Protocol of the Session on November 11, 2004

Foodwatch hat selbstverständlich Recht, die Augen offen zu halten und auf mögliche Gefährdungen im Falle unzulässiger Verwendungen von Tiermehl aufmerksam zu machen. Das ist sogar die Aufgabe der Verbraucherschützer.

Verbraucherschützer haben aber auch eine Verantwortung, die über den Verbraucher hinausgeht. Genau der werden sie mit Panikmache nicht gerecht.

Um der Schlagzeile willen wurden wieder einmal unzählige Verbraucher verunsichert, der Berufsstand der Landwirte undifferenziert kriminalisiert und der Ernährungswirtschaft insgesamt ein Knüppel zwischen die Beine geworfen. Und für SchleswigHolstein - das können wir Gott sei Dank feststellen -

(Günther Hildebrand)

haben sich die schwerwiegenden Unterstellungen ja zum Glück nicht bestätigt

Im Interesse der Verbraucher sollten angesichts der von Foodwatch erhobenen Vorwürfe gleichwohl schnellstmöglich sachliche Informationen auf den Tisch, um Klarheit über eine mögliche Verbrauchergefährdung zu erhalten und mögliche Konsequenzen für Landwirte, Futtermittel- und Ernährungswirtschaft zu erwägen.

Bislang hat es den Anschein, als sollten die Vorwürfe eher die rot-grüne Klientel in Vorwahlkampfzeiten befriedigen. Wieder einmal wird die ernährungspolitische Apokalypse beschworen, die angeblich nur mit rot-grüner Verbraucherpolitik abgewendet werden kann. Aber das ist nicht nur unredlich, damit sollten sie auch vorsichtig sein: Schließlich wird jedenfalls bundesweit - in Schleswig-Holstein sieht das bekanntlich anders aus - Tiermehl auch in Ökobetrieben als Düngemittel eingesetzt.

Vielleicht ist Ministerin Künast deshalb auch auf Bundesebene so zögerlich mit ihrer Antwort, welche Sicherheitsmaßnahmen denn von ihrem Haus getroffen worden seien, um gemeinsam mit den Ländern die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht, Dünger aus Tiermehl zu kennzeichnen, zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, bereits in unserer letzten Agrarausschusssitzung wurden wir durch das Ministerium darüber informiert, dass es zurzeit noch erhebliche Probleme hinsichtlich der Vergällung, also der Kennzeichnung von Tiermehlen gebe. EU-Vorschriften schrieben dieses zwar grundsätzlich vor, in der Praxis gibt es aber noch keine praktikablen Maßnahmen zur Durchführung.

Hier ist doch ganz offensichtlich ein Ansatzpunkt zu suchen. Wir brauchen nicht immer nach mehr und neuen Regelungen zu rufen. Uns wäre schon geholfen, wenn die bestehenden Regelungen auch Anwendung finden würden, und zwar zeitnah.

Möglicherweise hätte das im konkreten Fall einmal mehr als nur wortreiche Bekundungen aus dem Ministerium erfordert. Denn noch immer befindet sich das Vergällungsverfahren in der Erprobung und ein konkreter Zeitpunkt, wann mit seiner Anwendung zu rechnen ist, wird nicht genannt - möglicherweise irgendwann zum Jahreswechsel.

Faktisch regiert aber auch auf diesem Gebiet eine Politik der leeren Kassen. Insofern dürfen wir uns nicht wundern, dass es ein bisschen länger dauern kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns alle einig in der Ablehnung, Tiermehl an Tiere zu verfüttern. Als Düngemittel hat es dagegen durchaus seine fachliche Berechtigung. Alles andere ist ein Spiel mit Emotionen.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Bekanntwerden der BSE-Fälle in Deutschland schlug wie eine Bombe ein. SchleswigHolstein hatte den ersten deutschen BSE-Fall, bis sich herausstellte, dass es eigentlich Bayern war. Nur: Dort hatte man den Fall einfach verschwiegen.

Seitdem ist viel passiert und ich will an dieser Stelle noch einmal an das Engagement der EuropaAbgeordneten Reimer Böge und Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf erinnern, die mitgeholfen haben, dass ein Maßnahmenbündel geschnürt wurde, das Aussicht auf Erfolg - das heißt dereinst einmal wieder BSE-Freiheit - bietet.

Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf sagte zu dem Zeitpunkt ganz schlicht, als er von Journalisten befragt wurde, was die EU hinsichtlich BSE vorhabe: Kühe sollen Gras fressen. Kälber sollen Milch trinken. - Damit war er durch zu dem Thema und stand bundesweit und europaweit mit diesem Zitat in der Presse.

Meine Damen und Herren, das Konzept beruht auf vier Säulen: Kennzeichnung aller Tiere von der Geburt bis zur Fleischtheke; Untersuchung aller Schlachttiere und auch der gefallenen Tiere; striktes Verbot der Verfütterung von Tiermehlen; Beseitigung des so genannten „high risk material“, also der Köpfe, des Nervenmaterials, der Lymphknoten und so weiter.

Dieses Material - Schlachtabfälle, gefallene Tiere et cetera - müssen unschädlich beseitigt werden. Das geschieht durch Verbrennung.

Es gibt auch Tierkörpermaterial, das nicht verbrannt wird, sondern als Dünger verwendet beziehungsweise als Tierfutter für Heimtiere in den Verkehr gebracht werden darf. Das ist Fleisch, das tauglich für den menschlichen Genuss oder lediglich optisch beeinträchtigt ist.

Es wird also nach Risikogruppen unterschiedlich verwendet. Vor diesem Hintergrund musste natürlich

(Detlef Matthiessen)

die Nachricht beunruhigen, als die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch meldete, dass Tiermehldünger verfuttert worden sei. Das war zwar als konkreter Fall nicht bekannt, ließ sich aber aus Stoffstromnachberechnungen nicht anders interpretieren.

Es stellte sich dann jedoch heraus, dass Foodwatch doch falsch gerechnet hatte und wir gehen auch davon aus, dass in Schleswig-Holstein kein Dünger verfüttert wurde. Selbst die vier positiven Proben in Futtermitteln in Schleswig-Holstein von nahezu 2.000 weiteren Proben - es war von Verschleppung die Rede - sind höchstwahrscheinlich auf zufällige Verunreinigungen zurückzuführen oder - op plattdüütsch seggt -: Dor is een Rott mang die Futtermittel doot blieven. Die wurden dann natürlich unschädlich beseitigt.

Um eventuellen Kommentaren vorzubeugen, das heißt, die sind nicht eventuell, sondern die sind prompt von CDU und FDP gekommen und sind auf eine etwas sensationistische Presseberichterstattung zurückzuführen: Die organisierten Bio-Bauern haben in ihren Statuten festgelegt, dass Tiermehle als Dünger nicht zum Einsatz kommen, auch wenn es nach EU-rechtlichen Bestimmungen zulässig wäre. Herr Kollege Hildebrand und Herr Ehlers, Sie hatten sich da geäußert und der Bundesverbraucherschutzministerin unterstellt, sie würde in dem Bereich Kontrolle von Futtermitteln das Ganze etwas lax machen und damit die Verbraucherschaft - zumindest Herr Hildebrand hat das sehr deutlich ausgeführt - einem erhöhtem Risiko auf BSE aussetzen. Erstens ist es so - das habe ich eben erwähnt -, dass die Bio-Bauern das gar nicht wollen, und zum zweiten ist solch eine Unterstellung nur als infam zu bezeichnen. Daran schließt sich nahtlos die gewisse Süffisanz an, die der Kollege Ehlers, Vizepräsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, hier an den Tag legte, dass die BioBauern vielleicht ja doch diejenigen wären, die mit Düngemitteln und so weiter hier Unfug machen könnten.

Die Maßnahmen gegen BSE, gegen den Widerstand von CDU und FDP in verschiedenen Fragen des Lösungskonzeptes - ich erinnere nur: Alter der Tiere von zwei Jahren, ständig bekämpft von der CDU - greifen.

(Zuruf von der FDP: Wie viel haben Sie denn gefunden ab zwei Jahren?)

Wir beobachten einen Rückgang der Fallzahlen, und ich erwarte eine Fortsetzung dieser Entwicklung. Gleichwohl hat die Foodwatch-Initiative gezeigt, dass wir im Bereich Tiermehl als Düngemittel den Stoffstrom nicht lückenlos verfolgen können. Die Ministerin hat das auch ausgeführt. Folglich werden sowohl

im Bundesverbraucherschutzministerium entsprechende Überlegungen angestellt.

(Glocke des Präsidenten)

- Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Es wurden entsprechende Überlegungen angestellt, dies zu ändern, auch im zuständigen Landesministerium. Wir wissen, dass Kontrolle von Stoffströmen immer auch Aufwand für die Verpflichteten bedeutet. Wir sollten dies im Ausschuss noch einmal sorgfältig beraten, um das Problem adäquat und wirtschaftlich zu lösen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zuge der BSE-Diskussion in SchleswigHolstein, aber auch europaweit wurde eines immer wieder deutlich: Solange wir nicht genau wissen, wie sich BSE ausbreitet, müssen wir alles dafür tun, dass das Risiko der Ausbreitung so weit wie möglich minimiert wird. Im Sinne des Verbraucherschutzes und der Ernährungswirtschaft hat dies auch weiterhin Bestand für den SSW. Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft gilt die Verfütterung von Tiermehl als ein möglicher Übertragungsweg des BSE-Erregers.

Daher hat sich der SSW deutlich gegen die Verwendung von Tiermehl als Futtermittel ausgesprochen, aber das tun auch alle anderen Parteien. Wir haben das aber auch getan, weil wir der Auffassung sind, dass die Verwendung von Tiermehl als Futtermittel für Wiederkäuer und andere Nutztiere, auch für Haustiere, ethisch durchaus zweifelhaft ist. Dass wir uns heute mit diesem Thema befassen, ist zwar auf eine Fehlinformation der Organisation Foodwatch zurückzuführen, die auch bundesweit durch die Gazetten gegangen ist, aber letztendlich hat diese Fehlinformation gezeigt, dass wir mehr Informationen und Transparenz über die Verwendung von Tiermehl benötigen. Wir haben uns bereits im Agrarausschuss mit diesem Thema befasst, und ich muss sagen, dass ich die Auffassung der CDU, auf eine öffentliche Debatte zum jetzigen Zeitpunkt zu verzichten, wie es damals der Kollege Hopp angeregt hat, in dieser Angelegenheit eigentlich nicht teile.

Auch wenn die Anschuldigungen von Foodwatch nicht Stand halten, sollten wir offensiv mit diesem Thema umgehen, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine erneute Verunsicherung zu nehmen und um Schaden von der Ernährungswirtschaft

(Lars Harms)

abzuwenden. Ich kann zwar verstehen, dass der Kollege Hopp die Ernährungswirtschaft schützen will, aber unserer Meinung nach macht man dies, indem man offen mit dem Thema umgeht.

Im Agrarausschuss wurde deutlich, dass es drei Kategorien von Tiermehl gibt, erstens so genanntes Risikomaterial, zweitens Material von erkrankten Tieren und drittens Teile aus dem Schlacht- und Zerlegeprozess, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Mit dem Material aus diesen drei Kategorien wird unterschiedlich umgegangen. So wird das Risikomaterial und das Material erkrankter Tiere in Schleswig-Holstein auf jeden Fall verbrannt. Die Restbestände werden dann beispielsweise bei der Zementherstellung zugeführt.

Tiermehl der dritten Kategorie wird sowohl in Biogasanlagen und als Düngemittel eingesetzt. Hier liegt meines Erachtens das Problem. Im Ausschuss wurde deutlich, dass abgekipptes Tiermehl automatisch zu Düngemittel transformiert wird und der Verbleib dann nicht mehr dokumentiert wird. Somit ist derzeit nicht überprüfbar, was an Tiermehl in Düngemitteln im Verkehr ist. Wir können also feststellen, dass es hier eine Lücke gibt, die durchaus die Möglichkeit eröffnet, Tiermehl aus dem staatlichen Kontrollbereich zu entziehen.

Dass es sich hierbei durchaus um ein lohnendes Geschäft handeln könnte, verdeutlichen die Preisunterschiede für Dünge- und Futtermittel, soll heißen, dass mit einer Tonne Futtermittel erheblich mehr Geld zu verdienen als mit einer Tonne Düngemittel. Die Motivation, das schnelle Geld zu machen, auch wenn die Vorgehensweise gegen geltenden Recht verstößt, kann für einige wenige sehr verlockend sein, zumindest besteht diese Gefahr.

Daher müssen wir unbedingt Wege finden, um hier einen Riegel vorzuschieben. Dies könnte durch restriktivere Maßnahmen geschehen, indem die Kontrollen noch wieder verschärft werden verbunden mit noch höheren Strafen. Aber ob dies letztendlich das Problem löst, wage ich zu bezweifeln. Hier sehe ich nicht, wie die Lücke geschlossen werden kann. Daher sind wir der Auffassung, dass die einzige Sicherheit darin liegt, Tiermehl gänzlich aus dem Kreislauf herauszubringen, das heißt, sämtlich Kategorien von Tiermehl sollten der thermischen Verwertung zugeführt werden. Nur so können wir wirklich sicher sein, dass Tiermehl weder als Dünger auf den Feldern und Äckern landet, geschweige denn im Futtertrog. Das sollte unser aller Ziel sein.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenfalls für die Landesregierung erhält jetzt der Herr Minister für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist doch wieder interessant, Klaus Ehlers und Herr Hildebrand, wie bei einer Debatte, wo wir uns im Kern in den Konsequenzen alle einig sind, wo das, was Kollegin Trauernicht beschrieben hat, ja auch von Ihnen im Kern für richtig befunden wird, Sie es trotzdem wieder schaffen, eine Polemik hineinzubringen. Ich will nur noch einmal das unterstreichen, was Willi Malerius und Detlef Matthiessen ausgeführt haben. Es ist so, dass die verbandsgebundenen ökologischen Betriebe in Schleswig-Holstein für sich die Verwendung von Tiermehl als Düngemittel ausgeschlossen haben. Insofern waren eine Reihe von Polemiken an dieser Stelle schlicht überflüssig.

Verehrte Damen und Herren, ich bin erleichtert, dass die Futtermittelüberwachung in Schleswig-Holstein keinen Hinweis darauf gefunden hat, dass wir es mit einer Verfütterung zu tun gehabt hätten oder dass eine konkrete Verbrauchergefährdung stattgefunden hätte. Ich bin mir mit der Verbraucherschutzministerin absolut einig, dass wir die Überwachung des Verfütterungsverbotes und damit auch die Verbrauchersicherheit noch weiter verbessern wollen.

Unsere Kontrolleure in Schleswig-Holstein stehen zur Zeit vor dem Problem, dass sie eben nicht genau erfahren, welche Betriebe Tiermehl einsetzen. Diese Informationslücke zu schließen, ist sicherlich richtig.

Die Rechtsgrundlage dafür muss im Bundesrecht geschaffen werden. Dafür gibt es gangbare Wege. Zum einen gibt es die Möglichkeit, Anzeige-, Dokumentations- und Informationspflichten im Düngemittelrecht festzuschreiben. Denkbar ist auch eine Verankerung solcher Vorschriften unabhängig vom Einsatzzweck des Tiermehls auf der Grundlage des Veterinärrechts. Schon jetzt gibt es Bewegung in Berlin, schon jetzt haben die Bemühungen aus Schleswig-Holstein gefruchtet, und ich möchte deutlich sagen, die haben nicht erst gestern stattgefunden, sondern haben einen wesentlich längeren Vorlauf. Schleswig-Holstein wird in bewährter Art und Weise überprüfen, ob das, was Berlin vorschlägt, richtig ist. Sollte es notwendig sein, werden wir uns nicht scheuen, Nachbesserungen zu fordern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst