Protocol of the Session on November 12, 2004

Da wundert es mich dann auch nicht mehr, wenn Sie auch über Monate hinweg die Berichterstattung über das Kieler Schloss weder in Ihrer morgendlichen Zeitung und erst recht natürlich nicht im Pressespiegel der Landesregierung verfolgt haben. Bei so vielen Millionenprojekten der Landesregierung in Ihrer Wahlkreisstadt Kiel, da kann man nun wirklich schon einmal den Überblick verlieren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Nun aber noch einmal ohne Ironie. Es widerspricht zwar jeder Lebenserfahrung, dass ein interessierter Zeitungsleser Ereignisse von einer derartigen Dimension nicht wahrnimmt - aber sei es drum, bei Ihnen war das offenbar anders. Es widerspricht auch jeder politischen Erfahrung, dass ein Abgeordneter der Stadt Kiel Vorgänge in seiner Stadt nicht zur Kenntnis nimmt oder bekommt - aber sei es drum, Sie haben offenbar kein besonderes Interesse an Ihrer Wahlkreisstadt. Es widerspricht zwar jeder verantwortlichen Regierungsausübung, Protokolle von Kabinettssitzungen nicht zu lesen - insbesondere von solchen, an denen man nicht teilgenommen hat -, aber sei es drum, die Zeit Ihrer Regierungsverantwortung geht ohnehin zu Ende.

(Beifall bei CDU und FDP)

Seltsam bleibt es aber auch, dass ausgerechnet bei den Verhandlungen, mit denen Dr. Pröhl seine Zukunft in der Privatwirtschaft sichern wollte, andere Bieter belogen und aus dem Verfahren ausgeschlossen wurden; andere Bieter aufgefordert wurden, erst gar kein Angebot abzugeben; wichtige Unterlagen vernichtet wurden und der privaten Gesellschaft von

Dr. Pröhl der Zuschlag erteilt wurde, noch bevor überhaupt über den Preis verhandelt wurde.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Aber um auf den Anfang zurückzukommen: Nach Ansicht der Landesregierung wurden ja überhaupt keine Fehler gemacht. Fragt sich nur, weshalb der damalige Chef der Staatskanzlei zurückgetreten ist. Als er zurücktrat, waren diese ganzen Fehler nämlich überhaupt noch gar nicht bekannt. Wer trägt denn eigentlich die Verantwortung für diese Fehler?

Jeder, der ein wenig vom Schachspielen versteht, weiß, wenn man den Vertrauten, den Offizier opfert, dann ist Gefahr im Verzuge, dann reicht ein Bauernopfer nicht mehr, dann ist wenigstens die Dame gefährdet.

Nach alledem: Zukünftig wird eine Landesregierung sich anders organisieren und ein wirksames Controlling einführen müssen. Wir werden bei allen Verantwortlichen Sensibilität dafür wecken, dass Mitarbeiter, die den Absprung in die private Wirtschaft suchen, auch an ihre eigenen und nicht nur an die Landesinteressen denken könnten.

Wir begrüßen jede Durchlässigkeit zwischen öffentlichem Dienst und privater Wirtschaft uneingeschränkt. Nur muss den wechselwilligen Landesbediensteten verwehrt werden, sich auf Kosten des Landes während der Dienstzeit für ihre privaten Interessen einzusetzen.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Zukünftig wird ein größeres Augenmerk auf die rechtssichere Anwendung des Vergaberechts gelegt werden müssen. Die korrekte Anwendung des Vergaberechts ist nicht einfach. Die Mitarbeiter müssen geschult werden. Die Vergabeverfahren dürfen nur qualifizierten Mitarbeitern anvertraut werden.

Die Kommunikation zwischen Staatskanzlei und den einzelnen Ministerien werden wir institutionell verbessern. Nur so wird verhindert, dass Landesbedienstete für eigene Zwecke Informationsdefizite zu ihren Gunsten nutzen können.

Die Willensbildung einer Landesregierung und der Verwaltung muss zukünftig - nicht nur im Rahmen eines Vergabeverfahrens durch einen Vergabevermerk - nachvollziehbar dokumentiert werden. Diese Pflicht besteht zwar ohnehin schon lange, aber es wurde innerhalb der Regierung ständig dagegen verstoßen. Wenn in diesen Fällen dann noch der Verdacht der Korruption hinzukommt, muss man über

(Martin Kayenburg)

prüfen, ob die Lücken in der Dokumentation nicht absichtlich geschaffen wurden.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich abschließend zu Frau Simonis sagen: Ein gelegentlicher Blick in die Zeitung oder den Pressespiegel der Landesregierung schadet auch einer Ministerpräsidentin nicht. Sie haben in Ihrer jetzigen Funktion noch 100 Tage Zeit dazu. Nutzen Sie sie, Frau Simonis.

Abschließend möchte ich mich dem Dank des Präsidenten an alle, die im Untersuchungsausschuss mitgewirkt haben, anschließen. Ich glaube, der Ausschuss hat eine gute Arbeit geleistet. Ich danke für die kompetente Unterstützung aus allen Bereichen, insbesondere der Landtagsverwaltung.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 2. Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat zwei Komplexe untersucht: den Komplex Pröhl und den Komplex Lohmann. Ich beginne mit dem Zweiten.

Einst fand ein weißer Umschlag seinen Weg auf meinen Schreibtisch. Darauf stand „Wolfgang Kubicki - persönlich“, mehr nicht. Kein Absender. Darin befand sich ein Stapel Kopien. Es waren Auszüge aus einer Prüfungsmitteilung des Landesrechnungshofes. Es ging um die Beschaffung eines Systems für die Kosten- und Leistungsrechnung und die dezentrale Mittelverwaltung in der Landesverwaltung und darin stand Ungeheuerliches: Die Landesregierung habe den Sachverständigen fehlerhaft ausgewählt, der sie bei der Vergabe unterstützen und beraten solle. Sie habe die Vergabe lücken- und mangelhaft dokumentiert. Sie habe das Vergabeverfahren vermasselt, indem sie erst Anbieter willkürlich ausgewählt und dann aufgrund vergabefremder Kriterien den Zuschlag erteilt habe. Anschließend habe sie den Finanzausschuss falsch informiert und mehrfach gegen das Haushaltsrecht des Landes verstoßen. Der Schaden des Landes betrage mehrere hunderttausend Euro.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat alles bestritten - wie üblich. Der Untersuchungsausschuss sollte klären, wer Recht hat. Das hat er getan. Der Untersuchungsausschuss hat leider keinen der Vorwürfe des Landesrechnungshofes widerlegen können. Sie sind alle wahr.

Beim Vergabeverfahren am Beginn des größten Modernisierungsprojektes der Landesverwaltung hat die Landesregierung eigentlich alles falsch gemacht, was sie bei einem Vergabeverfahren hätte falsch machen können. All dies versucht die Regierungsmehrheit immer noch mit dem Hinweis zu entkräften, sie hätte zum Wohle des Landes handeln wollen, hätte Schleswig- Holstein vor einer Insellösung bewahren wollen und hätte außerdem die beste Software auswählen wollen.

Und nach Ansicht aller Beteiligten von Rot-Grün entbindet allein dieses „Wollen“ die Landesregierung schon davon, das Vergabe- und Haushaltsrecht einzuhalten. Ich weise daraufhin, dass Artikel 1 unseres Grundgesetzes überhaupt keinen Grund vorsieht, wegen dessen die Landesregierung vom geltenden Recht abweichen dürfte - im Gegenteil: Die Bindung der ausführenden Gewalt an das geltende Recht ist in unserer freiheitlichen und demokratischen Rechtsordnung absolut.

(Beifall bei FDP und CDU)

Deshalb, Kollege Neugebauer, sollten Sie vielleicht einmal in sich gehen, was die Formulierung, man habe gegen formale Vorschriften verstoßen, eigentlich sagen soll. Sind formale Vorschriften - zumindest nach Ihrer Auffassung - überflüssig? Alle Vorschriften sind formaler Natur, das Gesetz ist formaler Natur. Deshalb sollten Sie sich daran halten, wie jeder andere Bürger auch.

(Beifall bei FDP und CDU)

Deshalb ist es für die Beurteilung des Sachverhaltes völlig irrelevant, ob das eingekaufte System sich bewähren wird. Das werden wir doch erst erfahren, wenn es eine Zeitlang funktioniert hat. Davon sind wir noch viele Jahre entfernt, denn die Landesverwaltung ist noch lange nicht im geplanten Umfang mit dem System ausgerüstet.

Auch die Staatsanwaltschaft hat sich der Vorgänge um dieses Beschaffungsprojekt angenommen - übrigens auf Betreiben der Landesregierung. Die Staatsanwaltschaft hat gegen entscheidende Beteiligte des Vergabeverfahrens wegen des Verdachtes der Korruption ermittelt. Sie hat das Verfahren eingestellt. Das haben wir zu akzeptieren. Auch dies bestätigt die Ergebnisse des Landesrechnungshofes: Auch der hatte nämlich bei seiner Prüfung keine Anhaltspunkte für Korruption festgestellt.

Aber trotzdem, Frau Gröpel, wenn Sie jetzt so freundlich nicken, ich habe meine Zweifel - und ich verstehe

(Wolfgang Kubicki)

etwas davon -, ob die aktuelle Rechtslage zur Vorteilsannahme und Bestechlichkeit

(Zuruf von der SPD)

- die aktuell geltende, nicht die 1999 geltende Rechtslage! - heute die Staatsanwaltschaft zur gleichen Bewertung führen würde. Es ist aber nicht Aufgabe des Parlamentes, das festzustellen, sondern das ist Aufgabe von Staatsanwaltschaften und Gerichten.

Was bleibt? Was lernen wir aus alledem? Erstens die Erkenntnis: Die rot-grüne Landesregierung ist schlecht organisiert und hat Schwierigkeiten mit dem geltenden Recht und dem Rechtsstaatsprinzip.

(Widerspruch bei der SPD)

Jetzt trotzdem noch zum Untersuchungskomplex A: Dem Leben und Wirken des ehemaligen Angestellten der Staatskanzlei und SPD-Mitglieds Dr. Karl Pröhl. Oder aber auch: Heide allein zu Haus!

Wir haben lange untersucht, viele Zeugen gehört, Akten studiert. Herausgekommen ist dabei vieles, eines allerdings nicht - der wahre Sachverhalt. Es ist aber bestätigt worden, wie stümperhaft die Staatskanzlei mit der Personalie Pröhl umgegangen ist. Allein die Tatsache, dass es die Landesregierung nicht geschafft hat, in diversen Anläufen - fünf Anläufen! - eine ordentliche Kündigung gegen Dr. Pröhl auszusprechen, spricht doch Bände.

Was rechtfertigt eigentlich die hohe Auszeichnung in der Beurteilung - 130 Punkte und mehr - durch diese Staatskanzlei, die nicht einmal in der Lage ist, fünfmal ordentlich zu kündigen?

(Beifall bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion ist Folgendes festzustellen: Erstens. Das Bild, welches sich durch die Untersuchung von der Staatskanzlei und des am Schlossverkauf beteiligten Ministeriums im Ausschuss konkretisiert hat, erinnert an die berühmten drei Affen: den ersten, der nichts sieht, den zweiten, der nichts hört, und den dritten, der nichts sagt.

Viele Warnsignale wurden bewusst oder unbewusst übersehen und haben die Affäre „Pröhl“ überhaupt erst möglich gemacht.

Zweitens. Aus unserer Sicht sind erhebliche Zweifel an den Behauptungen der Ministerpräsidentin gerechtfertigt. Die Lebenswirklichkeit - darauf hat Kollege Kayenburg hingewiesen - widerspricht ihren Aussagen.

Trotzdem gibt es - drittens - keinen handfesten Nachweis, der geeignet wäre, die Einlassungen der Ministerpräsidentin zu widerlegen.

Viertens. Allein der Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Ministerpräsidentin und damit an der Glaubwürdigkeit ihrer Person reicht nicht aus, um ihr Verfehlungen vorzuwerfen. Nun sind wir zwar in der Bewertung der Vorgänge durch das Parlament nicht an die Vorschriften der Strafprozessordnung gebunden, aber wir als FDP glauben, dass wir uns auch in diesem Verfahren von den Regeln und Prinzipien der StPO leiten lassen sollten, was bedeutet, dass wir im Zweifel für und nicht im Zweifel gegen die aus unserer Sicht betroffene Frau Ministerpräsidentin wären.

Ich hätte mir gewünscht - daraus mache ich keinen Hehl und ich habe es auch schon in der Vergangenheit gesagt -, dass uns die CDU im laufenden Verfahren bei dieser Bewertung stärker gefolgt wäre, als sie es getan hat.

Fünftens. Es ist nicht verwunderlich, dass jemand in der Situation des betroffenen Dr. Pröhl das Gefühl haben musste, sein Verhalten werde von oberster Spitze geduldet, wenn nicht gar gebilligt. Zu viele Stellen und Mitarbeiter im Landesdienst wussten frühzeitig über Dr. Pröhls Engagement in Sachen Kieler Schloss Bescheid. Der Staatssekretär Döring hat ja erklärt, er habe ihn immer auf der anderen Seite gesehen, obwohl er doch im Landesdienst beschäftigt gewesen sei.

Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass der Verkauf des Kieler Schlosses an die B & B-Gruppe zielgerichtet betrieben wurde.