Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Debattenbeiträge verfolge, besonders die des Finanzministers und des Kollegen Neugebauer, dann erschließt sich mir folgender Eindruck. Der Finanzminister stellt sich hier hin und sagt, wenn der Bundeskanzler und die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten diesem wunderbar ausgedachten Vorschlag von Schleswig-Holstein nicht folgen, dann sind das alles Weicheier, die sich irgendwie nicht trauen oder von der Materie nichts verstehen; sie wollten keine Steuergerechtigkeit, setzten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht um. Wenn ich den Kollegen Neugebauer richtig verstanden habe, dann hat der sozialdemokratische Bundeskanzler einen ganz perfiden Trick auf Lager, der lautet: Wir machen bis zum Ende des Jahres nichts und dann wird die Erbschaftsteuer abgeschafft. Er will wahrscheinlich die Erbschaftsteuer insgesamt nicht und deshalb sagt er Verschiebung, weil am Ende des Jahres - den Ausführungen des Kollegen Neugebauer folgend - Schluss wäre. Welch ein Blödsinn!
Herr Kollege Neugebauer, Herr Finanzminister, vielleicht hören Sie gelegentlich auch einmal auf die mahnenden Worte von Leuten aus den eigenen Reihen. Während wir hier in Deutschland just zu dieser Zeit eine Veränderung der Erbschaftsteuer und eine Erhöhung des Erbschaftsteueraufkommens - das ist ja Ihr Ziel, Herr Finanzminister - diskutieren, diskutieren die in den Vereinigten Staaten auch gerade die Frage der Erbschaftsteuer, aber mit dem Ziel, Kollege Neugebauer, sie abzuschaffen.
Der Internationale Währungsfonds widmet der Haushaltskonsolidierung, Herr Finanzminister, in seinem neuesten Weltwirtschaftsausblick ein ganzes Kapitel. Die Botschaft lautet: Der erfolgreiche Weg zur Verbesserung der strukturellen Haushaltslage führt über die Begrenzung der Ausgaben und eine Senkung von Steuern.
Das herausragende Beispiel sind ja die Vereinigten Staaten. Durch konsequente Ausgabenbeschränkungen und Steuersenkungen wurde das Wachstum in den letzten zehn Jahren so gesteigert, dass jetzt Haushaltsüberschüsse erzielt und die Staatsschulden innerhalb der nächsten Jahre getilgt werden. Warum nehmen wir uns an solchen Beispielen, die ja ein ganz anderes Gerechtigkeitspostulat beinhalten, Herr Kollege Neugebauer, nicht auch einmal ein Beispiel für unsere, das heißt für Ihre Politik? Warum folgen Sie nicht den Überlegungen des Kanzlers, der sagt, eigentlich müssten wir alles tun, um die Wachstumskräfte zu stärken, damit wir die Arbeitsmarktprobleme und die sonstigen Probleme beherrschen können, statt ihnen entgegenzuwirken?
Die FDP lehnt eine Erhöhung der Belastungen durch die Erbschaftsteuer ab, weil dadurch das Wachstumspotenzial Deutschlands vermindert wird. Wirtschaftliches Wachstum hängt ganz entscheidend von der Kapitalbildung ab. Kapital wird durch Investitionen aufgebaut. Die Quelle der Investitionskraft ist die gesamtwirtschaftliche Ersparnis. Die Erbschaftsteuer belastet die Vermögensbildung, ebenso das Sparen. Herr Kollege Neugebauer, Sie sollten vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen, dass das, was vererbt ist, in aller Regel Vermögensbildung aus versteuertem Einkommen ist.
Lassen Sie sich einmal - Sie haben in Ihren Reihen ja auch einige Volkswirte -, vielleicht von Heide Simonis, erklären, dass eine Erhöhung der Erbschaftsteuer die gesamtwirtschaftliche Ersparnisbildung vermindern wird. Dadurch werden die realen Zinsen in die Höhe getrieben und den Investitionen wird das Wasser abgegraben.
Bundeskanzler Schröder und Finanzminister Eichel haben das erkannt, Ministerpräsidentin Simonis und Finanzminister Möller offensichtlich nicht. Deshalb sind Schröder und Eichel gegen höhere Belastungen übrigens wie auch Clement -, Simonis und Möller wollen lieber das neue Dreamteam auf der Jagd nach den verlorenen Erbschaften sein.
Als Ziel - hierzu müssen Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch einmal sehr genau lesen haben Sie sich den unflexibelsten Vermögensteil ausgesucht, nämlich die Immobilien. Durch die Anhebung der Bewertungssätze für Grundvermögen soll Geld in die Landeskasse gespült werden. Grundvermögen ist illiquide und löst oftmals auch keinen expliziten Zahlungsstrom aus - anders als Geldvermögen, Wertpapiere und Aktien. Höhere Bewertungssätze für Grundvermögen führen folglich dazu, dass mehr Erben als bisher Grundvermögen verkaufen müssen, um die Steuerlast zahlen zu können. Daran ändern die Rechenbeispiele nichts, mit denen der Finanzminister uns glauben machen will, dass es nach der Änderung eigentlich kaum schlechter gehen würde.
Auch die minimale Senkung der Steuersätze der Erbschaftsteuer Klasse I gleicht die Nachteile der höheren Bewertungsansätze nicht aus. Die Nachteile der steigenden Belastungen aus der Erbschaftsteuer treffen selbstverständlich nicht nur die Erben, Kollege Neugebauer, Leidtragende werden vor allem auch diejenigen sein, die Immobilien erstellen: Unternehmen und Beschäftigte in der Bauwirtschaft. Steigt die steuerliche Belastung von Immobilien relativ zu anderen Vermögensformen, werden Immobilien unrentabeler.
Die Nachfrage nach Baumaßnahmen wird sinken. Die negativen Auswirkungen auf die Bauwirtschaft sind sonnenklar. Es wird noch schneller bergab gehen. Die Lage unserer Bauwirtschaft ist schon dramatisch genug, die Pläne der Landesregierung setzen noch eins obendrauf.
Unterschätzen Sie nicht den psychologischen Effekt, gerade wenn Sie etwas für die Alterssicherung tun wollen! Noch einmal: Viele Menschen sagen, wenn sie etwas für sich und ihre Kinder tun wollen, dann wollen sie das den Kindern vererben und nicht dem Finanzminister.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte, ein Beispiel dafür, wie
man die Wirtschaftskraft nicht stärkt, ein Beispiel dafür, wie man Vermögensbildung nicht unterstützt, ein Beispiel dafür, wie man öffentliche Haushalte nicht konsolidieren sollte. Herr Minister, Frau Ministerpräsidentin, Sie haben doch schon eine große Wachstumsbremse in Ihrem Kabinett, Ihren Koalitionspartner. Bauen Sie keine weiteren auf! Für beide Probleme liegen pragmatische Lösungsvorschläge der FDP auf dem Tisch.
Herr Kollege Wiegard, ich komme zum Schluss noch einmal zu Ihnen: Es reicht uns, dass wir zunächst eine Verlängerung der alten Bewertungsansätze über zwei Jahre hinaus fordern, weil wir, wahrscheinlich im Gegensatz zu Ihnen, davon ausgehen, dass nach der nächsten Bundestagswahl diese Regierung in Berlin keine Mehrheit mehr haben wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Frankfurter Rundschau“ spricht von einem Reförmchen und Herr Kubicki sieht gleich die ganze Volkswirtschaft gefährdet. Die FDP propagiert hier erneut Steuersenkungen und verweist auf internationale Beispiele. Ich kann es nicht oft genug wiederholen: In der Zeit, in der die Steuern gestiegen sind, in der die Lohnnebenkosten gestiegen sind, war die FDP an der Bundesregierung beteiligt. Bei jeder Steuerreform war sie dabei.
Ein Weiteres! Ich formuliere sehr vorsichtig: Wir sollten alle wissen, dass ein Staat Einnahmen braucht, um Ausgaben zu finanzieren. Ich zweifle auch nach der gestrigen Debatte zur Ganztagsschule und nach den Pressemitteilungen von Herrn Wadephul, dass dieses kleine Einmaleins hier im Lande bekannt ist.
Herr Wadephul ist Vertreter der CDU, die heute hier sagt, nur nicht 15 Millionen mehr durch die Erbschaftsteuer, das ist eine große Gefahr, das ist abzulehnen. Herr Wadephul hat gesagt, er möchte gerne 500 DM pro Kind Landeserziehungsgeld. Nun weiß ich ja nicht, wie er es gemeint hat. Die CDU kann das ja noch einmal sagen. Wenn er es so gemeint hat, dass diese 500 DM Landeserziehungsgeld zum Kindergeld
dazu kommen sollen, steuerfinanziert durch Schleswig-Holstein, dann sind das 2,3 Milliarden DM jährlich. Wenn es so ist, dass er nur 200 DM zusätzlich zu den 300 DM Kindergeld, die mühsam durch Rot-Grün finanziert werden, drauflegen will, sind wir noch bei 900 Millionen DM jährlich. Ich frage mich, womit Sie das finanzieren wollen, wenn Sie sogar infrage stellen, dass die Erbschaftsteuer ein richtiges Instrument ist, um auch die wohlhabenden, die reichen Erben in diesem Land an der Finanzierung unseres Staates zu beteiligen.
Nun zum internationalen Vergleich! Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Besteuerung der Vermögen im Mittelfeld, bei Betriebsvermögen sogar im unteren Bereich. So weit zu den Fakten. Wir wissen - der Finanzminister hat es noch einmal deutlich gemacht -, das Bundesverfassungsgericht hat uns vorgegeben, dass Grundvermögen anders bemessen, anders berechnet werden muss, dass eine Gleichheit bestehen muss, wenn Cash oder Grundvermögen vererbt wird. Es ist allein die Politik, die zu feige ist, dies umzusetzen. Das sage ich nicht nur in Richtung Kanzler - den habe ich heute schon einmal freundlich behandelt -, das sage ich auch sehr deutlich an die Adresse meiner eigenen grünen Bundestagsfraktion, bei der ich mich manchmal frage, was diese Berichte im „Handelsblatt“ und die Aussagen meiner eigenen Fraktion noch mit der Politik zu tun haben, für die ich angetreten bin.
Mir ist der Armutsbericht, der Reichtumsbericht gerade im Vergleich miteinander sehr nahe gegangen. Er hat mir noch einmal absolut deutlich gemacht, dass es Aufgabe der Politik ist, für Gerechtigkeit zu kämpfen, dies auch zu benennen und deutlich zu machen: Wer die Aufgaben des Staates finanzieren will, der muss Einnahmen haben. Das kann und darf auch gesagt werden, dafür steht meine Landtagsfraktion. Wir unterstützen nicht Herrn Clement, wir unterstützen Frau Simonis und Finanzminister Möller und wir gehen davon aus, dass unsere Initiative Erfolg hat,
auch wenn sie noch einmal geschoben wird. Die FDP will ja auch eine Schiebung. Stellen Sie sich doch hin und sagen Sie, Sie wollen die Erbschaftsteuer so reformieren, dass sie dem Verfassungsgerichtsurteil gerecht wird, indem im Gegenzug zu einer Veränderung der Beratungsansätze die Freibeträge erhöht werden. Das wäre eine ehrliche Antwort. Aber was
machen Sie? Sie plädieren für eine Schiebung, damit bloß nicht über Steuererhöhungen diskutiert wird. Man könnte ja bei dem einen oder anderen Erben eine Wählerstimme verlieren.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich fange noch einmal mit dem Armutsbericht an, denn uns allen ist der Inhalt des Berichts bekannt. Trotz der eher positiven Konjunktur ist die Zahl der Armen, insbesondere die der Kinder, die von Sozialhilfe leben müssen, weiter angestiegen. Gleichzeitig hat die Zahl der Millionäre stark zugenommen. Das heißt, auch unter einer rot-grünen Bundesregierung wächst die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland. Diese Entwicklung ist sehr bedauerlich, aber wirklich überrascht hat das wohl keinen, denn die ökonomischen Gesetze folgen dieser Logik. Umso wichtiger aber ist es, dass von staatlicher Seite gegengesteuert wird. Neben einer aktiven Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist die Steuerpolitik eine Möglichkeit, um für einen gerechten Ausgleich zwischen den Einkommensstarken und Einkommensschwachen in unserer Gesellschaft zu sorgen. Wer dann immer wieder sagt, das sei eine Neidkampagne, der befindet sich, wie ich meine, auf dem Holzweg. Das hat nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.
Die alte Bundesregierung hat 1996 die Vermögensteuer abgeschafft, weil die Ausgestaltung der Steuer vom Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform angesehen wurde. Dadurch entgingen Bund, Ländern und Kommunen 3 Milliarden bis 4 Milliarden DM jährlich. Während also die Vermögenden entlastet worden sind, tragen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Lohnsteuer weiterhin den weitaus größten Teil der Steuerlast. Auch das muss hier wiederholt werden.