Protocol of the Session on May 10, 2001

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nichts ist dynamischer als der Markt, außer vielleicht das politische Liebeswerben der Fraktionen des Landtages untereinander. Beides ist ständigen Veränderungen unterworfen und feste verlässliche Tendenzen in der Entwicklung gibt es ebenfalls in beiden Fällen. Auf den Export bezogen werden diese ständigen Veränderungen besonders deutlich. Der Bereich Elektrotechnik hat enorm hinzugewonnen, während der Bereich Ernährungswirtschaft innerhalb von zehn Jahren um fast 40 % zurückgegangen ist. SchleswigHolstein durchläuft einen enormen Strukturwandel. Dass sich die Elektrotechnik, die Informationstechnologie und auch die Biotechnologie weiterentwickeln, ist auch in Zukunft zu erwarten. Es ist Aufgabe der Landesregierung, die Erschließung dieser Wirtschaftszweige zu unterstützen.

Was einem Sorge bereiten kann, ist die Tatsache, dass es die Ernährungswirtschaft bisher nicht in ausreichendem Maße geschafft hat, sich im europäischen Wettbewerb durchzusetzen. Wenn es diesem traditionellen Wirtschaftszweig nicht gelingt, auf dem europäischen Markt ausreichend Fuß zu fassen, werden wir mit weiteren Rückgängen in der wirtschaftlichen Bedeutung der Land- und Ernährungswirtschaft leben müssen. Dann sind auch die Ideen der Bundesverbraucherministerin für eine Erneuerung der Landwirtschaft hinfällig, denn wo nichts ist, findet auch keine Erneuerung mehr statt. Da Schleswig-Holstein stark von der

(Lars Harms)

Land- und Ernährungswirtschaft geprägt ist, hätte dies fatale Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes, insbesondere in den ländlichen Räumen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die außenwirtschaftliche Orientierung der Land- und Ernährungswirtschaft eher noch zunehmen als abnehmen wird. Daher möchte ich noch einmal daran erinnern, dass gerade ein deutschlandweites Gütezeichen und eine intensive Förderung von Forschung, Entwicklung und Weiterbildung in der Land- und Ernährungswirtschaft ausgesprochen wichtig für unser Land sind, damit wir auf dem europäischen Markt bestehen können.

Zweites großes Sorgenkind unseres Landes ist die Werftenindustrie. Der Schiffbau geht seit Jahren zurück. Gründe liegen im, ich nenne es, unlauteren Wettbewerb auf den Weltmärkten und in der Tatsache, dass andere Länder technisch aufgeholt haben. Dass wir die Werftenindustrie weiterhin unterstützen wollen, um dort die Arbeitsplätze zu sichern, ist von uns allen unbestritten. Die Frage ist allerdings, in welche Richtung die Werften in Zukunft gehen wollen. Die Sparte Schiffsreparatur ist oft standortgebunden, sodass wir davon ausgehen können, dass sich dieser Bereich in Zukunft halten wird. Der Schiffbau aber, der überwiegend nach außen gerichtete Teil der Werftindustrie, hat erhebliche Schwierigkeiten, am Markt zu überleben. Schon jetzt gibt es internationale Kooperationen mit anderen ausländischen Werften. Diese Kooperationen müssen in Zukunft ausgebaut werden. Gleichzeitig müssen die Werften aber versuchen, sich weitere Standbeine zu schaffen, entweder indem sie spezielle Schiffe herstellen oder indem sie andere Geschäftsfelder im Bereich der Metall verarbeitenden Industrie erschließen. Initiativen, die auf eine Erweiterung der Arbeitsfelder der Werften ausgerichtet sind, sollten von der Landesregierung vordringlich gefördert werden, um so den Werften beim Strukturwandel zu helfen.

(Vizepräsident Thomas Stritzl übernimmt den Vorsitz)

Was im Bericht erstaunt, ist die Tatsache, dass wir es nicht schaffen, mit unserem nördlichen Nachbarn Dänemark ein überdurchschnittliches Handelsvolumen aufzubauen. Der Einfuhranteil aus Dänemark lag 1990 bei 21,9 % und ist nun auf 12,6 % gesunken. Der Bundesdurchschnitt lag 1999 bei 18 %. Das heißt, wir liegen unter dem Bundesdurchschnitt, obwohl Dänemark doch so nahe ist. Sicherlich ist dies auch darin begründet, dass sich die Exporte Dänemarks zu einem Großteil auf den landwirtschaftlichen Bereich beziehen und dieser bei uns im eigenen Land traditionell stark vertreten ist, wofür der SSW auch dankbar ist. Aber auch die Ausfuhren nach Dänemark sind unter

durchschnittlich, 1990 noch 7,8 % und nun nur noch 6,7 %, rund 1 % unter dem Bundesdurchschnitt.

Es spricht vieles dafür, die Beziehung zu Dänemark weiter zu intensivieren. Wenn man die Ausfuhren in die Niederlande betrachtet, die mit 7 % ähnlich hoch sind, so glaube ich, dass im Bereich der Zusammenarbeit mit Dänemark noch Luft ist, auch wenn die Tatsache, dass wir im deutsch-dänischen Grenzland weiterhin nominell mit zwei Währungen arbeiten müssen, die Handelsbeziehungen nicht unbedingt erleichtert.

(Thorsten Geißler [CDU]: Sehr richtig!)

Man muss allerdings sagen, dass es auch durchaus positive Signale in der Außenwirtschaft gibt. Die ausländischen Direktinvestitionen sind in acht Jahren auf das Zweieinhalbfache gestiegen, und die Investitionen aus Schleswig-Holstein haben sich verdreifacht. Hier hat sich etwas bewegt, obwohl die Startbedingungen in Schleswig-Holstein eher ungünstig sind. Die von der Landesregierung in Gang gesetzte Ostseekooperation trägt nun Früchte. Schleswig-Holstein ist die treibende Kraft in dieser Zusammenarbeit. Ich teile die Einschätzung, dass sich die neuen Beitrittsländer zur EU zu wichtigen Handelspartnern entwickeln werden.

Die strategische Entscheidung der Landesregierung für die Ostseekooperation war richtig und vorausschauend; das können wir jetzt feststellen.

Der Bericht sieht vornehmlich Chancen im Ostseeraum, in Ostasien und in Nordamerika. Wir meinen, wir sollten auch die Chancen in der Nordseekooperation nutzen, wie es die Landesregierung zu Beginn dieser Legislaturperiode angekündigt hat.

Betrachtet man das Handelsvolumen mit den Niederlanden, so muss man sagen, dass die Nordseekooperation schon Realität ist. Es geht jetzt darum, die Zusammenarbeit mit den Nordseeanrainern auszubauen. Neben den wirtschaftlichen Kontakten müssen dafür auch die kulturellen Kontakte zu unseren Nachbarn im Westen ausgebaut werden. Dies betrifft in besonderem Maße die Niederlande, aber auch den angelsächsischen Raum. Hier gibt es viele Potenziale, die wir nutzen sollten. Für diesen Raum brauchen wir eine ähnlich langfristige Strategie wie für den Ostseeraum.

Zum Schluss möchte ich noch auf Folgendes eingehen: Die Landesregierung führt seit geraumer Zeit Unternehmerreisen in für Unternehmensbeziehungen interessante Zielregionen durch, die öfter in der Öffentlichkeit diskutiert werden. So sollen internationale Kontakte angebahnt werden.

Unterhält man sich mit den beteiligten Unternehmern, so erhält man durchweg positive Rückmeldungen. Mich erstaunt aber immer wieder die Vielzahl an Bü

(Lars Harms)

ros, Institutionen und Netzwerken in verschiedensten Trägerschaften, die sich bei uns mit Wirtschaftsförderung und Unternehmensansiedlung beschäftigen. Jede dieser Institutionen leistet sehr gute Arbeit. Ich würde mir aber wünschen, diese vielen Institutionen und Initiativen stärker zusammenzufassen, um noch schlagkräftiger sein zu können. Wünschenswert wäre es, wenn dem ausländischen Investor alles - von der Organisation solcher Unternehmerreisen über das Einwerben von Fördermitteln über die Suche nach Partnern und Standorten bis hin zu konkreten Hilfestellungen bei den einzelnen Projekten - aus einer Hand angeboten werden würde. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass andere Länder da weiter sind als wir. Wenn wir es schaffen, eine Ansiedlungspolitik aus einem Guss zu machen, haben wir große Chancen, auch weiterhin in Europa und weltweit mitspielen zu können.

(Beifall beim SSW)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wirtschaftsminister, es ist sehr erfreulich, dass es in den letzten zehn Jahren beim Export einen Anstieg von etwa 12 Milliarden DM auf und 20 Milliarden DM, also von etwas mehr als 60 % gegeben hat. Sie haben die Zahlen in den verschiedenen Regionen sehr intensiv analysiert. Auf Seite 2 schreiben Sie:

„Eine sorgfältige Analyse der Exportbeziehungen zeigt, dass in nächster Zeit eine regionale Konzentration dieser Bemühungen auf den Ostseeraum, Ostasien und Nordamerika sinnvoll ist.“

Das ist sicherlich richtig. Ich vermisse aber einige Angaben zu dieser Analyse; denn es sind bei weitem nicht alle Zahlen positiv. Herr Harms und Herr Müller haben in ihren Beiträgen nur das Positive erwähnt. Das ist in Ordnung. Aber es gibt eine Region, die ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Das finde ich sehr traurig.

Die Exportentwicklung der drei baltischen Staaten weist deutliche Minuszahlen aus. Wir sprechen von der Nördlichen Dimension, zu der auch die drei baltischen Staaten gehören. Diese drei baltischen Staaten haben jeweils etwa die Größe von Schleswig-Holstein. Sie stehen unmittelbar vor der Aufnahme in die Europäische Union. Daher frage ich mich, warum die Exportentwicklung dieser Staaten so schlecht ist. Ich will

Ihnen einmal die Zahlen nennen. Die Exportentwicklung in Estland reduzierte sich von 1992 bis 1999 von 27 Millionen DM auf 21 Millionen DM. Diese Zahl hat niemand genannt. Der Rückgang in Lettland war sehr stark, nämlich von 47 Millionen DM auf 19 Millionen DM. In Litauen war ein Rückgang der Exporte von 76 Millionen DM auf 34 Millionen DM zu verzeichnen.

Ich frage mich, warum diese Entwicklung bei den kleinen Staaten, die von der Größe her mit SchleswigHolstein vergleichbar sind und unmittelbar an der Schwelle zur Europäischen Union stehen, so schlecht ist.

Herr Müller hat Polen erwähnt. Natürlich gibt es eine sehr erfreuliche Entwicklung in Polen. Die Entwicklung in Russland hingegen ist mit einem Anstieg von knapp 3 % recht bescheiden.

Auch was Skandinavien betrifft, schneiden wir nicht gut ab. Das wundert mich ebenfalls. Ich bitte Sie, auch diesbezüglich einmal eine Analyse vorzulegen, Herr Wirtschaftsminister. In Dänemark hat sich die Exportquote positiv entwickelt. Sie stieg in den letzten zehn Jahren um 39 %. In Norwegen stieg die Exportquote um 86 %. Das ist sehr erfreulich. In Schweden hingegen haben wir ein Minus von 8 % und in Finnland sogar ein Minus von 34 % zu verzeichnen.

Ich sage noch einmal: Mit dem in den letzten Jahren zu verzeichnenden Anstieg von 61 % kann man sicherlich zufrieden sein. Da Sie eine intensive Analyse gemacht haben, Herr Wirtschaftsminister, bitte ich Sie aber, auch etwas zu den Regionen zu sagen, in denen die Entwicklung negativ verlaufen ist.

(Beifall bei CDU und vereinzelt bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ist das hohe Haus damit einverstanden, dass wir den Bericht, Drucksache 15/812 (neu), zur abschließenden Beratung dem Wirtschaftsausschuss überweisen? Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Lebendschlachtviehtransporte

Antrag der Fraktionen von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/869 (neu)

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/940

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Wodarz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns in diesem Hause mit diesem Thema beschäftigen. Ich bin zwar der erste Redner, muss aber fairerweise sagen, dass die Initiative von dem Abgeordneten Garg ausgegangen ist.

(Beifall bei der FDP)

1991 konnte die entsetzte deutsche Öffentlichkeit am Fernseher mitverfolgen, wie ein schwer verletzter Bulle mit einem Verladekran, an einem Seil hängend, in ein Schiff verladen wurde.

(Claus Ehlers [CDU]: Das war in Marseille!)

- Nein, Herr Kollege Ehlers, diese grausame Quälerei fand im kroatischen Hafen von Rasa statt.

(Claus Ehlers [CDU]: Das ist nahe bei! - Heiterkeit) )

- Ich meine, das war zu widerlich, um darüber Witze zu machen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es folgte eine erregte öffentliche Debatte. Es gab Versprechen von allen politischen Seiten, übrigens auch vonseiten der CDU, Abhilfe zu schaffen. Es wurde eine neue EU-Richtlinie zum Schutz von Tieren beim Transport erlassen. Im November 2000 konnte man jedoch im selben Hafen fast dieselben Bilder sehen. Jene Tiere haben nach diesen unerträglichen Verladepraktiken noch eine mehrtägige Reise in völlig unzureichend ausgestatteten Seelenverkäufern zum Beispiel in den Libanon vor sich. Auf diese Weise werden weitere Tiere verdursten oder sich gegenseitig erdrükken. Davor lag ein tagelanger Transport, zum Beispiel auch aus Husum, und zwar oftmals ohne ausreichenden Platz auf dem LKW oder im Bahnwaggon und oftmals - entgegen der geltenden EU-Richtlinie - ohne die vorgeschriebenen Ruhezeiten sowie ohne Wasser und Futter.

Natürlich werden jetzt einige von Ihnen sagen, dass ich übertreibe. Ich beziehe mich jedoch nicht auf sensationshungrige Presseberichte, sondern auf den Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Erfahrungen, die von den Mitgliedstaaten seit der Umsetzung der Richtlinie gesammelt wurden. Selbst dieser Bericht - Sie kennen diese Art von Berichten und die Sprache, eine distanzierte Büro

kratensprache - spricht von einem brutalen unsachgemäßen Umgang mit Tieren.

Dabei ist die EU der eigentliche Mitverursacher dieser täglichen Tierquälerei. Jedes Stück Lebendvieh, das zum Transport in Schlachthäuser so genannter Drittländer gelangt - in diesem Fall sind es meist arabische Staaten -, wird mit einer satten Prämie aus steuerfinanzierten EU-Mitteln subventioniert.