Protocol of the Session on May 10, 2001

Die alte Bundesregierung hat 1996 die Vermögensteuer abgeschafft, weil die Ausgestaltung der Steuer vom Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform angesehen wurde. Dadurch entgingen Bund, Ländern und Kommunen 3 Milliarden bis 4 Milliarden DM jährlich. Während also die Vermögenden entlastet worden sind, tragen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Lohnsteuer weiterhin den weitaus größten Teil der Steuerlast. Auch das muss hier wiederholt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Lieber Kollege Kubicki, Sie hatten bereits das Wort.

Obwohl die Parteien der jetzigen Bundesregierung noch im Wahlkampf die Wiedereinführung einer verfassungskonformen Vermögensteuer forderten, haben

(Anke Spoorendonk)

sie es bisher unterlassen, dieses Versprechen einzulösen. Stattdessen haben jetzt fünf sozialdemokratisch geführte Landesregierungen mit Schleswig-Holstein an der Spitze über den Bundesrat versucht, eine Erhöhung der Erbschaftsteuer einzuführen - immerhin ein Versuch, über die Steuerpolitik einen, wenn auch kleinen, sozialen Ausgleich zu schaffen. Das begrüßen wir, dazu stehen wir.

Ich möchte noch eine Bemerkung loswerden, und zwar in Anlehnung an das, was der Kollege Wiegard sagte: Auch wir nehmen den Vorwurf ernst, dass es nicht richtig gewesen ist, dass die Landesregierung das Parlament erst so spät und erst nach Aufforderung benachrichtigt hat. Das muss man, glaube ich, noch einmal wiederholen, wenn man es mit der Stärkung des Parlaments ernst meint.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der CDU)

Der Gesetzentwurf zur Reform der Erbschaftsteuer sieht vor, die Berechnungsgrundlage für Häuser und Firmengebäude so anzuheben, dass sie nach demselben Maßstab wie unbebaute Grundstücke bewertet werden. Bereits 1995 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Bewertung von Grundbesitz mit Einheitswerten einerseits sowie des sonstigen Vermögens mit Verkehrswerten andererseits mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Durch großzügige Freibeträge sollte verhindert werden, dass das viel zitierte Häuschen der alten Oma oder der Kleinunternehmer bei der Weitervererbung von dieser Steuererhöhung betroffen werden; das ist der Rahmen.

Der erste Vorschlag für höhere steuerliche Wertansätze für bebaute Grundstücke hätte zu Steuermehreinnahmen der Bundesländer von ungefähr 640 Millionen DM ab 2003 geführt. Aber schon dieser Vorschlag war weder nach dem Geschmack der CDU - das haben wir heute gehört - noch nach dem führender Sozialdemokraten im Bund oder in Nordrhein-Westfalen.

Deshalb schlug Schleswig-Holstein eine Modifizierung des Steuertarifs dergestalt vor, dass die Steuersätze um jeweils einen Prozentpunkt abgesenkt werden; auch das haben wir schon gehört. Aber auch dieser Vorschlag führte zu Kritik, und zwar nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei der Bundesregierung.

Nun hat der Bundeskanzler beschlossen, die Erhöhung der Erbschaftsteuer um zwei Jahre zu verschieben. Sicherlich ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Erhöhung der Erbschaftsteuer, insbesondere bei der Vererbung von Betriebsvermögen einschließlich eines Betriebsgrundstücks, nicht unproblematisch ist.

(Zustimmung des Abgeordneten Jürgen Fed- dersen [CDU])

Der Freibetrag für Einfamilienhäuser ist für Schleswig-Holstein zwar sicherlich angemessen, aber in den südlichen Bundesländern, in denen die Grundstücke viel höher bewertet werden, sieht es völlig anders aus. Da steckt schon ein Problem drin; das muss man ehrlicherweise benennen.

Statt eine komplizierte Erhöhung der Erbschaftsteuer vorzunehmen, sollte man lieber ernsthaft darangehen, eine verfassungskonforme Vermögensteuer wieder einzuführen. Wir meinen, dass die Bundesregierung in dieser Frage weiterhin eine Bringschuld hat, und hoffen, dass dieses Thema zumindest im nächsten Bundestagswahlkampf wieder eine Rolle spielen wird.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Wiegard.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht unnötig verlängern, aber der Kollege Neugebauer hat einen Anspruch darauf, zu den zwei bedeutenden Punkten, die er hier angeführt hat, eine Antwort zu bekommen. Ich fand es sehr eindrucksvoll, wie deutlich die Unterschiede in den politischen Auffassungen auch in einer so kurzen Diskussion werden können.

Sie haben das Wort Gerechtigkeit mehrfach - ich glaube, fünfmal - erwähnt. Inzwischen ist es so: Immer dann, wenn Sozialdemokraten von Gerechtigkeit reden, Herr Neugebauer, dann läuten alle Alarmglocken im Lande Sturm; denn am Ende von Gerechtigkeitsdiskussionen stehen bei Ihnen immer Erhöhungen von Steuern und niedrigere Leistungen. Das ist jedes Mal so.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bei der Erbschaftsteuer haben Sie - das war auch den Worten von Frau Heinold zu entnehmen - offensichtlich die Vorstellung, dass der Nachlass Verstorbener dem Staat zuzufallen hat und Sie den Erben dann ein Taschengeld zuweisen. Das ist Ihre Überlegung dazu.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie stellen die Tatsachen auf den Kopf! Lügen Sie doch nicht so herum!)

(Rainer Wiegard)

Ihre politische Ideologie und das wirkliche Leben der Menschen passen nicht zusammen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat, wenn es denn sein muss, Herr Kollege Hentschel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Auseinanderdriften von Reich und Arm in dieser Republik, das in dem Armutsbericht der Bundesregierung beschrieben worden ist, ist keine Frage, die man nur unter dem Gesichtspunkt von Gerechtigkeit oder von sozialer Umverteilung oder sonst wie betrachten kann, sondern es ist eine Kernfrage der Demokratie in diesem Lande.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW sowie vereinzelt bei der SPD)

Wenn die Eigentumsverhältnisse weiterhin auseinander driften und eine Demokratie nicht in der Lage ist, dem entgegenzusteuern, dann entstehen tatsächlich Probleme für die Demokratie, und zwar politische Probleme.

Herr Kubicki, da Sie die Faust heben, sage ich: Jawohl, ich kämpfe für die soziale Gerechtigkeit in diesem Lande.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung.

Ich erkläre den Antrag der CDU durch die Berichterstattung der Landesregierung für erledigt.

Wir haben in der Sache über einen Antrag der FDP abzustimmen, der ein Änderungsantrag zu einem nicht mehr vorhandenen Antrag der CDU ist, aber natürlich eigenständigen Charakter hat. In dem Antrag geht es um ein Aussetzen der Gesetzesinitiative und um eine Beibehaltung der geltenden Regelung für zwei Jahre.

(Rainer Wiegard [CDU]: Ich hatte beantragt, den Bericht der Landesregierung dem Finanz- ausschuss zu überweisen!)

- Das will ich gern zur Abstimmung stellen.

Dann ziehen wir die Abstimmung über die Überweisung des Berichts in den Finanzausschuss vor. Wer den Bericht dem Finanzausschuss überweisen will, den

bitte ich um das Handzeichen. - So langsam kriegen wir die Mehrheit.

(Heiterkeit)

Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der FDP und einzelner Abgeordneter der SPD ist dem zugestimmt worden.

Dann entscheiden wir jetzt in der Sache über den Antrag der FDP. Wer dem Antrag der FDP zur Aussetzung der Gesetzesinitiative zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung von zwei Abgeordneten der CDU abgelehnt.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung: 13:17 bis 15:01 Uhr)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet.

Zunächst begrüße ich Gäste. Auf der Tribüne haben sich zwischenzeitlich Mitglieder der Marinewaffenschule Eckernförde, 2. Inspektion, Lehrgruppe A,

(Beifall)

sowie Mitglieder der Stabfliegenden Gruppe, Aufklärungsgeschwader 51 „Immelmann“ eingefunden. Ich heiße Sie alle herzlich willkommen.

(Beifall)

Damit sind wir wieder in der Tagesordnung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Situation der Außenhandelswirtschaft in Schleswig-Holstein