Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Sport in Schleswig-Holstein beschränkt sich nicht nur auf die mögliche Ausrichtung der Olympischen Spiele.
Sport in Schleswig-Holstein, das sind tausend Ehrenamtler, die in ihrer Freizeit unseren Kindern Spaß an der körperlichen Bewegung, an Geselligkeit und auch ein Bewusstsein für die eigene Gesundheit vermitteln.
Bei den Kindern gilt dazu das Zitat von August Bürger: „Was Hänschen nicht lernt, das lernt Hans nimmermehr.“ Hierbei ist speziell die Vermittlung von Sozialkompetenz im Sport gemeint. Wer als Kind und Jugendlicher wettkampfmäßig Sport betreibt, der lernt die Fähigkeit zur kooperativen Zusammenarbeit und zur konkurrenzorientieren Auseinandersetzung, der lernt die Fähigkeit zur angemessenen Verarbeitung von Sieg und Niederlage, der lernt die Fähigkeit zur friedlichen, fairen und argumentativen Konfliktlösung und zur Entwicklung von Regelungen sowie die Bereitschaft, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.
All dies sind Fähigkeiten, die im späteren Zusammenleben der Menschen unabdingbar sind. Insofern hat Sport auch gewaltpräventiven Charakter. Gerade die Mannschaftssportarten sind es, die die Zusammenarbeit und ein gemeinsames Ziel sowie die Verantwortung für andere vermitteln. Gerade die Einzelsportarten sind es, die das Verlieren in Anstand und mit Respekt vor der Leistung des Gegenübers vermitteln, da bei diesen kein Dritter für die eigene Niederlage verantwortlich gemacht werden kann.
Darüber hinaus lernen Kinder durch sportliche Betätigung bereits die Freude an der körperlichen Bewegung. Regelmäßiger Sport ist außerdem ein Beitrag zur eigenen Gesundheit.
Eine Verbreiterung von sportlichen Aktivitäten in der Gesellschaft ist darüber hinaus für die Prävention im Gesundheitswesen von großer Bedeutung. Erst vorgestern forderte der Präsident des Deutschen Sportbundes, Manfred von Richthofen, von der Bundesregierung, mehr Druck auf die Kultusminister der Länder auszuüben, den Zusammenhang von Sport und Gesundheit verstärkt in die öffentliche Diskussion zu rücken und dabei auch den Sport von Kindern im Vorschulalter und von Jugendlichen nicht auszuklammern.
Nicht zu vergessen ist die integrative Bedeutung des Sports gerade vor dem Hintergrund des zurzeit intensiv diskutierten Zuwanderungsgesetzes.
- Danke! - Sport hat also auch eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Dieser Bedeutung muss sich auch der Staat bewusst sein.
Die Große Anfrage der Fraktion der CDU ist vom Schwerpunkt leider nicht mehr als eine Anfrage zur Situation im Schulsport in Schleswig-Holstein.
In der Antwort der Landesregierung wird aufgrund der gestellten Fragen gründlich auf die Bedeutung des Sports in den schleswig-holsteinischen Schulen und auch des Sports insgesamt für den Einzelnen und die Gesellschaft eingegangen. Diesen zutreffenden Bemerkungen haben wir nichts hinzuzufügen.
Wenn es allerdings um die Umsetzung der Bedeutung in die Realität geht, bleiben des Öfteren nachvollziehbare Antworten aus. Dabei fällt auf, dass im Rahmen der amtlichen Schulstatistik anscheinend einige
Schwerpunkte so gesetzt wurden, dass negative Bilanzen für die Landesregierung ausbleiben. So erstaunt es mich, dass auf Seite 8 der Antwort der Landesregierung zwar die Zahl der für Sportarbeitsgemeinschaften aufgewendeten Lehrstunden mitgeteilt werden kann, die Anzahl der erteilten Sportstunden in den zurückliegenden Jahren aber von der amtlichen Schulstatistik nicht erfasst wird. Vielleicht liegt es daran, dass sich in den Jahren 1992 bis 1995 - wie nachzulesen ist das Stundenfehl von 4 % auf über 9 % mehr als verdoppelt hatte. Bei 6,7 % im Jahr 1994 hörte man lieber auf, dies in der amtlichen Statistik festzustellen.
Auf die Frage, ob die Anzahl der Lehrerinnen und Lehrer mit der Lehrbefähigung für den Schulsport ausreicht, die erforderlichen Regelstunden zu erteilen, wird ausgeführt, dass das Stundenfehl für den Sportunterricht nicht erfasst wird. Dann aber stellt die Landesregierung merkwürdigerweise fest: „Eine überschlägige Betrachtung lässt den Schluss zu, dass derzeit die erforderlichen Stunden und das mögliche Angebot nach Lehrbefähigung in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen.“ - Das verstehe, wer will!
Interessant war ebenfalls die Statistik über die Entwicklung der voll- und teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung Sport an den verschiedenen Schularten im Land von 1994/95 bis 1999/2000: An den Grund- und Hauptschulen ein Minus von 37 Stellen, an den Sonderschulen ein Minus von 14 Stellen, an den Realschulen ein Plus von einer Lehrkraft, an den Gymnasien ein Minus von 26 Stellen, an den Gesamtschulen - nun kommt es! - ein Plus von 35 Stellen. Das macht insgesamt einen Abbau von 41 Stellen aus, deren Inhaber im Sport unterrichten könnten. So viel zum Schwerpunkt Sport in den Schulen bei dieser Landesregierung!
Wie die Landesregierung in ihrem Bericht ausführt, werden zu wenig Sportlehrer ausgebildet, um den Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern an den Grund- und Hauptschulen bis 2008 abzudecken. Bereits heute werden Lehrkräfte an Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen „in der Regel“ im Sportunterricht fachadäquat eingesetzt. Ich betone: in der Regel! Es kommt aber auch zu fachfremd erteiltem Sportunterricht. Eine Statistik hierüber - wie sollte es anders sein? - ist hierzu aber nicht vorhanden.
Die Bedeutung des Schulsports für die Landesregierung lässt sich aber auch an der Altersstruktur der Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen zusammenfassen. Es wurde hier bereits darauf hingewiesen. 54,6 % der Sportlehrerinnen und -lehrer sind 50 Jahre alt und älter. Meine Damen und Herren, auch ich bin
- ich weiß, jünger aussehend; das ist mir klar -, ich würde es mir allerdings nicht zutrauen, Schülerinnen und Schülern beispielsweise am Barren, Stufenbarren, Reck oder etwas Ähnlichem die einzelnen Übungen tatsächlich vorzuturnen.
Frau Ministerin, Sie sprachen eben vom Flickflack. Vielleicht könnten Sie uns einmal präsentieren, wie das aussieht.
Der Schulsport legt die Grundlage für den Sport als Freizeitaktivität. Daher schlagen Defizite im Schulsportbereich auch auf den Vereinssport durch. Es reichte der Regierung aber nicht aus, den Schulsport zu vernachlässigen. Auch der Vereinssport wurde und wird durch unsinnige Regelungen behindert. Der Klassiker unter diesen Regeln - ich habe ihn schon oft genug benannt - ist das so genannte 630-DM-Gesetz. Auf die Frage, ob der Landesregierung die durchschnittliche Gesamtsumme der sozialversicherungsrechtlichen Abgaben durch das neue 630-DM-Gesetz bekannt sei, wird geantwortet, dass es hierzu keine Erhebungen gebe und zukünftig auch nicht vorgenommen werden. Aber das ist typisch: Gesetze ändern, ohne die Grundlagen zu ermitteln!
Auf die Frage, ob der Landesregierung bekannt sei, ob und welche Vereine wegen des so genannten 630-DMGesetzes ihre Mitgliedsbeiträge erhöhen mussten, wird lapidar mit „Nein“ geantwortet. Ich füge hinzu: Das interessiert die Landesregierung auch nicht.
Eine Große Anfrage mit dem Titel „Sport in Schleswig-Holstein“ hatte ich mir allerdings umfassender vorgestellt, nicht nur hauptsächlich Schulsport und etwas Breitensport, sondern zum Beispiel hätten auch der Betriebssport und insbesondere der Spitzensport mit abgefragt werden müssen.
Breitensport und Spitzensport sind zwei Seiten einer Medaille und bedingen einander: Breitensport, der Talente sichtet und fördert, und Spitzensport, der für viele Jugendliche Anreiz schafft, sich sportlich zu betätigen.
Apropos Spitzensport! Im Vergleich zu den anderen Bundesländern wird in Schleswig-Holstein relativ wenig Spitzensport geboten, vom Männerhandball mit den drei Bundesligisten einmal abgesehen. Aber selbst hier geht nun die SG Bad Schwartau leider nach Hamburg, weil dort die besseren Voraussetzungen geschaffen sind und es bessere Perspektiven gibt.
Seid Gründung der Bundesliga im Jahr 1963 gab es im Fußball bei uns noch keinen Erstligisten. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass sich SchleswigHolsteiner schwerer tun, etwas mit Füßen zu treten.
Auch ein Vergleich mit anderen Bundesländern über die Ausstattung und Förderung des Sports wäre ein Hinweis darauf, welchen Stellenwert der Sport bei dieser Landesregierung hat. Ich habe kürzlich mit dem neuen Vorsitzenden des Landessportverbandes gesprochen. Er sagte, er müsse zu seiner eigenen Schande gestehen, dass die Förderung des Sports in Schleswig-Holstein im Vergleich zu den anderen Bundesländern äußerst gering sei und sich Schleswig-Holstein am Ende dieser Liste befinde. Er war immerhin eine ganze Zeit lang selbst dafür verantwortlich. Dieses Eingeständnis musste er machen.
Insofern bleibt als Fazit festzustellen: Worin sind sich die Landesregierung und Winston Churchill einig? No sports!
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Rainder Steenblock das Wort.
Danke schön! - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hildebrand, wenn Sie den Leistungssport in Schleswig-Holstein nur durch unsere hervorragenden Handballvereine charakterisieren, muss ich Ihnen leider sagen, dass Sie überhaupt keine Ahnung haben, was in diesem Land im Sport tatsächlich los ist.