Protocol of the Session on June 1, 2001

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das! Ge- nau!)

Und das verkauft die Ministerpräsidentin als durchschlagenden Erfolg. Drittletzter zu sein, bedeutet für Heide Simonis eine Spitzenstellung. Rückfall wird Fortschritt.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist es!)

Frau Ministerpräsidentin, Sie müssen aufhören, Inputs mit Outputs zu verwechseln. Im wirtschaftlichen Wettbewerb werden nicht Aktivitäten belohnt, sondern erfolgreiche Aktivitäten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Bemühungen werden in der Grundschule belohnt und das ist richtig so. In der Politik und in der Wirtschaft liegt die Latte höher. Hier zählen die Ergebnisse der Bemühungen und dabei stehen Sie mit Ihrer Regierung

hinten an. Wenn wir schon stolz darauf sein müssen, gesamtwirtschaftlich besser dazustehen als die ostdeutschen Länder, dann können wir uns in der Wirtschaftskraft auch mit der Ukraine vergleichen. Dann sind wir noch toller.

Erzählen Sie Ihre Motivationsmärchen doch einmal denjenigen, die trotz ihrer redlichen Bemühungen ihren Arbeitsplatz verlieren oder ihr Unternehmen dichtmachen müssen. Die werden Ihnen erklären, dass Bemühungen und Aktivitäten allein nicht ausreichen. Ergebnisse zählen, nicht PR, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der FDP)

Nicht nur die Wirtschaftsleistung Schleswig-Holsteins sinkt im Vergleich zu der in den anderen Ländern dramatisch. Das Gleiche gilt logischerweise auch für die Finanzkraft. Sie alle können es in den Bemerkungen des Landesrechnungshofes nachlesen. Seit Mitte der 90er-Jahre zeigt der Trend nach unten. Die Landesregierung bleibt mir seit über einem Jahr die Antwort auf die Frage nach den Gründen schuldig. Eigentlich ist es ja klar: Sie ist selbst dafür verantwortlich. Die Verschuldung steigt immer weiter, unter den westdeutschen Ländern stürmen wir die Spitze der Pro-Kopf-Verschuldung, Herr Minister. Die Landesregierung verschuldet Schleswig-Holstein an die Spitze der Tabelle. Herzlichen Glückwunsch. Endlich einmal Erster!

Und was ist mit unserer Investitionsquote, von der der jetzige Finanzminister des Landes NordrheinWestfalen, Peer Steinbrück, als er hier noch Wirtschaftsminister war, damals schon sagte, unter 10 % seien überhaupt nicht zu vertreten, dies koste Arbeitsplätze, koste Finanzkraft, koste Wirtschaftskraft?

Wir müssen uns nicht wundern. Der Finanzminister beweist uns ständig aufs Neue: Ökonomische Logik zählt bei ihm nicht. Hauptsache, man glaubt die eigene PR. Das ist übrigens das Schlimmste, was man im Wirtschaftsleben tun kann. So erklärt der Finanzminister seit Jahren, er bilde Rücklagen, damit die Nettoneuverschuldung im nächsten Jahr nicht so groß sein müsse. Im Nachtragshaushalt will er das schon wieder machen, wie wir heute gehört haben. Das heißt nichts anderes, als dass er im jeweils laufenden Jahr mehr Schulden macht, um im folgenden Jahr weniger Schulden machen zu müssen.

Gehen Sie einmal zur Bank und erklären Sie dort, Sie wollten nächstes Jahr ein Auto auf Kredit kaufen und dieses Jahr schon einmal einen Kredit aufnehmen, um nächstes Jahr Geld für eine Anzahlung aus Eigenmit

(Wolfgang Kubicki)

teln zu haben. Der Banker wird Sie auslachen. Aber genau so machen Sie Ihre Finanzpolitik.

(Beifall bei der FDP)

Nicht nur, dass diese Anzahlung kein Eigenkapital wäre. Zusätzlich erhöhen Sie ihre Zinsbelastung. Jeder kaufmännische Auszubildende lernt, dass es ökonomisch sinnvoll ist, Ausgaben unter sonst gleichen Bedingungen so spät wie möglich zu machen, um die Kosten der Finanzierung zu minimieren.

(Beifall bei der FDP)

Gegen dieses erprobte Konzept stellt der Finanzminister sein Modell der Möller-Economics: Er bezahlt heute schon dafür, morgen noch mehr zahlen zu dürfen. Aber Möller-Economics sind noch mehr: Auch bei den Einnahmen schlägt er zu. Hier lautet das Rezept: Verkauf von Vermögen weit unter Wert, um dem Käufer stille Reserven zu schenken, die dann bei der Finanzierung des Kaufpreises als Sicherheiten dienen. Das bezeichnet man als Haushaltskonsolidierung, allerdings nicht bei uns, sondern bei denjenigen, die die stillen Reserven bekommen.

Als Folge dieses Gemurkses wird die Nettoneuverschuldung 2002 signifikant über einer Milliarde DM liegen, und zwar erstens wegen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zweitens wegen der mangelhaften Finanzplanung und drittens weil der Immobiliendeal abgeschlossen ist und hier keine Versteckspiele mehr möglich sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat die Finanzen nicht mehr im Griff, sie verdrängt die Probleme und deren Lösungen mit PR-Aktionen und hält sich dabei für toll. Der unvermeidliche Fall in die Wirklichkeit wird tief und der Aufprall schmerzhaft werden, leider nicht nur für die Regierenden, sondern auch für die Menschen in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die SPD hat der Fraktionsvorsitzende Lothar Hay das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sagte es heute Vormittag schon, dass das Ansehen des Parlaments auch davon bestimmt wird, ob wir reale Debatten oder virtuelle Debatten führen. Wenn die Debatte unter dem Thema „Haushaltssperre“ angemeldet worden ist und, verehrter Kollege Wolfgang Kubicki, dieses Thema dann für eine virtuelle Debatte darüber benutzt wird, was vermeintlich im Nachtragshaushalt und im Haushalt 2002 stehen

mag, dann werden wir der Aufgabe, die wir von den Wählerinnen und Wählern dieses Landes bekommen haben, nicht gerecht.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich bin davon ausgegangen, dass man in Anbetracht der Debatte von heute Morgen in der Lage sein muss, seine Rede so zu kürzen, dass man sich auf die wesentlichen Punkte beschränkt.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben natürlich alles vorgetragen. Ich werde das nicht machen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Prima!)

- Meine zweite Bemerkung ist vielleicht auch für Sie, Herr Garg, von Interesse.

Ich habe heute Morgen - so wie Wolfgang Kubicki die neueste Ausgabe der Anmerkungen des Statistischen Landesamtes gelesen und ich teile Ihre Auffassung, dass es durchaus ernst zu nehmen ist, wenn sich alle Konjunkturdaten in Schleswig-Holstein immer im Negativen bewegen. Ich bin auch der Auffassung, dass man dies weiter beobachten muss, das heißt, dass man beobachten muss, wie sich dies in den folgenden Monaten im Abgleich zu anderen Bundesländern und zur Bundesebene darstellt.

Im Übrigen kann ich mich an das erinnern, was ich in der Volkswirtschaftslehre, geprägt von Karl Schiller, einmal gelernt habe. Demzufolge müssten wir uns in einer solchen Situation eigentlich antizyklisch verhalten. Daher werden wir auch, was den Nachtragshaushalt und was den Haushalt 2000 betrifft, sehen müssen, wie hoch die Investitionsquote ist. Wir müssten eigentlich Verlässlichkeit für denjenigen schaffen, die dringend auf öffentliche Aufträge angewiesen sind. Das ist die allgemeine Erklärung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Gleichzeitig wissen wir, wie schwierig das sein wird. Aber das ist ein Maßstab, den wir, bei allen Schwierigkeiten, versuchen müssen gemeinsam mit der Regierung umzusetzen. Natürlich weiß ich ebenfalls, dass investive Ausgaben auch die Möglichkeiten bieten, neue Kredite in bestimmter Höhe aufzunehmen, die im Übrigen immer durch Investitionen gegenfinanziert werden. Das heißt, man muss sehen, dass die Schulden, die man macht, gleichzeitig auch Investitionen sind.

Lassen Sie mich kurz einige wenige Anmerkungen zu dem eigentlichen Thema der Haushaltssperre machen. Die SPD-Fraktion begrüßt die Entscheidung der Landesregierung, die Finanzminister Möller vorbereitet hat, einen Nachtragshaushalt einzubringen. Ich gehe

(Lothar Hay)

auch davon aus, dass es das richtige Mittel war, aufgrund der Steuerschätzung jetzt eine Haushaltssperre zu erlassen. Ich sagte schon: Die Debatte im Augenblick ist eine virtuelle, weil es noch keinerlei Grundlagen gibt, außer gewisser konjunktureller Daten, außer der Steuerprognose. Insofern werden wir die Detaildiskussionen hier im hohen Haus führen, wenn uns die Landesregierung den Entwurf zum Nachtragshaushalt 2001 vorgelegt hat.

Wir sind uns genauso wie Sie, meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, sicher, dass bei einer Haushaltssperre darauf geachtet wird, dass dadurch keine Wirkung hervorgerufen wird, die nicht beabsichtigt ist und die später nicht zurückgeholt werden kann. Aber eine Haushaltssperre ist in SchleswigHolstein nicht das erste Mal erlassen worden. Insofern gehe ich davon aus, dass die notwendige Sensibilität im Finanzministerium und in allen anderen Ministerien vorhanden ist. Wenn ich mir die Steuerprognose für 2001 ansehe, gab es auch keine andere Möglichkeit.

Die Antragsteller wissen doch selbst - damit können sie die Frage eigentlich selbst beantworten -, dass die Steuerreform, soweit sie vom Finanzminister abschätzbar war, bereits in der mittelfristigen Finanzplanung für die nächsten Jahre bis 2004 - berücksichtigt worden ist. Dass aufgrund der neuen Prognose eine Verbesserung, eine Veränderung von Daten vorgenommen worden ist, werden wir in den Beratungen über den Haushalt 2002 und die mittelfristige Finanzplanung erleben. Ich verzichte darauf, jetzt näher auf das einzugehen, was ich vorhin schon gesagt habe, dass wir die konjunkturellen Daten berücksichtigen müssen, dass in Schleswig-Holstein positive und negative Daten immer mit einer gewissen Zeitverzögerung wirksam werden. Das muss genau analysiert werden, damit wir keine Fehlentscheidung treffen. Ich gehe davon aus, dass Claus Möller dies berücksichtigt.

Eine Anmerkung, verehrter Kollege Kubicki! Stellen wir uns vor, nach der ersten Korrektur der Werte des Bruttoinlandsprodukts, des Wachstums durch die Bundesregierung hätte Claus Möller mit einer Haushaltssperre reagiert, bevor für Schleswig-Holstein überhaupt Daten sichtbar geworden wären - ich deute nur eine Möglichkeit an -, und das mit dem Wissen über die Steuereinnahmen im ersten Quartal im Land - die Steuereinnahmen im Land gaben damals zumindest Anlass zu sagen, es könnte in Schleswig-Holstein eventuell eine andere Entwicklung geben;

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Januar/Februar!)

die Entwicklung ist durch die Steuerprognose korrigiert worden; bestimmte Dinge sind mit hineingerechnet worden -: Ich glaube, dann hätte man Claus Möller den Vorwurf gemacht, in einer Situation eine Haus

haltssperre zu erlassen, in der alle Daten eine völlig andere Sprache sprächen. Das wäre ein völlig falsches Instrument gewesen.

(Beifall bei der SPD - Holger Astrup [SPD]: Zumal es dieselben Leute gewesen wären!)

Im Übrigen - das muss man einmal deutlich sagen, auch wenn man damit sicherlich nur bei einem begrenzten Kreis der interessierten Öffentlichkeit Gehör finden wird -: Dass wir entgegen der Prognose mit Mindereinnahmen zu kämpfen haben, hat doch auch etwas damit zu tun, dass Regierung und rot-grüne Fraktionen das, was in Berlin an Änderungen - im Steuergesetzgebungsbereich, im Bereich Kilometerpauschale, im Bereich Kindergeld -, an Erhöhungen beschlossen worden ist, mitgetragen haben. Das führt bei uns zu Mehrbelastungen oder Mindereinnahmen. Das muss man einmal sagen.

(Holger Astrup [SPD]: So ist es!)

Wir stehen dazu - im Gegensatz zum SSW, was man auch einmal sagen muss -, dass es der richtige Zeitpunkt für die Steuerreform war, weil die Bürgerinnen und Bürger auch in diesem Land in ihrem Portemonnaie endlich ein bisschen mehr haben wollen und nicht umgekehrt. Dabei bleiben wir.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute Morgen konnten wir lesen, dass jetzt der Finanzminister in Berlin den gefundenen Verteilungsschlüssel 74:26, was das Kindergeld betrifft, aufkündigen will. Aus meiner Sicht kann Schleswig-Holstein das nicht mitmachen. Vereinbarungen, die mit Zustimmung Schleswig-Holsteins getroffen worden sind, müssen eingehalten werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])