Protocol of the Session on February 21, 2001

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Zuwendung zum Redner bitten.

Drittens. Entscheidend ist die zügige und vereinfachte Übergabe der nicht mehr benötigten Liegenschaften, und zwar ohne dass die Kommunen immer erst groß mit Veränderungssperre drohen oder arbeiten müssen. Das ist ihr Instrument, das sollen sie auch nutzen, aber es kann vielleicht auch einfacher gehandhabt werden.

Viertens. Die Sanierungskosten müssten entweder vertraglich abbedungen oder vorab geleistet werden. Dabei ist die Sanierung in Art und Umfang auch abhängig von der Anschlussverwendung. Insofern ist eine Kooperation mit den Kommunen erforderlich.

Fünftens. Manchmal kann es auch nur erforderlich sein, Anlagen zurückzubauen, weil eine andere Nutzung überhaupt nicht möglich ist, sodass die Kaserne oder der Standort als Altlast insgesamt betrachtet werden kann.

Sechstens. Es geht um verbilligte Übernahme oder Überlassung von Wohnungen, das rechtzeitige ZurVerfügung-Stellen von Liegenschaften, und zwar unabhängig von der Frage, wie man sich über den Wert einigt. Im Grunde genommen ist das Enteignungsverfahren da ein Parallelbeispiel, wo erst die Enteignung richterlich festgestellt und dann in einem getrennten Verfahren über die Entschädigungssumme verhandelt wird. Das könnte man bei den Bundeswehrliegenschaften in gleicher Weise machen, dass man das Grundstück zur Verfügung stellt und sich erst danach über den Wert einigt.

Siebtens. Wenn sich die Kommunen verpflichten, eine besondere Nutzung über eine lange Zeit sicherzustellen - dazu kann zum Beispiel auch ein Naturerlebnisraum gehören -, dann muss das honoriert und darf das Grundstück nicht zum Marktwert an die Kommunen weitergegeben werden.

Achtens. Es kann auch notwendig werden, dass Betriebe - daran muss man immer denken, wenn es um Konversion geht -, die besonders betroffen sind, durch Konversionsmaßnahmen unterstützt werden. Da dies eine einzelbetriebliche Förderung ist, bleibt zu prüfen,

(Hermann Benker)

inwieweit eine Unterstützung durch EU-Programme notwendig und möglich sein wird.

Eine Maßnahme, die wir in unsere Resolution aufgenommen haben, ist in dem Ressortkonzept bereits übernommen, nämlich der Grundsatz, dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen darf und dass eine sozialverträgliche Umsetzung aller Entscheidungen und Maßnahmen erfolgt, und zwar sowohl für Soldaten als auch für zivile Mitarbeiter.

(Beifall bei der SPD)

Es versteht sich von selbst, dass wir mit einem eigenen Konversionsprogramm in der Form, wie es die Ministerpräsidentin angekündigt hat, aufwarten können. Aber wir sollten das in diesem Bereich nicht koppeln, sondern man sollte das trennen, dass wir hier einen Block mit Forderungen an den Bund haben und dort eine Auflage mit Forderungen an das Land. Insofern ist der Antrag der F.D.P. unter diesem spezifischen Punkt der Trennung aufrechtzuerhalten, ansonsten können wir die Punkte Ihres Antrages, Frau Aschmoneit-Lücke, im zweiten Teil voll übernehmen. Wir müssen uns einmal darüber unterhalten, wie wir das formal trennen, damit Forderungen in Richtung Bonn

(Klaus Schlie [CDU]: Berlin!)

- Entschuldigung - in Richtung Berlin gestellt werden. Es muss darum gehen, unsere Forderungen in Richtung Berlin anzumelden. Dort liegt eine Mitverantwortung. Wir wollen nicht nur, dass die Auswirkungen so gering wie möglich gehalten werden, sondern dass darüber hinaus auch Chancen für eine Weiterentwicklung in früheren Garnisonsstädten möglich werden. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserer Resolution.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist es also amtlich: Durch die Bundeswehrstrukturreform des Bundesverteidigungsministers wird die Anzahl der Dienstposten in Schleswig-Holstein um über 6.000 von knapp 45.000 auf zirka 39.000 reduziert. Auch wenn ein Dienstposten nicht immer mit einem Arbeitsplatz gleichzusetzen ist, geht es um einen Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen in unserem Land. Mit einer Reduzierung von 12 % der Dienstposten liegt Schleswig-Holstein unter dem Bun

desdurchschnitt von 17 %. Dennoch trifft es die aufgeführten Standorte hart, denn viele haben immer noch mit den Folgen der Rühe-Reform von 1995 zu kämpfen, wo fast ein Drittel aller Bundeswehrarbeitsplätze im Lande abgebaut wurde.

Der SSW sieht die Entscheidung des Bundesfinanzministers, des Bundesverteidigungsministers ausgesprochen kritisch. - Das war vielleicht ein Freud'scher Versprecher, dass ich den Bundesfinanzminister hier ins Spiel bringen wollte; darauf komme ich gleich zu sprechen. - Aus unserer Sicht hätten bei der endgültigen Standortentscheidung neben den militärpolitischen Erwägungen die regionalpolitischen Aspekte und andere Faktoren - wie beispielsweise die Belange des Katastrophenschutzes - eine größere Rolle spielen müssen.

Wir bedanken uns aber ausdrücklich für den Einsatz von Ministerpräsidentin Simonis und Innenminister Buß, die sich in Berlin dafür stark gemacht haben, dass so viele Standorte wie möglich in SchleswigHolstein erhalten bleiben.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Das muss gesagt werden. Ich denke, ohne diesen Einsatz wären wir nicht so davongekommen, wie es heute der Fall ist. Der Kollege Benker hat dies auch schon angesprochen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wir sind gar nicht davongekommen! - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Wir zweifeln aber daran, ob sich das Bundesverteidigungsministerium überhaupt ernsthaft mit der Stellungnahme der Landesregierung beschäftigt hat.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der F.D.P. - Zuruf von der CDU: Wir auch!)

Wie kann man sich in nur zwei Tagen detailliert mit den aus unserer Sicht sehr vernünftigen und sachlichen Argumenten der schleswig-holsteinischen Landesregierung auseinander setzen? Diese Vorgehensweise lässt erahnen, dass die Entscheidung schon lange im Voraus gefallen war. Dazu kommt die schlechte Informationspolitik des Ministeriums, die zu erheblicher Verunsicherung und Verärgerung bei den Betroffenen beigetragen hat. Es gab immer wieder neue Gerüchte und Einzelheiten des Konzeptes wurden nur schlep

(Anke Spoorendonk)

pend übermittelt. Selbst bis zum heutigen Tage sind noch nicht alle der Schleswig-Holstein betreffenden Details der Bundeswehrstrukturreform endgültig auf dem Tisch.

Fest steht aber, dass im Landesteil Schleswig neben den Schließungen der Marineversorgungsschule in List und der Standortverwaltungen in Leck, Westerland und Tarp insbesondere auch der Bundeswehrstandort Schleswig betroffen ist. Durch den Abzug des Pionierbataillons 620 wird in Schleswig die Anzahl der Dienstposten von 1.329 auf 190 reduziert. Man kann also sagen, dass der Standort praktisch geschlossen wird. Dagegen können die Standorte in Husum und Seeth mit einem Zuwachs an Dienststellen rechnen. In Flensburg wird die Bundeswehrfachschule mit ihren 230 Dienstposten geschlossen. Dafür soll aber, wie wir wissen, die Marinefernmeldeschule zum Bundeswehrausbildungszentrum ausgebaut werden. Es ist von knapp 100 Dienstposten und 300 Lehrgangsteilnehmern ist die Rede.

Insbesondere die Schließung der Marineversorgungsschule in List und die Reduzierung am Bundeswehrstandort Schleswig sind für uns nur schwer hinnehmbar. Schließlich betrifft der Abzug des Pionierbataillons in Schleswig jeden neunten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und der Verlust an Kaufkraft wird auf 30 Millionen DM geschätzt. Auch für die Gemeinde List ist, bedingt durch die Insellage, eine Schließung schwer zu verkraften.

Gerade in den strukturschwachen Regionen wie dem Landesteil Schleswig fällt dieser Arbeitsplatzverlust und der damit verbundene Kaufkraftverlust besonders ins Gewicht. Der SSW hatte sich deshalb insbesondere für den Erhalt dieser beiden Standorte eingesetzt. Aus unserer Sicht geht es jetzt darum, die negativen Auswirkungen des Bundeswehrabbaus so sozialverträglich und vernünftig wie möglich umzusetzen.

Wir fordern daher erstens einen Sozialplan für die betroffenen Beschäftigten, insbesondere natürlich für das Zivilpersonal, um soziale Härten zu vermeiden.

Zweitens fordern wir faire Bedingungen für die Kommunen bei der Übernahme der Liegenschaften. In diesen Zusammenhang muss das Motto lauten: Entwicklungskonzepte vor Verkauf. Das heißt, dass der Verkauf der Liegenschaften in enger Absprache mit den Kommunen vorgenommen werden muss.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Es muss zu Lösungen kommen, die in erster Linie Rücksicht auf die Entwicklungsmöglichkeiten vor Ort nehmen. Es geht also nicht an, dass sozusagen von den

leeren Kassen des Bundesverteidigungsministeriums ausgegangen wird.

Drittens fordern wir ein Konversionsprogramm des Bundes. Der SSW begrüßt zwar, dass die Landesregierung durch eigene Programme wie „Zukunft auf dem Land“ oder das Regionalprogramm 2000, die zum Landesprogramm „Zukunft im eigenen Land“, also „ziel“ gehören, die schlimmsten Folgen für die betroffenen Regionen aufgefangen werden sollen. „ziel“ kann aber nicht für alles herhalten und ist ja auch schon bei den Folgen der BSE-Krise als Lückenbüßer im Gespräch. Dieses Programm soll gezielt für die Förderung von neuen und innovativen Arbeitsplätze eingesetzt werden. Es ist für die hier zur Debatte stehende Situation also eigentlich nicht vorgesehen. Wir brauchen deshalb über „ziel“ hinaus zusätzliche Investitionen, um den Bundeswehrabbau aufzufangen. Wir unterstützen deshalb auch den vorgelegten Entschließungsantrag in dieser Frage. Wir tragen ihn zusammen mit der CDU und den Regierungsfraktionen mit. Wir können auch das unterstützen, was in dem F.D.P.Antrag gefordert wird. Ich hoffe, genau wie der Kollege Benker -, dass wir uns letztlich doch noch auf einen gemeinsamen Antrag verständigen können.

Dass die Landesregierung jetzt schnellstmöglich zu einer Konferenz mit den betroffenen Kommunen über zukünftige Konversionsmaßnahmen einladen will, ist aus unserer Sicht ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Wir fordern viertens: Bei zukünftigen Strukturausgleichsmaßnahmen von Bund und Land muss auch der Abbau von anderen öffentlichen Arbeitsplätzen mit einbezogen werden. Gleichzeitig mit den Bundeswehrreformen von 1995 und 2001 wurden im Zuge der Verwaltungsreformen von Bund und Land weitere öffentliche Arbeitsplätze abgebaut. So ist es in den letzten Jahren zu einer ganzen Reihe von Schließungen, Zusammenlegungen, Verlegungen oder Reduzierungen von Bundes- und Landesbehörden gekommen. Weitere Schließungen oder Zusammenlegungen - etwa bei den Landeskatasterämtern, den Landesbezirkskassen, den Straßenmeistereien, beim Bundesgrenzschutz, bei den Hauptzollämtern, der Bundesstelle für Fernmeldestatistik und den Bundesvermögensverwaltungen - sind entweder in Planung oder bereits vollzogen worden.

Das Beispiel der kreisfreien Stadt Flensburg, wo seit 1991 nicht nur ein Rückgang um 5.700 Soldaten und 1.000 Zivilbeschäftigte der Bundeswehr zu verzeichnen ist, sondern auch der Bundesgrenzschutz reduziert wird, zeigt genau diese Problematik. Trotz Motorola und einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit hat sich Flensburg immer noch nicht ganz von dem massiven

(Anke Spoorendonk)

Arbeitsplatzabbau durch Bundeswehr und Marine erholt. Bei solchen Fakten darf man sich nicht wundern, wenn der Eindruck entsteht, dass sich Bund und Land weitgehend als öffentliche Arbeitgeber aus dem Landesteil Schleswig zurückziehen wollen.

Auch wenn man den so genannten schlanken Staat will: Es bleibt dabei, dass Land und Bund bei der Durchführung ihrer Verwaltungsreformen gegenüber den strukturschwachen Regionen eine besondere Verantwortung haben. Der Berichtsantrag des SSW betreffend den Abbau öffentlicher Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein soll zum einen darüber Aufschluss geben, ob und wie Bund und Land seit 1990 dieser Verantwortung gerecht geworden sind. Zum anderen soll der Bericht dazu dienen, eine Übersicht über die Kommunen und Standorte zu geben, die besonders hart vom Abbau öffentlicher Arbeitsplätze betroffen sind und noch betroffen werden. Wir erwarten, dass diese Daten bei künftigen Strukturausgleichsmaßnahmen von Bund und Land entsprechend berücksichtigt werden.

In unserem Antrag fordern wir einen Bericht der Landesregierung in der Mai-Tagung. Uns ist es wichtig, dass dies ein guter und vollständiger Bericht wird. Wenn die Vorlage in der Mai-Tagung nicht klappt, sind wir durchaus auch zu einer Verschiebung bereit. Der Bericht muss aber zügig erstellt werden, denn sonst läuft uns die Zeit davon.

Im Übrigen stimmen wir dem gemeinsamen Antrag natürlich zu, wie ich in meiner Rede bereits gesagt habe.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Benker, wir haben den vorliegenden Antrag gemeinsam erarbeitet und unterstreichen ihn voll und ganz. Wir treten gemeinsam für ein Bundes-Konversionsprogramm ein. Es ist aber auch wichtig, dass wir die Lage gemeinsam analysieren und auch auf Unterschiede hinweisen.

Wir sorgen uns in diesen Tagen insbesondere um die Menschen im ländlichen Raum. Sie sind völlig ohne eigenes Verschulden in akute Not geraten. Ich nenne hier das Stichwort „BSE-Krise“. Diese gefährdet die Existenz der direkt betroffenen Landwirte und ihrer Familien, aber auch die Existenz der im unmittelbaren