Protocol of the Session on June 1, 2001

Anfang des Monats las ich die Überschrift „Richtungswechsel in der Wohnungsbaupolitik“ und Innenminister Klaus Buß wurde unter anderem mit seiner Stellungnahme zum neuen Wohnraumfördergesetz des Bundes zitiert, das nächstes Jahr in Kraft treten soll. Wörtlich: „Die Gelder werden zielgerichtet sozial flankierend und nicht nach dem Prinzip Gießkanne eingesetzt.“

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich hätte mir gewünscht, dass diese Überlegungen auch in Verbindung mit der Novellierung der Fehlbelegungsabgabe angestellt worden wären. Die FPD lehnt diesen Entwurf ab.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gern wäre ich in der komfortablen Situation, auf die Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe verzichten zu können. Das will ich freimütig gestehen. Damit würde man die Entmischung der Viertel mit sozialem Wohnungsbau weiter vorantreiben - das ist erklärtes Ziel rot-grüner Wohnungspolitik -, zumal die Vergleichsmieten zurzeit relativ niedrig sind. Aber,

(Irene Fröhlich)

Herr Hildebrand, das wird nicht immer so bleiben. Deswegen ist sozialer Wohnungsbau aus grüner Sicht unerlässlich. Denn allein am Markt können Sie Wohnungsbau niemals orientieren, niemals.

Wir haben hier 11 Millionen DM Einnahmen minus 4 Millionen DM für Verwaltungsaufwand. Das finde auch ich nicht besonders rosig, aber wir arbeiten daran, den Verwaltungsaufwand durch dieses Gesetz weiter zu minimieren. Immerhin bleiben die besagten 7 Millionen DM Einnahmen pro Jahr und die brauchen wir dringend. Wer die Abschaffung dieser Abgabe fordert, sollte ehrlicherweise sagen, wo er dieses Geld bei den Ausgaben einsparen will. Erst dann wird die Sache rund.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das gilt umso mehr, wenn von derselben Fraktion bei der Verteilung sozialer Wohltaten gern und häufig aus dem Vollen geschöpft wird. Wir haben es ja gerade erst wieder gehört.

Bedenken wir auch, dass die Zahl der mietpreisgebundenen Wohnungen in den nächsten Jahren abnehmen wird. Die Fehlbelegungsabgabe wirkt gerade bei vergleichsweise niedrigen freien Mieten darauf hin, diese Wohnungen für Menschen freizuhalten, für die sie geschaffen wurden und die darauf angewiesen sind, eben nicht für die Fehlbeleger, sondern für die einkommensschwächeren Menschen. Zudem benötigen wir die Einnahmen dringend, um dem Wegfall von Belegungsrechten durch Ankauf von neuen entgegenwirken zu können.

(Konrad Nabel [SPD]: Sehr gut!)

Sicherlich ist das Mietergefüge vielerorts so gestaltet, dass von Gettoisierung gesprochen werden kann; aber hierfür haben wir zeitlich befristete Ausnahmemöglichkeiten, von denen auch Gebrauch gemacht wird, wie wir ja zur Kenntnis genommen haben.

Auch die Klausel für Fälle, in denen im Einzelfall eine Härte vorliegt, ist noch erweitert worden. Damit können Wohnungsunternehmen noch gezielter einseitigen Belegungsstrukturen entgegenwirken.

Letztlich kommen die Einnahmen aus der Abgabe denen zugute, die sie wirklich brauchen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Eigentlich ist es geradezu zukunftweisend, Menschen mit niedrigem Einkommen günstigen Wohnraum zu verschaffen, jedoch wenn sich die Einkommenssituation verbessert, zugunsten anderer nachwachsender,

einkommensschwächerer Menschen einen entsprechenden Aufschlag zu erheben.

Gerade nach der geführten Debatte zum Haushalt und seinen Problemen und Engpässen halte ich den Vorschlag, die Fehlbelegungsabgabe sofort und ersatzlos zu streichen, für ein weiteres Beispiel unverantwortlicher populistischer Politik. Es tut mir Leid.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der SSW hat den Gesetzentwurf schon in der ersten Lesung begrüßt, da er nach unserer Auffassung ein Schritt in die richtige Richtung ist, nämlich weiterhin eine Stärkung des sozialverträglichen Wohnungswesens. Der uns vorliegende Gesetzentwurf der CDU sieht jedoch vor, die Fehlbelegungsabgabe ganz abzuschaffen. Aus der Begründung geht hervor, dass die Verwaltungskosten, die bei der Erhebung der Fehlbelebungsabgabe anfallen, in keinem Verhältnis zum Aufkommen stehen. Unter Heranziehung der Begründung des Urteils von 1988 verlangt man deshalb die Abschaffung, weil dies nunmehr möglich sei. Der weiteren Argumentation habe ich nicht ganz folgen können. Herr Kollege Storjohann, Sie haben nämlich gesagt, dass das Gesetz zum Abbau der Fehlsubventionierung geschaffen worden sei, um den jetzt bestehenden Haushaltsfehlbetrag zu finanzieren. Das habe ich in dem Gesetz nirgendwo gefunden; das Gesetz ist nämlich auch schon etwas älter.

Was passiert eigentlich, wenn wir Ihrem Gesetzentwurf zustimmen würden? Hätten wir dann wirklich etwas erreicht? Erstens würde dann das entsprechende Bundesgesetz gelten.

Zweitens würde die Abschaffung des Gesetzes bedeuten, dass Schleswig-Holstein auf zirka 7 Millionen DM aus dem Ertrag verzichtet, die uns ermöglichen, weitere Investitionen im Bereich des sozialen Wohnungswesens in Schleswig-Holstein zu tätigen, was ich für ganz wichtig halte. In der Sitzung vor der ersten Lesung des Gesetzes haben wir die neuen Wege im sozialen Wohnungswesen erörtert. Insbesondere die Sanierung der bestehenden Wohnungen halte ich für erforderlich.

Drittens würde bei Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe der Ausgleich, den sie durchführt, entfallen. Mieterinnen und Mieter, die zunächst aufgrund ihres

(Silke Hinrichsen)

geringen Einkommens einen Wohnberechtigungsschein erhalten haben, sind von dieser Abgabe nicht betroffen. Sollten sich jedoch im Laufe der Zeit die Einkünfte dieser Personen verbessern, können sie die Wohnung trotzdem behalten, obwohl diese Wohnungen für Einkommensschwächere geschaffen worden sind. Deshalb schafft die Abgabe hier einen Ausgleich und das neue Gesetz ermöglicht auch endlich eine Einzelfallprüfung. Das heißt, dass es möglich ist, Härten zu vermeiden und gegebenenfalls die Fehlbelegungsabgabe nicht zu erheben.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wollen wir. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf der Landesregierung zustimmen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Minister Buß das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Novellierung des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen ein zugegebenermaßen nicht gerade aufmunternder Titel - verfolgt hauptsächlich das Ziel, beim Vollzug durch die Investitionsbank Kosten zu sparen. Derzeit das ist schon vorgetragen worden - betragen die Kosten rund 4 Millionen DM - das ist zu viel - bei einem Gesamtaufkommen von 11,5 Millionen DM. Das bedeutet bei der jetzigen Situation aber immerhin noch eine Nettoeinnahme von rund 7,5 Millionen DM. Das ist doch etwas, Herr Hildebrand! Wenn ich diese Einnahmen nicht mehr hätte, könnte ich - um Ihre Argumentation einmal aufzugreifen - weder mit der Gießkanne noch gezielt vorgehen, sondern könnte gar nichts mehr machen. - Wenn man einmal die Besetzung des Landtages sieht, wäre auch einmal über die Fehlbelegung zu diskutieren.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Zurufe)

Im Vorfeld der Einbringung des Gesetzentwurfs haben wir alle Verbände, die zu beteiligen sind, gehört. Es ist konstruktiv Kritik geäußert worden und einige, vor allem Verbände aus der Wohnungswirtschaft, haben den Gesetzentwurf zum Anlass genommen, die völlige Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe zu verlangen. Dem hat sich jetzt die CDU mit ihrem Gesetzentwurf angeschlossen.

Derjenige, wie zum Beispiel der Landesverband des Deutschen Mieterbundes, der die Abschaffung fordert, muss sich natürlich die Frage gefallen lassen, wie er denn bei der schlechten Finanzlage des Landes in Zukunft die Modernisierungsförderung und den Neubau im Rahmen der Wohnungsbauförderung gezielt und nach guten Zielfeldern geordnet finanzieren will. Das geht alle derzeitigen und künftigen Mieter an.

Die Vertreter der Wohnungswirtschaft, die ihre derzeitigen Vermietungsprobleme zumindest teilweise auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe zurückführen, sind bisher jeden Beweis für eine ursächliche Beziehung zwischen beiden Sachverhalten schuldig geblieben. Ich habe intensiv mit ihnen darüber diskutiert. Sie konnten - ich betone das nochmals - nicht einmal ansatzweise einen Beweis dafür liefern. Tatsächlich sind nach der Statistik, die bei der Investitionsbank geführt wird, diejenigen, die Fehlbelegungsabgabe zahlen, nicht von einer so hohen Fluktuation betroffen wie die „normalen“ Mieter. Die ganze Argumentation stimmt überhaupt nicht. Mit diesen Argumenten wird häufig versucht zu verdecken, dass in der Politik der einzelnen Wohnungswirtschaftsunternehmen in der Vergangenheit Fehler gemacht worden sind.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn die Problemgebiete haben ihre Ursache hauptsächlich in einseitigen Bewohnerstrukturen, die durch eine falsche Belegungspolitik entstehen konnten, und dafür sind nun einmal die Vermieter verantwortlich. Darüber gibt es gar keine zwei Meinungen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will das hier gar nicht weiter ausführen, sondern nur darauf hinweisen, dass wir uns wirklich darum bemühen, die Folgen etwas zu mindern. Um Haushalten den Zuzug zu ermöglichen, die zum Beispiel wegen ihres Einkommens nicht zum Bezug einer Sozialwohnung berechtigt sind, haben wir in Kiel-Mettenhof einen ganzen Bereich von den Bindungen freigestellt. Dort entfällt die Erhebung von Ausgleichszahlungen. In ähnlich gelagerten Fällen - Frau Gröpel hat es angesprochen - werden wir genauso verfahren, wenn - das ist entscheidend - die örtlichen Wohnungsunternehmen ihrerseits bereit sind, etwas zur Verbesserung der von ihnen zu verantwortenden jeweiligen Wohnungssituation beizutragen. Desgleichen helfen wir den Gemeinden mit unserem Förderprogramm „Soziale Stadt“ bei der Bewältigung von städtebaulichen Problemen, die sich aus einer örtlich konzentrierten einseitigen Bevölkerungszusammensetzung ergeben.

(Minister Klaus Buß)

Die mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen wurden für eine bestimmte Zielgruppe gebaut, die aufgrund zinsgünstiger Baudarlehen eine subventionierte Miete zahlt.

Soweit die Einkommen dieser Haushalte gestiegen sind und von den Mietern die für den Bezug von Sozialwohnungen maßgebende Einkommensgrenze überschritten wird, besteht aus meiner Sicht kein Grund mehr für die Subventionierung.

Ich will jetzt nicht noch einmal auf das Bundesgesetz verweisen, das ja eingriffe, würde das Landesgesetz aufgehoben. Wir könnten eines überlegen und noch einmal auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückkommen: Wenn die Sozialmieten auf das Niveau der frei finanzierten Mieten angehoben worden sind, könnte die Abgabe fallen. Das ist aber bei den Zahlen, die ich vorgetragen habe - nach gegenwärtigem Stand ein Überschuss von 7,5 Millionen DM - gerade nicht der Fall.

Insofern glaube ich, dass aus allen Gesichtspunkten, die vorgetragen werden können, diese Abgabe weiterhin erhoben werden sollte und erhoben werden muss. Um es ganz eindeutig zu sagen, meine Damen und Herren: Wir brauchen dieses Geld ganz einfach, um unsere Wohnungspolitik, vor allem Modernisierung durchführen zu können, aber künftig auch neu zu bauen, und zwar für die Menschen, die sich dies aus eigener Kraft nicht leisten können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU abstimmen. Wer diesem seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das Haus mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und FDP nicht willens, diesem Antrag zu folgen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung. Wer diesem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Gesetzentwurf mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und FDP beschlossen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4: