Protocol of the Session on November 15, 2000

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: An den U- Ausschuss!)

- Nein, Herr Kubicki, die Freude will ich Ihnen nicht machen. Kommen Sie zu uns in den Umweltausschuss.

(Glocke der Präsidentin)

Ich bitte, diese Gespräche privat fortzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Dr. Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An dieser Stelle sollte eigentlich meine Kollegin Sandra Redmann für die SPD-Fraktion sprechen. Leider ist sie erkrankt. Wir wünschen ihr von hier aus beste Genesung.

(Beifall)

Umweltbildung findet auf der Ebene fast aller Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen in unserem Lande statt, ob sie nun staatlich, öffentlich oder kommunal oder privatwirtschaftlich organisiert sind oder in einem großen Maße ehrenamtlich getätigt wird.

Der Bericht der Landesregierung über den Stand der Umweltbildung ist umfangreich, ausführlich und wohl interpretiert. Die SPD-Fraktion möchte hier - stellvertretend auch für alle anderen beteiligten Ressorts dem Minister für Umwelt, Natur und Forsten herzlich für diese wichtige Dokumentation danken.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Umweltbildung und Umwelterziehung sind in Schleswig-Holstein allerdings nicht erst durch die in der Agenda 21 festgelegten Leitlinien für Umweltpolitik Bildungsziele geworden. Mit der Novellierung des Schulgesetzes unter sozialdemokratischer Verantwortung im Jahr 1990 wurde der Auftrag der Schule zur Umwelterziehung der Schülerinnen und Schüler, insbesondere deren Mitwirkung bei der Erhaltung der Lebensgrundlagen von Pflanzen, Tieren und Menschen, beschrieben. Im Übrigen gelten diese im Schulgesetz formulierten Ziele auch für die berufliche Bildung. Sie wirken also über den Horizont der Schulen hinweg. Umwelterziehung und Umweltbildung sind als Dauer- und Querschnittsaufgabe der Erziehung und Wissensvermittlung in unseren Schulen beschrieben und darüber hinaus zentraler Bestandteil der Umsetzung der Agenda 21.

Lassen Sie mich an dieser Stelle in Kürze den Bereich der schulischen Umweltbildung streifen. Umwelterziehung an unseren allgemeinbildenden Schulen ist fächerübergreifend und schulartübergreifend. Umwelterziehung ist in ihrer praktischen pädagogischen Komponente ein bestimmendes Element des Schullebens und des Schulalltags.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Richtig!)

Wer offenen Auges den Schulalltag an unseren Schulen beobachtet, wird feststellen müssen, dass nicht nur unterrichtsbezogene Umwelterziehung durch Wissenvermittlung Einzug gehalten hat, sondern vor allen Dingen auch umweltbewusstes Handeln auf einer breiteren Ebene. Schülerinnen und Schüler engagieren sich in ganz wesentlichen Bereichen der Schule, eben auch in solchen Bereichen, die eigentlich Schulträgeraufgaben umfassen.

Wer die Schullandschaft und die Landeshauptstadt beobachtet, findet an fast jeder Schule Arbeitsgemeinschaften, die sich zum Beispiel mit dem Einsparen von Energie im Schulalltag beschäftigen oder mit sehr kreativen Namensgebungen, ich denke hier an die Abdreharbeitsgemeinschaft am Preetzer Gymnasium.

(Beifall der Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Dr. Henning Höppner)

An anderen Schulen gibt es ein reiches Schülerbeauftragtenwesen, das sich organisiert hat, um die unterschiedlichen Formen und Größenordnungen des Alltagsverbrauchs an den Schulen zu reduzieren, wenn es sich um Heizungsenergie handelt, um den Stromverbrauch, um den Wasserverbrauch im Chemieunterricht, beim Duschen in den Sporthallen, wenn es um umweltschonende Reinigungsmitteln geht, um getrennte Müllsammlungen, die Entsorgung von Labormaterialien und Reagenzien oder was auch immer.

Umweltbildung hat an unseren Schulen eine stark handlungsorientierte Zielrichtung. Schülerinnen und Schüler nehmen in dieser Form nicht nur das Umweltverhalten in ihrem schulischen Umfeld, sondern auch das Umweltverhalten in ihrem häuslichen Bereich ganz anders wahr als frühere Schülergenerationen.

Zu einer klassischen Umwelterziehung gehört in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten die Schulwaldarbeit. Sie wird heute durch die Errichtung und Betreuung von Biotopen durch Schülergruppen wesentlich ergänzt. Auch hier denke ich an ein Beispiel aus dem Schulstandort Preetz, wo von Schülerinnen und Schülern der städtischen Realschule eine Herde von der Schule gehörenden Robustrindern auf einem dem Schulgelände benachbarten Gelände betreut wird.

In den beruflichen Schulen unseres Landes hat umweltbewusstes Handeln nicht nur in den spezifischen Technikbereich Einzug gehalten. Hierzu gehören die Bereiche Elektrotechnik, Heizungs- und Lüftungsbau, Gas- und Wasserinstallation und der Kraftfahrzeugbereich sowie der Bereich Ernährungswissenschaften.

Insgesamt sehe ich an unseren Schulen ein neues, geändertes und von Umweltbewusstheit bestimmtes Handeln im Unterricht und im Schulalltag, das im Übrigen von den Schulträgern, den Kreisen, den Gemeinden, den Schulverbänden und den kreisfreien Städten auch gefördert wird. Selbstverständlich geschieht dies aufgrund der Einspareffekte auch zum Vorteil des Schulträgers. Frau Todsen-Reese, Umwelterziehung hat also immer eine positive KostenNutzen-Rechnung.

(Beifall bei SPD und SSW)

Das Engagement von Lehrerinnen und Lehrern sowie von Schülerinnen und Schülern ist ausgesprochen hoch. Das Ausmaß an Freiwilligkeit, das sich im Umweltbereich entwickelt hat, ist in seinem heutigen Umfang vielleicht noch mit den Aktivitäten im Sport vergleichbar. Diese Entwicklung wird sich auch im Bereich der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung in den Schwerpunktfächern niederschlagen müssen, in denen spezielle Fragen der Umweltbildung zu vermitteln sind. Ich nenne hier die Fächer Biologie, Chemie,

Physik, Geographie, Heimat- und Sachkunde, Technik sowie die bereits erwähnten berufsbezogenen Bereiche.

Die Ausführungen des Berichts der Landesregierung machen deutlich, dass Fragen der Umweltbildung eine Vielzahl von Studienfächern, Ausbildungsgängen und Forschungsfeldern betreffen und dass Umweltbildung nicht aus separierbaren Ausbildungsanteilen allein bestehen kann, sondern ganzheitlich oder - besser vernetzt vermittelt werden muss. Wir gehen in der SPD-Fraktion im Übrigen selbstverständlich davon aus, dass Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Lehrplanevaluierung sowie eine fachliche und schulaufsichtliche Koordinierung durch die Landesregierung sicherzustellen sind.

Den Bereich der freien und offenen Umweltbildung im außerschulischen Bereich und in der Erwachsenenbildung möchte ich nur am Rande streifen. Der Minister hat sie in dem Bericht auf den Seiten 51 bis 61 sehr ausführlich aufgelistet und dargestellt, welche kommunalen und freien Träger Einrichtungen unterhalten und heute Aufgaben der Umweltbildung wahrnehmen.

Wenn Sie nur wenige Jahre zurückblicken, dann müssen Sie feststellen, dass die Umweltbildung auf ehrenamtlicher Ebene heute eine nie erwartete Größenordnung angenommen hat.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern, die sich in diesem Bereich engagieren, Anerkennung und Dank aussprechen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Wir wissen, dass im ehrenamtlichen Bereich viele Menschen aktiv sind, die auch sonst häufig an unseren Schulen als Pädagoginnen und Pädagogen wirken. Dabei vertreten sie auch Vereine und Verbände, die im Rahmen privaten Engagements zu Planungen, behördlichem Handeln und anderen umweltrelevanten Fragen Stellung nehmen. Diese Pädagoginnen und Pädagogen und deren Stellungnahmen stehen den planenden Kommunen, den Gremien der ehrenamtlichen und der hauptamtlichen Verwaltung oder auch den Maßnahmeträgern häufig als vermeintliche Verhinderer gegenüber. Ich denke aber, dass sie ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft und unserer pädagogischen Gesellschaft sind und dass sie ganz wesentlich dazu beigetragen haben, das Umweltbewusstsein in unserer Gesellschaft zu entwickeln. Frau Todsen

(Dr. Henning Höppner)

Reese, es gibt sie - wie wir alle wissen - in allen Parteien, die auch hier im Landtag vertreten sind.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Politisches Handeln hat eine pädagogische Dimension. Wir handeln nach unserem Vorbild. Handeln wir also auch im Bereich der Umweltpolitik entsprechend unserem pädagogischen Auftrag.

Ich bitte um Überweisung an den Umweltausschuss zur federführenden Beratung und an den Bildungsausschuss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Umweltministerium hat in Beantwortung der Großen Anfrage zum Thema Umweltbildung in SchleswigHolstein vieles aufgelistet. Ein Kernproblem bleibt in diesen Antworten freilich unerwähnt: Der zunehmende Lehrermangel in den naturwissenschaftlichen Fächern entzieht der Umweltbildung an den Schulen in unserem Land immer mehr die Grundlage.

(Beifall bei der F.D.P.)

In diesem Wintersemester sind an der Universität Flensburg im Fach Physik nur sechs Studierende für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen eingeschrieben. Kein einziger studiert im Fach Chemie. Das sind Zahlen, die mir das Ministerium kürzlich in der Antwort auf eine Kleine Anfrage mitgeteilt hat. Wenn dieser Trend so weitergeht, dann werden naturwissenschaftliche Fachlehrer - jedenfalls im Hauptschulsektor - in absehbarer Zeit völlig verschwinden. Diese Entwicklung kann uns nicht ruhen lassen, hier gegenzusteuern. Naturwissenschaftliche Bildung ist - und das gilt nicht nur für den Komplex Umweltbildung, sondern ist für die Wirtschaft ebenso relevant - ein zentraler Teil des Bildungsangebots an den Schulen.

Bei den Realschul- und Gymnasiallehrern ist die Nachwuchssituation zwar nicht so dramatisch, der Mangel wird jedoch jetzt schon - zumindest regional spürbar. Wir wissen, dass diese Tendenz auch bei diesen Schularten ansteigend ist. Es geht darum, dafür zu kämpfen und dafür zu sorgen, dass es in den kommenden Jahren eine gute Unterrichtsversorgung mit naturwissenschaftlichen Fachlehrern geben wird. So wie kulturelle Bildung ohne die Unterrichtsfächer Musik und Kunst nicht vorstellbar ist, so sind auch Themen der Umweltbildung ohne naturwissenschaftli

chen Fachunterricht schlicht und ergreifend nicht darstellbar, auch wenn dies Themen sind, die mehrere Fächer angehen. Gert Börnsen hat vor wenigen Tagen eine Bildungsoffensive der Landesregierung angemahnt. Ich meine, es muss vor allem darum gehen, auch für die Naturwissenschaften an den Schulen dieses Landes eine Bildungsoffensive in Gang zu setzen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Das gilt - wie gesagt - aus vielerlei Gründen. Dazu gehört die Sicherung der Umweltbildung für die Zukunft, aber auch die hohe wirtschaftliche Dimension. Dazu gehört auch, dass man sich darüber Gedanken macht, ob man nicht - zumindest in bestimmten Mangelfächern in den Bereichen, in denen die Fächer vor drei Jahren in Kiel abgeschafft wurden - parallel zu dem Studienangebot in Flensburg ein Studienangebot wieder einrichtet. Ceterum censeo - ich meine, das wird unabdingbar sein, um in den kommenden Jahren die Unterrichtsversorgung in diesen wichtigen Fächern sicherzustellen.

Das Umweltministerium hat zum Thema Umweltbildung vieles aus seinem Ressortbereich zusammengetragen. Dort, wo es aber nicht unmittelbar zuständig ist, scheint es keinen vollständigen Überblick über die Situation im Lande zu besitzen. Ich möchte das an einigen Punkten deutlich machen. Im Abschnitt H geht es um die Hochschulen. Dort vermisse ich einen Hinweis auf das im vorigen Jahr eingerichtete Graduiertenkolleg Integrative Umweltbewertung. Dieses Kolleg ist ein DFG-gefördertes Projekt und - wie ich finde sehr wichtig, weil es sich fächerübergreifend - unter Einbeziehung der Fachgebiete Ökosystemforschung, Rechts- und Verwaltungswissenschaften sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften - darum bemüht, Konzepte zu entwickeln, die das 1992 auf der Konferenz von Rio entwickelte Nachhaltigkeitsprinzip betreffen.

Ich zitiere aus dem Aufgabenkatalog dieses Graduiertenkollegs:

„Ziel ist die Entwicklung von praxistauglichen Verfahren zur disziplinübergreifenden, das heißt integrativen Bewertung von Ökosystemen für eine nachhaltige Umwelt- und Entwicklungsplanung.“

Ich meine, dass dieser interdisziplinäre Ansatz ungeheuer zukunftweisend und wichtig ist und Beachtung verdient.