Protocol of the Session on May 10, 2001

Herr Präsident, gestatten Sie mir einen letzten Satz zum CDU-Antrag. Ich erkenne an und sehe das auch so, dass er ein Schritt in die richtige Richtung ist.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Aber dieser Schritt ist mir noch zu zaghaft. Wer endlich etwas für den Tierschutz erreichen will, muss einen mutigen Sprung machen. Diesen mutigen Sprung sehe ich im gemeinsamen Antrag von SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich begrüße Besucher auf der Tribüne, und zwar die Damen vom Frauenring, Ortsring Kiel. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Rainder Steenblock das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dieses Thema bietet natürlich an, das ganze Leiden, das Tieren während dieser unverantwortlichen Transporte zugefügt wird, hier in Bildern darzustellen. Ich würde gern darauf verzichten, aber gestatten Sie mir eine sehr deutliche Bemerkung: Ich halte es für eine große Schande der europäischen Politik, dass immer noch Steuergelder dafür ausgegeben werden, Tiere über Stunden, über Tage quer durch Europa zu karren unter Bedingungen, die skandalös sind, die unverantwortlich sind, die tierquälerisch sind. Dass wir dafür mit unseren Steuergeldern bezahlen müssen, ist - gestatten Sie das so zu sagen - eine Sauerei.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Dies muss schnellstmöglichst geändert werden.

Natürlich muss man deutlich sagen, dass es nicht irgendwelche europäischen Bürokraten sind, die sich das ausgedacht haben, sondern das sind von nationalen Regierungen durchgesetzte Regelungen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir hier als regionales Parlament Einfluss auf unsere nationale Regierung nehmen, tätig zu werden. Das macht die Qualität dieses Antrages aus. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir hier eine sehr klare Kante fahren.

Es geht natürlich nicht darum - darin hat der Kollege Peter Jensen-Nissen Recht -, diese europäischen Regelungen zu verändern, sondern es kommt darauf an das ist genauso wichtig -, dass wir die Kontrollen in diesem Bereich massiv verstärken. Denn das, was heute passiert, passiert häufig unkontrolliert. Dieses Kontrolldefizit ist mit ein Grund dafür, dass wir diese tierquälerischen Transporte haben.

Ein dritter Punkt: Gestatten Sie mir folgende Bemerkung - auch das ist schon angesprochen worden und ich sage das noch einmal ganz bewusst -: Bei aller Toleranz, für die ich mit meiner ganzen politischen Kraft stehe, der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, anderen religiösen Überzeugungen, kann es nicht sein, dass wir uns im Sinne eines Laissez-faire nicht in eine Wertediskussion über Vorstellungen einmischen, die in anderen Kulturen möglich sind.

Deshalb halte ich es für ein genauso schlimmes Übel, was im Rahmen der Lebendtiertransporte gemacht wird, zum Beispiel dieses brutale Kastrieren von Tieren, die unter skandalösen Bedingungen in den Nahen Osten verschifft werden. All dies verlangt aus meiner Sicht eine ganz deutliche Positionsbestimmung. Wir können uns in diesem Bereich der kulturellen Identität, die andere Kulturen haben, aber mit unserem Wertesystem nicht übereinstimmt, nicht hinstellen und sagen: Sollen sie doch machen, was sie wollen; das interessiert uns nicht. Wir müssen unsere tierschutzrechtlichen Vorschriften absolut anwenden und müssen sagen: Wir kämpfen dafür, wo auch immer. Deshalb bin ich dafür, dass wir mit möglichst großer Schlagkraft nach Berlin ziehen. In der Sache haben wir ja relativ wenig Differenzen.

Ich glaube - das sage ich auch noch einmal -, dass der Kollege Peter Jensen-Nissen an dieser Stelle Recht hat, wenn er die Frage der vier Stunden problematisiert. Ich würde diese Frage im Ausschuss gern noch einmal diskutieren, weil es nicht nur die Frage der vier Stunden ist. Diese vier Stunden sind ein hervorragendes Symbol in der öffentlichen Debatte, um klar zu

(Rainder Steenblock)

machen, wir wollen das massiv begrenzen. Dieses Symbol kann man auch als Politik des Landtages stehen lassen. Ich glaube aber, in einem Fachausschuss ist es notwendig, dieses Symbol in konkrete, operationalisierbare Politik zu überführen. Darüber müssen wir dann auch reden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Es geht uns gerade in Schleswig-Holstein und in der als Folge von BSE und MKS sensibilisierten Öffentlichkeit darum, nicht nur Symbole zu setzen, sondern es geht darum, eine Politik zu entwickeln, die sich möglichst schnell in neuen Richtlinien wiederfindet. Es nützt uns nichts, uns hier gegenseitig zu applaudieren und zu sagen, wir seien die radikalen Tierschützer, wenn daraus nichts folgt. Wir sind dafür verantwortlich, dass wir diese Richtlinienänderung mit größtmöglicher Kraft auf eine Art und Weise umsetzen, die für die Landwirtschaft praktikabel ist.

Dafür möchte ich werben. Egal, wie wir das hinkriegen, ich möchte, dass wir diese Fachdebatte im Ausschuss führen. Ich glaube, das kriegen wir hin. Ich wünsche uns ein gutes Gelingen für die Arbeit im Ausschuss.

(Beifall im ganzen Haus)

Herr Kollege! Bei aller verständlichen Emotionalität hoffe ich, dass wir uns in Bezug des von Ihnen gewählten Ausdrucks einig sind, dass die deutsche Sprache etwas vielfältiger ist.

Ich erteile dem Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon lange gibt es Diskussionen, wie man die Tiertransporte einschränken oder gar abschaffen kann. Initiativen gab es genug. In Deutschland sollten die Transporte 1995 zeitlich auf höchstens acht Stunden begrenzt werden. Diese Initiative blieb schon in den damaligen Verhandlungen der EU-Agrarminister stecken. 1999 versuchte es Österreich mit einer Verordnung, die die Fahrzeit auf höchstens sechs Stunden begrenzen und bei der die zurückgelegte Wegstrecke nicht länger als 260 km sein sollte. Dieser an sich sehr gut nachvollziehbare Vorschlag wurde vom Europäischen Gerichtshof mit der Begründung einkassiert, dass eine solche Regelung den freien Warenverkehr innerhalb der EU behindere.

Diese wirtschaftsliberale Forderung des freien Warenverkehrs begegnet uns auf EU-Ebene häufig. Immer

folgt ihr der gleiche Rattenschwanz an Problemen. Mit einer Begrenzung von Tiertransporten auf gesetzlichem Wege oder auf dem Wege einer Verordnung kommen wir in der nächsten Zeit wahrscheinlich nicht weiter. Das sage ich ganz ehrlich. Der Deutsche Bauernverband hatte übrigens 1995 angekündigt, eine Selbstverpflichtung über die Begrenzung der Transportzeit für Lebendtiere anzustreben. Leider ist es wohl beim Anstreben des Bauernverbandes geblieben.

Man hat sich in der Zwischenzeit damit beholfen, auf dem Papier die Regelungen für den Transport von lebenden Tieren an sich zu verändern. Dass diese Regelungen nicht im Entferntesten ausreichend sind oder Probleme lösen, sollte uns allen klar sein. Die Diskussion über die Einschleppung von MKS hat diese Diskussionen über Tiertransporte im Allgemeinen wieder angeschoben. Aus unserer Sicht ist aber darüber hinaus der Tierschutzaspekt immer noch die entscheidende Motivation, unnötige Tiertransporte weiterhin kategorisch abzulehnen.

(Beifall des SSW sowie der Abgeordneten Friedrich-Carl Wodarz [SPD] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Die, die sich in der Vergangenheit für Tiertransporte eingesetzt haben, haben immer ins Feld geführt, dass die Märkte sonst von anderen erobert würden und so die jeweilige nationale Landwirtschaft Märkte verlieren würde. Selbst wenn dem so ist, glaube ich, dass eine Begrenzung der Lebendschlachtviehtransporte trotzdem gerechtfertigt ist.

Die geforderte Abschaffung der Subventionen ist aber Sache der EU. Eine mittelfristige Begrenzung der Subventionen für Lebendschlachtviehtransporte wäre kontraproduktiv, da bestehende Strukturen mittelfristig konserviert würden, obwohl wir sie abschaffen wollen. Ich bin der Auffassung, dass der Antrag der CDU eine langfristige Planungsmöglichkeit für die nachgelagerten Betriebe nicht ausreichend berücksichtigt.

Stand der Diskussion ist derzeit, dass man auf EUEbene darüber nachdenkt, nicht nur die Lebendviehexporterstattungen abzuschaffen, sondern auch die Exporterstattungen für Fleischwaren einzuschränken. In Zukunft sollen die Landwirte dann Grünlandprämien erhalten. Ohne den finanziellen Anreiz für den Export soll so die regionale Verarbeitung und Vermarktung gestärkt werden.

Wofür die bisherigen Mittel für die EU-Exporterstattungen in Zukunft eingesetzt werden, ist daher noch höchst ungewiss. Der Aufbau geschlossener Kühlketten zum Transport von Schlachtwaren ist nur dann sinnvoll, wenn sich der Export von geschlachteten Tieren weiterhin lohnt. Ob sich dies möglicherwei

(Lars Harms)

se ohne Exporterstattungen für Fleischwaren noch lohnt, steht aber derzeit infrage. Gleichwohl bin ich der Auffassung, dass wir mit unserem gemeinsamen Antrag nicht nur die Einkommen der Landwirte sichern, sondern auch den nachgelagerten Wirtschaftsbereich im ländlichen Raum stärken. Das ist auch sinnvoll.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sehr verehrte Kollegen! - Ich bedanke mich.

Was wir feststellen können, ist, dass die Tiertransporte zwar so unattraktiv wie möglich gemacht werden, sie aber wohl nicht, wie wir alle wünschen, zeitlich begrenzt werden können. Hier kommen wir wieder zum eigentlichen Problem. Solange die wirtschaftsliberale Vorstellung des freien Warenverkehrs weiter aufrechterhalten wird, so lange werden wir Tiertransporte nicht rechtlich einschränken können. Dies erfordert eine eingehende Diskussion auf EU-Ebene. Wir sehen unseren gemeinsamen Antrag als politisches Signal, in welche Richtung die Diskussion dort gehen soll und warum wir das tun. Ich verweise auf die Vorträge von Herrn Wodarz, Herrn Steenblock und von Ihnen, Herr Garg. Wir sollten auch politisch alles daransetzen auch wenn wir uns nur in einem Antrag äußern -, diese Transporte in Zukunft zu verhindern.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Für die Landesregierung erteile ich Frau Landwirtschaftsministerin Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann vieles aus meiner Rede weglassen, weil es bereits geschildert worden ist. Ich äußere mich ausdrücklich dankbar über die breite parlamentarische Initiative. Ich danke Ihnen, dass Sie durch Ausschussüberweisung auch der CDU-Fraktion die Möglichkeit geben, einen Anlauf zu machen und zu springen.

Dass dies immer noch ein aktuelles Thema ist, ist hier hinlänglich besprochen worden. Ich muss die Bilder nicht noch einmal bemühen. Sie haben es getan. Die Landesregierung hat in ihrer Kabinettsbefassung zu BSE am 20. März 2001 mit einem breiten 14-PunktePapier eine Beschlussfassung zum Thema Tiertrans

port gemacht. Dieses Papier wurde zwischenzeitlich auch in den Agrarausschuss des Bundesrats einbezogen. Ich teile mit Ihnen die Ansicht, die von vielen von Ihnen als Lösung angesehen wurde, nämlich die ersatzlose Streichung der Exporterstattung für lebendes Schlachtvieh. Das ist das Einzige, was hilft. Wir haben auch alles andere probiert.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Es hat keinen Zweck, etwas anderes zu tun. Herr Steenblock, wir haben uns mutig getraut, auf die maximal vier Stunden Transportzeit - mit allen damit verbundenen Problemen - hinzuweisen. Eigentlich ist Frau Künast hier an unserer Seite. Dennoch sagte sie gleich, es würden wohl acht Stunden werden. Wenn man so anfängt, landet man bei acht oder mehr Stunden. Ich finde, man muss schon mutiger anfangen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich - ebenso wie Herr Wodarz und andere es getan haben - einige Zahlen nennen. Wir hatten im Durchschnitt der letzten vier Jahre - 1996 bis 1999 europaweit noch 235.000 lebende Exporttiere. Deutschland wies 94.000 Tiere auf. Aus SchleswigHolstein kamen 20.000 Tiere. Das ist eine ganze Menge. Das heißt, dass Deutschland mit 40 % dabei ist. Innerhalb Deutschlands betrug der Anteil unseres kleinen Landes Schleswig-Holstein 21 %. Daher ist es gut, dass Parlament und Regierung Seite an Seite diese Initiative ergreifen. Wir sind sehr motiviert, das zu tun.

Mit Klaus Müller und anderen Fachleuten war ich an Autobahnraststätten. Dem Leiden und dem Martyrium, das uns allen auf Autobahnen und Raststätten begegnet, durch Kontrollen beizukommen, das können Sie vergessen. Die Fahrer haben Funk und können sich benachrichtigen. Solange wir vor Ort waren, passierte nichts Massives. Das ist wirklich die Möglichkeit, mit der wir das Problem nicht in den Griff bekommen.

MKS und BSE haben die Aufmerksamkeit - so glaube ich - auch auf diese Dinge gelenkt. Ich glaube deshalb, dass wir nur durch die Streichung der Subventionen zum Ziel kommen. Ich bin sehr daran interessiert, dass wir zunächst einmal Schlachtkapazitäten in Deutschland und Schleswig-Holstein besser ausnutzen. Im Rinderbereich sind sie zum Beispiel - abgesehen von Interventions- und Aufkaufprogrammen - nur zu 70 % ausgenutzt. Wenn sie zu 100 % ausgenutzt würden, würde das auch die Gebühren senken und unsere Landwirte eher dazu bringen, eben nicht Mecklenburg

(Ministerin Ingrid Franzen)

Vorpommern wegen ein paar Groschen weniger anzufahren. So ist es ja heute.

Unsere Initiative ist noch einmal ein Angebot an die CDU und die Landwirte. Kühltransporte statt Lebendtransporte sind sicher auch die richtige Antwort. Zu den Schlachtmethoden wurde hier genug gesagt. Ich sage jedoch auch ein kritisches Wort an uns Verbraucher. Es ist einfach so: Teile der Lebendexporte, die zum Beispiel nach Libanon verschifft werden, werden von uns auch nicht gegessen. Wir sind zu krüsch und gehen da nicht mehr ran. Das ist uns nicht mehr gut genug. Auch darüber muss man nachdenken.