Protocol of the Session on May 9, 2001

Mit der Umsetzung dieses Passus wird nun bei den Berufsschulen begonnen. Sie werden zu Vorreitern bei der Weiterentwicklung der Schulen zu Regionalen Bildungszentren. Es macht auch Sinn, dass die Berufsschulen vorangehen, denn sie sind allein aufgrund ihrer Größe schon heute am besten in der Lage, ein eigenes Schulmanagement zu entwickeln; sie haben es schon.

Ein besonderes Anliegen der Grünen war in den letzten Jahren auch die Flexibilisierung der Berufsausbildung und die Berücksichtigung der überbetrieblichen Ausbildung in den Lehrplänen. Das wird erst durch eine solche Konstruktion möglich. Unseres Erachtens sollten auch die Anforderungen der einzelnen Berufsbilder dem angepasst werden. So brauchen Malerinnen und Maler viel mehr überbetriebliche Ausbildung; Kfz-Lehrlinge brauchen am besten integrierte theoretische und praktische Ausbildung; Informationskaufleute brauchen mehr theoretische Grundkenntnisse und sollten in den Betrieben stärker projektorientiert eingesetzt werden. Durch eine Integration von überbetrieblicher Ausbildung und Berufsausbildung werden dafür günstige Voraussetzungen geschaffen.

Eine Erweiterung des Aufgabenspektrums der Berufsschulen in Richtung Kooperation mit den überbetrieblichen Ausbildungen unterliegt selbstredend auch der kritischen Beobachtung durch die Innungen und Kammern; denn diese haben in der Vergangenheit sehr viel Engagement und Geld in eigene Ausbildungszentren investiert, wobei man sagen muss, dass natürlich auch die überbetrieblichen Ausbildungszentren der Wirtschaft mit erheblicher staatlicher Unterstützung finanziert worden sind.

Die Innungen befürchten, dass durch die Integration von Berufsschule und überbetrieblicher Ausbildung unter der Hand eine Verstaatlichung vorgenommen wird. Hier kann ich sie beruhigen: Das kann gar nicht in unserem Interesse liegen; denn wir brauchen das Engagement der Wirtschaft, und zwar nicht nur in finanzieller Hinsicht.

Im Hinblick auf die ständige aktuelle Anpassung der Lerninhalte an die Weiterentwicklung der Berufsbilder

und an die Notwendigkeit der Betriebe brauchen wir das Engagement der Wirtschaft. Eine hohe Flexibilität in der Gestaltung der Inhalte ist dringend erforderlich, insbesondere in den Berufsfeldern, in denen rascher Wandel vonstatten geht.

Deshalb geht es nicht nur um die Verselbstständigung der Organisation; es stellt sich auch die Frage, ob andere Institutionen wie Kammern, Innungen, aber auch Weiterbildungsträger in die Arbeit und Verwaltung der Schulzentren eingebunden werden können und wie das geschehen kann. In dieser Hinsicht ist es sinnvoll, auch den Blick nach Norden über die Grenze zu lenken: Während es in Deutschland keine Vorbilder für so ein Modell gibt, gibt es Vorbilder für ein solches Modell in Dänemark, wo es Berufsbildungszentren gibt, die unter gemeinsamer Verwaltung der Kommunen, der Gewerkschaften und der Arbeitgeber stehen, also in Drittelparität verantwortet werden. Mit einem solchen Modell kann man sich beschäftigen.

Einer der umstrittensten Punkte bei der Umwandlung der Berufsschulen in Regionale Berufsbildungszentren ist die Erweiterung des Aufgabenspektrums um die Weiterbildung. Natürlich haben die privaten Weiterbildungsträger Angst, dass jetzt die Berufsschulen in ihr Feld eindringen und ihnen Konkurrenz machen, möglicherweise unlautere Konkurrenz, indem sich die Lehrergehälter nicht voll in den Preisen niederschlagen. Auch diese Angst kann dadurch, dass man neue Rechtsformen und Organisationsformen findet, genommen werden. Ich glaube aber auch, dass sie dadurch genommen werden kann, dass die Weiterbildungsträger in die Kooperation, in die Arbeit der Berufsbildungszentren einbezogen werden, das heißt, dass die Berufsbildungszentren nicht Berufsbildungszentren des Staates sind und es nebenbei Weiterbildungsträger gibt, sondern die Weiterbildungsträger selber in den Berufsbildungszentren Angebote machen können, dort eingebunden sind. Umgekehrt muss es natürlich möglich sein, wenn wir eine Flexibilisierung des Personalmanagements haben, dass Dozenten aus Weiterbildungsträgern in die Arbeit der Berufsschulen eingebunden werden, wie auch Berufsschullehrer in die Arbeit von freien Weiterbildungsträgern einbezogen werden können, sozusagen im Austausch, wie es zum Teil ja auch schon geschieht. Ich halte es für wichtig, dass man das Konzept von vornherein darauf anlegt, ein offenes Modell zu machen, und nicht wieder Schranken und Abschottungsmauern zieht, wie es im CDU-Antrag angedeutet wird.

Meine Damen und Herren, das Ministerium hat einen Bericht vorgelegt, der keine fertigen Konzepte enthält. Dafür bedanke ich mich, Frau Ministerin. Der Bericht macht deutlich, dass die Landesregierung offen für neue Entwicklungen ist. Deshalb halte ich es für zu

(Karl-Martin Hentschel)

früh, einen Antrag zu verabschieden, sondern schlage vor, dass der vorliegende Antrag der CDU an den Ausschuss überwiesen wird und dass wir, wenn wir in der Folgezeit den Bericht und die weitere Entwicklung diskutieren, daraus dann ein Konzept entwickeln, das dieses Parlament dann der Regierung vorschlägt.

Meine Damen und Herren, in diesem Bereich ist Schleswig-Holstein an einem Punkt, völlig neue Türen aufzuschlagen. Ich finde das gut. Ich halte es mit dem österreichischen Psychologen Alfred Adler,

(Beifall des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

der einmal sagte: „Die größte Gefahr im Leben ist, dass man zu vorsichtig wird.“

Lassen Sie uns also gemeinsam neue Wege denken, um diese Gefahr zu vermeiden.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Beifall des Ab- geordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat jetzt Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schade, dass dieses Thema, das wirklich ein ganz spannendes Thema ist, heute eher dröge und abstrakt abgehandelt wird. Ich weiß nicht, was man daran ändern kann. Ich hoffe, dass die Ausschussberatungen ein bisschen lebhafter und konkreter sein werden.

(Lothar Hay [SPD]: Der Bildungsausschuss ist immer lebhaft! - Unruhe)

Auch ich werde zu diesem Thema jetzt eher abstrakt reden; das lässt sich leider nicht ändern.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine ungerechtfertigte Kritik an meiner Rede!)

Lieber Kollege Garg, ich möchte darauf hinweisen, dass es ja nicht das erste Mal ist, dass wir uns mit dem Thema berufliche Bildung im Landtag beschäftigen. Vor gar nicht langer Zeit ging es um die Referendarbezüge, den Mangel an Fachlehrern an den beruflichen Schulen und die Ausbildungsordnungen. Es ist immer eine ganze Bandbreite von Themen vorhanden.

Für uns steht weiterhin fest, dass das duale System dringend reformbedürftig ist. Das ist für uns der wichtigste Punkt, denn das hohe Tempo der Veränderungen

in Wirtschaft und Gesellschaft erfordert eine berufliche Ausbildung, die ganz anders als das heutige System der dualen Ausbildung auf die kommenden Herausforderungen getrimmt sein muss. Auch ich nenne noch einmal die Stichworte dazu: Internationalisierung der Arbeitswelt, Flexibilisierung der Arbeitszeiten, schnellere Produktanpassungen, neue Berufsbilder, neue Technologien, größerer Bedarf an Weiterbildung.

Die gesellschaftliche Entwicklung oder - wenn man so will - der Übergang von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft verlangt in der gesamten beruflichen Bildung Reformen. Aus Sicht der SSW ist das bisher nur in groben Skizzen vorgelegte Konzept für Regionale Berufsbildungszentren ein Schritt in die richtige Richtung, um eine zeitgemäße und moderne Berufsbildung in Schleswig-Holstein zu etablieren. Dabei begrüßen wir, dass sich die Landesregierung nicht zuletzt von den guten Erfahrungen unserer Nachbarländer leiten lassen will.

Im Bericht steckt die Landesregierung nur den Rahmen ab für die künftigen Regionalen Berufsbildungszentren und das ist gut so. Dazu ist heute ja schon viel gesagt worden. Der bisherige Konzeptentwurf soll als Grundlage für eine Diskussion aller Akteure und Beteiligten dienen, damit dann in einem längeren Prozess unter Einschluss von Arbeitsgruppen und Fachtagungen detaillierte Vorschläge erarbeitet werden können. Die Ministerin hat das in ihrer Einleitung so dargestellt. Im Herbst 2002 soll der Dialog abgeschlossen sein und ab dem Schuljahr 2002/3 soll eine Pilotphase mit Pilotstandorten gestartet werden. Trotz des enormen Veränderungsdrucks glaube ich, dass es vernünftig ist, sich die Zeit zu nehmen, dieses Projekt genau zu durchdenken und Schritt für Schritt zu realisieren.

Wichtigste Zielsetzung bei der Umwandlung der bisherigen Berufsschulen ist es, durch die Stärkung von Eigenverantwortung und Eigeninitiative die Rahmenbedingungen für die berufliche Bildung - Stichwort: lebenslanges Lernen - zu verbessern. Dabei wird die lange geforderte Verzahnung von beruflicher Aus- und Weiterbildung angestrebt. Um das zu erreichen, sollen die neuen Regionalen Berufsbildungszentren eigenverantwortlich handelnde, rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Bildungsunternehmen werden. Das ist das Spannende an der Geschichte.

Das heißt, die Steuerung der berufsbildenden Schulen soll so geändert werden, dass die Entscheidungen über das Angebot und den Ressourcenverbrauch der einzelnen Schulen verstärkt in der Region selbst gefällt werden können; denn mit den traditionellen Strukturen wird es schwierig sein, die berufsbildenden Schulen so zu verwalten, dass ihre Bildungs- und Weiterbildungsangebote kunden- und nachfragegerecht werden. Wol

(Anke Spoorendonk)

len wir also dieses neue Konzept, dann brauchen wir auch neue Strukturen; darüber muss man sich im Klaren sein.

Ausbildungsbetriebe, Innungen, Kammern, die Arbeitsverwaltung und die beruflichen Bildungsträger werden erwarten, dass die neu gegründeten Zentren flexibel und differenziert auf Belange und Entscheidungen vor Ort reagieren können. Aus diesem Grunde müssen wir eine andere Struktur haben.

Aus unserer Sicht ist die Einbindung der regionalen Akteure in die Entscheidungsgremien der Regionalen Berufsbildungszentren das zentrale Element bei der Neugestaltung der Berufsschulen. Wir stellen uns vor, dass das Regionale Berufsbildungszentrum, je nachdem, welche Rechtsform gewählt wird - ob GmbH, Stiftung, Verein oder Anstalt des öffentlichen Rechts -, politisch von einem Vorstand geführt wird. In diesem Vorstand sollten zum Beispiel die Schulleitung, Vertreterinnen und Vertreter der bisherigen Schulträger, des Arbeitsamtes und - das ist ganz wichtig; der Kollege Hentschel sprach es schon an - die Sozialpartner sitzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Sowohl die Wirtschaft als auch die Arbeitnehmervertreter der jeweiligen Region sollten in diesem Gremium vertreten sein.

Gerade die Erfahrungen nördlich der Grenze - ich sage das wirklich nur unter der Überschrift, dass man voneinander lernen muss und nicht das Rad neu zu erfinden braucht - zeigen, dass die gute Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Arbeitsämtern, Wirtschaft und Gewerkschaften dazu beigetragen hat, dass die Berufsund Weiterbildungsschulen, beispielsweise in Sønderjylland, schnell auf Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt reagieren können. Es kommt ja gerade darauf an, dass man schnell reagieren kann. Nicht zuletzt diese Form der Zusammenarbeit ist charakteristisch für das dänische System, das von der BertelsmannStiftung im letzten Jahr ausgezeichnet wurde und das, gemessen an der Arbeitslosenzahl, großartige Erfolge vorweisen kann.

Die Idee eines Regionalen Berufsbildungszentrums ist also mehr als nur die Auswechslung eines Türschildes. Sie erfordert Umdenken und große Lernbereitschaft, nicht zuletzt auch bei dem bisherigen Personal der Berufsschulen. Die Lehrkräfte müssen also für diese neue Idee gewonnen werden. Ich verstehe, dass man jetzt noch abwartet und eher den Bedenkenträger spielt. Aber man muss motivieren und man muss auch die Leute dafür gewinnen; das ist wichtig.

Wenn das vorhandene Potenzial der Lehrkräfte optimal ausgeschöpft werden soll, muss auch hier überlegt werden, wie man einen größeren Gestaltungsspielraum am Arbeitsplatz schaffen kann. Auch das wird zu einer größeren Motivation beitragen.

Aus der Sicht des SSW ist klar, dass die geplanten Berufsbildungszentren nicht in Konkurrenz zu den schon vorhandenen regionalen Weiterbildungsangeboten der verschiedenen Bildungsträger treten sollten. Würden wir dies wollen, käme eine unerfreuliche Diskussion auf uns zu. Ich teile die Auffassung des Kollegen Klug, dass wir wirklich eine konsensuale Lösung anstreben müssen.

Verständlich ist, dass die Landesregierung vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltslage eine kostenneutrale Umsetzung des Konzepts anstrebt. Je nachdem, wie das Konzept umgesetzt wird, ist aber mit Veränderungen auch im Bereich der Standorte und deren Ausgestaltung zu rechnen. Es wäre naiv zu glauben, dass es nicht so käme. Ohne Anschubfinanzierung zur Umsetzung des Konzepts wird das, was wir hoffentlich alle gemeinsam wollen, also nicht laufen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 15/911, und den dazugehörigen Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/933 (neu) , dem Bildungsausschuss zu überweisen. Ich frage, wer dem seine Zustimmung gibt? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Erhalt von Sprachheilgrundschulen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/916

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/937

Wird das Wort zur Begründung bewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die CDU Frau Abgeordnete Sylvia Eisenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Sprachheilgrundschulen handelt es sich zugegebenermaßen um eine Nische in der Weite der bildungspolitischen Landschaft, allerdings auch um eine sehr effektiv arbeitende Institution, die in ihrer Effektivität zunehmend von Sparkonzepten und von ideologischpolitischen Vorgaben und Hemmnissen bedroht wird.

Rund 1.000 Kinder mit sprachheilpädagogischem Förderbedarf wurden 1995 noch in elf Sprachheilgrundschulen im Lande sowohl in Stammklassen als auch in integrativen Maßnahmen außerhalb der Sprachheilgrundschulen gefördert. Die Anzahl der Schüler hat sich im Laufe der letzten Jahre kaum verringert. Anders verhält es sich bei der Anzahl der Sprachheilgrundschulen. Zurzeit gibt es nur noch neun Sprachheilgrundschulen im Lande, eine davon, die Rendsburger Sternschule, allerdings ohne Stammklassen. Zunehmend werden Schüler mit Sprachstörungen in integrativen Maßnahmen betreut.

„Wunderbar!“, könnte man sagen. Die verstärkte Förderung von sprachgestörten Kindern im Kindergarten als Präventivmaßnahme habe sich so weit bewährt, dass nicht mehr alle Kinder die gezielte Förderung einer Sprachheilgrundschule benötigten. Wozu braucht das Land eigentlich die restlichen Sprachheilgrundschulen? Es geht offensichtlich auch ohne diese. Dies ist - wie sich gleich zeigen wird - ein vordergründige Argumentation, der aber offensichtlich einige Kreise als Träger der Sprachheilgrundschulen zunehmend auf den Leim gehen, so geschehen in Kiel, wie wir im Februar und März der Presse entnehmen konnten.