Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Beran, ich werde das eine oder andere, was Sie hier erzählt haben, gleich richtigstellen. Ich will auch gleich sagen, dass ich mich auf einen einzigen Punkt beschränke, nämlich das Pflegewohngeld. Sehr geehrte Frau Ministerin Moser, ich gebe Ihnen Recht, dass die Gesetzesänderung ein richtiger Schritt
ist, aber es ist eben nur ein halber Schritt, er wird nicht konsequent vollzogen. Warum, sage ich Ihnen gleich.
Der durch das Sozialministerium vorgelegte Entwurf hat nichts an der Tatsache geändert, dass es sich bei dem so genannten Pflegewohngeld nach unserer Auffassung nach wie vor sowohl um eine gesetzessystematische als auch um eine sozialpolitische Mogelpakkung handelt.
Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der endlich unmissverständlich klarstellen soll, dass es sich beim Pflegewohngeld tatsächlich um eine Subjektförderung handelt; denn, lieber Kollege Beran, in § 6 Landespflegegesetz werden so genannte Investitionsaufwendungen geregelt. Nach der Systematik des Gesetzes regelt § 6 Landespflegegesetz somit die Objektförderung, so wie es nach der gesetzlichen Aufgabenverteilung des SGB XI auch gewollt ist. Das Land hat nach der Aufgabenstellung des § 9 SGB XI die Versorgungsstruktur im Bereich der Pflege zu gewährleisten, und dazu gehört selbstverständlich auch die Förderung der Einrichtungen. In § 6 Abs. 4 Landespflegegesetz werden aber indirekt, lieber Kollege Beran, und somit nicht gesetzessystematisch Voraussetzungen für eine Subjektförderung implementiert. Träger von Einrichtungen bekommen zusätzliche Gelder aus dem Bereich der Objektförderung, obwohl eine Subjektförderung und somit die finanzielle Entlastung einzelner Heimbewohner gewollt ist. Dies wird auch aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung deutlich.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf ändert daran aber grundsätzlich nichts. Obwohl eine Subjektförderung gewollt ist, wird weiterhin eine Objektförderung betrieben. Unser Gesetzentwurf soll deshalb klarstellen, dass nicht die Träger von Einrichtungen der stationären Pflege für ihre Aufwendungen etwas bekommen sollen, sondern die Heimbewohner selbst.
Lassen Sie mich an dieser Stelle, damit wir keinen falschen Ton in die Debatte bekommen, eines ganz klarstellen. Es geht mir nicht um das Prinzip -
- Nein, Kollege Baasch, ich meine es ernst. Vielleicht sind Sie so nett, mir bis zum Ende zuzuhören. - Es geht mir um eine ganz grundsätzliche Frage: Wie transparent sind eigentlich Sozialtransfers?
Wenn es hier um das Prinzip, um die reine Gesetzessystematik ginge, dann würde mir sogar Frau Moser zustimmen, dass es jedenfalls unserer Auffassung nach konsequent wäre, das Pflegewohngeld abzuschaffen, weil es nicht gesetzessystematisch ist. Darum geht es aber nicht. Möglicherweise wissen Sie, dass man bereits in den 70-er und auch später in den 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts versucht hat, die Wirkungen von Sozialtransfers zu messen, das heißt konkret die Frage zu beantworten: Was kommt eigentlich bei wem an? Anders ausgedrückt: Kommt das, was gut gemeint ist, auch tatsächlich bei denen an, für die es gedacht ist? Diese Messung hat meistens nicht geklappt. Dies lag vor allem daran, dass bestimmte Grundsätze bei Sozialtransfers systematisch, zum Teil auch sozialpolitisch motiviert und gewollt durchbrochen wurden.
Genau diese Durchbrechung kann manchmal gewollt sein, führt aber dazu, dass Sozialtransfers nicht mehr nachvollziehbar sind und man nicht mehr klar sagen kann, dass das, was für jene betroffene Gruppe gewollt ist, bei ihr auch wirklich ankommt. Sie haben jetzt in einem ganz kleinen Bereich auf der Landesebene die Chance, diesen Dschungel ein ganz kleines Stückchen zu lichten, indem wir nämlich klipp und klar sagen: Wenn wir die Förderung von entsprechend Bedürftigen wollen, dann sollen sie auch unmittelbar in den Genuss dieser Förderung kommen und nicht die Träger der Einrichtungen. Wenn man dies will, dann muss man dies auch in das Gesetz hineinschreiben, und dann müsste man unserem Änderungsantrag zum Gesetzentwurf auch zustimmen.
Liebe Frau Sozialministerin Moser, Ihren Ausführungen zum Subsidiaritätsprinzip beim Pflegewohngeld kann ich mich nur anschließen, aber auch da müssen wir dann ganz konsequent sein.
- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir müssen im Ausschuss noch einmal darüber sprechen, wie konsequent Ihre Forderung nach Subsidiarität in letzter Konsequenz tatsächlich ist.
Herr Präsident, dies ist mein letzter Satz - eine Bitte für die zukünftige Argumentation -: Machen wir nicht den Fehler, den die Blüms und Dresslers im vergangenen Jahrhundert gemacht haben und stigmatisieren weiterhin den Sozialhilfebezug insbesondere bei Pflegebedürftigen, um eine Versicherung zu rechtfertigen, deren Probleme jetzt offen zutage treten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon oft haben wir das Thema Pflege in diesem Haus diskutiert, meistens unter dem kritischen Blick in Bezug auf Qualität, Kontrolle und Missstände. Heute haben wir ein ganzes Bündel von Themen vorliegen. Ich möchte mich, weil wir über Qualitätssicherung und Heimaufsicht schon häufiger gesprochen haben, auf die neuen Aspekte beschränkten.
Vorab: Ich freue mich, dass in dem Entwurf der Ministerin auch der schon etwas angestaubte Änderungsantrag der - FDP Drucksache 15/29 - aufgegriffen wurde. Schon damals hatte ich die Auffassung geäußert, dass eine ausdrückliche Aufnahme von Maßnahmen zur Sicherstellung und Kontrolle der Qualität in der Pflege in § 7 Landespflegegesetz ein wichtiges und richtiges Signal sein kann. Insofern freue ich mich, dass dies nun auch Gehör gefunden hat.
Wir müssen in einem Gesetz auch zum Ausdruck bringen, was wir wollen. Daran darf ich angesichts der heute Abend demonstrierenden Pflegenden an die Volksinitiative für eine menschenwürdige Pflege erinnern. Auch sie wollen Signale im Landespflegegesetz und darüber hinaus noch an weiteren Stellen in unserem Gesetzeswerk, sogar in der Verfassung, verankert wissen.
Zurück zu unserem vorliegenden Gesetzentwurf. Er verschlankt. Es ist zum Beispiel richtig, zu hinterfragen, warum und zu welchem Zweck eine jährliche Förderplanung des Landes geleistet werden soll. Es ist pragmatisch, sich an den Realitäten auszurichten. Einzelförderfälle gibt es landesweit eben nur noch wenige. Deswegen macht es erst einmal Sinn, hier tatsächlich zu einer Verwaltungsvereinfachung zu kommen. Aber ich frage, ist dies auch gut für die Zukunft.
Es ist nicht so, dass wir über unsere Pflegeinfrastruktur einfach nur zufrieden sind. Nicht umsonst haben
wir uns darüber unterhalten, dass wir zu dieser Thematik eigentlich eine Enquete auf Bundestagsebene brauchen. Wir brauchen andere Formen der Unterbringung und der Art der Pflege. Wir konnten uns neulich im Sozialausschuss über ein hervorragendes Heim für Demenzkranke sachkundig machen. Aber auch wir haben hier schon öffentlich gefragt: Sind Heime auch für Schwerstpflegebedürftige überhaupt der richtige Weg? Faktisch sind es oft Hospize. Wenn wir ein Veraltungsinstrument vereinfachen, bedeutet dies nicht, dass wir das Thema Planung damit an den Nagel hängen und sagen, es habe sich erledigt. Wir müssen auch im Ausschuss schon darüber diskutieren, wie wir hier zu neuen Zielen kommen, und zwar nicht nur abstrakt, sondern ganz konkret in der Umsetzung.
Nun zum Pflegewohngeld. Herr Dr. Garg, ich hatte erwartet, dass Sie dazu kritisch Stellung nehmen. Wir sind uns einig, dass es einkommensabhängig gewährt werden soll. Ich darf daran erinnern, dass die Einkommensgrenze zurzeit 2.176,20 DM für Alleinstehende beträgt. Wer ein höheres Einkommen hat, erhält kein Pflegewohngeld. Ich finde es richtig, dass man das Vermögen heranzieht.
Es ist aber auch - wie Sie es in Ihrem Antrag zum Ausdruck gebracht haben - zu fragen, ob die Art des Transfers der richtige Weg ist. Ich darf für meine Fraktion sagen, dass wir uns mit Ihrem Antrag sehr gründlich auseinander setzen werden. Ihre Argumentation hat auf den ersten Blick etwas Bestechendes. Wir müssen uns aber auch die Realitäten vor Augen führen. Wir wissen ja, dass schwerst pflegebedürftige Menschen ihr Bankkonto meistens nicht mehr selber verwalten. Diese Menschen haben Angehörige und Betreuer, die das für sie machen.
Ich finde es spannend, dass wir durch den FDPÄnderungsantrag tatsächlich eine alternative Entscheidung fällen und dass wir nicht einfach ein Gesetz durchwinken. Vom Grundtenor her sind wir mit der Vorlage der Ministerin einverstanden. Wir finden, das ist der richtige Weg. Aber natürlich macht es Sinn, noch einmal sehr kritisch zu prüfen, ob wir einen weiteren, sozusagen radikalisierteren Schritt der Subjektförderung gehen. In diesem Sinne hoffe ich auf eine konstruktive und rasche Beratung. Denn ich denke, es ist wichtig, dass diejenigen, die von dieser gesetzlichen Neuregelung betroffen sind, auch bald wissen, woran sie sind. Wir sollten deshalb die Betroffenen sehr frühzeitig informieren. Ich wurde bereits von besorgten Verwandten angerufen, die mich im Hinblick auf die neue Gesetzgebung fragten, wann diese kommt und wie die Rechtslage für diejenigen aussieht,
die jetzt noch unter die alte Regelung fallen. Auch insofern ist ein sinnvoller Weg gefunden worden, als dass das neue Gesetz nur für diejenigen gilt, die nach seinem Inkrafttreten in ein Heim kommen. Wir sollten im Hinblick auf eine gute Information der Bevölkerung für Transparenz sorgen und keine falschen Ängste wecken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit dem Erfreulichen anfangen. Das ist zwar kurz, aber eine gute Sache. Wir unterstützen, dass die Förderplanung nach § 5 Landespflegegesetz entfällt, weil dadurch unnötige Bürokratie abgebaut wird. Mit dem zweiten Punkt aber tun wir uns ausgesprochen schwer. Ich will gleich hinzufügen, dass wir uns deshalb auch mit dem FDP-Antrag schwer tun, weil dieser weiter gehend ist als der Entwurf der Landesregierung.
Als im Januar 1996 das Landespflegegesetz als Ausführungsgesetz zur neuen Pflegeversicherung mit den Stimmen von SPD und SSW beschlossen wurde, da hat der SSW-Abgeordnete Karl Otto Meyer gejubelt. Er bezeichnete die Einführung der Regelung als Meilenstein, weil dadurch erstmals eine soziale Leistung weitgehend unabhängig von dem Einkommen und Vermögen der Leistungsempfänger gewährt wurde, was ja eher einem skandinavischen Sozialstaatsverständnis entspricht. Der SSW begrüßte damals ausdrücklich die im Vergleich zur Sozialhilfe höheren Einkommensgrenzen, den Verzicht auf Vermögensanrechnung und vor allen Dingen den Verzicht auf die Heranziehung unterhaltspflichtiger Personen. Die FDP möchte jetzt alle Angehörigen wieder heranziehen. Im Gesetzentwurf lautet es nämlich „Dritte“. Das bedeutet, dass Kinder, Enkelkinder und die nachfolgenden Generationen in der Pflicht stehen.
Das Landespflegegeld wurde von der Landesregierung eingeführt, um zu verhindern, dass pflegebedürftige Menschen sozialhilfebedürftig werden, weil sie pflegebedürftig sind. Erklärtes Ziel der Landesregierung war es damals, die Sozialhilfebedürftigkeit wegen Pflegebedürftigkeit so weit wie möglich zu vermeiden. 70 % der bisher dahin auf Sozialhilfe angewiesenen Pflegebedürftigen sollten mit dem Pflegewohngeld aus der Sozialhilfe herausfallen. Das sollte einerseits den
Betroffenen dienen und andererseits die Kommunen von Ausgaben entlasten, die sie in die Verbesserung der örtlichen Pflegestruktur investieren sollten.
Diesen Weg verlässt die Landesregierung heute leider wieder. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Einkommensgrenzen für das Landespflegegeld wieder angehoben und Vermögen verstärkt angerechnet werden. Das halte ich für problematisch. Da einerseits ein Kosten senkender Effekt, andererseits aber nur eine geringe zusätzliche Belastung für Sozialhilfeträger und Kommunen erwartet wird, heißt dieses, dass die investiven Kosten für die Pflegeeinrichtungen jetzt in höherem Umfang wieder den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden. Das ist nicht akzeptabel, weil so die finanziellen Lasten der Pflegebedürftigkeit wieder in höherem Umfang den Betroffenen aufgebürdet werden.
Außerdem können wir nicht akzeptieren, dass trotz allem ein heute nicht zu beziffernder Anteil der Pflegebedürftigen neu auf Sozialhilfe angewiesen sein wird. Immerhin verzichtet die Landesregierung im Gegensatz zur FDP aber ausdrücklich auf die Hinzuziehung von Unterhaltspflichtigen über Ehegatten oder Lebenspartner hinaus. Damit wird verhindert, dass Kinder für ihre Eltern zahlen müssen. Das mag in Deutschland als Subsidiarität gelten, nördlich der Grenze sieht man so etwas zu Recht als unwürdig an.