Protocol of the Session on February 22, 2001

Ein Problem, das im CDU-Antrag gar nicht angesprochen wird, ist die Möglichkeit zum kurzfristigen Verleasen von Milchquoten für Betriebe, die von BSE betroffen sind. Ich konnte dieses Problem in Stormarn bei einem Betrieb studieren und freue mich, dass hier schnell eine Lösung angestrebt wird.

(Beifall bei F.D.P. und SSW)

In einem Gespräch mit den Bauerverbandsvertretern aus den Kreisen Flensburg und Schleswig-Flensburg der Kollege Jensen-Nissen war dabei - wurde gefordert, eine Steuerstundung zu ermöglichen, um die Li

quidität der in Not geratenen Betriebe nicht zu gefährden.

Herr Kollege Jensen-Nissen, ich habe mich erkundigt. Im konkreten Einzelfall sind die Finanzämter gehalten - es gibt eine entsprechende Anweisung -, in diesem Sinne behilflich zu sein. Das ist ein Punkt, der auch im F.D.P.-Antrag angesprochen worden ist.

Damit komme ich zu dem F.D.P.-Antrag, Frau Happach-Kasan, der wesentlich zurückhaltender und realistischer aufgrund der objektiven Gegebenheiten, aber leider nicht zustimmungsfähig ist. Ich werde das im Einzelnen begründen.

Frau Happach-Kasan, wir haben uns erkundigt und müssen Folgendes feststellen. Die Gewährung zinsloser Kredite und Bürgschaften ist von der EU nicht genehmigt. Ich gehe davon aus, dass die Ministerin das etwas genauer ausführen wird.

Zur Steuerfrage habe ich mich geäußert.

Bei Punkt vier Ihres Antrags ist die Landesregierung der falsche Partner. Ich hoffe aber doch, dass der Bauernverband mit der Kreditwirtschaft die entsprechenden Verhandlungen führen wird. Ich habe läuten gehört, dass die Ministerpräsidentin in diese Richtung bereits agiert.

Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion ist mit heißer Nadel genäht, lässt jede, aber auch jede konzeptionelle Vorstellung vermissen und taugt nicht einmal, um aktuelle Symptome zu heilen. Wir werden ihn deshalb ablehnen und beantragen Abstimmung in der Sache und nicht Ausschussüberweisung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. Happach-Kasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erinnern uns hoffentlich alle: Vor nicht allzu langer Zeit, als sich die neugewählte Bundesregierung im Stimmungstief befand, reiste Bundeskanzler Schröder nach Hessen, um dem angeschlagenen Holzmann-Konzern durch Unterstützung des Bundes zur Hilfe zu eilen. Die Bundesregierung feierte und verständlicherweise feierte die Arbeiterschaft von Holzmann gleich mit. Tatsache ist, dass der Holzmann-Konzern durch eigenes Verschulden und Fehlverhalten in diese Lage gekommen ist. In einer solchen Lage hat die rot-grüne Bundesregierung Hilfe versprochen.

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Wir schreiben den November 2000. Der erste BSE-Fall in Schleswig-Holstein erschüttert die Bundesrepublik. Aber statt sich auf die Seite der Landwirte zu stellen, die unschuldig in diese Krise geraten waren, stellen sich die Grünen und vorneweg der Umweltminister von Schleswig-Holstein, Herr Müller, hin, reden davon, dass Lebensmittel Sondermüll seien und fordern die Umstellung der konventionellen auf die ökologische Landwirtschaft. So geht es im Land Schleswig-Holstein.

Erst eine ordentliche Standpauke vom ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminister Funke in der Sendung „N3 aktuell“ vor zwei Wochen brachte unseren Minister wieder ein wenig auf den Pfad der Tugend zurück. Inzwischen plaudert er ganz entspannt mit dem Präsidenten des Bauernverbandes, Herrn Steensen.

Die BSE-Krise wird ihre Opfer fordern. Herr Ehlers hat dies zutreffend dargestellt. Die Politik hat eingestanden, die Verbreitung von BSE auf dem Kontinent nicht verhindert zu haben, und dies, obwohl es bei mutigem Handeln möglich gewesen wäre. Doch keiner der dafür verantwortlichen Politiker wird dafür zur Verantwortung gezogen werden können. Das ist bitter, insbesondere für die, die trotz eigener sorgfältiger Arbeit in den Strudel gerissen werden.

Daher gibt es eine Verpflichtung der Politik auf den verschiedenen Regierungsebenen, realistische Hilfsprogramme auszuarbeiten, mit denen den unter der BSE-Krise leidenden Betrieben und damit auch den davon betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geholfen werden kann. Der immer wieder zu hörende Appell an das unternehmerische Risiko, das Betriebe zu tragen hätten, ist vor dem Hintergrund eklatanter politischer Fehlentscheidungen als Ursache der Krise blanker Zynismus.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Die existenzielle Situation ist für viele rinderhaltende Betriebe dramatisch. Rindermastbetriebe können ihre Tiere nicht oder nur zu einem sehr schlechten Preis verkaufen und müssen hohe Verluste hinnehmen. Milchviehbetriebe haben Angst vor einem BSE-Fall und lassen deshalb Tiere im Stall, die sie unter normalen Bedingungen längst abgegeben hätten. Es wird leicht vergessen, dass die Fleisch verarbeitenden Betriebe teilweise ähnliche existenzielle Schwierigkeiten haben.

Wenn nicht geschlachtet wird, haben die Schlachtbetriebe Ertragsausfälle, in den Fleisch verarbeitenden Betrieben wird keine Wurst hergestellt. Über 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen Kurzarbeit, und das in einer Region, in der es nur wenige Beschäftigungsalternativen gibt.

Kollege Wodarz hat zu Recht angesprochen, dass Schlachthöfe ein beträchtliches Risiko eingehen, wenn sie ältere Tiere schlachten. Wir haben dafür noch keine Lösung gefunden.

Vor diesem Hintergrund hat die CDU einen Antrag eingebracht, der in seiner Zielrichtung, den in der Folge der BSE-Krise in der Existenz gefährdeten Betrieben zu helfen, völlig richtig ist.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

In Niedersachsen hat der Ministerpräsident in einer Regierungserklärung ein entsprechendes Programm vorgestellt. Wir haben darauf gewartet. In diesem Land ist Entsprechendes nicht geschehen.

(Heinz Maurus [CDU]: Richtig!)

Allerdings warnen wir ein wenig davor, in einen Unterstützungswettbewerb einzutreten. Niedersachsen bietet 10 Millionen DM, Schleswig-Holstein 30 Millionen DM. Wer bietet mehr? - Das kann es nicht sein.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Aber, Kollege Wodarz, null kann eben auch nicht sein.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Insofern hoffe ich, dass sich die Landesregierung in dieser Frage bewegt, und zwar auch in diesem Haus und nicht nur dort -

(Zuruf des Abgeordneten Wodarz)

- Kollege Wodarz, das ist meine Spezialität. Ich danke.

Die F.D.P. hat daher einen Alternativantrag eingebracht, der unmittelbare Existenznöte mindern soll, der aber auch berücksichtigt, dass die Betriebe auch einige wirtschaftlich sehr erfolgreiche Jahre hinter sich haben und daher einen Teil der Belastungen auch tragen können.

Die BSE-Krise betrifft vorwiegend mittelständische Betriebe. 1997 waren mehr als 50.000 Menschen in der Land- und Ernährungswirtschaft mit Fleischwirtschaft beschäftigt. Diese sind unmittelbar und mittelbar von den Folgen der Krise betroffen. Sie brauchen die Hilfe des Landes, nicht als Dauersubvention, sondern nach den Vorstellungen der F.D.P. als Hilfe zur Selbsthilfe.

Es darf nicht dazu kommen, dass die Regierung ihnen Hilfen verwehrt, nur weil sie nicht alle einen einzigen Arbeitgeber haben. Wäre ein Großunternehmen in einer vergleichbaren Krise, die Hilfsangebote hätten sich längst überschlagen. Holtzmann lässt grüßen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Der Vorsitzende der F.D.P.-Fraktion, Wolfgang Kubicki, hat in der heutigen Aktuellen Stunde deutlich gemacht, dass die Land- und Ernährungswirtschaft nach wie vor zu den tragenden Säulen der Wirtschaft dieses Landes gehört. Wir können es uns gar nicht leisten, dem Wegbrechen dieser Säule tatenlos zuzusehen.

Der Ansatz der Grünen, die BSE-Krise für die Akquirierung von Geldern zur Umsetzung des eigenen Parteiprogramms zu nutzen, statt Mittel einzuwerben, um den Betroffenen zu helfen, ist für eine Partei, die dem Betroffenheitskult huldigt, beschämend.

(Widerspruch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Beifall des Abgeordneten Peter Jen- sen-Nissen [CDU])

Die BSE-Krise verursacht in Deutschland spezifische Probleme, die in anderen Ländern deutlich weniger schwer wiegen. Der Rindfleischmarkt ist zusammengebrochen. Ein Vergleich der Preise zeigt das deutsche Problem: Die Erzeugerpreise für Jungbullen sind seit dem Oktober in Deutschland um 39 %, in Österreich um 26 %, in Dänemark um 13 % und in Großbritannien nur um 4 % gesunken, in Portugal sind sie sogar um 2,7 % gestiegen. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass wir ein spezifisch deutsches Problem haben. Die BSEKrise ist Mittelpunkt überregionaler Berichterstattung. Gerade die Bilder im Fernsehen über Schlachtbetriebe, das Keulen von Rindern und die Vernichtung von Rindfleisch sind nicht appetiterregend. Es gibt kaum ein Politikfeld, das sich zur Darstellung derartig emotionalisierender Bilder anbietet. Kein Fernsehsender, keine überregionale Zeitung mag darauf verzichten. Wir müssen nun darauf setzen, das Selbstvertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher stark zu machen, dass sie sich von den teilweise uralten Bildern nicht den Appetit verderben lassen.

Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden in eigener Verantwortung, was sie essen. Niemand kann ihnen diese Entscheidung abnehmen, auch nicht die Regierung durch Erklärung, was alles sicher sei.

Damit sich die Verbraucherinnen und Verbraucher auch in Zukunft für schleswig-holsteinische Produkte entscheiden können, brauchen unsere Betriebe unsere emotionale Solidarität und sie brauchen konkrete Hilfe zur Selbsthilfe. Ich beantrage Überweisung an den Ausschuss.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Steenblock das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Claus Ehlers, es wäre sehr nett gewesen, wenn man am Anfang dieser Debatte zumindest einmal darauf hingewiesen hätte, dass Schleswig-Holstein das erste Bundesland gewesen ist, das in seinem Haushalt überhaupt Mittel eingestellt hat - nämlich mehrere Millionen DM -, um diese Krise zu bewältigen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das zeigt, dass diese Landesregierung durchaus schnell und entschieden handeln kann im Gegensatz zu einigen anderen. Ich gebe aber gern zu, dass man über einige Ansätze in dem Antrag der CDU-Fraktion - der insgesamt leider ein Sammelsurium schon erledigter Sachen und solcher Sachen ist, die zum Teil überhaupt gar nicht kurzfristig realisierbar sind - reden kann.

(Zuruf von der CDU: Dann machen Sie das doch!)

Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen. Gerade die Frage der Schlachtchargen ist ein unerledigtes Problem, für das wir eine Regelung finden müssen. Ich weiß, dass die Landwirtschaftsministerin gerade daran arbeitet.