Protocol of the Session on May 9, 2001

„Wunderbar!“, könnte man sagen. Die verstärkte Förderung von sprachgestörten Kindern im Kindergarten als Präventivmaßnahme habe sich so weit bewährt, dass nicht mehr alle Kinder die gezielte Förderung einer Sprachheilgrundschule benötigten. Wozu braucht das Land eigentlich die restlichen Sprachheilgrundschulen? Es geht offensichtlich auch ohne diese. Dies ist - wie sich gleich zeigen wird - ein vordergründige Argumentation, der aber offensichtlich einige Kreise als Träger der Sprachheilgrundschulen zunehmend auf den Leim gehen, so geschehen in Kiel, wie wir im Februar und März der Presse entnehmen konnten.

In der Sprachheilgrundschule am Heidenberger Teich in Kiel sollen, wenn die Pläne des zuständigen Schulrats Wirklichkeit werden, 55 weitere Lehrerwochenstunden abgezogen und auf das Förderzentrum für Lernbehinderte verlagert werden, und das bei einer nur um 15 Schüler verminderten Gesamtzahl der Schüler mit sprachheilpädagogischem Förderbedarf.

Das Bildungsministerium hält sich bedeckt und schiebt die Verantwortung für die Verteilung der vom Land zugewiesenen Planstellen den Schulämtern zu. Die Schulämter oder Schulräte behaupten, sie bekämen vom Land nicht genügend Planstellen und müssten im Bereich der Sprachheilgrundschulen kürzen.

Dass die Elternvertreter angesichts dieser Situation auf die Barrikaden gehen, ist verständlich, stehen sie doch vollinhaltlich hinter der pädagogischen Konzeption der Sprachheilgrundschule und fürchten, durch den schleichenden Abbau der Lehrerzuweisung bedingt, auch die schleichende Aushöhlung der pädagogischen Konzep

tion und damit letztlich die Schließung der Sprachheilgrundschule, wie in Neumünster geschehen.

Die Sprachheilgrundschulen sind nach Auffassung der CDU ein wichtiger Baustein im Rahmen des Bildungssystems unseres Landes.

(Beifall bei der CDU)

Viele dieser Kinder sind normal begabte Kinder, besitzen aber entweder eine verspätete Sprachentwicklung, stammeln oder stottern, sind Dysgrammatiker oder Mutisten.

Die leichteren Fälle - darin sind wir uns einig - können durch eine ausreichende Frühförderung im Kindergarten so weit behoben werden, dass diese Kinder in die Regelgrundschule eingeschult werden können und dort mit einer zusätzlichen Sprachheilfördermaßnahme von sage und schreibe 1,7 Stunden pro Woche pro Kind vielleicht gerade noch ausreichend gefördert werden, was ich allerdings als Elternteil eines dysgrammatischen Kindes bezweifele.

Für die schweren Fälle reicht diese Förderung aber nicht aus. Gerade aufgrund der Tatsache, dass diese Kinder nicht oder nicht richtig sprechen können, werden sie von den anderen gehänselt, fühlen sich in einer Regelschule ausgegrenzt, reden kaum noch, weil sie sich nicht lächerlich machen wollen, werden aggressiv, weil sie sich nicht anders wehren können. Häufig gelten sie als lernbehindert, weil ihnen einfach die kommunikative Fähigkeit fehlt, und werden zunehmend den Schulen für Lernbehinderte zugewiesen. Um diese Kinder entsprechend fördern zu können, brauchen wir die Präventionsklassen für die Fünf- und Sechsjährigen in den Sprachheilgrundschulen.

(Beifall der Abgeordneten Heinz Maurus [CDU] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Wir brauchen auch den Schonraum der Sprachheilgrundschule, die mit intensiver Sprach- und Sprechförderung, mit Therapiemaßnahmen unterschiedlicher Art diesen Kindern den Weg in die weiterführenden Regelschulen ebnet. Zirka 75 % eines Jahrgangs schaffen dies. Das beweist den Erfolg der Sprachheilgrundschulen und ihrer Lehrkräfte.

Die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Bildungsministerium und Schulträgern - so geschehen in der Zeitung - zulasten der Kinder mit sprachheilpädagogischem Förderbedarf müssen endlich aufhören,

(Beifall des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

ebenso wie die gegenseitigen Schuldzuweisungen

(Sylvia Eisenberg)

zwischen Schulämtern und Bildungsministerium. Die Sprachheilgrundschulen brauchen Planungssicherheit!

(Beifall der Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU], Heinz Maurus [CDU] und Uwe Ei- chelberg [CDU])

Da Sie, Frau Erdsiek-Rave, in mehreren Schreiben an die Elternvertretung - mir ist zumindest eines aus dem Mai 2000 bekannt

(Glocke des Präsidenten)

und in den „Kieler Nachrichten“ öffentlich versichert haben, dass Sie nicht beabsichtigen, die Sprachheilgrundschulen aufzulösen, sorgen Sie doch bitte schön auch bei den entsprechenden Schulämtern und Schulräten dafür, dass die Sprachheilgrundschulen keiner schleichenden Aushöhlung ausgesetzt werden! Weisen Sie die Stellen für Sprachheilgrundschulen gesondert aus

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

- und weisen Sie sie den Schulämtern gesondert zu!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Höppner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, sehr verehrte Frau Kollegin Eisenberg, ausgesprochen erfreulich, wenn Sie und Ihre Oppositionsfraktion die Arbeit einer Schulart des Landes als ausgesprochen erfolgreich beschreiben. Ein solches Urteil wünschen wir uns natürlich auch für die anderen Schularten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann müssen Sie bessere Politik machen!)

Ich versichere Ihnen, dass wir dies in unserer Fraktion ganz genauso beurteilen. Wir wollen genauso wie Sie auch die Arbeit der Sprachheilgrundschulen als Schulen stärken.

Parallel zu Ihrem Antrag liegt uns seit März die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Dr. Klug vor. Wer über viele Jahre von außen das bildungspolitische Geschehen in diesem Hause betrachtete, musste die Erkenntnis gewinnen, dass Herr Dr. Klug mit einer Kleinen Anfrage immer dann

aktiv wurde, wenn sich - an welcher Stelle auch immer - Vermutungen, Befürchtungen oder Gerüchte über tief greifende Veränderungen oder Einschnitte ausbreiteten.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Herr Dr. Klug ist für viele in der Schule und Hochschule nicht so etwas wie der Ritter des Rechts, aber so etwas wie der Ritter des Schul- und Hochschulrechts geworden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Bravo! - Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Ich möchte Sie als den Kummerkasten der Pädagogen bezeichnen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

was ich ausgesprochen positiv beurteile,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nun ist aber ge- nug!)

zumal Sie als Vertrauensperson die an Sie herangetragenen Anliegen auch ohne jeden Tadel vertreten haben.

Es gibt in der Tat ein Gerücht um die Fragen der Zukunft der Sprachheilgrundschulen, das in einem Bericht der „Kieler Nachrichten“ endete. Umso erfreulicher ist es, dass der Bericht der Landesregierung deutlich macht, dass die Zukunft der Sprachheilgrundschulen in Schleswig-Holstein gesichert ist.

Wer den Bericht über die Entwicklung der Sprachheilgrundschulen genau gelesen hat, stellt fest, wir haben Sprachheilgrundschulen in den drei kreisfreien Städten, in Rendsburg, Preetz, Schwartau, Norderstedt und Wentorf, also an insgesamt neun Schulen. Wenn wir die Landkarte Schleswig-Holsteins im Kopf haben, stellen wir fest, dass der gesamte Westen des Landes einschließlich des bevölkerungsstärksten Kreises Pinneberg - Schulen dieser Schulart nicht vorhält. Dennoch findet hier pädagogische Arbeit mit sprachbehinderten Kindern statt.

Sprachheilpädagogik findet auch an den Förderschulen unseres Landes statt. In vielen Förderschulen tätige Lehrerinnen und Lehrer besitzen die gleichen fachlichen Qualifikationen wie die Lehrkräfte an den Sprachheilgrundschulen. Sprachheilpädagogik findet im großen Maße auch im Rahmen präventiver Arbeit in den Kindergärten statt.

Ich möchte an dieser Stelle feststellen, ohne dem von uns geforderten Konzept vorzugreifen, dass die Strukturen der Sprachheilpädagogik in Schleswig-Holstein

(Dr. Henning Höppner)

im Bereich der präventiven und integrativen Förderangebote ausgesprochen positiv zu beurteilen sind. Meine Fraktion hält es für ausgesprochen wichtig, dass es angesichts der sehr auf die Zentren des Landes konzentrierten Schulstandorte ein flächendeckendes Förderangebot auf integrativer Grundlage gibt. Dies ist in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein besonders wichtig. Wer einmal erleben konnte, welche Strecken Sonderschüler und Sprachheilgrundschüler im Rahmen der Schülerbeförderungspraxis zurückzulegen haben, denkt über integrative Beschulungsformen sicherlich ganz anders als Bildungsexperten, die Standortsicherheit für Schulen fordern.

Ich kann mit den Abschnitten zwei und drei Ihres Antrags, sehr verehrte Frau Kollegin Eisenberg, nur relativ wenig anfangen, weil Sie im Wesentlichen die Bereiche der unteren Schulaufsicht betreffen. Ich denke aber, dass sie als Teilaspekt des von uns gewünschten Konzeptes abgearbeitet werden können. Im Namen meiner Fraktion bitte ich den Landtag aus diesem Grunde, dem Antrag 15/937 zuzustimmen und Ihren Antrag, Frau Kollegin Eisenberg, Drucksache 15/916, zur weiteren Beratung dem Bildungsausschuss zu überweisen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sprachheilpädagogen notieren alarmiert Sprachstörungen bei rund 20 % der Erstklässler - ein Satz, der so zu lesen ist im Leitartikel der „Zeit“ von Susanne Gaschke, erschienen am Donnerstag vergangener Woche.

Seit mehreren Jahren gibt es entsprechende Meldungen aus Wissenschaft, Schulwesen und allen Teilen Deutschlands. Ich könnte eine ganze Sammlung von Berichten, Studien und Stellungnahmen zu diesem Thema aus den letzten Jahren referieren. Die Entwicklung ist klar: Sprach- und Kommunikationsstörungen nehmen im Vorschulalter erkennbar - und zwar dramatisch - zu. Die Hauptursache besteht zweifellos darin, dass die Kinder in einem Teil der Elternhäuser nicht mehr hinreichend in ihrer Sprachentwicklung gefördert werden. Deshalb spricht Susanne Gaschke unter anderem von der „Elternkatastrophe“. Wie gesagt, es betrifft einen Teil der Familien, nicht alle. Leider wird aber diese Problemgruppe zahlenmäßig größer, sodass Kinder in den Grundschulbereich kom