Ich erteile zunächst dem Berichterstatter aus dem Bildungsausschuss, Herrn Abgeordneten Dr. von Hielmcrone, das Wort.
Vielen Dank, Herr Berichterstatter. Sie haben umfänglich auf die Vorlage verwiesen. - Wortmeldungen zu diesem Bericht sehe ich nicht. Dann eröffne ich die Aussprache. Für die Fraktion der SPD spricht Herr Abgeordneter Eichstädt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt eine Änderungsantrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU vor, der sich für ein Rauchverbot an Schleswig-Holsteins Schulen ausspricht. Dies bedeutet für meine Fraktion einen Paradigmenwechsel, der das Ergebnis einer ausführlichen Diskussion ist. Wir haben nach dem Grundsatz gehandelt: Wenn wir neue Erkenntnisse haben, müssen wir unsere Meinung ändern. Das haben wir getan.
Es ist eine zentrale Aufgabe aller, die an der Erziehung junger Menschen beteiligt sind, diese davon zu überzeugen, dass Tabakkonsum für sie selbst und für andere Menschen schädlich ist. Wie viele Länder in Deutschland haben wir in Schleswig-Holstein in den letzten zwölf Jahren auf das Prinzip der Prävention
Wir sind auch heute noch der Auffassung, dass diese Programme grundsätzlich richtig und wichtig, möglicherweise aber nicht ausreichend waren. Denn: Nach zwölf Jahren haben die Programme nicht den von uns gewünschten Erfolg gebracht. Der Nikotinkonsum an Schulen ist gestiegen. Das Alter der mit dem Rauchen beginnenden Kinder sinkt immer weiter. Wir stehen bei einem durchschnittlichen Suchteintrittsalter von 12,6 Jahren. Wir stellen einen signifikanten Unterschied bei der Rauchfrequenz zwischen den einzelnen Schularten fest. Am Gymnasium wird später und weniger geraucht als an der Hauptschule. Der Anteil der Mädchen an den rauchenden Schülern steigt ebenfalls. Es kann als einigermaßen gesichert angesehen werden, dass eher diejenigen Schüler und Schülerinnen an den Cannabis-Konsum geraten, die vorher schon rauchen, als Nichtraucher.
Dies sind alarmierende Entwicklungen, die mich und meine Fraktion nach einem, wie Sie sich vorstellen können, nicht einfachen Diskussionsprozess dazu geführt haben, die Präventions- und Gesundheitsprogramme durch ein generelles Verbot des Rauchens auf dem Schulgelände zu ergänzen. Wir glauben, dass es aufgrund der beschriebenen Entwicklung richtig ist, den Schulen und Schulleitungen auch vonseiten des Parlaments den Rücken zu stärken und deutlich zu sagen: Rauchen an Schleswig-Holsteins Schulen ist verboten.
Denjenigen, die bemängeln werden, dass Verbote alleine nichts nützen, das Problem möglicherweise nur verschieben, sei gesagt: Alle bisherigen präventiven Maßnahmen sind damit in keiner Weise überflüssig, im Gegenteil. Sie müssen fortgeführt und weiterentwickelt, ja verstärkt werden. Denn in einem sind wir uns sicher einig: Es reicht uns nicht aus, das Rauchen in der Schule zu verdammen. Was wir wollen, ist neben der rauchfreien Schule vor allem der rauchfreie Schüler, in und außerhalb der Schule.
Das bedeutet eben auch, dass das Rauchverbot an Schulen in Zukunft ein wichtiges Signal, aber auch nur einen Baustein in einem Gesamtkonzept darstellt, das Rauchen für Kinder und Jugendliche wirksam bekämpft.
Europa. Da ich weiß, dass der SSW unserem Antrag nicht folgen wird, sage ich gleich etwas zu Skandinavien. In Schweden zum Beispiel gibt es das Rauchverbot an Schulen schon lange. Was aber wichtiger ist: Es rauchen dort nur halb so viele Schüler wie bei uns. Ähnliches gilt für Finnland, aber auch viele nichtskandinavische Länder.
Eine Umfrage im Auftrag des „Spiegel“ im Dezember 2004, nach der 79 % der Bevölkerung bei uns ein Verbot des Rauchens an Schulen unterstützen, zeigt die grundsätzliche Akzeptanz dieses Weges. Ein rauchfreies Schulgebäude ist ein Schlüsselelement, um den Einstieg in den Tabakkonsum zu erschweren.
Dass 27 % der Schüler ihre Lehrkräfte täglich beim Rauchen sehen, lässt erahnen, dass die Bemühungen von Lehrkräften, über die schädlichen Folgen des Rauchens aufzuklären, unglaubwürdig bleiben, solange ein Teil von ihnen in der Schule als Rauchende wahrgenommen wird.
Ich will aber auch betonen, dass das Bemühen um den nicht rauchenden Schüler nicht den Schulen allein überlassen werden darf. Was wir brauchen, ist langfristig ein gesellschaftliches Klima des Nichtrauchens. Dies ist die unverzichtbare Grundlage für alle Präventions- und Aufklärungskampagnen.
Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir in Deutschland endlich zu einer Konzessionierung von Tabakverkauf kommen und die Zigarettenautomaten abschaffen. Das muss das, was wir heute auf den Weg bringen, mittelfristig ergänzen, um damit die problemlose Verfügbarkeit von Tabakwaren für Kinder und Jugendliche einzuschränken. Auch die kaum beschränkte Werbung für Tabakprodukte, die besonders Jugendlichen vermittelt, man müsse beim Rauchen dabei sein, um im Leben dabei zu sein, gehört gesundheitspolitisch endlich auf den Prüfstand.
Ich komme zum Schluss. Es ist nicht unbedingt zu erwarten, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich bei einer im Parlament über Jahre kontrovers diskutierten Frage gerade in Wahlkampfzeiten die beiden großen Parteien gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf einen neuen Weg einigen, der sicherlich auch zu kritischen Diskussionen in der Fachöffentlichkeit führen wird. Aber ich meine auch ein gutes Zeichen darin zu erkennen, dass das in unserem Parlament möglich ist. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich meinem Kollegen Peter Eichstädt und seiner einsichtigen Fraktion danken. Einsicht siegt über Ideologie und wird zu verantwortungsbewusstem Handeln. Schon Henning Höppner hatte diese Einsicht, aber trotz seines Lebendgewichts, weil vielleicht zu früh, nicht die Durchsetzungskraft in seiner Fraktion.
Meine Fraktion ist froh, dass die SPD endlich das begriffen hat, was ich 2001 bei der ersten Antragstellung bereits vorgetragen habe. Die SPD hat es sogar in ihren Antrag aufgenommen, außerdem die ersten drei Absätze der Berichts- und Beschlussempfehlung, die Reaktion auf unseren Antrag von 2001. Das ergibt natürlich lyrische Masse. Dazwischen liegen leider drei verlorene Jahre. Die Landesstelle gegen die Suchtgefahren bittet inständig seit 2001 um so einen Erlass zur Unterstützung ihrer Arbeit.
Im Ärzteblatt fordern die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie und die Deutsche Herzstiftung im September 2003: „Rauchverbot in Schulen ist überfällig“. Krankenkassen schließen sich dieser Forderung an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite, wenn es um Schulsysteme geht, ist Skandinavien für Sie das gelobte Land. Warum aber nur so selektiv? Ich bedanke mich schon wieder bei dem Kollegen Eichstädt. Er hat nämlich das zitiert, was auch ich gerne zitieren wollte.
Mit dem Zitat, dass in Skandinavien alle Schulen rauchfrei sind, begründete das Abgeordnetenhaus Berlin am 17. Juni 2004 sein generelles Rauchverbot an Schulen.
- Natürlich muss es eingehalten und kontrolliert werden, Frau Spoorendonk. Dazu müssen wir den Lehrerinnen und Lehrern wieder Instrumente an die Hand geben.
In Berlin gilt das Rauchverbot an Schulen seit Juni 2004. In Niedersachsen wird es ab Februar 2005 so sein. In Bayern wird es ab Herbst 2005 gelten. In Hamburg wird ab Sommer 2005 an Schulen nicht mehr geraucht.
Chance vertan! Schleswig-Holstein hätte nach unserem ersten Antrag zum zweiten Halbjahr des Schuljahres 2001/02 Vorreiter in Deutschland für Jugend- und Gesundheitsschutz an Schulen sein können, und es hätte fast nichts gekostet. Einmal hätten wir Vorreiter sein können. - Schade.
Die hehren Ziele, durch Überzeugungskraft und Prävention zur Einsicht zu kommen, von meinem Kollegen Peter Eichstädt am 15. Dezember 2004 noch vertreten, konnten nicht erreicht werden. Im Gegenteil. Die Situation hat sich verschärft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt beeindruckende Berichte von realen Schülern, die reale Schulen besuchen, an denen die rauchfreie Zone per Erlass durchgesetzt wurde, Berichte von Schülern, die das Rauchen aufgegeben haben. Sie sagen: Erstens besteht kein gruppendynamischer Zwang mehr, zweitens ist es zu umständlich, nach Auswegen zu suchen, und drittens spart es Geld.
Meine Damen und Herren, wir müssen nicht mehr prüfen, abwarten, diskutieren und appellieren - wir müssen einfach einmal handeln.
Ich bedanke mich für die sachlich richtige Entscheidung. Schleswig-Holsteinische Schulen werden zum Schuljahr 2005/06 rauchfreie Zonen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Liberalen unterstützen die Zielsetzung des Antrages, Schulen zu rauchfreien Zonen zu machen. Den im letzten Absatz der Antragsvorlage vorgeschlagenen Weg, dieses Ziel über ein Rauchverbot zu erreichen, halten wir aber für eine vordergründige Scheinlösung, die in der Schulwirklichkeit viel mehr Probleme aufwerfen wird, als dass sie zur tatsächlichen Lösung in der Sache beitragen kann.
Lassen Sie mich dazu zwei Zitate anführen. Das erste stammt aus den „Elmshorner Nachrichten“ vom 22. Januar dieses Jahres. Da heißt es:
„Für fast alle Schulleiter stellen geeignete Maßnahmen zur Durchführung des Verbots das größte Problem dar. Sabine Hamer von
der Realschule Ramskamp: ‚Was sollen wir denn machen, wenn Schüler und Schülerinnen trotzdem rauchen? Ein Schulverweis kann es doch wohl nicht sein.’“
Sabine Hamer ist frühere Landtagsabgeordnete der SPD. Viele von uns erinnern sich gut an ihre Zeit hier im Landeshaus.
„Aus meiner Erfahrung muss ich warnen: Vorsicht von Verboten, die Sie nicht durchsetzen können! Wer Rauchen verbietet, muss scharf kontrollieren. Und er muss Sanktionen zur Hand haben: von Mahnschreiben an die Eltern bis zu einem vorübergehenden Unterrichtsausschluss.“
Mein Fazit nach diesen Zitaten lautet: Es ist sehr billig, den Schulen die Durchführung eines Verbots aufzutragen, sie aber bei dessen Durchsetzung im Regen stehen zu lassen.