Protocol of the Session on March 22, 2001

Eines will ich gern zu Ihrer Regierungserklärung anerkennen. In Teilen sind Sie ehrlich gewesen. Sie geben offen zu, dass Tierfutterkontrollen in den bäuerlichen Betrieben in den vergangenen Jahren nicht stattfanden; Schlachthöfe nicht - wie vorgeschrieben - jährlich überprüft wurden; die Verarbeitung von Rinderteilen zu Arzneimitteln und Medizinprodukten nur sehr unzureichend kontrolliert wurde und Hersteller und Großhändler von Tierarzneimitteln ebenfalls nicht ausreichend kontrolliert wurden. Ich meine aber, trotz dieser anerkennenswertren Ehrlichkeit können Sie an dieser Stelle die Frage nach der politischen Verantwortung für diese Versäumnisse nicht ausklammern, Frau Simonis.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Zurufe von der SPD)

Schließlich tragen Sozialdemokraten inzwischen seit 13 Jahren Regierungsverantwortung für SchleswigHolstein.

(Holger Astrup [SPD]: Gott sei Dank)

Diese Versäumnisse sind Ihnen zuzurechnen und niemand anderem. Ich denke, das sollte man hier heute festhalten.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Da hilft es auch nicht, wenn Sie auf Mängel in anderen Bundesländern hinweisen. Das ist weiß Gott keine Entschuldigung. Wenn ein Autofahrer irgendwo geblitzt wird, kann er auch nicht sagen: Mein Vorfahrer

(Martin Kayenburg)

war zu schnell, deshalb durfte ich auch fahren! - Frau Simonis, die Verantwortung liegt bei Ihnen!

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Aber es scheint ein bisschen in Mode gekommen zu sein, politische Verantwortung nicht wirklich zu übernehmen. Man entschuldigt sich, man gibt Fehler zu. Ich finde, damit machen es sich die Politiker zu einfach. Deshalb erwarte ich schon mehr von Ihnen, Frau Simonis, als der heute gesamtverantwortlichen Ministerpräsidentin, nämlich ein klares Wort zu diesen schweren Fehlern hier in Schleswig-Holstein. Ich erinnere in diesem Zusammenhang gern an den Bundestagsvizepräsidenten und früheren Bundesinnenminister Seiters. Der hat Konsequenzen gezogen. Er ist zurückgetreten, obwohl er in Bad Kleinen keine persönliche Verantwortung hatte.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Lachen bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich frage: Wo ist hier die Verantwortungsübernahme, wie es sich für einen anständigen Politiker gehört?

Zurück zu Ihrer Regierungserklärung, Frau Simonis! Wenn Sie Probleme beschreiben, müssen Sie sich auch fragen lassen, warum Sie konsequente und unbequeme Entscheidungen nicht schon jetzt treffen. Wir haben Ihnen in unserem Antrag einen Weg gewiesen, bei dem wir Sie unterstützt hätten. Warum bündeln Sie die Zuständigkeiten für den Verbraucherschutz nicht in einem Haus? Wie wollen Sie eigentlich den Verbrauchern klar machen, dass ausgerechnet Lebensmittelüberwachung nicht zum Verbraucherschutz, sondern in das Umweltministerium gehört? Das ist eine völlig unsinnige Gestaltung.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Klaus Schlie [CDU]: Koalitionsspiel!)

Es ist doch unbestritten, dass die BSE-Krise und die dadurch ausgelöste Diskussion über Agrarproduktion, Tierhaltung und Nahrungsmittelsicherheit ein Paradigmenwechsel in der Politik erfordern. Ihr Kollege Stoiber hat Ihnen das doch vorgemacht.

(Holger Astrup [SPD]: Ausgerechnet Stoiber! - Lothar Hay [SPD]: Herr Kayenburg, das war doch der, der alles vertuscht hat, die gan- zen BSE-Fälle! - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Ich will gern konzidieren - und auch das tragen wir mit -, dass in der derzeitigen Situation Verbraucherschutz vor allem Gesundheitsschutz ist. Deshalb ist in Bayern die Schutzaufgabe für die Verbraucher auch entsprechend gestaltet worden. Dort sind die Kompe

tenzen für Gesundheit, für Ernährung und für Verbraucherschutz entsprechend zugeordnet worden. Aber zu einem solch entschlossenen Schritt hatte Frau Simonis keine Kraft. Nach ihrer Planung bleiben weiterhin drei Ministerien für die drei wichtigen Fragen, die mit Erzeugung, Kontrolle und Vermarktung von Lebensmitteln zu tun haben, zuständig. Das trägt weder zur Klarheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher noch zu den von der Wirtschaft erwarteten Kompetenzbündelungen bei. Sie bleiben bei Ihrem alten kleinkarierten Muster, Frau Simonis. Offensichtlich haben Sie sich weder gegenüber Ihrem Koalitionspartner noch gegenüber Ihren Kabinettskolleginnen und -kollegen durchsetzen können. Das ist Ihr Problem.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Frau Simonis, Sie haben es immer noch nicht geschafft - ich weiß nicht, ob Ihnen viele Dinge, die Sie hier vorgetragen haben, ein Landwirt oder ein Gärtner aufgeschrieben hat -,

(Lachen bei der CDU)

Klarheit zu schaffen. Es gibt keine Klarheit und Planungssicherheit für die Verbraucherzentrale. Nachdem es Frau Franzen und Herrn Buß nicht gelungen ist, ein Konzept vorzulegen, soll nunmehr Frau Moser ran. Was passiert? - Es wird wieder unverantwortlich lange Zeit verstreichen. Das ist das Problem, das wir haben.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Zuruf des Ab- geordneten Konrad Nabel [SPD])

Unser Antrag zur Neugliederung des Verbraucherschutzes ist eine eindeutige und auch die bessere Alternative

(Lachen bei der SPD)

zu Ihrem zögerlichen, halbherzigen Handeln.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Wir fordern Sie nicht nur auf, die Kompetenzen in einem Ministerium zusammenzuführen, wir zeigen Ihnen auch, wie Sie gerade den schwer gebeutelten ländlichen Raum besser verankern können, mehr für ihn tun können, als Sie bis heute für ihn getan haben.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Bei aller Unterstützung für den Umweltschutz

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie?)

frage ich dennoch: Warum gehen Sie nicht den Schritt, das Landwirtschaftsministerium und das Umweltministerium für die ländlichen Räume und für den Umweltschutz in ein Kompetenzministerium zusammenzule

(Martin Kayenburg)

gen, und sorgen so dafür, dass wir eine Entwicklung im ländlichen Raum haben werden?

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So wie Bayern!)

Von solchen großen Lösungen, die auch ein Stück Perspektive bedeutet hätten, sind Sie, Frau Simonis, weit entfernt - zum Schaden der Landwirtschaft und zum Schaden für die Ernährungsindustrie. Sie haben nicht den Mut gehabt, Frau Simonis. Wenn Sie jetzt sagen, Sie folgen unserem Antrag und stellen 30 Millionen DM für die schwer gebeutelte Land- und Ernährungsindustrie zur Verfügung, sagen wir: Das sind 30 Millionen DM für vier Jahre. Wir wollten sie in diesem Jahr haben. Diesen Sprung haben Sie wieder nicht getan, das ist das Problem.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

In einem Punkt bin ich mir sehr sicher: Wenn die letzte Mark aus diesem Programm ausgegeben werden wird, ist Frau Simonis nicht mehr in dem Amt, in dem wir sie heute sehen!

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Widerspruch bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Frau Simonis, seien Sie doch einmal ehrlich. Sie sind doch nicht einmal bereit, in so einer Krise für die Land- und Ernährungswirtschaft auch nur 0,2 % des Landeshaushaltes zur Verfügung zu stellen. Wo bleibt eigentlich Ihr großer Wurf? - Nichts von alledem! Ich nenne das ein Armutszeugnis für diese Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Frau Simonis, Sie haben uns überrascht - das will ich gern gestehen -, als Sie für Ihre Regierungserklärung 40 Minuten angemeldet haben. Wir haben eine wirklich wichtige Rede erwartet. Ich sage, es hätten vier Minuten gereicht für das, was Sie hier erzählt haben.

(Anhaltender Beifall bei CDU und F.D.P.)

Frau Simonis, Sie werden mit dieser Regierungserklärung weder dem Ernst der Lage noch dem Ernst des Themas gerecht. Ihre Regierungserklärung war weiß Gott kein großer Wurf. Keine klare Perspektive, lediglich das weitere Versprechen, Konzeptionen bis irgendwann zum 15. Mai erarbeiten zu lassen. Wer soll Ihnen das denn noch glauben nach dem, was Sie hier vorgelegt haben? Kraftlos! Mutlos! Perspektivlos! Ich sage: Diese Regierungserklärung ist ein weiterer Kilometerstein auf dem Weg in Ihren wohlverdienten Ruhestand.

(Lang anhaltender Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Wort hat jetzt der Herr Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Lothar Hay.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Jetzt kommt wahrscheinlich das Konzept!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die BSEKrise hat die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und wachgerüttelt. Die Märkte in der Land- und Ernährungswirtschaft sind eingebrochen. Viele Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen sind stark gefährdet. Wir haben daher mehr als genug Anlass, über unser Verhältnis zur landwirtschaftlichen Produktion nachzudenken und nach Kräften umzusteuern. Ich glaube, dass es viel mehr Gemeinsamkeiten zwischen den Fraktionen dieses hohen Hauses gibt, als sie gerade in der Rede des Oppositionsführers zum Ausdruck gekommen sind.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])