Protocol of the Session on March 22, 2001

In dem Bericht über die Vorsorgemaßnahmen sprechen Sie vom - ich zitiere - „selten deutlich ausgeprägten Verhaltensmuster einer BSE-Erkrankung“. Dies ist ein Widerspruch zur Beantwortung meiner Kleinen Anfrage und auch zum Film, der sehr deutlich ausgeprägte Verhaltensmuster zeigt. Die Landesregierung hätte gut daran getan, sich bei der Landwirtschaftskammer einmal umfassend darüber zu informieren. Dort hat es schon Anfang Februar eine Veranstaltung zu diesem Thema gegeben. Die Landesregierung lädt erst für Ende März ein - und sie lädt tatsächlich auch Professor Braun ein, von dem sie gerade erst gesagt hat, dass seine Methode nicht tauglich sei. Wir halten es für eine richtige Maßnahme, alle Möglichkeiten zur Bekämpfung von BSE auszuschöpfen und nicht nur die, die politisch genehm sind.

(Beifall bei der F.D.P.)

Der Vorbehalt in der Regierung gegenüber den Möglichkeiten der Verhaltensforschung ist ein Anachronismus und in einer Regierungskoalition, die ständig nach Alternativen zur Gentechnik sucht, wirklich paradox. Seien Sie von den Grünen doch nicht so fixiert auf chemische Tests, informieren Sie sich doch auch einmal über andere Möglichkeiten! Je weniger wir über BSE wissen, umso umfassender müssen die Vorsorgemaßnahmen sein, die getroffen werden, um die

Rinderbestände vor Neuerkrankungen zu schützen, um Menschen vor dem Genuss von Fleisch zu schützen, das mit krank machenden Prionen infiziert ist. Je mehr wir wissen, umso gezielter ist der Schutz von Mensch und Tier zu verwirklichen.

Für die F.D.P. bleibt unverständlich, warum sich Schleswig-Holstein bei den Schutzmaßnahmen gegen BSE insbesondere an Großbritannien orientiert anstatt an der Schweiz. Wollen Sie damit wirklich suggerieren, dass Sie in Deutschland 100.000 BSE-Fälle erwarten? Wollen Sie sich an der von einem Teil der Medien betriebenen Panikmache beteiligen? Wollen Sie den Wissenschaftlern folgen, die mit Kassandrarufen durch die Blätter geistern?

Es spricht alles dafür, dass die Verhältnisse in der Schweiz eher den Verhältnissen in Deutschland entsprechen. Damit sind die in der Schweiz getroffenen und erprobten Maßnahmen zur Bekämpfung von BSE besser als Vorbild geeignet als die in Großbritannien ergriffene Maßnahmen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Stets wiederkehrend ist die Forderung von der linken Seite des Hauses nach einem Verfütterungsverbot von Tiermehl. Damit entsprechen Sie den Wünschen einer weitgehend städtisch geprägten Bevölkerung. Aber Sie fragen nicht, ob dies in dieser Absolutheit und auf Dauer vor dem Hintergrund der Forderung auf Nachhaltigkeit wirklich sinnvoll ist.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die F.D.P. hat überhaupt nichts be- griffen!)

- Frau Heinold, ich habe mehr begriffen, als Sie sich überhaupt vorstellen, dass man begreifen kann. Frau Heinold, Sie haben schlicht und ergreifend keine Ahnung. Seien Sie nicht fixiert auf alte Lösungen, sondern suchen Sie nach neuen Lösungen und überprüfen Sie die Lösungen auch im Hinblick auf andere Aspekte! Seien Sie nicht immer nur auf einen Punkt fixiert!

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das, was Sie hier fordern, for- dert ja nicht einmal die Futtermittelindustrie!)

- Ach, hören Sie doch auf! Stamokap-Thesen habe ich an der Universität zur Genüge diskutiert. Ich habe keine Lust mehr, mich im Landtag mit diesen alten Thesen auseinander zu setzen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Herr Hentschel, Sie fordern ja sogar die Kraft-WärmeKopplung für jedes einzelne Haus, weil Ihnen Betriebe, die zwei Häuser versorgen, schon zu groß sind. Sie

(Dr. Christel Happach-Kasan)

haben eine Kleinstmentalität, eine Autarkiementalität, die an vergangene Zeiten erinnert.

(Beifall bei F.D.P. und CDU - Lachen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen alle Hühner einmal um die Erde fliegen, bevor sie verkauft werden!)

- Die Legehennen fliegen nicht. Sie sollten sich einmal bei den Landwirten erkundigen, wie denn das so mit der landwirtschaftlichen Produktion ist.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Der Kollege Hentschel fliegt bald!)

- Ja, das kann ich mir eher vorstellen.

Zurzeit - das will ich ganz deutlich sagen - ist die Maßnahme, Tiermehlverfütterung zu verbieten, sinnvoll und ohne Alternative.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bravo!)

Aber es muss erlaubt sein zu fragen - nur wer die richtigen Fragen stellt, kann die richtigen Antworten bekommen -, ob es nicht doch sinnvoll sein kann, Schlachtabfälle von Tieren, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind, wieder zu verfüttern, anstatt sie zu verbrennen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: An Wiederkäuer!)

- Ach, doch nicht an Wiederkäuer! Das ist seit 1994 verboten und war in Deutschland nie eine umfassend angewandte Methode. Erkundigen Sie sich doch einmal.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das ist doch falsch. Die britische Landwirtschaft ist eine andere als die in Deutschland. Erkundigen Sie sich einmal, was wirklich Sache ist, anstatt nur mit ideologisch aufgeheizten Leuten zu sprechen. Sprechen Sie einmal mit denen, die wirklich Erfahrung in der Landwirtschaft haben und wissen, wovon sie reden!

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Wir alle fordern die artgerechte Tierhaltung; ich denke, darin sind wir uns in diesem Hause einig. Wir fordern auch die artgerechte Tierernährung; auch darin sind wir uns wohl alle einig. Schweine sind bekanntlich Allesfresser, keine Vegetarier.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist es!)

Wie wollen Sie, werte Freunde von der linken Seite des Hauses, die artgerechte Schweinehaltung realisieren? Die zurzeit noch betriebene Verfütterung von Speisenresten birgt große Risiken, wie der Ausbruch

der Maul- und Klauenseuche in Großbritannien zeigt verursacht aller Wahrscheinlichkeit nach durch infizierte Speisenreste aus Asien. Wir werden uns auch in Schleswig-Holstein von dieser Methode auf Dauer verabschieden müssen. Wir müssen den Betrieben, die darin investiert haben, mittelfristig Möglichkeiten geben, sich umzuorientieren.

Aber, werte Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite des Hauses, Sie dürfen nicht nur Forderungen stellen, sondern müssen Lösungen finden, die alle Aspekte berücksichtigen, einschließlich der Nachhaltigkeit, der artgerechten Tierhaltung. Ein Teil der BSE-Krise ist der drastische Rückgang im Rindfleischverbrauch. Dafür haben Sie keine Lösungen parat, zeigen auch keine Bereitschaft, den mittelständischen Betrieben zu helfen, und verbessern in keiner Weise den Verbraucherschutz.

Die Opposition hat der Regierung in der Bewertung der Anfangsmaßnahmen gute Noten erteilt. Ich stehe zu diesem Urteil. Doch das war Anfang Januar. Seither sind die Informationspolitik ungenügend und das Handeln absolut nicht zureichend.

Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite des Hauses, sind dieser Krise nicht gewachsen. Es ist schade für unser Land. Wir sollten gemeinsam Anstrengungen unternehmen, um weiterzukommen, statt diese ideologischen Grabenkämpfe zu betreiben, die für keinen Menschen in diesem Land eine Hilfe sind.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Herr Abgeordnete Rainder Steenblock.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir das Vertrauen von Verbraucherinnen und Verbrauchern zurückgewinnen wollen, dann ist eine neue, eine veränderte Landwirtschaftspolitik die zentrale Voraussetzung dafür.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und SSW)

Das, was Sie hier heute geboten haben, meine sehr verehrten Damen und Herren von rechts, ist zu wenig. Die CDU hat keine einzige Aussage gemacht, wie sie sich die neue Agrarpolitik vorstellt. Die F.D.P. hat

(Rainder Steenblock)

sich als beratungsresistent dargestellt, was Sie, Frau Happach-Kasan, gar nicht mitbekommen haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und SSW - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

- Herr Kubicki, hier geht es um fachliche Kompetenz; halten Sie sich aus dieser Debatte lieber heraus!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Wir wollen die Debatte über eine neue Landwirtschaftspolitik führen, in der es nicht weiter so geht wie bisher. Wir wollen keine Landwirtschaftspolitik, in der Grasfresser zu Fleischfressern gemacht werden, in der Schweine mit Antibiotika gedopt werden, in der Lebewesen zu Verbrauchsgütern degradiert werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Martin Kayenburg [CDU]: Das will doch auch keiner! - Peter Jensen- Nissen [CDU]: Das ist unverschämt! - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Das ist nicht der Weg, den wir wollen. Wir wollen umsteuern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir brauchen eine neue Weichenstellung in diesem Bereich. Bei 27 Milliarden DM Subventionen in diesem Bereich haben die Verbraucherinnen und Verbraucher ein Recht, über das Wie und das Was dieser Politik mit zu entscheiden und mit zu bestimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)