Protocol of the Session on October 17, 2001

nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtig sind, ausreichen, um einen Ausländer obligatorisch auszuweisen. Ich beziehe mich da auf den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gabriel - Ihren Kollegen, Frau Simonis, der bekanntlich auch Ihrer Partei angehört -, der eine Regelausweisung islamischer Extremisten auch für den Fall fordert, dass sie hier keine schweren Straftaten begangen haben. An dieser Stelle unterstützen wir Herrn Gabriel. Wir fordern Sie auf, für Schleswig-Holstein das Gleiche in die Wege zu leiten. Menschen, die sich gegen unsere Verfassungsordnung stellen, die sich hier extremistisch betätigen und Islamisten sind, müssen wir konsequent des Landes verweisen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist auch erforderlich, dass wir auf Bundesebene zu Regelungen kommen, die sehr viel konsequenter sind und die es uns ermöglichen, das Maß an Konspiration, durch das sich organisierte Kriminalität und Terrorismus auszeichnen, zu erkennen und wirkungsvoll zu bekämpfen.

Die Verflechtungen können vielfach nur dann aufgebrochen werden, wenn aussagewilligen Beteiligten ein Anreiz zur Kooperation geboten wird. Das geltende Recht bietet insofern nur in Teilbereichen positive gesetzliche Handhaben. Deswegen begrüßt meine Fraktion ausdrücklich das zweite Sicherheitspaket von Bundesinnenminister Otto Schily, nach dem die alte Kronzeugenregelung, die gegen unseren Widerstand 1999 ausgelaufen ist, wieder eingeführt werden soll. Der niedersächsische Justizminister Professor Pfeiffer - auch er gehört einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung an - hat sich schon als Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen gegen die Abschaffung und für die Reform der Kronzeugenregelung ausgesprochen. Am Freitag hat er einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem er Folgendes feststellt:

„Wir brauchen dringend eine neue Regelung, die den Umgang mit der Mitwirkung nicht nur von Mittätern und Mithelfern, sondern auch von Mitwissern bei der Aufdeckung schwerer Straftaten regelt, an die man auf andere Weise nicht herankommt. Darum sprechen wir von Aufklärungshilfe, nicht mehr von Kronzeugen. Wer Mitwisser oder Mittäter aufdeckt, muss aber wissen: Lügen haben kurze Beine.“

(Holger Astrup [SPD]: Wie groß sind Sie, Herr Kollege?)

(Dr. Johann Wadephul)

Deswegen fordere ich Sie auf: Unterstützen Sie auch im Bundesrat diese Gesetzesinitiative. Die Sozialdemokraten und - das überrascht mich ein wenig - selbst die Grünen auf Bundesebene sind schon sehr viel weiter. Wir brauchen in diesem Bereich die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen auch den Fingerabdruck im Personalausweis derjenigen, die nach Schleswig-Holstein beziehungsweise nach Deutschland kommen wollen und im Ausland ein Visum beantragen. Nur so ist eine Identitätsfeststellung möglich, wenn die Personaldokumente - das ist häufig der Fall - nicht mehr vorhanden sind.

An dieser Stelle - wie an vielen anderen - wird immer wieder der Datenschutz als Hindernis angeführt. Deswegen möchte ich dazu etwas Grundsätzliches bemerken.

Wir sind stolz auf das, was wir an informationeller Freiheit in Deutschland gewährleisten. Wir stehen zu dem Datenschutz, den wir in Deutschland auf einem Niveau gewährleisten, das man in anderen freiheitlichen Demokratien dieser Welt nicht findet. Aber ich sage genauso: Nur wer diesen Staat und seine Freiheit wehrhaft verteidigt, kann sich einen solchen Datenschutz leisten. Datenschutz ist wichtig. Er darf aber unter keinem Aspekt zum Täterschutz werden. Deswegen gibt es hier neue Prioritäten.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo ist er das jemals geworden?)

Wir müssen auch in diesem Land zu neuen gesetzlichen Regelungen kommen. Daher haben wir zur heutigen Debatte noch einmal unsere Gesetzesinitiative zur so genannten Schleierfahndung, zu verdachtsunabhängigen Kontrollen im Lande eingebracht.

Nachdem die Grenze zu Dänemark keine SchengenAußengrenze mehr ist, wäre es eigentlich Ihre Aufgabe gewesen, Herr Innenminister, in diesem Bereich initiativ zu werden. Unsere Landespolizei hat - im Gegensatz zum Zoll und zum Bundesgrenzschutz - nicht die Möglichkeit, entlang den Fernstraßen, an den internationalen Verkehrsknotenpunkten SchleswigHolsteins tätig zu werden.

Wer auf die Fahndungserfolge der letzten Tage blickt, insbesondere die interessanten Erkenntnisse und Funde, die der Zoll in Lübeck, was Waffen angeht, gemacht hat, muss feststellen: Unsere Landespolizei - das ist eine alte Forderung der Gewerkschaft der Polizei und der Deutschen Polizeigewerkschaft braucht die notwendigen gesetzlichen Handhaben, um

die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Lande zu gewährleisten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die hat sie doch!)

Deswegen fordere ich Sie auf: Machen Sie endlich den Schritt und stimmen Sie unserer Gesetzesinitiative zu, damit es auch in Schleswig-Holstein verdachtsunabhängige Kontrollen geben kann, die in anderen Bundesländern mit viel Erfolg praktiziert werden.

(Beifall bei der CDU)

Unter dem Deckmantel der Ereignisse des 11. September 2001 wollen Sie jetzt auch endlich etwas für die Landespolizei tun. Das begrüßen wir; denn das ist bitter notwendig. Sie sehen sich einer neuen Konkurrenz aus der Freien und Hansestadt Hamburg ausgesetzt.

An der Stelle möchte ich etwas zu Ihren gestrigen Äußerungen, Frau Ministerpräsidentin, sagen. Die mangelhafte Zusammenarbeit mit den norddeutschen Ländern haben wir in diesem Hause vielfach kritisiert. Sie haben sich gestern zu einer neuen Äußerung hinreißen lassen. Ihr Umgang mit Parteifreunden - ich denke nur an den Autismusausspruch in Bezug auf Rudolf Scharping - ist nicht unsere Angelegenheit.

(Heiterkeit bei der SPD)

Aber wenn Sie den künftigen Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Ole von Beust, öffentlich dumm und naiv schelten, dann widerspricht das den schleswig-holsteinischen Interessen. Sie sollten an dieser Stelle zusammenarbeiten und nicht erste Persönlichkeiten dieser Hansestadt öffentlich verunglimpfen.

(Renate Gröpel [SPD]: Was machen die denn?)

Das ist nicht gut für unser Land.

(Beifall bei CDU und FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stehen Sie erst einmal positiv zu Ihrer eige- nen Ministerpräsidentin!)

- Ich habe vorhin schon etwas Positives gesagt, Herr Kollege. Übertreiben sollten wir es an dieser Stelle auch nicht.

Das, was jetzt im Bereich der Polizei geplant ist, was Sie machen wollen, wird der Situation unserer Landespolizei noch nicht ganz gerecht. Ich verweise auf einen Artikel der „Norderstedter Zeitung“ vom 4. Oktober. Darin hat ein Vertreter der Polizeigewerkschaft gesagt: Für diese Personal- und Sachausstattung gemeint ist unsere Landespolizei - würde sich eine Bananenrepublik schämen.

(Dr. Johann Wadephul)

Das ist auf den Punkt gebracht der Erfolg Ihrer Politik im Bereich der inneren Sicherheit der letzten Jahre. Sie wollen jetzt 100 Anwärter neu einstellen und ausbilden. Es wird einige Jahre dauern, bis sie der Landespolizei zur Verfügung stehen, bis wir sie im Lande endlich einsetzen können. Sie haben seit 1996 über 200 Stellen in diesem Bereich abgebaut. 100 Schutzpolizisten werden im Bereich der Kriminalpolizei eingesetzt. Ihre Politik der inneren Sicherheit in den letzten 13 Jahren ist eine Aneinanderreihung von Versäumnissen und von Fehlern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deswegen sage ich Ihnen an dieser Stelle: Wenn Sie jetzt umkehren wollen, wenn Sie uns, wie mit Ihrer Beschlussfassung gestern im Kabinett - das sind ausnahmslos Anträge und Vorschläge der CDU - jetzt endlich folgen wollen, dann bieten wir der sozialdemokratischen und auch der grünen Fraktion durchaus eine ernsthafte Mitwirkung und eine Diskussion über die Situation des Haushalts in Schleswig-Holstein an. Aber eines sage ich auch so klar: Das Geld für die innere Sicherheit muss bereitgestellt werden. Aber um die ernste Situation des 11. September auszunutzen, um Ihre unverantwortliche Verschuldungspolitik in diesem Land fortzusetzen, dazu reicht die CDU nicht die Hand.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen setzen wir darauf, dass Sie zu einer besseren Einsicht fähig sind, dass Sie den Ernst der Lage nach dem 11. September erkennen, dass Sie erkennen, in welchen Bereichen Justiz und Landespolizei schlecht ausgestattet sind. Wir setzten darauf, dass Sie endlich auf unsere besseren Argumente hören und dass wir in einem guten parlamentarischen Dialog dafür sorgen können, dass Landespolizei und Justiz besser ausgestattet werden und dass es endlich zu mehr Sicherheit in Schleswig-Holstein kommt.

(Beifall bei der CDU)

Zur Berichterstattung erteile ich jetzt der Frau Ministerpräsidentin das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wadephul, wenn es Sie beruhigt: Sie dürfen gerne auch im Jahre 2010 vor mir als Oppositionspolitiker reden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor gut fünf Wochen wurden wir Zeugen eines kaltblütig geplanten Anschlags, wie wir ihn uns bis dato nicht vorstellen konnten. Es ist nicht nur die Anzahl der Opfer, die uns erschüttert, es ist auch der heimtükkische Charakter der Tat, der uns allen eine neue schreckliche Dimension des Terrors offenbart hat. „Die Welt ist seit dem 11. September 2001 nicht mehr wie vorher“. - Wie oft haben wir diesen Satz in der vergangenen Zeit gehört, gelesen oder auch selber gesagt?

(Lothar Hay [SPD]: Viele haben ihn leider noch nicht verinnerlicht!)

Erst allmählich verstehen wir, wie tief und umfassend unser aller Leben von diesen Ereignissen getroffen wurde. Die Anschläge in New York und Washington waren ein gezielter Angriff auf die Grundfesten der Zivilisation und auf all die Werte, die sich Menschen über Jahrhunderte erkämpft haben, nämlich Freiheit, Menschenrechte, Sicherheit, Unversehrtheit und Wohlstand. Diese Angriffe haben fast überall zur engen Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition geführt. Die Menschen haben das mit Wohlwollen entgegengenommen.

Wenn wir unsere Werte bewahren wollen, müssen wir uns mit aller Entschlossenheit Osama bin Laden und seinen fanatischen Anhängern entgegenstellen. Wir müssen eigene Konzepte entwickeln. Es ist klar, dass die Opposition andere Konzepte hat als die Regierung. Aber darüber, ob der Ton in der Auseinandersetzung der gleiche bleiben kann, muss man sich Gedanken machen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir verstehen die Luftangriffe der USA auf Strukturen des terroristischen Netzwerkes bin Ladens in Afghanistan und auf Einrichtungen des Taliban-Regimes als notwendigen Teil der Reaktion auf diesen Terror, der übrigens gegenüber der eigenen Bevölkerung schon vor dem 11. September angefangen hat - wenn man Bildern und Berichten glauben darf -, zum Beispiel durch die öffentliche Hinrichtung einer Frau durch Genickschuss in einem Fußballstadion.

Doch militärische Maßnahmen können nur die Ultima Ratio der Politik sein. Dauerhaften Frieden und Stabilität bringt das nicht. Die internationale Staatengemeinschaft muss jetzt daran arbeiten, politische Konzepte für die Zukunft zu entwickeln, humanitäre Hilfe zu leisten, demokratische Kräfte in der Region zu unterstützen und über die eigene Rolle in der Vergangenheit und in der Zukunft nachzudenken.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Auf lange Sicht muss es gelingen, die Armut in den Ländern der so genannten Dritten Welt zu besiegen, damit der Terrorismus nicht immer wieder einen Resonanzboden findet. Wir wissen, dass die Attentäter nicht aus der Armutsklasse kamen, sondern aus der Mittelstandsklasse. Aber die Zustimmung, die sie von den verarmten Massen bekamen, konnten sie in ihren wirren Hirnen als Zustimmung für ihre Taten betrachten. Wir müssen versuchen, diesen Boden auszutrocknen.

Bei allen Diskussionen muss eines klar sein: Es geht nicht um einen Kampf des Westens gegen den Islam. Dem internationalen Bündnis gegen den Terror haben sich auch viele islamische Staaten angeschlossen. Sie verurteilen diese Verbrechen ebenso wie die westlichen Länder. Sie wollen genauso mit ihren Nachbarn in Frieden leben, egal, welcher Religion sie angehören, welche Hautfarbe sie haben, welcher Nation sie angehören, so wie wir das wollen. In Deutschland leben moslemische Bürgerinnen und Bürger seit vielen Jahren friedlich mit uns zusammen: als Nachbarn, Arbeitskollegen, Mitschüler und Freunde. Dieses Zusammenleben dürfen wir jetzt nicht durch Angst, Vorurteile und pauschale Verdächtigungen zerstören lassen. Dazu gehören Mut und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen: bei Moslems, Christen und Menschen jüdischen Glaubens, bei Menschen, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind, bei Deutschen.

Wenn es gelingen soll, den Terrorismus zu bekämpfen und auszuschalten, müssen weltweit alle Anstrengungen unternommen und weiter als bisher aufeinander abgestimmt werden. Das gilt für die Zusammenarbeit in der EU genauso wie für die Zusammenarbeit zwischen den Diensten Amerikas und anderer Länder, die sich der Antiterrorfront angeschlossen haben.