Ich möchte jetzt zunächst auf der Tribüne neue Gästegruppen begrüßen. Es sind Gäste der Landeszentrale für politische Bildung mit Schulsprecherinnen und -sprechern aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir geraten hier an dem Punkt Vergabegesetz und der Frage, wie man das Handwerk oder die Bauwirtschaft unterstützen soll, in eine Ideologiedebatte. Wie immer bei solchen Ideologiedebatten haben beide Seiten Recht: Die einen haben Recht, die sagen, wir brauchen Marktliberalismus, die Marktbereinigungsprozesse müssen ablaufen, die darf man nicht willkürlich stoppen - das wird auf Dauer nichts nützen -, die andere Seite sagt, es gibt eine dramatische Lage in der Bauwirtschaft und sie wird sich in diesem Winter zuspitzen und man muss sehen, ob man gegensteuern kann.
Beide Seiten haben doch Recht. Das ist auch das Problem. Wir werden Strukturen, die auf lange Zeit nicht gebraucht werden, nicht aufrechterhalten können. Darüber müssen wir uns klar sein. Das heißt, wir werden einen Bereinigungsprozess in der Bauwirtschaft nicht aufhalten können. Das ist völlig klar. Aber wenn wir in diesem Winter die Situation haben, dass Tausende von Handwerksbetrieben kurzfristig über den Jordan gehen, die wir langfristig durchaus gebrauchen können, die aber erst einmal weg sind, die neu aufgebaut werden müssen, bei denen Arbeitsplätze verloren gehen, wo Kaufkraft verloren geht, macht es Sinn, kurzfristig gegenzusteuern und zu versuchen, in dieser Situation zu helfen.
Das ist auch der Punkt, wo ich Folgendes sage. Die Bauwirtschaft kommt und trägt uns das vor. Das sind nicht alles die Blöden, sondern das sind die Spitzenleute des gesamten Wirtschaftsverbandes. Es sind auch nicht Einzelne, sondern es ist einhellig die gesamte Bauwirtschaft, angefangen bei den Ingenieuren über die großen Baubetriebe bis hin zu den kleinen Baubetrieben und dem Bauhandwerk. Sie alle sind einhellig und sagen, es müsse etwas passieren, sonst laufe es ganz dramatisch. Wenn das so ist, muss man sachlich und pragmatisch gucken, wie man helfen kann, und dann pragmatisch helfen, wohl wissend, dass die große Strukturbereinigung nicht aufzuhalten ist.
Der Zusammenbruch von vielen kleinen Handwerksbetrieben, die, wenn wir sie halten, möglicherweise eine neue Perspektive finden können, ist aufzuhalten. Von daher plädiere ich dafür, hier nicht einfach zu sagen: „Ideologie siegt, wir machen nichts“, sondern die notwendigen Dinge zu tun.
Noch ein Punkt. Man muss unterscheiden zwischen kleinen und großen Firmen. Wir haben in der Marktwirtschaft immer die Situation, dass sie nur lebt,
wenn es viele kleine Firmen gibt, die in Konkurrenz zueinander stehen. Oligopole allein machen die Marktwirtschaft nicht aus. Also müssen wir die kleinen Firmen unterstützen. In einer Marktwirtschaft ist es nun einmal so, dass es eine ordnungspolitische Aufgabe ist, kleine Firmen zu unterstützen, damit sie auf dem Markt eine Chance haben, weil wir den Markt brauchen und weil diese Art der Wirtschaftsordnung nur lebt, wenn tatsächlich Konkurrenz herrscht. Von daher bitte ich, den Wirtschaftsliberalismus nicht zur puren Ideologie zu erheben, sondern sich die konkrete Situation pragmatisch anzugucken und darauf zu reagieren.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Uwe Eichelberg [CDU]: Das EU-Recht haben wir noch!)
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat jetzt der Herr Abgeordnete Benker das Wort; ihm folgt der Herr Abgeordnete Harms.
In welcher Welt leben wir? - Nun, in der Welt, in der wir Gespräche nicht nur mit Verbänden, sondern mit den Auftragnehmern, also den Handwerkern selber, führen, wie Herr Harms das auch angeführt hat. Deshalb komme ich auch zu dieser Aussage.
Herr Kayenburg hat gestern die Forderung erhoben, zu den traditionellen Fähigkeiten des Landes zurückzukehren. Er hat ausgeführt, dazu gehörten Werften und Bauwirtschaft. Für mich gehört auch das Handwerk zu den traditionellen Fähigkeiten. Deshalb ist es bei uns auch gut aufgehoben.
Sie haben gefragt, wie ich zu der Aussage komme, die Stimmung sei schlechter als die Lage. - Ich gebe gern zu, dass diese Aussage nicht von mir stammt, sondern vom Präsidenten des Unternehmensverbandes. Insofern ist das eine qualifizierte Aussage, die ich übernommen habe.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Graf Kerssenbrock, Sie haben von Protektionismus gesprochen. Bei dem Gesetzentwurf geht es um gleiche Marktbedingungen, um Rechtssicherheit für die Betriebe. Das ist die Zielsetzung. Sie sollen am Markt die gleichen Chancen haben. Das ist es, was wir durchzusetzen versuchen. Das ist es, was wir durchsetzen werden, wenn wir den Gesetzentwurf zu einem Gesetz machen.
Frau Strauß sprach von Symbolpolitik. Ich habe eben deutlich gemacht, dass es keine Symbole sind, sondern konkrete Maßnahmen. Wir bewegen uns. Wir tun tatsächlich etwas. Wir fabulieren nicht nur, sondern sagen, was wir tun wollen, und ziehen es durch. Dabei erhalten wir auch noch Unterstützung aus der freien Wirtschaft. Das macht mich unheimlich stolz.
Frau Strauß, Sie haben auch noch gesagt, dass könne alles auf Bundesebene geregelt werden. Dann frage ich mich: Warum haben wir gestern hier gesessen und über Föderalismus geredet?
Wir haben die ganze Zeit darüber geredet, dass wir selber gern etwas tun wollen. Nun können wir selber etwas tun. Bitte schön, dann mal in Gange damit! Dann sollten wir es eben auch tun.
Ich bin froh, dass sich die Sozialdemokratie von guten Argumenten von Gewerkschaften, von ÖPNVUnternehmen, von Bauunternehmen, von all den Menschen, die wir angehört haben, die wir um Rat gebeten haben, hat leiten lassen und zu der Erkenntnis gekommen ist: Wenn bis Ende Oktober auf Bundesebene nichts geschieht, dann machen eben wir etwas. Das ist etwas Vernünftiges. Das freut mich. Das ist Demokratie pur. Ich freue mich jetzt schon auf die gemeinsame Zusammenarbeit an dem Gesetzentwurf.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es ist kein Antrag gestellt. Ich frage dennoch: Soll der Bericht zur abschließenden Beratung in die Ausschüsse überwiesen werden? - Ja. Dann bitte ich um Handzeichen, wer dafür ist, den Bericht der Landesregierung federführend dem Wirtschaftsausschuss und mitberatend dem Bildungsausschuss zu überweisen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.
Ehe ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich auf der Tribüne eine weitere Besuchergruppe begrüßen, und zwar Mitglieder der Fachgruppe Forstwirtschaft der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt.
Ich erteile zunächst dem Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Herrn Professor Dr. Rohwer, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sicherheit des Schiffsverkehrs auf der Nord- und Ostsee bleibt für unser Land ein existenzielles Thema. Wir haben diesem hohen Haus daher gern den aktuellen Bericht vorgelegt. Die wichtigste und positivste Botschaft: Endlich geht es in Sachen Sicherheit des Schiffsverkehrs deutlich voran.
Die beiden wichtigsten Veränderungen: Erstens. Es wird ein Havariekommando eingerichtet. Zweitens. Es wird ein verbessertes Notschleppkonzept für Nordund Ostsee eingerichtet.
Damit werden zwei Hauptforderungen der Landesregierung und - wie ich glaube - auch dieses hohen Hauses erfüllt, die nunmehr zügig zwischen den Küstenländern und dem Bund in die Praxis umzusetzen sind.
Das Havariekommando wird voraussichtlich ab Anfang 2002 erstmals eine einheitliche Führungsstruktur für das Notfallmanagement in den deutschen Gewässern mit Zugriff auf alle Eingreifmittel des Bundes und der Küstenländer etablieren. Damit liegt die Bewältigung einer Unfallsituation künftig in einer Hand - eine der Kernforderungen, die wir immer erhoben haben.
Der entsprechende Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern ist in Arbeit. Die Leitungsposition für dieses
Kommando ist ausgeschrieben. Ich erwarte, dass die positiven Erfahrungen mit dem Havariekommando die nachfolgenden Verhandlungen zur Einrichtung einer einheitlichen Küstenwache insgesamt wesentlich erleichtern werden, auch wenn es noch Widerstände gibt.
Das neue Notschleppkonzept für Nord- und Ostsee mit je drei beziehungsweise fünf Schleppern ist geeignet, auf Schiffsunfälle frühzeitig zu reagieren, um größere Schäden möglichst zu verhindern. Auch hier laufen bereits die Ausschreibungen. Mit den entsprechenden Vertragsabschlüssen ist demnächst zu rechnen. Dieses Konzept ist so ausgelegt, dass drei Schlepper in der Nordsee und Schlepper in der Ostsee die deutschen Küsten abdecken und in Kooperation mit den Nachbarstaaten auch Schiffsunfällen außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer begegnen können.
Noch während wir an dem Bericht gearbeitet haben, gab es neue ernste Unfälle in der Ostsee, die die Bedeutung des Themas erneut verdeutlicht haben. Der Ölunfall der „Baltic Carrier“ östlich der Kadetrinne mit 2.700 t ausgelaufenem Öl machte erneut das hohe Risiko für unsere Küsten und für den Fremdenverkehr deutlich. Mehrere Zwischenfälle im Fährverkehr verliefen Gott sei Dank glimpflich, zeigen aber, dass jederzeit etwas passieren kann und dass wir unsere Vorsorge noch verstärken müssen.
Ich danke deshalb auch den Fraktionen für ihre verschiedenen Initiativen und Anträge. Wir haben gemeinsam viel Druck gemacht. Inzwischen zeigt sich, dass wir damit erste Erfolge erreicht haben.