Protocol of the Session on September 26, 2001

ebenso wie der vorliegende Antrag der Union - eine öffentliche Ausschreibung der freien Richterstellen.

Es soll damit erreicht werden, dass sich Kandidatinnen und Kandidaten auch um die höchsten Richterämter bewerben können, ohne dass sie von einem Vorschlag eines Mitgliedes des Richterwahlausschusses abhängig sind. Im Gegenzug kann dann aber auch eine solche Bewerbung von einem Mitglied des Richterwahlausschusses nicht zurückgestellt werden.

Damit wäre das dringendste Problem aus dem Frühjahr gelöst. Es ging ja nicht darum, dass einer der zur Verfügung stehenden Kandidaten nicht vom Richterwahlausschuss gewählt wurde, sondern es ging darum, dass der Betroffene gar nicht mehr zur Wahl stand, weil seine Bewerbung zurückgestellt wurde. Dieses Verfahren wäre bei einer öffentlichen Ausschreibung nicht mehr möglich und kein Justizminister oder keine Justizministerin müsste sich für das Zurückstellen eines Vorschlages rechtfertigen.

Meine Damen und Herren, wir begrüßen auch, dass neben den Politikern im Richterwahlausschuss auch von der Union eine Erweiterung aus der Richterschaft und der Anwaltschaft beabsichtigt wird. Auf diese Weise wird die Basis im Ausschuss verbreitert und der Stellungnahme des Präsidialrates eine höhere Akzeptanz beigemessen.

Unser Änderungsantrag ergänzt den Antrag der Union um zwei Punkte, die auch in der Bundesratsinitiative aus Baden-Württemberg zu finden sind.

Erstens möchten wir, dass die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen einer Bewerberin oder eines Bewerbers durch den Richterwahlausschuss anhand eines rechtlich verbindlichen Anforderungsprofils festgestellt werden.

Zweitens wollen wir, dass der Präsidialrat noch einmal angehört wird, wenn sich der Richterwahlausschuss für eine Bewerberin oder einen Bewerber entschieden hat, die beziehungsweise der nach der Stellungnahme des Präsidialrates für ungeeignet befunden wurde.

Das hat folgenden Hintergrund. Bereits in der Vergangenheit und auch in diesem Frühjahr wurde immer wieder der Vorwurf der „Politisierung der Richterwahl“ laut. Wir wollen daher mit dem objektiven Anforderungsprofil ein „neutralisierendes Element“ einbauen. Die Kriterien sollen dabei allerdings nicht ins letzte Detail gehen. Dem Wahlausschuss muss selbstverständlich ein eigener Ermessensspielraum bei der Entscheidung erhalten bleiben.

Der im Frühjahr erhobene Vorwurf, der Wahlausschuss habe sich für einen Kandidaten entschieden, dem jegliche fachliche und persönliche Eignung fehle,

sondern der vielleicht nur die richtige politische Neigung habe, wäre allerdings vom Tisch.

Ein weiterer Beitrag zur Transparenz bei der Richterwahl wäre die Erörterung zwischen dem Präsidialrat und dem zuständigen Bundesminister, wenn der Wahlausschuss einen vom Präsidialrat als ungeeignet eingestuften Bewerber ausgewählt hat.

Die Entscheidungsgründe sollten dem Präsidialrat durch den zuständigen Bundesminister dargelegt werden, wenn dieser durch einen entsprechenden Antrag Klärungsbedarf angemeldet hat. Durch dieses Gespräch wäre es möglich, etwaige Missverständnisse zwischen Präsidialrat und Richterwahlausschuss aufzuklären - mit der Folge, dass auch hier der oft vorgebrachte Vorwurf der Mauschelei nicht aufrechterhalten werden kann.

Wir möchten, dass Bundesrichter nicht durch den Vorwurf der Klungelei beschädigt werden, bevor sie ihren Dienst aufnehmen. Weiter möchten wir, dass die Bevölkerung das größtmögliche Vertrauen in die Bundesrichter hat und dass sich die besten Kandidaten bei der Wahl zum Bundesrichter durchsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Daher muss das jetzige Wahlverfahren geändert werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Grundgesetz macht klare Vorgaben für die Wahl der Bundesrichter.

In Artikel 95 Abs. 2 des Grundgesetzes heißt es:

„Über die Berufung der Richter“

- ich füge hinzu: der Richterinnen

„dieser Gerichte“

- das heißt der obersten Gerichte des Bundes

„entscheidet der für das jeweilige Sachgebiet zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss, der aus den für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die vom Bundestage gewählt werden.“

(Irene Fröhlich)

Wenn Sie eine Verfassungsänderung haben wollen,

(Thorsten Geißler [CDU]: Brauchen wir nicht!)

dann sollten Sie das auch so klar in Ihrem Antrag formulieren. Dies ist meine Ansicht.

(Zuruf des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

- Sie müssen mir jetzt bitte einmal zuhören, genauso wie ich das bei Ihnen eben auch gemacht habe, Herr Geißler!

Sie wollen, dass die Richterschaft und die Anwaltschaft im Wahlausschuss beteiligt werden. Sehr geehrte Kollegen von der Opposition, damit wollen Sie weg von einem demokratisch hoch legitimierten Wahlausschuss hin zu einer vermeintlich unpolitischen Richterschaft,

(Thorsten Geißler [CDU]: Was? - Martin Kayenburg [CDU]: Da müssen Sie etwas missverstanden haben!)

Richterherrschaft.

Rechtsprechung ist aber nicht unpolitisch. Deshalb müssen die obersten Gerichte demokratisch legitimiert werden.

(Wortmeldung des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU] - Glocke des Präsidenten)

- Nein, Herr Geißler, ich möchte meine Rede jetzt erst einmal halten und Sie hören mir bitte erst einmal zu.

(Lachen bei der CDU - Martin Kayenburg [CDU]: Jawohl, Frau Lehrerin!)

Dann habe ich auch überhaupt nichts dagegen, dass wir darüber im Ausschuss noch einmal näher diskutieren. Dagegen habe ich überhaupt nichts. Aber jetzt möchte ich erst einmal sagen, was ich denke.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Die obersten Gerichte müssen demokratisch legitimiert werden. Das ist auch unsere Meinung. Das sieht das Grundgesetz vor. So ist das Bundesverfassungsgericht konzipiert und so ist es auch in anderen Demokratien. In der Schweiz und in den USA zum Beispiel werden die obersten Richter sogar direkt vom Volk gewählt. Darüber könnte man ja auch nachdenken.

Sie machen in Ihrem Antrag keinerlei Angaben darüber, wie die Richter und Anwälte für den Richterwahlausschuss ausgewählt werden sollen. Die demokratische Legitimation ist Ihnen offensichtlich nicht so wichtig.

Auch der Präsidialrat eines Gerichtes hat keinerlei demokratische Legitimation; er spiegelt bestenfalls die politischen Kräfteverhältnisse aus alten Zeiten wider. Gerade den Beurteilungen von Bewerbern durch ein solches Gremium sollte nicht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werden - wohl Aufmerksamkeit, aber nicht zu viel. Der Chorgeist eines solchen Gremiums könnte der notwendige Pluralität an den obersten Gerichten manchmal auch entgegenstehen. Sie wollen, dass Bundesrichterstellen öffentlich ausgeschrieben werden und dass die Prüfung nach einem rechtlich verbindlichen Anforderungsprofil erfolgt. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie fordern in dieser Tagung übrigens auch die Abschaffung der Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen. Wollen Sie jetzt die ZVS für die Besetzung der höchsten Richterämter einführen? Sie bauen hier ein bürokratisches Verfahren auf, für das keinerlei Notwendigkeit besteht. Alle interessierten Richterinnen und Richter können ihr Interesse gegenüber ihrem Vorgesetzten anmelden und werden bei entsprechender Beurteilung berücksichtigt. Ein rechtlich verbindliches Anforderungsprofil ist formalistischer Unsinn, meinen wir. Unabhängig davon, ob es ein solches Anforderungsprofil gibt, wird die Entscheidung immer auf der persönlichen Beurteilung beruhen. Diese sollten Sie dem Richterwahlausschuss überlassen.

(Klaus Schlie [CDU]: Zurück ins Kaiser- reich! - Unruhe bei der CDU)

Wir haben ein demokratisch hochlegitimiertes Verfahren, das eine möglichst plurale Zusammensetzung der obersten Gerichte ermöglicht. Interessant ist ja, dass Sie 16 Jahre an der Regierung waren und überhaupt nicht daran gerüttelt haben und ich keinerlei Vorschläge von Ihnen dazu vernommen habe.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Jetzt sind Sie in der Opposition und plötzlich passt Ihnen der Kram nicht mehr. So geht es nicht, meine sehr geehrten Kollegen.

Dazu gehört auch, dass das Vorschlagsrecht bei den Justizministerinnen und -ministern der einzelnen Bundesländer liegt und dass diese im Richterwahlausschuss die Hälfte der Mitglieder ausmachen. So wird auch ein regionaler Proporz gewährleistet. Ich glaube nicht, dass es im Interesse unseres Landes ist, wenn Sie ein bundesweites Ausschreibungsverfahren einführen und gleichzeitig das Gewicht der einzelnen Bundesländer durch eine Erweiterung des Wahlausschusses durch Richter und Anwaltschaft aufblähen. Ich glaube das wirklich nicht.

(Irene Fröhlich)

Obwohl ich eher dazu tendiere, Ihrem Antrag gar nicht zuzustimmen, bin ich der Meinung, dass wir das im Ausschuss noch einmal in aller Ausführlichkeit und im Detail diskutieren sollten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat jetzt deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.