Protocol of the Session on January 25, 2001

Auch in Zukunft werden wir natürlich Mediziner an zwei Hochschulen dieses Landes, in Kiel und in Lübeck, ausbilden. Auch in Zukunft werden die dafür erforderlichen klinischen Kapazitäten an zwei Hochschulorten in Kiel und in Lübeck zur Verfügung stehen müssen. Und auch in Zukunft werden Mittel für Forschung - leistungsorientiert wie gehabt - vergeben werden, die an beiden Hochschulorten in Kiel und in Lübeck in großer Breite vorhanden sind. Auch in Zukunft - die Ministerin hat noch einmal darauf hingewiesen - gilt natürlich, dass die Modernisierungsvereinbarung in ihrer ganzen Breite auch für die Prozesse an den Hochschulklinika Anwendung finden soll. Das ist ein zumindest von uns klarer politischer Rahmen, in dem sich die Landesregierung bei ihren Vorschlägen bewegen muss.

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock [CDU]: Das werden wir nicht vergessen!)

- Nein, das ist so in Ordnung. Das sollen Sie auch gar nicht. Was hier gesagt wurde, kann man nicht vergessen. Das steht ja zum Glück in den Protokollen, Herr Kollege Kerssenbrock.

Wir dürfen bei allem die Herausforderung nicht übersehen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wir werden Sie erinnern!)

Wir brauchen eine Struktur, die den sehr guten Leistungsstandard beider Kliniken bei stagnierenden oder gar knapper werdenden Mitteln erhalten und ausbauen kann. Denn wir wissen, dass unsere Hochschulkliniken wie alle wissenschaftlichen Einrichtungen zunehmend einem schärfer werdenden Wettbewerb ausgesetzt sind. Wir brauchen - das möchte ich bei allem, was man hört, und bei allen Aufgeregtheiten auch einmal sagen - Entscheidungskompetenz für die Hochschulmedizin im Land, indem ein Stück weit - ich formuliere es in aller Vorsicht - die leidigen Kiel-LübeckAnimositäten und -Antagonismen um der Sache willen in den Hintergrund gedrängt werden können.

(Beifall bei F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen füge ich hinzu: Wir brauchen meines Erachtens - und darüber kann man streiten - eine Stärkung des nicht medizinischen Bereichs auch an der Lübecker Universität. Wir brauchen auch in Kiel, an der Kieler Universität, mehr Spielraum für Innovationen. Deswegen ist das, was bisher alle immer öffentlich sagen, auch en détail durchzudeklinieren, indem wir sagen, wie es gelingen soll, in der Hochschullandschaft den Bereich Medizin in eine Proportion zu den anderen Bereichen zu bringen, die für die beiden Hochschulstandorte eine gedeihliche Entwicklung möglich macht.

Deswegen noch einmal ein klares Wort, Herr Kerssenbrock, auch zum Erinnern und zum Festhalten: Wir brauchen Einsparvolumina aus der Hochschulmedizin, die wir dann auch in vollem Umfang für die Hochschulentwicklung im Lande einsetzen können. Das scheint mir eine ganz wichtige Maßgabe in diesem Prozess zu sein.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Es kommt auf das Profil an, das man haben will!)

Der Stein, den die Ministerpräsidentin losgetreten hat, schlägt Wellen in einer solchen Situation. Das ist verständlich und nachvollziehbar. Deswegen werden alle Bedenken und Argumente beachtet und in die Auseinandersetzung einbezogen werden müssen. Es wurde ja angekündigt, dass jetzt ein breiter Diskussionsprozess starten soll. Daher halte ich es für notwendig, dafür

(Jürgen Weber)

bald eine vollständige Beratungsgrundlage zu haben. Sie ist ja angekündigt. Dann wird man auch ein wenig klarer sagen können, dass natürlich die auch regionalen Interessen in Kiel oder Lübeck in dem Umfang, wie sie erforderlich sind, einbezogen werden müssen.

Ich möchte jetzt keine weiteren und detaillierteren Ausführungen machen, mich auch nicht auf die eine oder andere Stellungnahme örtlicher Abgeordneter zurückziehen. Ich möchte nur deutlich sagen: Ich persönlich sehe in dieser Situation dieses auch für die Strukturpolitik in Schleswig-Holstein wichtigen Bereichs keine Veranlassung, in dieser Debatte eine lokale Brille aufzusetzen, auch wenn es das Leben nun einmal so eingerichtet hat, dass mein Wahlkreis nicht in der schmucken Hansestadt, sondern in der Landeshauptstadt liegt. Ich glaube, dass man sich davon in der Diskussion darüber auch um der Sache willen lösen können muss.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Zum Schluss möchte ich noch so viel sagen: Wir sollten uns eines deutlich vor Augen führen. Einem drohenden Qualitätsverlust durch Auszehrung an zwei Standorten zuzusehen oder aber die Initiative zu ergreifen, eine lebens- und leistungsfähige Hochschulmedizin in einem intakten Netz von Partnern im gesamten Gesundheitssystem zu sichern, das ist die eigentliche Alternative, die vor uns steht, wo wir um konkrete Lösungen ringen sollten. Konkrete Schritte dahin werden in den nächsten Jahren zu diskutieren sein. Das ist gut und demokratisch so. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung. Es wird, meine ich, in der Sache eine vielleicht harte und spannende Auseinandersetzung, aber - ich bin sicher - mit einer guten Lösung am Schluss werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht der Landesregierung über die Universitätsklinika wird heute vor dem Hintergrund der Fusionspläne diskutiert, die in den letzten Wochen in unterschiedlicher Form sowohl vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Martin Kayenburg als auch von Ministerpräsidentin Heide Simonis propagiert worden sind.

Ich bezweifele, ob das neuerdings ausgebrochene Fusionsfieber tatsächlich ein geeignetes Heilmittel für die Probleme der schleswig-holsteinischen Universitäts

klinika ist. Eine Infizierung mit dem Fusionsfiebervirus könnte sich sogar, im Gegenteil, als eine zusätzliche Gesundheitsbelastung für Uniklinika in unserem Lande herausstellen.

(Beifall bei F.D.P. und SSW)

Statt in einer eher technokratischen Pseudoreform Mammutstrukturen zu schaffen, die bei unveränderter Ankopplung an öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen eher zu mehr Schwerfälligkeit und Handlungsschwäche führen als zu höherer Effizienz, sollte man meines Erachtens mit einer Teilprivatisierung des Dienstleistungs- und Servicebereichs für beide Uniklinika - Kiel und Lübeck - gemeinsam eine modernere und zweckmäßigere Reformalternative wählen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Vor dreieinhalb Jahren hat die Landesregierung nach umfassender externer Beratung ein Papier zur Strukturreform der Hochschulen vorgelegt, das auch ein spezielles Kapitel mit Empfehlungen zum Bereich der Hochschulmedizin enthält.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, wenn auch nicht jeder Ihrer Heimatorte über eine Hochschule verfügt, sollten Sie der Thematik schon etwas mehr Aufmerksamkeit schenken.

In diesem Papier heißt es auf Seite 47 - ich zitiere -:

„Unter der Bedingung datentechnischer Vernetzung ist die Weiterentwicklung privater Dienstleistung im Rahmen einer GmbH nicht nur für die Medikamentenversorgung wie in Kiel, sondern auch für Bereiche wie Datenverarbeitung, Logistik, Personal und Beschaffung zu denken. Eine solche Einrichtung müsste für beide Klinika gemeinsam arbeiten.“

Das hier bereits vor dreieinhalb Jahren umrissene Konzept einer gemeinsamen Uniklinik-Service GmbH für die Standorte Kiel und Lübeck bietet meines Erachtens unschlagbare Vorteile gegenüber dem Aufbau eines Mammut-Systems im Rahmen traditioneller Verwaltungsstrukturen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Nur über Outsourcing und privatwirtschaftliche Organisationsformen lassen sich die Ziele höherer Effizienz und Wirtschaftlichkeit und weniger öffentliche Verwaltung tatsächlich realisieren. Ein Koloss mit dem

(Dr. Ekkehard Klug)

Titel „Universitätsklinikum Schleswig-Holstein“ kann diese Vorteile nicht gewährleisten.

Das Fusionskonzept ist auch in anderer Hinsicht problematisch. In Lübeck würde es die - nach dem Modell der Landesregierung formal eigenständig bleibende Medizinische Universität in einen Torso verwandeln, dessen Lebens- und Entwicklungsfähigkeit zumindest als zweifelhaft zu bewerten wäre. Die Fusion bindet zumindest in der Anfangsphase viele Kräfte, ohne erkennbaren Nutzen zu bringen.

Falls derartige Fusionslösungen für das Land wirklich sinnvoll wären, weshalb werden sie dann nur für die Uniklinika - nach Vorstellungen der Landesregierung oder für die Universitäten - nach den Vorstellungen von Herrn Kayenburg - zur Diskussion gestellt, nicht etwa aber für die Fachhochschulen des Landes? Das selektive Vorgehen bei den diversen Fusionsvorschlägen lässt eher den Verdacht aufkommen, dass mit ihnen eigentlich etwas anderes bezweckt wird, nämlich die Durchsetzung von Kürzungen, Schließungen und Streichungen. Wer das politisch will, der sollte das meines Erachtens auch offen sagen und sollte dann zur Kenntnis nehmen, das derartige Einschnitte auch ohne den Umweg über eine Fusion möglich wären. Denn sowohl über die Finanzausstattung als auch über die demnächst wieder neu zu schließenden Zielvereinbarungen könnte die Politik solche Einschnitte auch auf anderem Wege, ohne Umweg über Fusionen, erzwingen.

Ich zitiere jetzt kurz aus einem am 30. November letzten Jahres im Berliner „Tagesspiegel“ veröffentlichten Artikel des Dekans des Fachbereiches Humanmedizin der Freien Universität Berlin, Professor Martin Paul. Er stellt fest:

„Die organisatorische und vor allem räumliche Trennung von medizinischem Fachbereich und Klinikum ist stringent in Deutschland nur einmal im so genannten ‘Bochumer Modell’ verwirklicht. Dort zeigt sich anhand der Leistungszahlen, insbesondere in Forschung und Lehre, dass solche Strukturen zu hinteren Plätzen in der Rangliste deutscher Universitätsklinika führen.“

(Beifall bei der F.D.P.)

Exakt solche, in der Praxis also eher problematische Strukturen würden in Schleswig-Holstein geschaffen, wenn man durch Fusion ein landeseinheitliches Universitätsklinikum konstruierte, während gleichzeitig die Medizinische Fakultät an der Kieler Universität und die Medizinische Universität Lübeck als Träger von Forschung und Lehre weiterbestehen. Dann frage ich einmal Frau Simonis: Wenn Sie auf der einen Seite

das Konzept des Wellness- und Gesundheitsstandorts Schleswig-Holstein propagieren, wie passt das dann in logischer Stringenz auf der anderen Seite zu Maßnahmen, die jedenfalls im Bereich der Spitzenmedizin in Schleswig-Holstein zu Einschnitten und zu deutlichen Nachteilen nach den Erfahrungen, die anderenorts gemacht worden sind, führen werden?

(Beifall bei der F.D.P.)

Ich zitiere noch einmal aus dem Artikel von Professor Paul, den ich eben bereits erwähnt habe:

„Die Einheit von Krankenversorgung, Forschung und Lehre in einer überschaubaren Struktur ist eine Grundfunktion eines modernen Universitätsklinikums.“

Auch in der privaten Wirtschaft erweisen sich Großfusionen, wie viele Beispiele aus der jüngsten Zeit deutlich gemacht haben, oft als risiko- und misserfolgsträchtig. Positive Erfahrungen gibt es in der Wirtschaft demgegenüber mit Modellen des Outsourcing und der Dezentralisierung von Aufgabenbereichen in Form von Profitcentern.

Auch der Wettbewerbsgedanke, der ja zumindest dem Kollegen Martin Kayenburg nicht fremd sein dürfte, spricht für die Eigenständigkeit der Standorte bei gleichzeitiger Steigerung wirtschaftlicher Effizienz durch Teilprivatisierung von Service- und Dienstleistungsbereichen.

Die Uniklinika haben ein Drittmittelaufkommen von 19 Millionen DM in Kiel beziehungsweise knapp 17 Millionen DM in Lübeck, ein Drittmittelaufkommen, das unserem Land sowohl eine qualitativ beachtliche medizinische Forschung als auch viele Arbeitsplätze sichert.

Dies sollte man nicht durch Großfusionen gefährden, sondern eher ausbauen, zum Beispiel durch eine stärkere Kooperation der Kieler und Lübecker Hochschulmediziner im Forschungsbereich.

Meine Damen und Herren, die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat vor einiger Zeit eine neuartige Form von Sonderforschungsbereichen eingeführt, die so genannten „Transregio-SFBs“, Sonderforschungsbereiche, bei denen mehrere Universitäten unterschiedlicher Standorte miteinander kooperieren. Dieses Instrumentarium sollten meines Erachtens gerade die Hochschulmediziner in Kiel und Lübeck in wohlverstandenem Eigeninteresse - zur stärkeren Heranziehung von Drittmitteln -, aber auch zum Nutzen der Bürger unseres Landes nutzen.

In diesem Sinne ist das Motto „Kooperation - ja, Fusion - nein“ nach meiner Überzeugung der richtige Weg

(Dr. Ekkehard Klug)