Protocol of the Session on March 22, 2001

Es treibt mich nun wirklich um, da ich nicht weiß, was diese Landesregierung will.

(Zurufe von der SPD)

- Nun hören Sie einmal zu!

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Sie sind immer so laut, Frau Fröhlich. Das ist unangenehm.

Die Abgeordnete heißt Frau Heinold.

Die Ministerpräsidentin hat gesagt, Verbraucherpolitik, Verbraucherschutz und insbesondere die Ernährungsberatung werden im Gesundheitsministerium zusammengefasst. Das war der Originalton der Ministerpräsidentin heute Morgen. Aber was steht im Bericht der Landesregierung?

(Holger Astrup [SPD]: Lesen Sie einmal vor!)

„Zu weiteren Aussagen zur Ernährungs- und Verbraucherberatung wird auf die im Juli 2001 vom Ministerium für ländliche Räume, Landesplanung, Landwirtschaft und Tourismus vorzulegende Gesamtkonzeption hingewiesen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wussten bis gestern Abend nicht, was die linke und was die rechte Hand tun. Das ist symptomatisch für Ihre Politik.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich erteile Frau Abgeordneter Kruse das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! BSE und MKS haben eine breite gesellschaftliche Debatte über die Lebensmittelproduktion ausgelöst, von der alle

Beteiligten - Zulieferer, Landwirte, Verarbeiter und Verbraucher - betroffen sind. Die Politik hat diese Debatte aufgegriffen und wir haben daher alle Chancen und Möglichkeiten, eine Neuausrichtung der bisherigen Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit auf allen beteiligten Feldern anzustreben. In den vergangenen Jahrzehnten haben Agrarpolitik und -wissenschaft sowie große Teile der Gesellschaft weitgehend verdrängt, dass agrarische Produktion immer im Zusammenwirken mit Pflanzen und Tieren, also lebendiger Natur, sowie ländlicher Entwicklung stattfindet.

Gewerblich-industrielle Strategien der Produktkostenminimierung durch überzogene Spezialisierung stehen jedoch im Widerspruch zu nachhaltigen, für die Gesundheit des Verbrauchers unbedenklichen sowie umwelt- und naturverträglichen Produktionsweisen. Diese Fehlentwicklung beschränkt sich leider nicht nur auf Schleswig-Holstein oder Deutschland. Diese Krisen haben das Vertrauen der Verbraucher in die Sicherheit und Qualität unserer Lebensmittel tief erschüttert. Das haben wir mehrfach gehört. Sie zeigen aber auch exemplarisch, dass die bisherige Agrarpolitik und die Lebensmittelproduktion in eine Sackgasse geraten sind. Das bietet gleichfalls die große Chance, in einer gemeinsamen Anstrengung von Verbrauchern, Landwirten, Umwelt- und Tierschutzverbänden, Politik, Wissenschaft und Beratung neue Wege zu beschreiten: sichere, gesunde, umweltverträgliche Qualität statt Masse - sowohl in der Produktion als auch im Verbrauch. Damit den Lebensmitteln vom Verbraucher wieder Vertrauen und Wertschätzung entgegengebracht werden und wieder angemessene Erzeugerpreise erzielt werden können, muss Lebensmittelproduktion zuallererst Qualitätsproduktion sein.

(Beifall bei SPD und SSW sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Das ist aber nicht neu!)

An dieser Stelle muss ich dann doch kurz auf den populistischen CDU-Antrag eingehen,

(Holger Astrup [SPD]: Das kann man wohl sagen! - Lars Harms [SSW]: Welcher?)

in dem formuliert wurde:

„Die Beratungstätigkeiten … müssen erweitert werden, um der Zielsetzung einer gesicherten und wettbewerbsfähigen Erzeugung von landwirtschaftlichen Gütern und einer gesunden Nahrungsmittelproduktion gerecht zu werden.“

Niemand - das sage ich ausdrücklich - kann durch

(Maren Kruse)

Beratung die Produktion oder irgendein Lebensmittel sicherer machen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wenn Sie, Herr Kayenburg, oder Ihre Fraktion das leisten wollen, dann entspricht das dem Motto: „Wir machen so weiter wie bisher!" - Genau das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt beim SSW)

14 Millionen bis 16 Millionen DM mehr für die Landwirtschaftskammer vor allem für den Bereich der Beratung, wie Sie es fordern - das hat ja gestern die Pressekonferenz ergeben -, machen nicht ein einziges Lebensmittel sicherer

(Martin Kayenburg [CDU]: Dann können Sie gleich aufgeben! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

und haben mit unserem Ziel, dem gesundheitlichen Verbraucherschutz und der Qualität unserer Nahrungsmittel oberste Priorität einzuräumen, absolut nichts zu tun.

(Beifall bei SPD und SSW sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Qualität kann man nicht in unsere Nahrungsmittel hineinberaten. Hier würde nämlich mehr - nämlich Geld - nicht mehr - nämlich Aufklärung - bewirken, wenn die Grundlagen gleich blieben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wir wussten immer schon, dass Sie beratungsresistent sind!)

Die Rahmenbedingungen - ich meine hier ausdrücklich nicht mehr Staat - für Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Handel müssen so gestaltet werden, dass sich eine umwelt- und naturverträgliche Produktion durchsetzt und sich die Erzeugung gesunder Lebensmittel wirtschaftlich lohnt.

(Beifall bei SPD und SSW sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört die Aufklärung der Verbraucher über die Vorzüge von Produkten regionaler Herkunft, artgerechter Tierhaltung und ökologischer Produktion, von Herkunftsnachweisen und Qualitätsproduktion mit dem Ziel, dass gesunde Lebensmittel wieder wertgemäß honoriert werden. Qualitätsproduktion bedeutet für uns neben den genannten Faktoren auch Verbesserung von Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelqualität im Sinne von vorsorgendem Verbraucherschutz und Transparenz in Lebensmittelproduktion und -ver

marktung. Wir meinen es ernst mit der „gläsernen Produktion“ vom Stall oder Feld bis zur Ladentheke,

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Das merken wir!)

weil wir die Sorgen und Nöte der Bürger und Bürgerinnen ernst nehmen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Orientierung und Information für die Verbraucher müssen erleichtert werden. Dazu ist es unerlässlich, dass bei der Festlegung von Qualitätsstandards Verbraucherinnen und Verbraucher auch angemessen beteiligt werden. Nur so können sie zukünftig selbstbewusst und intelligent eigene Entscheidungen treffen. In Zusammenarbeit mit den Beteiligten - ich habe sie eingangs genannt: Zulieferer, Landwirte, Verarbeiter und Verbraucher - werden wir in einer Offensive für den Verbraucherschutz das Vertrauen der Verbraucher wiedergewinnen können.

Aus allen vorgenannten Gründen ist der CDU-Antrag abzulehnen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile der Frau Ministerin Franzen das Wort nicht ohne mir den Hinweis zu erlauben, dass eine begrenzte Redezeit zur Verfügung steht, die überschritten werden kann. Das zöge dann aber Konsequenzen gemäß der Geschäftsordnung nach sich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will noch einmal auf den Futtermittelbericht eingehen und freue mich, dass das in Teilen auch von Ihnen gemacht worden ist. Ich will ganz klar bekennen: Wir haben zu wenig kontrolliert, wir sind zu selten auf den Höfen gewesen. - Das steht in dem Bericht und daraus wird auch kein Geheimnis gemacht.

Ich will aber noch auf einiges hinweisen, bei dem wir in Schleswig-Holstein, so glaube ich, ganz gut aussehen. Wir haben in knapp 500 Untersuchungen ab 1997 überhaupt nur in fünf Fällen einen Hinweis auf Verunreinigungen im Futter gehabt - diese wiesen einen Grad von weniger als 0,5 % auf -, und zwar bei Fischmehl. Das verdanken wir unserer guten Lage; das ist nicht unser Verdienst. Aber es gibt hier nun einmal Fischmehl billig und zuhauf. Deshalb hat man hier Tiermehl offensichtlich nicht eingesetzt. Insofern sieht Schleswig-Holstein sehr gut aus. Zwar wurde jetzt auch Fischmehl per Bundesgesetz mit verboten,

(Ministerin Ingrid Franzen)

aber es ist - ich glaube, darüber sind wir uns hier alle einig - nicht BSE-relevant.

Ich möchte kurz auf einige Debattenbeiträge eingehen und fange einmal bei der kleineren Fraktion, der F.D.P., an; man muss ja nicht immer zuerst auf die CDU antworten. Frau Happach-Kasan, Sie sagen, viele Punkte seien nicht BSE-relevant. Darauf sage ich: Das war auch in Ihrer Rede nicht der Fall. Wir befinden uns in einer Generaldebatte über Landwirtschaft, wenn auch bedingt - das ist doch kein Wunder durch BSE und MKS.

Sie sagen im Grunde sehr deutlich: Tiermehl soll wieder in die Nahrungsmittelkette. Das ist Lobbyarbeit der F.D.P.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)