Protocol of the Session on March 22, 2001

(Dr. Christel Happach-Kasan)

schen Dogmen in den Vordergrund, völlig unabhängig davon,

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist ja nicht zu fassen!)

welchen Stellenwert sie bei der Bekämpfung der BSEKrise haben.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Sie nutzen die BSE-Krise als Trojanisches Pferd. Darin stecken altbekannte Ladenhüter, zum Teil mit Berechtigung, zum Teil völlig unnötig.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Diese Krise, die Existenzen vernichtet, Menschen in die Arbeitslosigkeit treibt, ist für Rot-Grün willkommene Gelegenheit, weiter ihr agrarpolitisches Süppchen zu kochen, statt den Menschen zu helfen und nach Auswegen aus der Krise zu suchen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Eine absolute Frechheit, was Sie hier bringen!)

Zu Recht wird in der Regierungserklärung die sehr späte Heraustrennung und gesonderte Vernichtung des Risikomaterials aus der Lebensmittelproduktion kritisiert, genauso wie die Anwendung der Schnelltests erst ab Ende 2000, obwohl der Test bereits seit Mitte 1999 zur Verfügung stand. - Hier hat die rot-grüne Regierungskoalition eklatant versagt. Das müssen wir doch einmal festhalten.

(Beifall bei F.D.P. und CDU - Zuruf der Ab- geordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Bereitstellung von Kapazitäten für BSESchnelltests ist kein Ruhmesblatt der Regierung. Zu Recht wird die Verantwortung dafür auf das Ministerium für ländliche Räume übertragen. Das Umweltministerium ist sich der wirtschaftlichen Folgen seines Handelns nicht bewusst. Die Kosten für die Tests trägt nicht das Ministerium, also ist dem Minister die Kostenfrage egal. So geht es nicht.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]. Das werden wir uns genauer angucken!)

Die Rechtmäßigkeit der Vergabepraxis durch das Ministerium ist zwar mittlerweile durch ein Gericht festgestellt worden, ich frage aber dennoch, warum beim ersten Termin vor dem Landgericht kein Vertreter des Ministeriums erschien und dem Steuerzahler die Kosten für dieses Versäumnis aufgehalst werden müssen.

Das gilt auch für die Diskrepanz zwischen den Preisen für amtliche und freiwillige Tests: Die Kosten für

amtliche Tests liegen bei bis zu 170 DM, dabei kann eine Gebühr von bis zu 126 DM entstehen, die freiwilligen Tests sind dagegen mit 60 bis 90 DM erheblich billiger. Das führt doch zu dem verqueren Bild, dass BSE-Schnelltests billiger sein könnten, wenn sie nicht gesetzlich vorgeschrieben wären. Wir fragen, ob tatsächlich im geplanten Umfang Testkapazitäten im Lebensmittelund Veterinäruntersuchungsamt errichtet werden müssen. Die Labore, die bereits über Sachverstand und Kontingente verfügen, werden in Zukunft in der Lage sein, die Tests preisgünstiger und auch kompetenter durchzuführen; dafür müssen nicht neue Kapazitäten geschaffen werden.

Auch die Aufarbeitung der Vergangenheit ist, anders als geschildert, kein Ruhmesblatt für diese Landesregierung. Die F.D.P. hat die Vorfälle in Bad Bramstedt angesprochen; der Staatssekretär war offensichtlich nicht an einer Aufklärung interessiert. Die Landwirtschaftsministerin hat die erbetenen Unterlagen sofort zur Verfügung gestellt, wofür ich mich bedanke. Doch nun mangelt es an einer Aussagegenehmigung für den Leiter der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, Professor Pohlenz. Warum eigentlich, wenn es nichts zu verbergen gibt? Oder wollen Sie die Unsicherheit über diese Vorfälle bewusst aufrechterhalten, um Stimmung für Ihre Agrarwende zu machen?

Wenn ein Fehler entdeckt werden sollte, muss die Öffentlichkeit umfassend informiert werden, so Frau Ministerpräsidentin in ihrer Regierungserklärung. Richtig! Aber was halten Sie davon, ihn auch abzustellen? Nicht nur anzuprangern, sondern Fehler zu beseitigen, das ist die Aufgabe der Regierung.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Im umfangreichen Forderungskatalog fehlt nicht die Forderung nach Streichung der Exportsubventionen für lebende Schlachttiere. Das ist richtig, aber keine akute Maßnahme zur Bekämpfung der BSE-Krise.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wieso denn nicht?)

Es fehlt auch nicht die Forderung nach der Verschärfung der Regeln für die Nutztierhaltung, aber auch dies ist kein Beitrag zur Bekämpfung der BSE-Krise. Wenn schon, im Übrigen völlig zu Recht, das hervorragende Qualitätsmanagement des Landeskontrollverbandes in der Milchproduktion erwähnt wird - ein richtiger Lichtblick in dem Papierstapel -, frage ich mich: Wo bleibt die Würdigung der artgerechten Milchtierhaltung? Das gehört zum Thema „Kuhkomfort“. Frau Birk, wissen Sie, wie es in einem Kuhstall aussieht? Ich glaube nicht.

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Wichtig ist Ihnen dagegen, die Legehennenhaltung anzusprechen. Das hat mit BSE nichts zu tun, aber sei’s drum. Hat man Ihnen auch gesagt, dass mehr als die Hälfte der Hähnchen, die bei uns verzehrt werden, hier nicht gelebt haben? Jede Verschärfung unserer Tierschutzbestimmungen würde dazu führen, dass wir noch weniger Einfluss auf ihre Lebensbedingungen haben, weil dann Hähnchenmast aus wirtschaftlichen Gründen bei uns nicht mehr betrieben würde. Soll demnächst auf den Beipackzetteln von Lebensmitteln zu lesen sein: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie die Ministerpräsidentin? Oder was soll auf dem Gütesiegel stehen?

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Den gesetzlichen Standard mit einem Gütesiegel auszuzeichnen, hält die F.D.P. für falsch.

(Lachen des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Einhaltung der gesetzlichen Standards ist selbstverständlich und braucht daher auch nicht besonders belobigt zu werden.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine Amokre- de!)

Dazu gehört auch die Einhaltung der Hygienebestimmungen, deren Verletzungen laut Bericht über die Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen den meisten Anlass zu Beanstandungen gegeben haben. Damit korrespondiert auch, dass in den letzten Jahren die Zahl der Salmonellosen und anderer mikrobiell bedingter Lebensmittelvergiftungen von zusammen etwa 6.000 Erkrankungen etwa gleich hoch geblieben ist. Da gibt es eine Menge zu tun.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die F.D.P. sollte die landwirt- schaftliche Sprecherin schnell austauschen!)

Wesentlich für den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor dem Verzehr von Fleisch, das mit krank machenden Prionen verunreinigt ist, ist die Umstellung der Schlachtmethoden. Es muss ausgeschlossen werden, dass insbesondere Rückenmark beim Schlachten auf dem Schlachtkörper verteilt wird.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

Nach dem Auftreten von BSE sollte in den Schlachthöfen das Verfahren so umgestellt werden, dass die bereits getöteten Tiere nicht mehr in der Mitte durch die Wirbelsäule getrennt werden, sondern links und rechts von der Wirbelsäule. So könnte die Vermen

gung von Risikomaterial aus der Wirbelsäule mit sonstigem Fleisch vermieden werden.

Nun konnte man in der letzten Zeit den Medien entnehmen, dass bei einigen Schlachthöfen immer noch nach der alten Methode geschlachtet wird. Sie von der Regierung sind in der Pflicht, dies sorgfältig zu überwachen. Der MELFF-Bericht aus dem Jahre 1994 ist Ihnen bekannt und Anlass genug, bei Schlachthöfen genauer hinzuschauen.

Wie sehr Regierungserklärung und Maßnahmenkatalog von der Umsetzung alter Dogmen beherrscht werden und wie wenig die Bekämpfung der aktuellen Krise eine Rolle spielt, zeigt die völlig untergeordnete Rolle der Forschung. Das ordnet sich ein in den Versuch der Zerschlagung der Agrarwissenschaftlichen Fakultät an der CAU und der ideologisch begründeten Ablehnung der Gentechnik, aber es geht an den wirklichen Erfordernissen vorbei.

Wir wissen nur wenig über BSE, in jedem Fall nicht genug, um die Ausbreitung der Krankheit gezielt unterbinden zu können. Eine Bestandskeulung ist schließlich keine gezielte Maßnahme, sondern ein Schrotschuss.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Mit der Beibehaltung dieser Bekämpfungsmaßnahme dürfen wir nicht zufrieden sein. Wir müssen daher intensive Anstrengungen unternehmen, diese Erkrankung und den genauen Weg ihrer Entstehung zu erforschen. In Schleswig-Holstein sind dafür gute Voraussetzungen gegeben. Es ist nicht zu erkennen, dass die Landesregierung wirklich bereit ist, schleswig-holsteinische Forschungseinrichtungen mit ihren guten Voraussetzungen in ein nationales Konzept zur TSEForschung einzubringen.

Lieber kuscht sie vor ihrem grünen Koalitionspartner und seiner ideologisch begründeten Ablehnung von Gentechnik und agrarwissenschaftlicher Forschung;

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Unglaublich!)

denn auch die Grünen wissen ganz genau: BSEForschung geht nicht ohne Gentechnik.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Auch wenn BSE vom Gesetz her als Seuche bewertet wird, wird weiter darüber gestritten, ob BSE eine Seuche, überhaupt eine Infektionskrankheit oder eine Intoxikation ist. Sicher ist: Sie führt zum Tod. Menschen werden durch den Verzehr von BSE-Prionen gefährdet.

Der Zusammenhang zwischen BSE und der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist zwar

(Dr. Christel Happach-Kasan)

nicht bewiesen, liegt aber sehr nahe. Aus Vorsorgegründen müssen wir dies berücksichtigen. Daher muss alles getan werden, Tiere mit BSE schnell ausfindig zu machen und zu töten. Je schneller sie gefunden werden, umso weniger ist eine Übertragung auf andere Tiere möglich.

Der Lebendtest steht erst für das Ende des Jahres 2002 in Aussicht. Da bietet der Schweizer BSE-Verhaltenstest nach Professor Braun eine Möglichkeit, die Diagnostik von BSE am lebenden Tier zu verbessern. Unsere in Deutschland angewandte Diagnostik ist dringend verbesserungswürdig - auch im Hinblick auf die Kosten. In Deutschland ist nichts passiert. In der nachträglichen Analyse der Tiere, bei denen im Schnelltest BSE nachgewiesen wurde, zeigte sich, dass BSE-Symptome schon am lebenden Tier erkennbar waren; die Krankheit hätte vor dem Schlachten diagnostiziert werden können. Aber offensichtlich haben Tierärzte in Deutschland im Hinblick auf BSE einen geringeren Ausbildungsstand als ihre Schweizer Kollegen; denen nämlich gelingt dies meistens. Die Untersuchung von Schlachttieren auf BSE-Symptome mit der Folge der Aussonderung auffälliger Tiere aus dem regulären Schlachtprozess erspart eine Menge Kosten. Da ist es ein Zeichen von Ignoranz, wenn diese Möglichkeit so total verworfen wird.

(Beifall bei der F.D.P.)

In dem Bericht über die Vorsorgemaßnahmen sprechen Sie vom - ich zitiere - „selten deutlich ausgeprägten Verhaltensmuster einer BSE-Erkrankung“. Dies ist ein Widerspruch zur Beantwortung meiner Kleinen Anfrage und auch zum Film, der sehr deutlich ausgeprägte Verhaltensmuster zeigt. Die Landesregierung hätte gut daran getan, sich bei der Landwirtschaftskammer einmal umfassend darüber zu informieren. Dort hat es schon Anfang Februar eine Veranstaltung zu diesem Thema gegeben. Die Landesregierung lädt erst für Ende März ein - und sie lädt tatsächlich auch Professor Braun ein, von dem sie gerade erst gesagt hat, dass seine Methode nicht tauglich sei. Wir halten es für eine richtige Maßnahme, alle Möglichkeiten zur Bekämpfung von BSE auszuschöpfen und nicht nur die, die politisch genehm sind.