Protocol of the Session on September 28, 2001

Punkt eins des Antrags der FDP ist somit unrealistisch. Andererseits macht es wenig Sinn, dass die Bundesrepublik einen aufwendigen Modellversuch durchführt und wir gleichzeitig mal schnell etwas Ähnliches ausprobieren. Es wäre auch nicht zu bezahlen und würde gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen. Somit ist auch der zweite Teil des Antrags der FDP nicht nur unrealistisch, sondern unmöglich. Herr Kollege Garg hat dies aber erkannt und ich finde es gut, wie er die Rede hier gehalten hat.

(Beifall beim SSW)

Die FDP hat erst vor wenigen Monaten gemeinsam mit uns, der SPD und den Grünen einen Antrag eingebracht, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, sich in Berlin für die rechtliche Ermöglichung solcher Modellversuche einzusetzen. In diesem Sinne ist es erst einmal wichtig, dass die Landesregierung im Bundesrat aktiv wird, wie es ihr auch von der überwältigenden Mehrheit dieses Hauses aufgetragen wurde. Deshalb haben wir unseren Antrag noch einmal gestellt.

Herr Kollege Garg, ich glaube, ich habe Milde walten lassen. Ich empfehle Ihnen aber trotzdem darüber hinaus einen Blick auf unsere Homepage. Dort liegt seit langem eine der umfassendsten und aktuellsten deutschsprachigen Bestandsaufnahmen zur kontrollierten Opiatvergabe. Sie ist direkt in unserem Netz abgelegt. Ich empfehle diese wunderbaren Seiten aber auch aus vielen anderen Gründen. SSW-Seiten sind immer sehr lesenswert.

(Heiterkeit und Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Moser das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Projekt „Heroingestützte Behandlung Opiatabhängiger“ geht auf die Koalitionsvereinbarungen aus dem Jahre 1998 zurück. Das Thema als solches hat einen langen und konfliktreichen Vorlauf. Einen kleinen Abklatsch davon haben wir heute in der Debatte gehört; es war aber nur ein sehr kleiner. Ich finde, das ist positiv.

Solange ich Gesundheitsministerin in diesem Land bin, habe ich für Schleswig-Holstein immer die Position vertreten, dass eine Therapie mit Originalpräparaten für bestimmte Gruppen von Süchtigen notwendig ist und dass man dazu eine Änderung des Betäubungsmittelrechts braucht. Dies ist leider bisher nicht erfolgt. Ich stimme dem Bedauern des Herrn Kollegen Garg ausdrücklich zu.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Lassen Sie mich im Vorgriff auf den vom SSW beantragten Bericht über das, was wir seit Beschlussfassung des Landtags getan haben, kurz einen nicht sehr fröhlich stimmenden Hinweis geben: Wir haben über alle vorbereitenden Sitzungen der Gesundheitsministerkonferenz hinweg einen entsprechenden Antrag eingebracht, damit wir mit der Unterstützung der GMK eine Bundesratsinitiative hätten ergreifen können. Ich habe diesen Antrag - wie gesagt - bis in die Hauptsitzung der GMK getragen und musste dort feststellen, dass sämtliche politischen Farben - von ganz schwarz bis ganz grün, einschließlich rot, gelb und auch in der Kombination rot-gelb - nicht bereit waren, auch nur in der GMK einen solchen Antrag mit zu beschließen.

Ich habe den Antrag zähneknirschend zurückgezogen, um mir nicht eine Niederlage von 15 Stimmen zu einer Stimme einzuhandeln. Ich habe gesagt, wir werden dieses Thema in den Fachausschuss unseres Landtages zurücktragen und dort beraten, ob wir unter diesen Bedingungen eine Bundesratsinitiative starten, wenn dies im Sozialausschuss aufgerufen wird. Wenn dieses Thema aufgerufen wird, sollten wir das tun und Strategien überlegen, wie wir bei vielen anderen bessere und stärkere Überzeugungen erreichen können.

So viel als Vorgriff auf das Beantragte.

(Ministerin Heide Moser)

Wie gesagt: Der Modellversuch läuft als Arzneimittelstudie. Deshalb war er schwierig vorzubereiten. Es hat Gespräche zwischen Senatorin Roth und mir gegeben, in denen wir eruiert haben, ob wir uns als SchleswigHolstein mit einigen Plätzen in dieses Modell hätten einklinken können. Das haben die Hamburger nicht für opportun gehalten, weil sie mit sich selber und der Finanzierung schon Schwierigkeiten genug hatten. Das ist deutlich geworden. Das haben sie gesagt.

Das Modellprojekt ist immer stärker reduziert worden. In den sieben Städten - das muss man sich einmal klarmachen - sind 1.120 Patientinnen und Patienten übrig geblieben, jeweils hälftig schwerst abhängige Heroinnutzer und methadonsubstituierte Kontrollpatienten. Ich glaube, entscheidend für die geringe Teilnahme ist letztlich die Kostenfrage. Weil es nämlich im Sinne einer Arzneimittelstudie konstruiert ist, muss es so teuer sein. Das ist das Problem. Hätte man einen Modellversuch nach einem geänderten BtMG-Rahmen gemacht, wäre es kostengünstiger möglich gewesen, dieselben wissenschaftlich belegten Ergebnisse zu erhalten. - Dies war noch einmal ein Plädoyer für die Änderung des Gesetzes.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Der Bund zahlt für drei Jahre Projektdauer 17 Millionen DM, Hamburg rechnet mit einmaligen Kosten von 3,3 Millionen DM und mit jährlichen laufenden Kosten in Höhe von 6,6 Millionen DM. So teuer sind Umwege, meine Damen und Herren.

Wir können uns also aus den genannten Gründen nicht mehr einklinken. Wir können auch nichts Eigenes machen. Wir können aber politisch weiter diskutieren. Ich fände es gut, wenn wir die Gelegenheit im Ausschuss nutzten. Wir halten das Studiendesign im Übrigen für ein ausgereiftes Design und warten gespannt auf die Ergebnisse. Ich will überhaupt nicht ausschließen, dass wir dann Ähnliches auf den Weg bringen, obwohl wir keine offenen Szenen wie in den am Modell teilnehmenden Städten haben. Wir haben uns für den Weg entschieden, zunächst die Substituierung mit Methadon möglichst flächendeckend im Lande zu etablieren. Ich glaube, wir sind bundesweit die Ersten und, was die Flächendeckung angeht, bundesweit auch die Besten. Aber Frau Kollegin Tengler hat Recht, wenn sie sagt, dass bei der Substitution mit Methadon unbedingt Qualitätsrichtlinien und Standards eingeführt werden müssen. Auch dafür setzen wir uns auf Bundesebene ein.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie sehen: Es gibt eine Menge kleiner und verschiedener Schritte, mit denen man auch über Meinungsunterschiede hinweg etwas für die Verbesserung der Situation Drogenabhängiger und darüber hinaus auch etwas für die Prävention tun kann, damit weniger Menschen in Abhängigkeit geraten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir treten damit in die Abstimmungen ein.

Ich will darauf hinweisen: Es liegen zwei Anträge vor: einmal der Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 15/1192, und zum anderen ein Änderungsantrag des SSW, Drucksache 15/1238. Ich schlage folgendes Abstimmungsverfahren vor: Wir werden im Einverständnis mit dem Antragsteller zunächst über den Änderungsantrag des SSW in der Sache und dann über den anderen Antrag im Hinblick auf die Ausschussüberweisung abstimmen. Ist dies einvernehmlich? - Wenn das so ist, dann darf ich fragen, wer dem Änderungsantrag des SSW in der Drucksache 15/1238 in der Sache seine Zustimmung geben will. Ich darf um das Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag des SSW einstimmig angenommen worden.

Wir hatten gesagt, wir wollten nunmehr über den Antrag Drucksache 15/1192 abstimmen, und zwar darüber, ob dieser an den Ausschuss überwiesen werden soll. Wer so entscheiden will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Stimmenthaltungen? - Gegenprobe! Auch dies ist so entschieden.

Zum Verfahren will ich noch Folgendes bemerken. Ich gehe davon aus, dass wir die Willensbekundung des Hauses richtig verstanden haben: Der Antrag des SSW ist in der Sache angenommen worden. Er ist überschrieben mit „Änderungsantrag“. - Ich will es nur sagen, damit das Verfahren für die Ausschussberatung klar ist. Im Ergebnis waren es zwei getrennte Anträge und kein Änderungsantrag zum FDP-Antrag, weil der Änderungsantrag ansonsten durch die Abstimmung in der Sache den Ursprungsantrag entsprechend verändert hätte. Sind wir uns darüber einig?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, FDP und SSW)

- Ich bedanke mich.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 30 auf:

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Zukunft der Lehrerbildung

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1196

Bevor wir in die Beratung eintreten und ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird, nur ein Hinweis. Das Präsidium ist dahin gehend informiert, dass die Geschäftsführer übereingekommen sind, dass aufgrund der fortgeschrittenen Beratungszeit die eigentlich in der Tagesordnung ausgewiesenen 60 Minuten nicht ausgeschöpft werden sollen, sondern dass sich vielmehr die Fraktionen einvernehmlich auf eine so genannte verkürzte Beratung geeinigt haben. Ich sage das aus Sicht des Präsidiums unter folgendem Gesichtspunkt. Vereinbart sind die ausgewiesenen Redezeiten. Das Präsidium wird also, was die Redezeit angeht, nicht eher aktiv werden können, als dies die ausgewiesenen Redezeiten darstellen. Ich wäre aber trotzdem jedem Redner dankbar, wenn er den Begriff der verkürzten Redezeit vor Beitragsgestaltung berücksichtigen könnte.

(Beifall bei SPD und SSW)

Damit treten wir in die Beratung ein und ich darf fragen: Wird das Wort zur Begründung des Antrags in Drucksache 15/1196 gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Für die Antrag stellende Fraktion der CDU gebe ich dem Herrn Abgeordneten Jost de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser Ermahnung, Herr Präsident, traut man sich ja kaum, mehr zu sagen, als auf den Antrag zu verweisen.

(Heiterkeit)

Aber ich möchte dennoch kurz darlegen, was wir uns von dem Antrag versprechen und was wir mit ihm erreichen wollen.

Die „Kieler Nachrichten“ titelten am 25. April dieses Jahres: „Neue Lehrer braucht das Land“ und meinten damit nicht, dass wir zusätzliche Lehrer brauchen das brauchen wir auch -, sondern dass wir anders ausgebildete Lehrer brauchen. In der Tat hat die Diskussion um den Lehrermangel eine andere Diskussion ein wenig in den Hintergrund gedrängt, nämlich die Diskussion um die Reform der Lehrerbildung insgesamt.

Die Kernfrage der bisherigen Fachdiskussion lautet: Was müssen Lehrer lernen und was müssen sie können, um Kinder künftig zu unterrichten? Grundlage dieser Debatte über eine bundesweit angestrebte Reform der Lehrerbildung ist der Abschlussbericht einer von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Kom

mission zu den Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland, die so genannte Terhart-Studie. Wir kennen inzwischen auch die Empfehlungen einer schleswig-holsteinischen Fachkommission. Eine Projektgruppe hat getagt und wohl schon Ergebnisse vorgelegt. Wir meinen, dass jetzt der Moment gekommen ist, in dem auch die Fraktionen des Parlamentes ihre Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung vorlegen sollten.

Bei jeder Reform - das möchte ich voranstellen - hat man sich aus Sicht der CDU-Fraktion an folgenden drei Grundsätzen zu orientieren:

Erstens. Der Schulartenbezug der Lehrerausbildung und auch der -fortbildung muss beibehalten werden. Zweitens. Das Referendariat soll in seiner vollen Länge von zwei Jahren erhalten bleiben. Drittens. Fachwissenschaftliche Kenntnisse müssen auch weiterhin die tragende Voraussetzung für eine Lehrertätigkeit bleiben.

Was eine Reform der Lehrerbildung und der Lehrerfortbildung erreichen muss, lässt sich aus unserer Sicht ebenfalls in drei Überschriften zusammenfassen darüber besteht eigentlich auch Übereinstimmung -: Notwendig ist erstens mehr fachdidaktischer Praxisbezug für alle Schularten bereits im Studium, zweitens eine sehr viel bessere inhaltliche und organisatorische Verzahnung von erster und zweiter Phase der Ausbildung, also ein weniger technokratisches Studium und Referendariat, und drittens eine größere Vielfalt in der Fortbildung.

Lassen Sie mich mit dem ersten Punkt der Praxisorientierung bereits im Studium beginnen. Ziel muss es unserer Auffassung nach sein, den Praxisschock zu vermeiden, den viele angehende Lehrer oftmals nach dem Ende des Studiums erfahren, wenn sie in das Referendariat gehen. Dieser Praxisschock setzt oftmals zu einem Zeitpunkt ein, zu dem die angehenden Lehrer aufgrund ihres Lebensalters kaum noch die Möglichkeit haben, beruflich aus dieser Erfahrung Konsequenzen zu ziehen. Aus diesem Grund will die CDUFraktion bereits in den ersten Semestern eines Lehramtsstudiums eine mehrwöchige zusammenhängende Orientierungsphase einführen, in der Lehramtsstudierende früher und intensiver als bisher die Möglichkeit erhalten, den wirklichen Alltag des Schullebens zu erfahren und sich frühzeitig ein Bild darüber zu machen, welcher Gestalt die Anforderungen an die Lehrertätigkeit sind.

Wir wollen ferner unter der Überschrift „Praxisbezug im Studium“ eine gewisse Beliebigkeit - dieser Begriff kommt aus den Empfehlungen der Fachkommission hinsichtlich der Inhalte des Pädagogikanteils des Studiums durch eine verstärkte Hinwendung zur Fachdi

(Jost de Jager)

daktik und zur pädagogischen Vorbereitung auf Unterrichtssituationen ersetzen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit wollen wir keine Eingrenzung der Wissenschaftlichkeit des Studiums, sondern mehr Wirklichkeitsnähe des Pädagogikums.

Auf diese Weise können wir auch eine bessere inhaltliche Verzahnung von Studium und Referendariat gewährleisten. Diese wollen wir auch dadurch, dass wir künftig die Pädagogiklehrstühle für das Lehramt nicht nur mit Leuten besetzen, die die Befähigung zum Lehramt haben, sondern die auch die Erfahrung im Lehramt haben, das heißt auch selber Praktiker sind.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)