Protocol of the Session on March 22, 2001

Wir dürfen nicht länger nur an den Symptomen falscher Entwicklungen in der Landwirtschaft und der Agrarpolitik herumdoktern. Für kosmetische Retuschen, wie ich sie aus einigen Ihrer Zwischenrufe herausgehört habe,

(Lachen bei der CDU)

haben die Verbraucherinnen und Verbraucher kein Verständnis mehr.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir müssen jetzt die Grundprobleme angehen. Wir müssen allen, die an der erwähnten Kette beteiligt sind, die Wahrheit sagen. Wir müssen ihnen sagen, dass sie sich umstellen müssen. An unbequemen Entscheidungen kommt niemand von uns vorbei.

(Klaus Schlie [CDU]: Vor allem die Regie- rung nicht!)

Die Landesregierung hat diese Entscheidungen getroffen. Ich bitte Sie, uns auch weiterhin zu unterstützen, und danke Ihnen für Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Heinz Maurus [CDU]: Das war aber nichts!)

Jetzt erteile ich dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn Oppositionsführer Martin Kayenburg, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, ich habe Ihnen schon gestern in der Aktuellen Stunde gesagt, dass Sie sich an Ihren Ver

sprechen werden messen lassen müssen. Das will ich heute auch tun.

Grundlage Ihrer so genannten Regierungserklärung ist die Jahresauftaktpressekonferenz vom 12. Januar. Danach wollten Sie unter der Überschrift „Konsequenzen nach BSE“ den Verbraucherschutz stärken und einen Fahrplan zur systematischen Aufarbeitung der BSE-Krise vorlegen. Ihr Ziel war es, den Verbraucherschutz zu stärken. Wenn ich diesen Teil beurteilen und Ihnen dazu ein Zeugnis ausstellen sollte, so würde mir das relativ leicht fallen: Sie haben sich bemüht, Ihre Aufgabe zu erfüllen, aber mehr auch nicht.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Eine brave Rede, passagenweise eine ordentliche Analyse, ein bisschen Bericht zu BSE, ein bisschen Veränderung - das ist doch keine Regierungserklärung!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Im Klartext: Die Häuptlinge bleiben, aber ein paar Indianer werden einem neuen Stamm zugeordnet. Das ist das Fazit dieser Erklärung.

(Beifall bei der CDU)

Der Berg hat mit der Ankündigung zur Regierungserklärung gekreist, aber es ist nicht einmal das sprichwörtliche Mäuschen herausgekommen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Frau Simonis, Sie haben Ihr Ziel verfehlt. Sie haben offensichtlich nicht mehr die Kraft, weitreichende konsequente Entscheidungen für unser Land durchzusetzen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Sie spielen zwar noch nicht als Ministerpräsidentin a. D., aber als Ministerpräsidentin a. A., nämlich als Ministerpräsidentin auf An- und Abruf, bei dem, was Sie uns hier gezeigt haben, die Rolle einer „lame duck“ und nicht mehr:

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Holger Astrup [SPD]: Die besten Steuerleute stehen immer am Ufer!)

ohne Durchsetzungskraft im eigenen Kabinett, ohne Durchsetzungskraft in der rot-grünen Koalition!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Ergebnis Ihres groß angekündigten Stufenplans

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

(Martin Kayenburg)

lässt sich ohne großes Wortgeklingel ganz nüchtern in ganz wenigen Punkten wie folgt zusammenfassen, Herr Nabel:

(Zurufe von der SPD)

Erstens. In der Zuordnung des weiten Feldes Verbraucherschutz belassen Sie es beim Kompetenzwirrwarr, anstatt endlich Kompetenz gebündelt in einem Haus anzusiedeln.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Zweitens. Das „Konzept der Qualitätstore“ ist doch nichts anderes als das Prinzip der gläsernen Produktion.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Eigentor!)

Dieses Prinzip wird doch in anderen Ländern schon längst angewendet, bevor Sie hier in die Puschen kommen.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Holger Astrup [SPD]: Wo denn?)

Neue Begriffe bedeuten noch lange keine neuen Ideen. Insofern müssen Sie aufpassen, dass diese „Qualitätstore“ für Sie keine Eigentore werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wie wollen Sie denn dieses Konzept auf dem Markt durchsetzen? Natürlich wäre es schön, wenn alle Schleswig-Holsteiner nur noch Produkte aus Schleswig-Holstein verzehren würden. In diesem Zusammenhang: Qualität gibt es nicht nur bei EDEKA, Qualität gibt es auch bei jedem Schlachter um die Ecke, Frau Simonis!

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie wollen Sie denn Ihre Zertifizierung in den anderen Bundesländern erreichen? Das erinnert mich an die Kontinentalsperre von Napoleon. „Heide Napoleon Simonis“ macht Schleswig-Holstein für Produkte aus anderen Ländern dicht.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Oder wollen Sie die Verbrauchertore für Qualitätsprodukte aus anderen Ländern öffnen, wenn sie nicht zertifiziert sind? Das müssen Sie einmal erklären, wie Sie das durchführen wollen, Frau Simonis.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Zurufe von der SPD)

Das ist ein Vorschlag, der im Zeitalter des gemeinsamen Marktes völlig unsinnig ist. Ich frage mich, wo da

der Realitätssinn dieser Ministerpräsidentin geblieben ist.

Drittens. Ihre Forderungen an die Bundesregierung oder an die EU-Kommission sind nackte Selbstverständlichkeiten. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass ausgerechnet ein Land wie Schleswig-Holstein ich erinnere hier an UMTS oder an die Bundeswehr, wo man keinen Mut hatte - bei der Bundesregierung oder bei der EU gerade hierzu irgendetwas durchsetzen könnte. Und die Entschuldigung bauen Sie dann ja auch selbst im Vorhinein in Ihre Regierungserklärung ein.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darin steht deutlich: Wir können diese Dinge nur in die Tat umsetzen, wenn Bundesregierung und EUKommission mitziehen. - Ja, Frau Simonis, dann müssen Sie dort einmal wirklich Lobbyarbeit machen, damit Ihre Ideen zur Kenntnis genommen werden!

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Eines will ich gern zu Ihrer Regierungserklärung anerkennen. In Teilen sind Sie ehrlich gewesen. Sie geben offen zu, dass Tierfutterkontrollen in den bäuerlichen Betrieben in den vergangenen Jahren nicht stattfanden; Schlachthöfe nicht - wie vorgeschrieben - jährlich überprüft wurden; die Verarbeitung von Rinderteilen zu Arzneimitteln und Medizinprodukten nur sehr unzureichend kontrolliert wurde und Hersteller und Großhändler von Tierarzneimitteln ebenfalls nicht ausreichend kontrolliert wurden. Ich meine aber, trotz dieser anerkennenswertren Ehrlichkeit können Sie an dieser Stelle die Frage nach der politischen Verantwortung für diese Versäumnisse nicht ausklammern, Frau Simonis.