Protocol of the Session on September 28, 2001

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Der zweite Punkt, den wir erreichen möchten, ist eine bessere organisatorische Verzahnung von Studium und Referendariat. Wir wollen damit sozusagen diese Phasen in der Weise verbinden, dass wir eine neue Trägerschaft für das IPTS anstreben. Es ist so, dass auch nach der Terhart-Studie eine „missing link“ zwischen dem Studium und dem Referendariat besteht, zwei getrennte Welten, die aufeinander treffen. Aus diesem Grund schlagen wir vor, dass das Lehrerseminar IPTS künftig als eine gemeinsame Einrichtung der Hochschulen und Universitäten getragen wird, die im Land die Lehrerbildung betreiben.

Auch damit ist nicht eine Verwischung der Grenzen zwischen diesen beiden Einheiten beabsichtigt, sondern eher eine Verzahnung und Verlinkung, wie es vorgesehen ist.

Der entscheidende Punkt unserer Vorstellung ist eigentlich das, was wir zur Lehrerfortbildung vorhaben. Wir wollen sehr weitgehende Änderungen in dem Bereich der dritten Phase vornehmen, weil das auch der Punkt ist, bei dem es die häufigsten Klagen darüber gibt, dass das jetzige System nicht effizient ist.

Insofern ist im Zuge der anstehenden Veränderungen die Überlegung angebracht, ob es weiterhin ein Monopol des IPTS in der Fort- und Weiterbildung geben muss. Wir sagen Nein. Wir wollen eine neue Vielfalt in der Fortbildung für Lehrer und wir wollen diese dadurch erreichen, dass es in diesem Bereich verschiedene neue Träger von Angeboten gibt.

Unsere Kernforderung dabei ist die Einführung eines Gutscheines auf Fortbildung, der als ein individuelles Budget eines jeden Lehrers gedacht ist, mit dem er einen Anspruch auf Fortbildung hat. Rechnet man die jetzigen Haushaltsansätze in einem - zugegebenermaßen - einfachen Rechengang herunter, bedeutet das,

dass jeder Lehrer 1.000 DM für einen Zeitraum von etwa fünf Jahren hat.

(Zuruf von Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Das ist nicht furchtbar viel - von der Größenordnung her stimmt das -, aber es würde für einige Tage Fortbildung reichen, die wir haben wollen.

Uns ist dabei wichtig, dass es ein individuelles Budget, einen individuellen Gutschein gibt. Es gibt ja auch anders lautende Vorstellungen der Grünen, die sagen, sie wollen dieses Budget lieber einer einzelnen Schule übertragen, die dann darüber entscheidet, was gemacht werden soll. Nach unserer Vorstellung ist es vielmehr so, dass der Lehrer, der am Ende ja auch allein vor der Klasse steht, auch allein entscheiden soll, in welchem Bereich er sich fortbilden will. Das ist das, was wir uns dabei vorstellen.

Das ist eine marktgängige Lösung. Wir glauben, dass es viele Anbieter in diesem Markt geben wird, die diese Angebote zertifiziert und mit hoher Qualität machen. Wir glauben, dass wir damit eine sehr moderne, lebensnahe und mutige Reform der Lehrerbildung vorgestellt haben.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will mich bemühen, die Zeit nicht überzubeanspruchen. Wir haben im Oktober 1999, Herr de Jager, in der Tat darum gebeten, den Abschlussbericht der Kommission „Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland“ der KMK vorgelegt zu bekommen. Das ist im Kern eine ganz gute Handlungsanweisung für das, was wir im Bereich der Lehrerbildung auch hier im Land vorhaben, zumal die Analyse in einigen Punkten sehr treffsicher ist und auch die Situation in unserem Land richtig abbildet.

Wir haben überall in Deutschland eine hohe fachliche Qualität im Bereich der Lehrerausbildung, aber wir haben gleichzeitig einen deutlichen Mangel an pädagogischer, an didaktisch-methodischer Qualifizierung. Da muss angesetzt werden.

Wir haben auch eine - hier teile ich weitestgehend das, was Herr de Jager gesagt hat - viel zu geringe Vermittlung von fachlichem Wissen mit viel zu wenig Verbindung zu den pädagogischen Inhalten. Das betrifft vor allen Dingen die Gymnasiallehrerausbildung.

(Jürgen Weber)

Ich muss hier nicht im Einzelnen darstellen, welche Veränderungen im Schulalltag, aber auch in der Lebensrealität neue Herausforderungen für die Lehrerbildung produzieren. Der Umgang mit neuen Medien, interkulturelles Lernen, Orientierung der Schule auf Europa und vieles mehr könnten hier als Stichworte dienen.

Ich denke, dass sich Lehrerausbildung künftig nicht mehr ausschließlich auf den Aspekt der Qualifizierung für das Unterrichten beschränken kann, sondern vielmehr die Komplexität der Lehrertätigkeit einbeziehen muss, die neben Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Weiterentwicklung der eigenen sowie der Kompetenz der Schule als System im Auge haben muss. Wenn wir wissen, dass auf der einen Seite die Herausforderungen sozialer Wandel, internationaler Wettbewerb, auf der anderen Seite aber auch knappe öffentliche Kassen und Nachwuchsprobleme im Raum stehen, dann wissen wir, dass etwas getan werden muss.

Die Ministerin hatte eine Fachkommission einberufen, deren Ergebnisse seit Beginn dieses Jahres vorliegen. Es ist dann, was wir sehr begrüßt haben, über eine Sachverständige der Weg gegangen worden, weitere Expertisen von Fachwissenschaftlern, aber auch von Verbänden und allen am Prozess Beteiligten einzuholen. Wir glauben, dass das ein sehr vernünftiger und sehr wichtiger Weg ist, der beschritten werden musste.

Jetzt will ich wegen der Kürze der Zeit zu den gesamten Details gar nichts sagen, sondern nur noch auf einen Punkt hinweisen.

Erste Zwischenergebnisse der Auswertung kann man sich ja im Landesbildungsserver holzschnittartig angucken und wenn die CDU heute sozusagen in einer sehr schnellen Auswertung der Ergebnisse sehr schnell etwas auf den Tisch gelegt hätte, was das berücksichtigen würde, dann wäre ich voll des Lobes für diese Initiative. Aber das, Kollege Jager, was Sie hier als Antrag präsentieren, ist ja fast wortidentisch mit dem, was die CDU im Februar dieses Jahres auf den Tisch gelegt hatte.

(Widerspruch des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

Wir hätten es für sehr sinnvoll erachtet, wenn die umfangreichen Sachverständigenanhörungen und die ausführlichen Begutachtungen und Stellungnahmen der verschiedenen Verbände und Wissenschaftler in unsere Beratungen einbezogen worden wären.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Deswegen will ich Ihnen nur so viel sagen: Ihr Antrag, den Sie vorgelegt haben, enthält meines Erachtens eine Reihe sehr sinnvoller Detailvorschläge, mit denen wir uns gut anfreunden könnten, wenn wir das sozusagen systematisch betrachten. Aber sie beinhalten natürlich auch eine Reihe von - so sage ich einmal - alten ideologischen Botschaften, die den Erfordernissen heute so nicht mehr standhalten können. Wenn Sie ernsthaft glauben, dass neue Herausforderungen in der Lehrerausbildung in allen Bereichen Eingang finden müssen, dann können Sie nicht für alle Segmente dieser Lehrerausbildung schulartspezifische Vorschriften erlassen. Sie müssen in die Lehrerausbildung auch ein Stück Lebenswirklichkeit hineingeben.

(Zuruf der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Hier sind wir der Auffassung, dass es noch einiges an Diskussionsbedarf gibt.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen! Wir haben ein interessantes Papier vorliegen, das wir seit einiger Zeit kennen und das wir bei der Neugestaltung der Lehrerausbildung zu berücksichtigen haben werden. Auch auf der Grundlage der Dinge, die die Kommission und die Sachverständige präsentiert haben und dessen, was das Ministerium dann hoffentlich sehr bald daraus dem Bildungsausschuss vorstellen wird - auch auf der Grundlage dessen, was wir schon seit längerer Zeit als Vorschläge niedergelegt haben -, werden wir etwas Sinnvolles zustande zu bringen. Insofern schlagen wir vor, den Antrag der CDU an den Bildungsausschuss zu überweisen und ihn zeitnah mit den anderen vorliegenden Papieren zu beraten.

(Sylvia Eisenberg [CDU]: Machen Sie doch einmal Vorschläge!)

Ich danke für die Aufmerksamkeit. - Fünf Minuten und 39 Sekunden habe ich Ihnen erspart.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Damit liegt die Marke in Anspruch genommener Redezeit jetzt bei vier Minuten 30 Sekunden. In dem Sinne erteile ich für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem bereits für die Schüler nicht mehr die Qualität der Bildung gewährleistet wird, die sie eigentlich brauchten, scheinen jetzt Gerechtigkeitsfanatiker bundesweit

(Dr. Ekkehard Klug)

- das ist keine Besonderheit in unserem Land - auf den Gedanken zu kommen, auch Lehrer sollten nicht die qualifizierte Bildung bekommen, die angesichts erhöhter Anforderungen erforderlich ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Die Verschlechterung der Qualität des Lehramtsstudiums, ja die Entprofessionalisierung der Lehrerbildung sind heute reale Bedrohung für ein leistungsfähiges Schulsystem. Solche Tendenzen gibt es zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, wo aufgrund eines Kommissionsberichts über die Abschaffung eigenständiger Lehramtsstudiengänge nachgedacht wird.

Der Senat der Universität Flensburg hat am 12. September ein Papier beschlossen, das auf die Abschaffung einer differenzierten schulartspezifischen Lehrerbildung hinausläuft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das zeigt, dass es diese Entwicklungen und Überlegungen nicht nur in NRW, sondern auch bei uns im Lande gibt. Nach Vorstellungen der Flensburger Uni soll es künftig in einer einphasigen Lehrerausbildung nur noch zwei Lehrämter geben, eines mit Grundschulschwerpunkt für die Klassenstufen eins bis zehn und eines für den Sekundarbereich, nämlich die Klassenstufen fünf bis dreizehn.

In keinem anderen akademischen Beruf käme man heute auf die Idee, die aus guten Gründen dort vollzogene Professionalisierung und Spezialisierung abzuschaffen. Dass es Fachärzte für spezielle Bereiche der Medizin gibt oder Rechtsanwälte für Spezialgebiete des Rechtswesens, sehen wir als eine Selbstverständlichkeit an. Vorhin haben wir in der ersten Debatte dieses Tages über die Notwendigkeit einer stärkeren Professionalisierung der Fachkräfte in der Pflegeausbildung gesprochen. Überall besteht Konsens, dass Professionalität in der Ausbildung der Fachkräfte ungeheuer wichtig ist.

(Beifall bei der FDP)

Wer glaubt, für den Lehrerberuf genüge ein mehr oder weniger vereinheitlichtes Studium, das nur notdürftig mit ergänzenden Inhalten für spezielle Anforderungsgebiete angereichert sein müsse, befindet sich auf einem Holzweg. Solche Pseudoreformpläne führen zwangsläufig zu einer weiteren Verschlechterung der Schulbildung.

Was der Antrag der Union zum Thema schulartspezifische Lehrerbildung fordert, können wir deshalb voll und ganz unterstützen. Das war immer auch die Position der Liberalen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, freuen Sie sich nicht zu früh. Bedenken sind jedoch angebracht, wenn die CDU-Fraktion - wie ich meine - die zweite Phase der Lehrerbildung mit ihren Vorstellungen nachhaltig schwächen will. Eine Angliederung des IPTS und damit auch der bislang in der zweiten Phase der Lehrerbildung anfallenden Aufgaben an die Hochschulen birgt die Gefahr, dass Praxisbezug in diesem Teil der Ausbildung der Lehrer eher verringert als gestärkt wird. Besser wäre es - damit komme ich zu meinem Alternativvorschlag -, die zweite Phase der Lehrerausbildung, also die Referendarausbildung, wieder durch mehr haupt- als nebenamtliche Studienleiter durchführen zu lassen, in einer eigenständiger Institution. Ob die weiter IPTS heißt oder einen anderen Namen bekommt, darüber mag man sich unterhalten. Diese überwiegend hauptamtlichen Studienleiter sollten nach Möglichkeit in gewissen Abständen auf Zeit andere Tätigkeiten im Hochschulbereich, nämlich in den dort für die Lehrerbildung tätigen Instituten, oder im Schulbereich übernehmen. Sie sollten zwischen diesen beiden Bereichen für eine bestimmte Zeit wechseln und damit gewissermaßen auch eine Scharnierfunktion zwischen Wissenschaft und Schulpraxis übernehmen.

Ein solcher Austausch bietet nach meiner Überzeugung eine wesentlich bessere Voraussetzung für eine wechselseitige Befruchtung zwischen Theorie und Praxis als das Modell der CDU, weil Erfahrungen und Erkenntnisse aus den jeweiligen Bereichen dann besser für den jeweils anderen Bereich nutzbar gemacht werden können.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Christel Hap- pach-Kasan [FDP])

Eine Übertragung in den Hochschulsektor würde auf Dauer zu einer Praxisferne führen. Davon bin ich fest überzeugt.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])