Protocol of the Session on December 17, 2004

Ich rede über ein Bundesgesetz, das im Vermittlungsausschuss des Bundesrates keine Gnade gefunden hat und nicht nur von allen CDU/CSU-geführten Bundesländern, sondern ebenso von den SPDgeführten Bundesländern Brandenburg und Rheinland-Pfalz abgelehnt wird. Für den Fall, dass im Bundesrat keine Verständigung mit dem Bund zu erzielen ist, fordern wir die Landesregierung auf, dem Gesetz so, wie es vorliegt, nicht zuzustimmen.

Um Irrtümern vorzubeugen: Wir sind für die Schaffung von Retentionsflächen. Wir halten es für richtig und wichtig, vorausschauend Maßnahmen zum Hochwasserschutz zu ergreifen. Aber das muss mit Vernunft und Augenmaß geschehen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das Gesetz setzt Fakten über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Beschränkungen und Verbote, auch gegen jeden fachlichen Rat, sollen durchgesetzt werden.

Es ist noch keine 14 Tage her, da hat der Umweltminister des Landes erklärt, er werde auf die Menschen zugehen beziehungsweise man müsse die Menschen mitnehmen und er wolle eine verbindliche Form der Beteiligung bei umweltpolitischen Projekten finden.

Herr Minister, es ist immer gut, Politik mit den Menschen und nicht gegen sie zu machen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Kaum haben Sie, Herr Minister, Ihre neue Politik verkündet, machen Sie im Bundesrat das Gegenteil. Dort setzt sich die schleswig-holsteinische Landesregierung für ein Bundesgesetz ein, das nicht ansatzweise die Betroffenen mitnimmt und einbindet. Das Gesetz ist voller Bewirtschaftungsbeschränkungen, Verboten bis hin zu enteignungsgleichen Tatbeständen. Von einer Mitwirkung Betroffener ist dagegen nichts zu lesen.

Ich hoffe sehr, dass die Landesregierung die angekündigte Politik wahr macht und ernsthaft Schritte unternimmt, um das Gesetz zu verhindern, das die Interessen der betroffenen Menschen ausblendet. Nicht die angekündigte Kooperation mit der Landwirtschaft ist die Grundlage des Gesetzes, sondern die gewollte Konfrontation. So, Herr Minister, schafft man kein Vertrauen und Ihre Ankündigungen werden zu inhaltsleeren Floskeln, fernab von jeder Realität.

(Beifall bei der CDU)

Fernab von der Realität ist das Gesetz insgesamt. Die Kommission der Europäischen Union plant ein gemeinsames Aktionsprogramm für den Hochwasserschutz. Niemand weiß derzeit, welche Folgerungen sich aus den künftigen EU-Regelungen ergeben. Es ist absolut unsinnig, jetzt ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das nach kurzer Zeit durch EU-Recht überflüssig wird.

Ich will es mir ersparen, den umfangreichen Änderungskatalog des Vermittlungsausschusses hier vorzutragen. Betroffen durch das Gesetz ist keineswegs nur die Landwirtschaft, sondern sind ebenso Unternehmen, Bürger und Kommunen. Das Gesetz macht nicht einmal vor der Planungshoheit der Gemeinden Halt.

Insgesamt betrachtet komme ich zu folgendem Ergebnis: Das Gesetz ist wegen bevorstehender EURegelungen überflüssig, es greift in Eigentumsrechte ein, es geht rücksichtslos über die Köpfe der Menschen hinweg und es ist erneut ein Beispiel dafür,

(Claus Ehlers)

dass rot-grüne Beteuerungen, die Menschen einzubinden, nichts wert sind.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, dem Gesetz nur mit den umfangreichen Änderungen des Bundesrates zuzustimmen und andernfalls das Gesetz abzulehnen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Abgeordneten Helmut Jacobs das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich näher auf den CDU-Antrag zu sprechen komme, der, nebenbei gesagt, eine Zumutung ist,

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

möchte ich auf die vorletzte Novellierung des Landeswassergesetzes eingehen. In dem Gesetz gab es die §§ 57 bis 59, in denen geregelt wurde, was Überschwemmungsgebiete sind und wie sie festgesetzt werden.

Zu den Verboten gehörten die Errichtung von baulichen Anlagen und das Umbrechen von Grünland in Ackerland. Im Gesetz war festgeschrieben, dass die Wasserbehörde zur Wahrung der im Wasserhaushaltsgesetz genannten Schutzziele anordnen kann, dass die Nutzungsberechtigten von Grundstücken Gegenstände und Ablagerungen sowie bauliche und sonstige Anlagen, die den Wasserabfluss behindern, beseitigen und Grundstücke so bewirtschaften, wie es zum schadlosen Abfluss des Hochwassers erforderlich ist.

Seinerzeit wurden diese Regelungen vom Bauernverband, von den Unternehmensverbänden und von den Industrie- und Handelskammern vehement bekämpft. Ich erinnere mich sehr gut daran. Man befürchtete Nachteile für die Landwirtschaft, für Gründstückseigentümer und für Gewerbebetriebe.

Wir blieben zum Glück seinerzeit im Wesentlichen bei den Formulierungen, ließen aber das öffentliche Interesse als einen Ausnahmetatbestand zu.

Nun fordert die CDU lapidar, das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes im Bundesrat abzulehnen.

(Claus Ehlers [CDU]: Zusammen mit SPD- regierten Ländern!)

Gründe werden in dem Antrag nicht genannt. Das Gesetz ist vom Bundestag mit den Stimmen von SPD und Grünen beschlossen worden, und zwar als Konsequenz aus der Hochwasserkatastrophe des Jahres 2002.

(Claus Ehlers [CDU]: Und was ist mit Rheinland-Pfalz und Brandenburg?)

- Dazu sage ich gleich etwas. Eine Ablehnung im Bundesrat erübrigt sich, weil dies bereits geschehen ist. Das Gesetz liegt jetzt im Vermittlungsausschuss. Am Mittwoch wurde die Behandlung auf Februar vertagt. Wie bei allen Gesetzen im Vermittlungsausschuss ist davon auszugehen, dass es Kompromisse geben wird, dass auch Rheinland-Pfalz zu seinem Recht kommt, dass alle Länder, die sich dagegen ausgesprochen haben, zufrieden sein können.

Mit dem Hochwasserschutzgesetz sollen die verschiedenen hochwasserrelevanten Rechtsvorschriften des Bundes den Erfordernissen einer wirksamen Hochwasservorsorge angepasst werden. Es ist vorgesehen, in Überschwemmungsgebieten grundsätzlich keine neuen Bau- und Gewerbegebiete mehr auszuweisen. Die entsprechenden Gebiete sollen von den Ländern innerhalb von fünf Jahren flächendeckend benannt werden. Ackerbau soll in flutgefährdeten Regionen nur unter bestimmten Bedingungen möglich sein. So dürfen bestimmte Pflanzenschutz- und Düngemittel nicht eingesetzt werden. Auch muss der Boden ganzjährig bepflanzt sein und in besonders erosionsgefährdeten Abflussbereichen soll Ackerbau generell verboten werden.

Dort werden im Übrigen auch keine neuen Ölheizungsanlagen mehr genehmigt, es sei denn, Alternativen sind wesentlich teurer. Landesrecht soll auch die Erneuerung vorhandener Ölheizungen regeln.

Es wird vorgegeben, mindestens ein 100-jährliches Hochwasser für die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten zugrunde zu legen. Der Gesetzentwurf verpflichtet die Länder, die Überschwemmungsgebiete und überschwemmungsgefährdeten Gebiete in den Raumordnungs- und Bauleitplänen zu kennzeichnen. Dadurch erfolgt eine frühzeitige Information über Hochwassergefahren, auf die sich die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger einstellen können.

Mit dem Gesetz sollen in Zukunft die immensen Schäden, die bisher bei Hochwasserkatastrophen wie im August 2002 durch die Zerstörung von Gebäuden entstanden sind, vermieden werden. Auch die Land

(Helmut Jacobs)

wirtschaft muss sich künftig an den Gefahren des Hochwassers orientieren. Der Ackerbau ist in den Überschwemmungsgebieten bis Ende des Jahres 2012 grundsätzlich einzustellen. Das Gesetz wird künftig verhindern, dass Industrieanlagen und Gewerbeflächen den Flüssen in den Weg gebaut und dadurch erneut Milliardenschäden bei der nächsten Flutwelle programmiert werden.

Ein Gesetz, das Lehren aus schlimmen Katastrophen in der Vergangenheit zieht, ist notwendig.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Vermutlich ist die Überflutung der Elbe schon wieder vergessen. Als die Bilder noch frisch waren, war die Bereitschaft groß, zum Beispiel auf die Bebauungen in der Nähe von hochwassergefährdeten Gebieten zu verzichten. Jetzt scheinen diese Vorsätze wieder zu verblassen.

Die CDU hat nichts dazugelernt. Der Antrag ist unsinnig und abzulehnen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zurufe von der CDU)

Auf der Tribüne darf ich neue Gäste begrüßen, und zwar die Mitglieder der Frauengruppe „Mixed Pickles“ aus Lübeck.

(Beifall)

Für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Günther Hildebrandt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Als im Jahre 2002 der Bundesregierung das Wasser bis zum Hals stand, kam die große Jahrhundertflut. Der Kanzler konnte Gelder verteilen, Steuersenkungen wurden verschoben und die Bundesregierung durfte im Amt bleiben. - Das kennen wir alle.

Die Wahl war gewonnen und bei der Bundesregierung kehrte Ruhe um den Hochwasserschutz ein. Es war die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, die mit ihrem Antrag „Hochwasserschutz - Solidarität erhalten und Eigenverantwortung stärken“ bereits im Juli 2003 das Thema wieder aufgriff und zahlreiche konkrete Maßnahmen für eine für die Zukunft tragfähige und vorausschauende Strategie für den Hochwasserschutz vorschlug. Selbstverständlich macht es keinen Sinn, in möglichen Überflutungsgebieten beispielsweise Industrieansiedlungen oder Wohnansiedlungen zu planen und durchzuführen.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die FDP-Bundestagsfraktion hat dabei insbesondere auf eine ausgewogene Lösung zwischen den ökologischen und den ökonomischen Interessen hingewirkt, natürlich ohne dabei den Aspekt der Gefahrenabwehr zu vergessen. In ökologischer Hinsicht ging es beziehungsweise geht es in unserem Gesetzentwurf nach wie vor vor allem um Maßnahmen zur Erhaltung eines naturnahen Gewässerzustandes, zur Entsiedelung der Flächen, zur Verminderung der Bodenverdichtung und zur Verbesserung der Regenwasserversickerung.

In ökonomischer Hinsicht ging es insbesondere um die grundsätzliche Möglichkeit der weiteren Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen beziehungsweise des finanziellen Ausgleichs für diejenigen Flächen, die im Rahmen des Hochwasserschutzes nicht mehr bewirtschaftet werden können.

Die Bundesregierung brauchte zwei Jahre, um selbst einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes auf den Weg zu bringen. Dieser Entwurf ist allerdings inakzeptabel, weil er insbesondere die Interessen der Landwirte, aber auch die Interessen sonstiger Gewerbetreibender fast völlig ignoriert.

(Beifall bei der FDP)