Protocol of the Session on November 12, 2004

aber nicht die politische Leitung des Hauses, sondern die zuständige Abteilung verantwortlich.

Ich komme nun zu der Affäre, die mit dem Namen Dr. Pröhl verknüpft ist: Dr. Pröhl hat nach unseren Feststellungen über mehrere Jahre Nebentätigkeiten ausgeübt, die zumeist in direkter Verbindung zu seinen dienstlichen Aufgaben standen und daher wegen der Gefahr von Interessenkollisionen nicht genehmigungsfähig waren. Ohne Wissen der Landesregierung war Dr. Pröhl unter anderem an der Firmengruppe B & B Falk Brückners beteiligt, welche, wie wir wissen, das Kieler Schloss aus Landesbesitz kaufen und zu einer Seniorenresidenz umbauen wollte. Dr. Pröhl hat hier nach unseren Erkenntnissen mit erheblichem zeitlichen Aufwand, und zwar während seiner Dienstzeit, das Projekt mit vorbereitet, Verhandlungen mit Investoren und Betreibergesellschaften geführt, Verträge geschlossen sowie Firmen gegründet.

Die Gründe des Verhaltens von Dr. Pröhl haben wir sehr aufwendig untersucht. Sie liegen nach unseren Erkenntnissen in seiner wirtschaftlichen Situation. Pröhl wollte sich eine berufliche Zukunft außerhalb des Landesdienstes aufbauen, um nach dem Ende des EXPO-Projektes gemeinsam mit Falk Brückner das ganz große Geld verdienen zu können. Hierzu nutzte Dr. Pröhl seine dienstlichen Kenntnisse und Kontakte, um in der B & B-Firmengruppe Projekte vorzubereiten, die später gemeinsam ausgeführt werden sollten.

Im Falle des Projektes Kieler Schloss hat Dr. Pröhl die Staatskanzlei erst im September 2001 darüber unterrichtet, dass er - Zitat - „vorsorglich“ als Vorstand bei der B & B Relations AG eingetragen sei, dort keine Tätigkeit ausübe und die Gesellschaft noch keine Geschäftstätigkeit aufgenommen habe. Dass er dort schon seit Monaten auch während seiner regulären Dienstzeit gemeinsam mit Falk Brückner das Projekt Kieler Schloss vorbereitete, verschwieg er ebenso wie seine anderen Vorstands- und Geschäftsführpositionen in der B & B-Gruppe. Als der Schwindel im Februar 2002 aufflog, versuchte Dr. Pröhl, sich durch die Behauptung zu entlasten, die Staatskanzlei und die Ministerpräsidentin seien über seine Tätigkeiten seit langem informiert und hätten diese gebilligt.

Insbesondere die Behauptung Dr. Pröhls, die Ministerpräsidentin sei eingeweiht gewesen, weckte bei CDU und FDP Begehrlichkeiten, hinter denen eine seriöse Untersuchung der Vorgänge durch die Opposition zwangsläufig zurückstehen musste. So wurden die abenteuerlichen Behauptungen von Dr. Pröhl, wann und bei welchen Gelegenheiten er die Ministerpräsidentin über seine Tätigkeit für B & B informiert

haben will, von der CDU-Fraktion kurzerhand zur Wahrheit erhoben.

Sie, Herr Oppositionsführer Kayenburg, versuchten sich am 8. Juni 2003 gar als Astrologe und verstiegen sich zu der Vorhersage, „die Ministerpräsidentin werde den Sommer 2003 politisch nicht überleben“. Wie wir heute mit Blick auf die Regierungsbank feststellen können, ist sie noch im Amt und, wie wir sehen, putzmunter.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Da die pröhlschen Märchen über ein angebliches Wissen der Ministerpräsidentin durch zahlreiche Zeugen, Unterlagen und Gerichtsentscheidungen inzwischen sämtlich widerlegt wurden, hat die CDU nun allerdings ein Problem mit ihrem Kronzeugen Dr. Pröhl. Der darf dies alles nämlich aufgrund von Gerichtsbeschlüssen nicht mehr behaupten und muss sich sogar in Berlin wegen des Verdachts der Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen gerichtlich verantworten. Was tut die CDU? Sie löst das Problem durch Ignoranz der Fakten. In ihrem Bericht bleiben die Behauptungen einfach stehen und die ihr unangenehmen Fakten werden weggelassen.

Für die SPD-Fraktion steht jedenfalls außer Zweifel, dass die Landesregierung - insbesondere die Ministerpräsidentin - erstmals in Verbindung mit der Berichterstattung über die Vorgänge um das Kieler Schloss im Februar 2002 Kenntnis von den Machenschaften des Dr. Pröhl erhalten hat.

Wenn der damalige Chef der Staatskanzlei, Gärtner - das will ich nicht unerwähnt lassen -, bei der Lektüre der Post von Dr. Pröhl mehr Sorgfalt an den Tag gelegt hätte, hätte er die Doppelrolle Pröhls erkennen können. Für seinen Rücktritt nach dem Bekanntwerden der Vorgänge um Pröhl haben ihm alle Fraktionen des Hauses Respekt gezollt. Gleichwohl haben die Untersuchungen keine Hinweise ergeben - das stellt auch die FDP fest -, dass er um das Doppelspiel Pröhls gewusst hat.

Für uns ist auch unstrittig, dass die Bearbeitung des Nebentätigkeitsantrags durch die zuständige Abteilung der Staatskanzlei zügiger und stringenter hätte durchgeführt werden müssen, auch wenn wir heute wissen, dass Dr. Pröhl das Verfahren durch bewusste und gewollte Verschleierung seiner Nebentätigkeiten absichtlich erschwert hat. Als jedoch feststand, in welchem Ausmaß Dr. Pröhl das Vertrauen seiner Vorgesetzten missbraucht und gegen das Nebentätigkeitsrecht verstoßen hat, wurde aus der Sicht der SPD-Fraktion konsequent gehandelt: Dr. Pröhl wurde fristlos entlassen.

(Günter Neugebauer)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen, Herr Präsident. Ich schließe mich dem Dank an, den der Ausschussvorsitzende ausgesprochen hat. Ich danke namentlich den beiden Ausschussvorsitzenden, Thomas Stritzl und Rolf Fischer, stellvertretend für die Mitarbeiter der Landtagsverwaltung Herrn Dr. Caspar vom Wissenschaftlichen Dienst und natürlich auch dem Ausschussgeschäftsführer; diesbezüglich kann ich mich den Ausführungen von Herrn Stritzl nur anschließen.

Mein besonderer Dank - das wird mir niemand übel nehmen - gilt natürlich meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen die mit mir gemeinsam an 86 Tagen im Ausschuss beraten haben und an vielen weiteren Tagen mit der Vorbereitung der Sitzungen befasst waren.

Ich bedanke mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meiner Fraktion, insbesondere bei Herrn Thorsten Pfau, der mir im letzten Jahr ganz allein mit juristischem Rat und Tat zur Seite stand.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wie ich erfahren habe, will für die CDU heute statt des Sachkundigen, aber, wie wir alle sehen, abwesenden Obmann-Kollegen der Oppositionsführer selbst sprechen, obwohl er - ich habe noch einmal nachgeschaut - an der Beweisaufnahme faktisch nicht teilgenommen hat.

Herr Kayenburg, ich spreche Sie persönlich an. Ich führe das darauf zurück, dass Sie nach der Lektüre des Berichts doch zu der Einsicht gelangt sind, dass Sie und Ihre Fraktion mit diesem Ausschuss und dem ganzen Gehabe deutlich über das Ziel hinausgeschossen sind. Sie haben sich zu lange auf Ihren einzigen Kronzeugen, Dr. Pröhl, gestützt. Ihm glauben weder die Gerichte noch werden seine schweren Anschuldigungen durch Fakten und Zeugenaussagen gedeckt. Ich stelle fest: Ihre Kampagne ist in sich zusammengebrochen. Die Ministerpräsidentin Heide Simonis ist vollständig rehabilitiert.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Herr Kayenburg, Sie haben jetzt die Chance, sich im Namen Ihrer Fraktion für die Kampagne gegen Frau Ministerpräsidentin Heide Simonis zu entschuldigen.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich erteile dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Kayenburg, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anfang des Jahres 2002 leitete die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Staatssekretär im Finanzministerium, Dr. Lohmann, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Korruption und anderer Delikte ein. Nahezu zeitgleich begann die Staatsanwaltschaft gegen Dr. Pröhl, den ehemaligen ExpoBeauftragten der Landesregierung, zu ermitteln. Auch diese Ermittlungen wurden unter anderem wegen des Verdachts der Korruption eingeleitet. Herr Dr. Lohmann hat inzwischen einen Strafbefehl akzeptiert. Gegen Dr. Pröhl ist wegen verschiedener Straftaten Anklage erhoben worden. Diese strafrechtlichen Ermittlungsverfahren haben für uns elementare Fragen aufgeworfen, und zwar: Wie ist eine Landesregierung eigentlich organisiert, wenn in ihrem innersten Bereich derart schwere Verfehlungen begangen werden können?

(Beifall bei CDU und FDP)

Wie konnte es dazu kommen, dass die Landesregierung nicht frühzeitig eingeschritten ist? Was will die Landesregierung unternehmen, um derartige Verfehlungen zu unterbinden? Diese Fragen zu stellen und zu klären, ist die verfassungsmäßige Pflicht der Opposition. Zur Klärung dieser Fragen gibt die Verfassung der Opposition ein wichtiges Hilfsmittel an die Hand: Sie hat nach Artikel 18 der Landesverfassung das Recht und war in diesem Fall auch verpflichtet, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen.

Die CDU-Fraktion hat deshalb im April 2002 den Antrag gestellt, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Im Ergebnis ist der Landtag diesem Antrag einstimmig gefolgt. Wer aufgrund des einstimmigen Votums des Landtags aber erwartet hätte, dass sich auch die Regierung um die Aufklärung der Sachverhalte bemühen würde, der wurde bitter enttäuscht.

Von den großen Ankündigungen der Landesregierung bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses ist wirklich nichts übrig geblieben. Stets dann, wenn sich der Ausschuss zentralen Fragen näherte, verweigerte die Landesregierung dem Ausschuss die notwendigen Informationen. Zum Beispiel wurde den Obleuten von der Chefin der Staatskanzlei zunächst die Vorlage von Terminkalendern schriftlich zugesagt. Später wurde diese Zusage still und heimlich wieder einkassiert. Ein Gerichtsverfahren wurde damit provoziert und unausweichlich. Wer ein reines Gewissen hat, hat

(Martin Kayenburg)

es nicht nötig, solche Verschleierungstaktiken anzuwenden.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Wenden wir uns nun den Ergebnissen der Untersuchung zu: Die Landesregierung hat sich bislang nicht dazu durchringen können, auch nur einen einzigen Fehler zuzugeben. Die SPD-Fraktion hatte - bisher jedenfalls - einen Fehler ausgemacht: Ein Antrag von Dr. Pröhl sei nicht schnell genug bearbeitet worden. Die Rede von Herrn Neugebauer hat eben allerdings deutlich gemacht, dass er doch noch den einen oder anderen Fehler mehr gesehen hat. So leicht können es sich die Landesregierung und die SPD-Fraktion aber nun wirklich nicht machen. Wer die Auffassung vertritt, es gehe hier nur um die viel zu lange Bearbeitungszeit von Anträgen, der will nicht einsehen, dass die Arbeit der Landesregierung in ihren Strukturen fehlerhaft war und auch immer noch fehlerhaft ist. Wer die begangenen Fehler jetzt nicht einräumt und sich nicht bemüht, sie zukünftig zu verhindern, kann oder will aus diesen gravierenden Vorgängen nichts, aber auch rein gar nichts lernen.

(Beifall bei der CDU)

Die elementare Bedeutung des Vergaberechts wird von der Landesregierung nach wie vor unterschätzt. Das Vergaberecht schützt das Vermögen der öffentlichen Haushalte. Es ist zwingendes Recht und deshalb zwingend zu beachten. Bei der Beschaffung der neuen Soft- und Hardware für die Mittelbewirtschaftung und Kostenrechnung ging es schließlich um zig Millionen DM. Allein die Bewertung der vorhandenen Softwareprodukte hat 300.000 DM gekostet. Ausgerechnet in diesem wichtigen Verfahren, ausgerechnet vom Ministerium für Finanzen und Energie und ausgerechnet unter dem damaligen Minister Möller und dem heutigen Landesvorsitzenden der SPD wurde das Landesvergaberecht nicht nur unverantwortbar verletzt, es wurde massiv gebrochen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb kann auch im Nachhinein nicht mehr eindeutig festgestellt werden, wie das Produkt von SAP als Schlusslicht in der Ursprungsbewertung plötzlich die Nummer eins geworden ist.

(Holger Astrup [SPD]: Man merkt, dass Sie nicht dabei waren!)

Die Verantwortung für die Verletzungen des Vergaberechts kann man nicht nur den damaligen Sachbearbeitern zuschieben. Sie hatten nämlich nur eine ganz kurze und oberflächliche Einweisung in das Vergaberecht erhalten. Es ist das Verschulden des damaligen Ministers Möller, dass er Sachbearbeiter

für die Durchführung dieses Verfahrens eingesetzt hat, von denen er wissen musste, dass sie die notwendigen Qualifikationen für dieses Vergabeverfahren überhaupt nicht besaßen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dafür hatte der damalige Staatssekretär Dr. Lohmann aber die besondere Qualifikation, direkt nach seiner aktiven Laufbahn zu SAP zu wechseln und - so die Feststellung der Staatsanwaltschaft - für das Halten von Kontakten in das Finanzministerium die schier unglaubliche Summe von 385.000 DM zu erhalten.

Interessant ist zum einen, dass die Landesregierung nach wie vor jeden Zusammenhang zwischen den Zahlungen von SAP an Dr. Lohmann und seiner früheren Tätigkeit bestreitet. Interessant ist zum anderen, dass ein Unternehmen 385.000 DM zahlen muss, damit der Kontakt zu Ministerien erhalten bleiben kann. Wenn allerdings bezahlte Türöffner notwendig sind, um den Kontakt zu Ministerien zu halten, dann ist dies natürlich auch eine Form der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Ein Schelm, der Arges dabei denkt!

(Beifall bei der CDU)

Nach dem gleichen Muster wurde es Dr. Pröhl ermöglicht, sich für seine privaten Interessen im Rahmen der geplanten Veräußerung des Kieler Schlosses einzusetzen. Jeder aus der Regierung und der Verwaltung, den der Ausschuss vernommen hat, wusste, dass Dr. Pröhl in die Privatwirtschaft gehen wollte. Jeder? - Nein! Einsam in der Staatskanzlei und weit weg vom Geschehen will nur die Ministerpräsidentin davon nichts mitbekommen haben. Ich frage mich: Wie hätte sie es auch erfahren sollen? Dr. Pröhl war schließlich so unbedeutend, dass er zusammen mit dem Chef der Staatskanzlei Ausritte wagte und zusammen mit der Ministerpräsidentin an ihrem Geburtstag auf Staatskosten in kleinem Kreis speisen durfte. Dementsprechend - sagen wir mal - plausibel haben Sie, Frau Simonis, sich dann ja zu den Vorgängen geäußert.

Manchmal frage ich mich wirklich, ob das Land nicht ein Wörterbuch Simonis-Deutsch/Deutsch-Simonis benötigt. Ich will das weiter begründen. Wenn Sie sagen, „das Wikingerschiff wird an Kappeln verkauft, ich habe es an diesem Abend entschieden“, dann bedeutet das im Ergebnis eigentlich: Das Wikingerschiff wurde Jahre später an die Stadt Kappeln verkauft. Trotzdem war es wichtig, dass wir uns an diesem Abend einmal darüber unterhalten haben.

Wenn Sie sagen, „ich habe den Grund genannt gekriegt, dass es im Gesundheitsinitiativenbereich Ärger geben würde“, wenn die Nebentätigkeit von Dr. Pröhl

(Martin Kayenburg)

nicht untersagt wird, dann meinen Ihre Mitarbeiter dabei eigentlich: Achtung, es gibt Ärger beim Kieler Schloss. Von der Gesundheitsinitiative war nie die Rede.

Wenn Sie sagen, „ich erzähle aus Kabinettssitzungen normalerweise nicht, dennoch mache ich es an dieser Stelle gern“, dann heißt das eigentlich: Ich habe an dieser Kabinettssitzung gar nicht teilgenommen und natürlich auch das Protokoll nicht gelesen. Frau Simonis, zufällig wird von Ihren sprachlichen Irrläufern auch die Person betroffen, die Ihnen als Einzige widerspricht.

Wenn Sie nämlich sagen, Dr. Pröhl habe sich zu Unrecht eine Urlaubsreise nach Katar von der EXPO bezahlen lassen, dann meinen Sie damit eigentlich: Dr. Pröhl ist aus dienstlichen Gründen nach Palästina gereist und die Kostenregelung sei schon in Ordnung gewesen.

Da wundert es mich dann auch nicht mehr, wenn Sie auch über Monate hinweg die Berichterstattung über das Kieler Schloss weder in Ihrer morgendlichen Zeitung und erst recht natürlich nicht im Pressespiegel der Landesregierung verfolgt haben. Bei so vielen Millionenprojekten der Landesregierung in Ihrer Wahlkreisstadt Kiel, da kann man nun wirklich schon einmal den Überblick verlieren.