(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Noch wichtiger ist allerdings, dass das Lernen über Menschen und das Umgehen mit diesen auch in der Praxis erfahren und erlebt werden muss. Für die Richter wäre es nach meiner Ansicht zum Beispiel in diesem Sinne ein Verlust, wenn sie künftig überhaupt keine Erfahrungen aus dem Anwaltsalltag hätten.
Die Probleme der Sachverhaltslösung und das direkte Zusammenarbeiten mit den Menschen sind Kenntnisse, für die alle Juristen künftig Verständnis werden aufbringen müssen.
Es steht zu befürchten, dass manchem nicht mehr bekannt sein wird, wie schwierig es ist, tatsächliche Lebenssachverhalte unter gesetzliche Normen einzuordnen.
Kurz: Die Probleme der bestehenden Juristenausbildung lassen sich zurzeit mit diesen angedachten Arbeitsverhältnissen nicht lösen.
Leider ist die Diskussion hierüber - wie meine Vorredner bereits gesagt haben - noch nicht abgeschlossen. Auch sind weitere Ministerien wie das Kultusministerium und das Finanzministerium noch nicht einbezogen. Es ist deshalb schwierig, eine weiter gehende Stellungnahme abzugeben. Vielleicht wäre es aber eine Überlegung wert, den Reformprozess endlich dadurch anzupacken, dass man mit einer Überarbeitung des Inhaltes des Vorbereitungsdienstes beginnt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, ich wollte Ihnen gerade zustimmen, als Sie sagten, der Antrag komme ein bisschen früh. Aber nicht deshalb, weil ich eine recht neue Ministerin bin, stimme ich Ihnen zu, sondern weil der Berichtsantrag sehr detaillierte Fragen stellt, die voraussetzen, dass wir
wissen, wie sich das Bundesrecht entwickeln wird. Denn es handelt sich ja nicht nur um eine landesrechtliche Frage beziehungsweise kaum um eine landesrechtliche Frage, sondern in erster Linie um die bundesrechtliche Klarstellung dessen, was die Juristenausbildung bedeutet. Insofern ist es natürlich richtig, dass das Land Schleswig-Holstein - wie ich gelernt habe - nicht nur in vielen anderen Rechtsgebieten, sondern auch auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle spielen möchte und auch spielen soll. Und das habe ich nicht nur aus den Akten, sondern auch aus intensiven Gesprächen sowohl im Ministerium als auch mit Ihnen, die rechtspolitisch interessiert sind, festgestellt, Gespräche, die ich ja in jüngster Zeit mit Ihnen geführt habe.
Ich begrüße sehr - deshalb bin ich froh über den Antrag -, dass ich Ihnen deutlich machen kann, dass ich diese gemeinsame Diskussion, die in den letzten vier Jahren offensichtlich mit meinem Vorgänger geführt worden ist, gern fortsetzen möchte und die Informationspolitik dem zuständigen Ausschuss gegenüber ebenfalls fortsetzen werde. Ich werde mich darum bemühen, sehr transparent gerade diese wichtigen rechtspolitischen Debatten zu führen. Das heißt auch, dass ich in einer rechtspolitischen Kontinuität mit Herrn Staatssekretär Jöhnk stehe.
Darüber hinaus bedeutet das auch, dass wir bundespolitisch nichts übers Knie brechen dürfen. Wir können nicht zu hektisch formulieren. Das ist vielleicht eine etwas merkwürdige Aussage bei der Diskussion über die Juristenausbildung, die ja unser aller Studium wert ist und die seit bestimmt 1968 in der juristischen Debatte ist. Die letzten einschlägigen Papiere liegen seit ungefähr vier Jahren auf dem Tisch. Sie wissen aber auch, meine Damen und Herren von der CDU, dass die Fortführung gerade dieser Debatte um die einphasige Juristenausbildung auf der Justizministerkonferenz aus vielen Ländern heraus zurückgefahren worden ist.
Wir haben nur sehr knappe Mehrheiten für das einphasige Juristenausbildungsmodell. Allerdings sind wir uns in der Justizministerkonferenz einig, dass diese Umstrukturierung in der Ausbildung wirklich kein Ding ist, das man mit einfacher Mehrheit durchziehen kann. Die Debatte muss ausführlich geführt werden und sie wird es auch. Das darf ich Ihnen versichern. Das hat nun leider auch die Konsequenz, dass auf der nächsten Justizministerkonferenz Ende Mai kein ergebnisfähiges Papier vorliegen wird. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und wird dort deshalb auch noch nicht diskutiert.
Das liegt sicherlich auch daran, dass die Problematik, so wie sie jetzt aufgearbeitet worden ist, noch nicht voll zu Ende durchdrungen ist und insbesondere die Abstimmung mit den Kultusministerien, den Finanzministerien und den Wissenschaftsministerien noch nicht erfolgt ist.
Das ist einerseits zwar bedauerlich, andererseits bedeutet es aber, dass auch ein Bewusstsein dafür da ist, dass die Reform der juristischen Ausbildung nicht geeignet ist, nur ans schnöde Geld zu denken und hier einen weiteren Komplex zu suchen, wo Geld eingespart werden könnte, indem man die Universitätsausbildung so umstrukturiert, dass Lehrstühle eingespart werden könnten. Im Gegenteil. Eine gute, richtige Juristenausbildungsreform bedeutet einen qualitativen Sprung. Sie bedeutet, die Gesamtgesellschaft in das Blickfeld des Auszubildenden zu lenken und insbesondere daran festzuhalten, dass die Juristen den eben schon beschriebenen Weg in die Praxis erhalten und intensiver in die Gesamtausbildung gehen können.
Die Uhr läuft. Gestatten Sie mir einen mir sehr am Herzen liegenden kleinen Ausblick auf einen sehr wichtigen Teilbereich, nämlich die angedachte Berufs-einarbeitungsphase. So, wie im Moment darüber diskutiert wird, habe ich die Befürchtung, dass die Debatte nicht akzeptiert, dass eine Bürgergesellschaft die Verpflichtung hat, die Bevölkerung in ihrer Breite mit anwaltlicher Beratung zu versorgen. Die Ausbildung zum Anwalt ist kein Privatvergnügen des Anwalts, der einen Lehrling einstellt, sondern eine gesellschaftliche und staatliche Verpflichtung.
Wenn ich auf die gestrige Debatte zurückblicke, können wir nicht darüber diskutieren, inwieweit Prozesskostenhilfe und Insolvenzverfahren gewährt werden, wenn wir nicht gleichzeitig in der Perspektive sicherstellen, dass auch die korrekte und gute anwaltliche Versorgung und Betreuung gewährleistet ist.
In diesem Zusammenhang ist beispielsweise die Berufseinarbeitungsphase sehr ausführlich zu diskutieren. Es bleibt genau zu klären, wer die Kosten - gerade dieses Einarbeitungsjahres - trägt. Das ist nur einer der vielen Aspekte, die - wie ich mit Freude feststelle über Parteigrenzen hinweg nicht nur auf der Justizministerkonferenz, sondern auch auf den anderen Ministerebenen diskutiert wird. Ich möchte nicht verhehlen, dass wir dennoch sehr viel Diskussionsarbeit vor uns haben. Ich würde mich freuen, wenn wir parallel zur Erfüllung der Berichtspflicht der Landesregierung gemeinsam konkrete Modelle für Schleswig-Holstein
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen.
Wer dem Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/69, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/69, mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, F.D.P. und SSW einstimmig angenommen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Geißler hat das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Dezember 1999 hat die Bundesministerin der Justiz ihren Referentenentwurf zur Reform des Zivilprozesses veröffentlicht. Der Inhalt dieses Referentenentwurfs wird seitdem heftig in der Richterschaft, bei Staatsanwälten, in der Anwaltschaft, in Verbänden und natürlich auch in den politischen Parteien diskutiert.
Eine Annahme des Referentenentwurfs hätte gravierende Auswirkungen auf die Justiz - auch in unserem Bundesland - und daher sind wir als CDU-Fraktion der Auffassung, dass dieser Landtag sich bereits in einem frühen Stadium der Gesetzesberatung eingehend mit der Thematik befassen sollte. Daher bitten wir die Landesregierung, dem Landtag bis zur Julisitzung einen schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem sie darlegt, wie sie die in dem Bericht der Bundesjustizministerin zur Rechtsmittelreform beziehungsweise im Referentenentwurf zur Reform des Zivilprozesses genannten Eckpunkte beziehungsweise vorgesehenen Änderungen des Gerichtsverfassungs
Neben einigen wenig spektakulären vorgesehenen Änderungen - beispielsweise über die materielle Prozessleitung - enthalten die Vorstellungen der Bundesjustizministerin Sprengstoff.
Vielen Dank, Herr Präsident! - Dies gilt für die vorgesehene Umgestaltung der Berufungsinstanz von einer zweiten Tatsacheninstanz in eine Instanz zur Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung, die Erweiterung der Anforderungen an die Berufungsbegründung, die Streichung der Berufungszuständigkeit der Landgerichte und nicht zuletzt auch für die Erschwerung der Möglichkeit der Einlegung des Rechtsmittels der Revision.
Sehr sorgfältig werden wir darüber zu diskutieren haben, ob die Analyse der Bundesjustizministerin, die die vorgesehene Reform angeblich zwingend macht, zutrifft. Das bedingt eine gründliche Analyse der Belastung der Zivilgerichtsbarkeit in unserem Bundesland und eine Diskussion darüber, ob das jetzt geltende Verfahrensrecht wirklich - wie die Bundesjustizministerin es behauptet - unter Unübersichtlichkeit und fehlender Transparenz leidet oder ob der Personaleinsatz zwischen erster und zweiter Instanz wirklich ungleichgewichtig ist. Das sind nur einige Beispiele.
Bei allen Reformüberlegungen wird der Gesichtspunkt, Einspareffekte zu erzielen und Verfahren zu beschleunigen, berücksichtigen müssen, dass Verfahrensrechte auch so ausgestaltet sein müssen, dass ein möglichst hoher Prozentsatz an materiell richtigen Entscheidungen erzielt wird. Nur so kann das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Gerichtsbarkeit erhalten bleiben. Ob der vorliegende Referentenentwurf diese Abwägungen immer sorgfältig vornimmt, darf durchaus bezweifelt werden. Wenn beispielsweise vorgesehen ist, die Berufungszuständigkeit beim Oberlandesgericht anzusiedeln, so hätte dies gravierende Auswirkungen.
Berufskläger, die gegen amtsgerichtliche Urteile vorgehen wollten, müssten diesen Prozess in Zukunft in
Schleswig führen. Dies dürfte viele Bürgerinnen und Bürger, die sich durch ein aus ihrer Sicht materiell unrechtmäßiges Urteil beschwert fühlen, davon abschrecken, dieses Rechtsmittel einzulegen. Auf diese Weise kann man zwar einen Einspareffekt erzielen, aber wenn man an die Folgen für die Prozesskostenhilfe, die Umsetzungsfolgen und die notwendigen baulichen Maßnahmen denkt, ist das zu bezweifeln. Selbst wenn dies noch belegt werden könnte, so wird man durch diese Maßnahme wohl kaum das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Gerichtsbarkeit stärken, weil dem Rechtsfrieden letztlich nicht gedient wird. Die Alternative, die Berufungskammern des Oberlandesgerichts an den Landgerichtsstandorten einzurichten, wäre widersinnig, denn eine solche Organisationsstruktur würde eine effiziente Gerichtsleitung unmöglich machen.
Der Referentenentwurf der Bundesjustizministerin ist nicht nur in der Anwaltschaft, sondern auch zunehmend bei Richterinnen und Richtern auf heftige Kritik gestoßen. So hat sich beispielsweise auch die ursprüngliche Zustimmung des Deutschen Richterbundes längst aufgeweicht. Auch die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist bereits vorsichtig auf Distanz zu diesem Gesetzentwurf gegangen.