SPD])

Aber, Sie sind ja nicht die Einzige, die das nicht verstanden hat oder nicht verstehen will. Wenn ich Ihnen noch einmal einen Unterschied erklären darf, dann ist das der, dass Sie - als CDU damals - die Mineralölsteuer erhöht haben, um das Geld allgemein in den Haushalt einzuspeisen, und dass wir

(Zurufe von der CDU)

die Benzinpreise erhöhen, um dieses Geld über die Rentenkassen an die Bevölkerung zurückzugeben. Diese Kombination hat selbst der Mittelstand in Schleswig-Holstein verstanden. Da gibt es nämlich inzwischen eine Reihe von kleinen und mittleren Unternehmen, die es sehr wohl zu schätzen wissen, dass die Lohnnebenkosten sinken

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben die doch wieder erhöht! Sie haben das Kündi- gungsrecht geändert! Sie haben die Befristung abgeschafft!)

gerade dann, wenn sie deutlich höhere Ausgaben für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben, als sie höhere Ausgaben für Energie haben. So ist es. Also, reisen Sie durch Schleswig-Holstein, informieren Sie sich vor Ort!

(Martin Kayenburg [CDU]: Reden Sie mal mit dem Mittelstand! - Weitere Zurufe von der CDU)

Aber noch ein Letztes zur CDU, die ja sehr willkürlich ist: Mal will sie die Ökosteuer, und wenn wir sie denn durchführen, will sie sie nicht mehr.

(Zuruf von der CDU)

So ist es ja auch mit der Entfernungspauschale. Auch da war die CDU hier heute sehr zurückhaltend. In dem Steuerkonzept der CDU ist ja als eine Möglichkeit der Gegenfinanzierung aufgeführt, dass Sie eine Entfernungspauschale von 50 Pfennig wollen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Irgendwo müssen wir Ihren Schwachsinn ja kompensieren!)

Das heißt, die Kilometerpauschale von 70 Pfennig für die Bürgerinnen und Bürger im Land, die zur Arbeit fahren, soll auf 50 Pfennig in Form einer Entfernungspauschale, unabhängig von den Verkehrsmit

(Monika Heinold)

teln, runtergehen. Das unterstützen wir. Aber in dem Moment - das sage ich jetzt, und man merkte das an ersten Stimmen aus Ihrer Partei -, wo dies Realität werden wird, werden Sie wie immer vehement dagegen wettern und dagegen sein und Sie werden uns vorwerfen, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern wieder in die Tasche greifen. Ich bitte die CDU an dieser Stelle, ihre eigenen Konzepte auch ernst zu nehmen und zu vertreten, wenn sie umgesetzt werden.

(Zuruf von der CDU)

Wenn Sie das nicht tun, dann setzen wir sie eben um. Dann bekennen Sie sich aber auch dazu!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)