Protocol of the Session on September 27, 2001

Bitte erlauben Sie mir den Hinweis, dass es außerhalb der Plenarsitzungen für Besuchergruppen und selbst für Minister gestattet ist, auf den Abgeordnetenbänken Platz zu nehmen, aber nicht während der Plenarsitzungen. Ich bitte das künftig zu beherzigen.

Das Wort nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat jetzt der Herr Abgeordnete Müller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Strauß, mein Kollege Benker hat als Sprecher für Handwerksfragen meine Haltung auf der Nordbau sehr eindeutig bestätigt. Heute Morgen hatten wir eine Sitzung des Arbeitskreises Wirtschaft der SPDFraktion und der Minister hat dort ebenfalls unsere Auffassung mitgetragen. Wir werden nicht wie Sie bedingungslos abwarten, bis der Bund handelt. Der Bund hat angekündigt, dass er in diesem Herbst Herbst haben wir jetzt; das merken Sie, wenn Sie aus dem Fenster sehen

(Martin Kayenburg [CDU]: Typisch Schrö- der!)

reagieren wird. Wenn der Bund nicht reagieren wird, weil zum Beispiel diese schwierige Opposition schwierig im Sinne von nicht handlungsfähig - im Deutschen Bundestag das verzögern will,

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

werden wir nicht warten, sondern dann werden wir ein Landesvergabegesetz auf den Weg bringen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wunderbar!)

Was aber, Frau Strauß, noch viel schwerer wiegt deshalb möchte ich das hier noch einmal deutlich machen -, ist, dass Sie offensichtlich beratungsresistent sind.

(Lachen der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Wir waren auf der Nordbau und Sie haben dort sehr eindeutig den Widerspruch aller beteiligten Bauwirtschaftler erfahren, als Sie gesagt haben, die VOB reicht, wir brauchen kein neues Gesetz. Alle haben

Ihnen deutlich widersprochen und dennoch bleiben Sie bei Ihrer Haltung - wider besseres Wissen.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW])

Frau Strauß, es reicht nicht, dass man so tut, als würde man für das Handwerk etwas tun. Man muss es auch tun!

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Die Regierungskoalition wird es tun.

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Trutz Graf Kerssenbrock das Wort.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja schon ein seltsamer Vorgang, dass der Kollege Müller offensichtlich die Opposition dafür verantwortlich macht, dass die Bundesregierung in Berlin nicht handelt. Das halte ich schon für einen ganz bemerkenswerten Vorgang.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Kollege Benker - er hat mich überhaupt zu diesem Beitrag veranlasst - hat ja eben gesagt, die Stimmung sei besser als die Lage. Herr Kollege Benker, ich weiß gar nicht, in welcher Welt Sie leben. Die Lage ist so schlecht, dass die Stimmung dagegen noch bemerkenswerte Kontenance aufweist und bemerkenswerten Gleichmut. Das ist die wahre Lage. In welcher Welt leben Sie, Herr Kollege Benker?

(Beifall bei CDU und FDP - Hermann Benker [SPD]: Das frage ich Sie!)

Nun werden wohlfeile Konzepte angeboten. Ich will diesen Kurzbeitrag dazu nutzen, um auch einmal ein Stückchen Skepsis anzudeuten. Wissen Sie, strikte Einhaltung der VOB, neues Vergabegesetz - ob auf Landes- oder auf Bundesebene -, strikte Einhaltung der Tariftreue: Wir könnten um alle möglichen Industriezweige Schutzzäune bauen,

(Beifall bei der FDP)

aber die europäische Erweiterung, die EU-Erweiterung kommt auf uns alle zu. Sie wissen, ich habe im Wirtschaftsausschuss die Frage gestellt, wer denn eigentlich die Tarifverträge macht und wer die Wettbewerbsverzerrungen schafft, die dann auch zulasten der

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

schleswig-holsteinischen Bauwirtschaft gehen. Auch diese Frage muss erlaubt sein.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage dann noch etwas: Auch wenn Sie jetzt das Thema Schwarzarbeit so seltsam behandelt haben, nicht die gesellschaftliche Akzeptanz ist das Problem, sondern es sind nun einmal wirklich die Lohnnebenkosten. Da können Sie fragen, wen Sie wollen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das ist das entscheidende Problem.

Wir müssen uns in diesem Bereich schon grundsätzlich entscheiden: Wollen wir mehr Regulierung, immer noch mehr Regulierung und Protektion - Protektionismus war immer ein schlechter Ratgeber für jede Volkswirtschaft - oder wollen wir nicht doch grundsätzlich Stück für Stück mehr Wettbewerb und mehr Strukturanpassungsprozesse fördern? - Dann wird es nicht anders gehen - das will ich hier auch zum Kollegen Hentschel sehr grundsätzlich sagen - als durch eine sehr tief greifende Reform des Sozialversicherungsrechts. Nur, dann nutzen die paar Zehntelprozentpunkte, die man bisher in Berlin geschafft hat, und vor allem die Rückgängigmachung wichtiger Reformen leider überhaupt nichts. Sie sind da auf dem falschen Weg.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat jetzt Frau Abgeordnete Strauß.

Herr Kollege Müller, wenn Sie bei mir geortet haben, dass ich für Symbolpolitik nicht zu haben bin, dann haben Sie das richtig geortet. Meine Familie verdient seit mehr als 25 Jahren ihren Lebensunterhalt in der Bauwirtschaft.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Sie können sicher sein, dass ich sehr wohl weiß, worüber ich rede.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das!)

Symbolpolitik hilft der Bauwirtschaft nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Deftigkeit, mit der Sie hier Ihren Vortrag ins Plenum geschmettert haben, soll doch wohl nur verdek

ken, Herr Kollege Müller, wie unwohl Sie sich selber fühlen.

(Klaus-Dieter Müller [SPD]: Überhaupt nicht!)

Sie wissen ganz genau, dass das, was hier jetzt auf den Weg gebracht werden soll, mit den tatsächlichen Fragen, mit den tatsächlichen Problemen nichts zu tun hat.

Es stimmt auch nicht, dass alle Verbände damit einverstanden sind. Es gab auch durchaus andere Einlassungen dazu. Soll zum Beispiel ein Bauunternehmen, das im norddeutschen Raum arbeitet und seine Mitarbeiter weit über Tarif oder nach dem Höchsttarif bezahlt, wenn es eine Baustelle in einem Niedriglohngebiet bekommt, seine Mitarbeiter geringer bezahlen? Haben Sie sich einmal vorgestellt, was das für die Betriebe und für die Mitarbeiter bedeutet? - Das ist nur eine Frage neben vielen anderen Dingen, die noch dazukommen.

Sie wissen ganz genau, dass auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit im Raum steht und dass auch die Europakompatibilität eine Frage ist. Das muss auf Bundesebene geregelt werden.

Übrigens sieht der Gesetzentwurf des SSW auch eine Bundesratsinitiative in Richtung Europakompatibilität vor.

Ich warte ganz gespannt auf die tief schürfenden Anträge, die hier kommen werden.

Noch ein Satz: Herr Kollege Müller, Bauverbände dürfen alles, als Gesetzgeber haben wir andere Aufgaben. Daran möchte ich Sie erinnern.

(Beifall bei CDU und FDP)