Bevor wir in die Abstimmung eintreten, lassen Sie mich zwei Anmerkungen machen. Die Anträge Drucksachen 15/66 und 15/90 sind zurückgezogen. Das haben wir vorhin übereinstimmend festgestellt. Damit bleiben zwei Anträge, und zwar der Antrag der CDUFraktion, Drucksache 15/98, und der Antrag der Fraktionen von SPD, F.D.P., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW, Drucksache 15/101. Das Präsidium ist dahin gehend informiert, dass alternative Abstimmung gewünscht wird.
Ich rufe zuerst den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/98, auf. Wer für diesen Antrag stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Jetzt rufe ich den Antrag der Fraktionen von SPD, F.D.P., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW, Drucksache 15/101, auf. Wer für diesen Antrag stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit ist Tagesordnungspunkt 19 erledigt.
- Entschuldigung, ich muss in der Tat noch das Abstimmungsergebnis feststellen. Es überrascht. Für den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/98, haben die Mitglieder der CDU-Fraktion gestimmt, für den Antrag der Fraktionen von SPD, F.D.P., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW, Drucksache 15/101, haben die Abgeordneten von SPD, F.D.P., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gestimmt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich haben viele von Ihnen dieselbe Erfahrung gemacht wie ich: Es haben sich Nachbarn oder Freunde einer Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien an Sie gewandt und verzweifelt um Hilfe gebeten, weil eine Abschiebung droht und die Betroffenen beim besten Willen nicht in der Lage wären, dies zu verkraften. Eben dieses Gefühl der Ohnmacht bei lebenswichtigen Entscheidungen hat dazu geführt, dass sich rund 100 Bundestagsabgeordnete von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P., darunter auch Namen wie Volker Rühe, Klaus Kinkel und Otto Graf Lambsdorff, mit dem Appell an die Ministerpräsidenten gewandt haben, bestimmte Flüchtlingsgruppen vom Balkan weiterhin von der Zwangsabschiebung auszunehmen.
Ungefähr gleichzeitig hat sich der UNSonderbeauftragte im Kosovo, Bernard Kouchner, mit einem Hilferuf an die Weltöffentlichkeit gewandt und die zuständigen Stellen darum gebeten, die fürs Frühjahr 2000 geplante Rückführung von KosovoFlüchtlingen zu bremsen. Seine erschreckende Botschaft ist: Im Kosovo liegt immer noch ein großer Teil der Städte und Dörfer in Schutt und Asche. Es steht bei weitem nicht ausreichend Wohnraum zur Verfügung. Bereits jetzt, wo die Rückführungen gerade anlaufen, bestehen Probleme. Die in diesem Jahr erwarteten Zehntausende Rückkehrer drohen die Situation in ihrer Heimat zu destabilisieren. Vor allem die Gefahren für Angehörige ethnischer Minderheiten werden unterschätzt. Daher fordert er, die Zwangsrückführungen auf ein Minimum zu begrenzen und bestimmte Personengruppen ganz auszunehmen.
Beide Probleme, sowohl die Rückkehr der KosovoFlüchtlinge als auch die fehlende Härtefallregelung für bosnische Flüchtlinge, betreffen uns in höchstem Maße. Die Landesregierung trägt unmittelbar Verantwortung für Rückführungen und deshalb steht auch der
Landtag in der Pflicht, etwas zu unternehmen. Wir fordern die Landesregierung auf, bezüglich der Kosovo-Flüchtlinge gänzlich auf Zwangsmaßnahmen zu verzichten. Außerdem soll der Bitte von Kouchner entsprochen werden, die Aufnahmeländer mögen mit der UNMIK, oder UNO-Vertretung im Kosovo, zusammenarbeiten. Auch die vor Ort tätigen deutschen Hilfsorganisationen könnten einbezogen werden, um einen genaueren Überblick über die Situation in den Gebieten zu verschaffen, in die diese Menschen zurückgeschickt werden sollen.
Es muss verhindert werden, dass die Menschen in eine Region geschickt werden, in der sie keine vernünftige Bleibe finden und soziale Konflikte verstärken könnten. Außerdem sollten bestimmte Personengruppen im Rahmen von Einzelfallprüfungen ganz ausgenommen werden, deren Integration in die alte Heimat aufgrund von Traumatisierungen, persönlicher Lebensumstände, Kriegsdienstverweigerung oder ähnlicher Tatsachen gefährdet oder unmöglich wäre.
Entsprechendes gilt auch für jene Bosnien-Flüchtlinge, die heute noch bei uns leben und die ebenfalls nicht vertretbare und wahrscheinlich nicht überwindbare Probleme bei der Reintegration haben dürften. Bei denen, die heute noch unter uns leben, handelt es sich um solche „Problemgruppen“, die eigentlich unter eine Härtefallregelung fallen müssten, hätte nicht die Innenministerkonferenz verhindert, dass für diese Menschen auch die „Altfallregelung“ gilt. Auch sie müssen endlich von dem Druck der drohenden Ausreiseaufforderung befreit werden. Unvertretbar ist auch auf lange Zeit die Abschiebung von Menschen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit bedroht sind. Diesen Menschen muss endlich eine Lebensperspektive gegeben werden, indem ihr Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik abgesichert wird und sie die Möglichkeit erhalten, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Seit wir diese Initiative eingebracht haben, haben sich etliche Menschen an den SSW gewandt und um Hilfe gebeten, weil sie trotz fehlender Zukunftsaussichten in der Heimat und gelungener Integration hierzulande nicht mehr in Deutschland bleiben dürfen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass Sie Ihre Stimme dafür in die Waagschale werfen, dass manche dieser Menschen wieder eine echte Perspektive in ihrem Leben haben können.
Zu unserem Antrag liegt ein Änderungsantrag der Bündnisgrünen vor. Ich habe vernommen, dass vorgeschlagen wird, beide Anträge an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Damit bin ich ein
verstanden. Ich bitte allerdings darum, dass die Anträge im Innen- und Rechtsausschuss zügig beraten werden. Denn ich denke es ist wichtig, dass wir weiterkommen und nichts auf die lange Bank schieben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPDFraktion teilt die Auffassung, dass die Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo und aus Bosnien-Herzegowina sobald wie möglich in ihre Heimat zurückkehren sollten, dass die freiwillige Rückkehr vorrangig gefördert werden sollte und dass - jedenfalls soweit es nach geltendem Bundesrecht möglich ist - bestimmte Personengruppen - Frau Spoorendonk hat sie angesprochen aus humanitären Gründen von einer zwangsweisen Rückführung ausgenommen werden sollten. Das muss unserer Auffassung nach insbesondere für Familien gelten, die nicht getrennt werden sollten und auch dort, wo sicherer Aufenthalt nicht möglich ist, weil Wohnungen zerstört, noch nicht wieder hergerichtet sind oder sie in einer unsicheren ethnischen Zone liegen. Auch dann müssen Sonderregelungen getroffen werden; es darf keine zwangsweise Rückführung erfolgen.
Das grundsätzliche Problem bei Rückführungen, insbesondere in das Kosovo, besteht ja darin, dass während des Krieges eine große Anzahl von Häusern so weitgehend zerstört wurde, dass sie trotz der Bauprogramme, die in Verantwortung der UNZivilverwaltung durchgeführt wurden, nicht wiederhergestellt werden konnten. Die in osteuropäischen Ländern generell anzutreffende Wohnraumknappheit wird in albanischen Siedlungsgebieten möglicherweise dadurch verschärft, dass einerseits die Kinderzahl für europäische Verhältnisse dort relativ hoch ist und dass andererseits - anders als bei uns - das Zusammenleben in Familienverbänden, die drei oder vier Generationen umfassen, nach wie vor verbreitet ist. Zusätzlich verschärft wird die Lage durch unklare Rechtstitel, was die Verfügungsmacht über den Wohnraum angeht. Die serbischen Truppen oder Paramilitärs haben in vielen Fällen Dokumente beschlagnahmt und vernichtet, sodass es den zurückgekehrten Flüchtlingen heute vielfach gänzlich unmöglich ist nachzuweisen, dass sie rechtmäßige Eigentümer einer Wohnung sind.
Jenseits dieser rechtlichen Probleme hat sich im Übrigen im letzten halben Jahr ganz klar herausgestellt, dass sich im Kosovo ein Flickenteppich ethnischer
Wir schlagen vor, dass die Anträge - beide Anträge, sowohl der SSW-Antrag als auch der Ergänzungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Frau Spoorendonk hat darauf hingewiesen - überwiesen werden, um schnell und zügig - Anke! - eine gemeinsame Formulierung zu finden, die insbesondere auch rechtliche Unklarheiten, die sich in der einen oder anderen Formulierung, insbesondere in der Ziffer 6 des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Irene - befinden, auszuräumen und zu beseitigen. Das, was rechtlich möglich ist, sollte dann auch alsbald auf den Weg gebracht werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des SSW erweckt den Eindruck, dass in Bezug auf die Rückführung von Flüchtlingen in das Kosovo und nach Bosnien dringender Handlungsbedarf aus humanitären Gründen besteht. Anders ausgedrückt: Wenn der Landtag im Sinne des SSW-Antrages einen Beschluss fassen müsste, so würde das ja bedeuten, dass die Landesregierung jetzt gegen die Grundsätze, die im Antrag formuliert sind, verstößt. Wir werden dazu sicherlich vom Innenminister gleich noch einiges hören. Nach meinen Auskünften ist das - es ist auch gar nicht so schwer, sowohl beim Innenministerium als auch bei einer kommunalen Ausländerbehörde nachzufragen - weit gefehlt: Zwangsrückführungen von Bürgerkriegsflüchtlingen in das Kosovo gibt es in Schleswig-Holstein nicht.
Weiter werden Traumatisierte und Personen, die in Den Haag Zeugen in Kriegsverbrecherprozessen sind, auch jetzt schon nicht nach Bosnien abgeschoben. Wenn ich richtig informiert bin, Herr Innenminister, werden bestimmte Personen, die zu ethnischen Gruppen gehören, deren Lage in den Rückführungsgebieten problematisch sein könnte, wie zum Beispiel Sinti und Roma, nach einer Absprache der Landesinnenminister nicht zwangsrückgeführt. Auch bei Familien
mit schulpflichtigen Kindern wird darauf geachtet, dass die Rückführung auf den Sommer verschoben wird, damit das Schuljahr nicht unterbrochen werden muss. Ausnahmen gelten auch für Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, wenn es vor Ort in den Rückführungsgebieten keine Behandlungsmöglichkeit gibt.
Sie sehen, es gibt jetzt bereits umfangreiche humanitäre Ausnahmeregelungen von möglichen Zwangsrückführungen. Es bedarf dazu keines Beschlusses des Landtages. Und ich füge hinzu: Ein solcher Beschluss wäre aus unserer Sicht auch ein völlig falsches Signal, weil zurzeit die internationale Gemeinschaft in breiter Übereinstimmung die Rückführung der Flüchtlinge in das Kosovo umsetzt.
Der Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping fernab davon, in den Verdacht zu kommen, mit uns irgendwo gemeinsame Sache machen zu wollen - hat anlässlich seiner Balkan-Reise am 30. April 2000 in Priština gefordert, dass alle Flüchtlinge in das Kosovo zurückkehren müssen. Und er hat hinzugefügt, dass die Rückkehr - so wörtlich - „so schnell wie möglich“ erfolgen müsse, soweit die Sicherheitslage vor Ort dies zulasse.
Noch präziser formuliert dies der niedersächsische Innenminister. Nach einem Besuch im Kosovo und in Mazedonien sagte Heiner Bartling (SPD) wörtlich:
„Ich bin der Auffassung, dass für keinen, der aus dem Kosovo zu uns gekommen ist, irgendeine Gefahr besteht, wenn er dorthin zurückkehrt.“
Darin, so führt er weiter aus, stimme er übrigens mit dem UNO-Sondergesandten Dennis McNamara völlig überein.
Es besteht übrigens im Kreis der Innenminister nach meiner Auskunft völlige Übereinstimmung darin, dass die Rückführung nicht von heute auf morgen durchgeführt werden kann, weil das die Behörden und die Bevölkerung vor Ort überfordern würde. Er sagt wörtlich:
Das ist auch völlig in Ordnung so. Zu derartigen Zwangsrückführungen wird es aber in der Breite gar nicht kommen müssen, weil zurzeit eine außerordentlich große Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr besteht. Wir sollten diesen richtigen und für die Befriedung des Kosovo notwendigen Prozess nicht durch falsche politische Signale des Landtages stören.